Zur MEROE- Kultur Anlass zu dieser Notiz ist ein Film von Dethlev Cordts und Nicola von Opel mit dem irreführenden Titel : "Das Reich der Schwarzen Königinnen", eine NDR-Produktion von 2005, die auch als einzige Dokumentation in Wikipedia zu Meroe hervorgehoben wird. In der Film-Ansage wird von der Existenz eines "MATRIARCHATS" gesprochen, obwohl der Film darauf keinen einzigen Hinweis enthält. Als Interview-Partner treten im Film die Ägyptologen Karl KROEPER (Humbold-Universtität, Berlin), LOEBE (Hannover) und ein mir unbekannter französischer Archäologe auf, der von den drei Experten als einziger von einem "Matriarchat" spricht, wie es die Ansage tut. Dies greift der Kommentar der beiden FilmautorINNEN immer wieder begeistert auf und geht damit weit über das hinaus, was von Kroeper und Loebe gesagt wird: Die beiden Ägyptologen sprechen zutreffend nur von "Matrilinearität" , bestätigen mit keinem Wort, dass sie dort etwa Hinweise auf ein "Matriarchat" , oder dafür gefunden hätten, dass das Meroe-Reich von "schwarzen Königinnen" monarchisch beherrscht worden wäre, wie der Kommentar der Autoren es immer wieder behauptet. Werfen wir einen Blick auf die historischen Fakten: 1) Die sogen. Meroe-Kultur (um die es in dem Film geht) war eine am Nil gelegene Bewässerungs-Kultur , in der Getreide angebaut und Kleinhornvieh gehalten wurde. Sie entwickelte sich ab 280 v.Chr. als Meroe zur Hauptstadt des Reichs der KUSCHITEN aufgestiegen war, deren Reich im Süden Ägyptens ja immer neben dem Pharaonenreich bestanden hatte . Ihre Hochblüte hatte diese MeroeKultur um die Zeitenwende, als Ägypten bereits unter der Herrschaft Roms stand. Etwa 400 nach der Zeitenwende geht die Meroe-Kultur unter und damit auch deren Sprache. Weil die Sprache bis heute nicht gelesen werden kann, können Inschriften nicht entziffert werden. 2) Die Kuschiten waren kaukasische Südwest-Asiaten mit hamito-semitischer Sprache, die als Rinderbauern aus Asien kommend schon zu vor-pharaonischen Zeiten nach Nordafrika eingedrungen waren ("Afro-ASIATEN") und dort später (wie die pharaonischen Ägypter) Stadtstaaten unter ihrer Herrschaft gründeten. Die afrikanische, nicht-weisse, Bevölkerung "Äthiopiens" wurde überlagert und unterworfen. - 2 Schon der frühdynastische Pharao Menes/Aha unternahm Beutezüge nach Kusch. SESOSTRIS III. , Pharao der 12. Dynastie , hatte aus dem im Süden seines Reiches gelegenen "KUSCH", oder "Nubien" , Gold und Schwarze Sklavinnen und Sklaven rauben lassen und Teile jenes Kuschiten-Reichs erobert und dem Pharaonenreich als Provinz eingegliedert. Später kam es immer wieder zu Konflikten mit jenem kuschitischen Reich der "Nubier". Thutmosis, Pharao der 18. Dyn. , setzte die koloniale Ausbeutung fort. Schliesslich waren es aber die , ja mit den Pharaonen stamm-verwandten, Kuschiten, die ab 700 v. Chr. mit dem Kuschiten-König PIJE auch die Herrschaft über das Pharaonenreich übernahmen. (25. Dynastie). Das Kuschitenreich war also kuturell mit Ägypten immer auf das engste verbunden, was im genannten Film nicht ausreichend klar gemacht wird. 3). Im Pantheon der Meroe-Kultur, das zeigt auch der Film, hat sich bis zur Zeitenwende die ägyptische Göttin MUT (mit der Uräus-Schlange) als "Mutter aller Götter" erhalten , ist aber bereits abgewertet zur "Gattin des Amun", jenes ägyptischen WIDDER-Gottes, der in der Meroe-Kultur verehrt wird als "Welt-Schöpfer". Der Amun-Tempel wurde von der Meroe-Kultur um die Zeitenwende errichtet, ist heute 2.000 Jahre alt, wie die Experten mitteilen. Neben AMUN und MUT werden auch die alten ägyptischen Götter ISIS und OSIRIS, sowie der Löwen-Gott APEDEMAKO in Meroe verehrt. Bemerkenswert ist, dass es dieser Löwengott ist , der "dem KÖNIG und seiner Ehefrau, der KANDAKE, die Macht gibt" (so Loebe). 4) Archäologisch gesicherte Wandbilder zeigen , wie der bewaffnete KÖNIG vor dem Gott AMUN steht und hinter ihm, in seinem Schatten, seine Ehefrau, die Königin und KANDAKE, die ebenfalls eine Waffe hält. Die Archäologen sprechen zutreffend immer von "Herrscher und Herrscherin", niemals davon, dass es etwa keinen männlichen Herrscher gegeben hätte, der ja ganz eindeutig der Königin vorgesetzt ist; denn sonst würde er hinter ihr und nicht sie hinter ihm stehen. Die Filmautoren indessen, ficht dieser Tatbestand nicht an: Sie vertreten unbekümmert ihre These vom einem matriarchalen Königtum. Diese Schlussfolgerung ziehen sie aus Darstellungen , auf denen nicht nur der KÖNIG (Amanika Requerem), einen Feind mit dem Schwert erschlägt, sondern auch die königliche Gattin, die "Kandake", die KÖNIGIN, (Amanitore oder Amanishanketo) mit Bogen und Lanze bewaffnet, ebenfalls einen Feind erschlägt. - 3 5) Dies genügt den Autoren , um zu behaupten: Meroe sei eine "von Frauen, den schwarzen Königinnen, geführte Gesellschaft" gewesen, und "Frauen führten die Armee an", beides Aussagen, die im Film durch nichts belegt werden , besonders nicht durch die Aussagen der Wissenschaftler. Hier wird deutlich, dass die Filmautoren zu viele Amazonen-Märchen gelesen haben. Selbst wenn es zeitweilig eine wirklich den Staat regierende Königin gab, , was ja auch im patriarchalen Königtum immer wieder eimal vorkommt, wie z.B. Hatshepsut als Pharao in der 18. Dynastie, ( und was auch bei den Kuschiten immer wieder vorkam, wenn ein männlicher Thronfolger fehlte ), so ändert eine solche Thronfolge nichts daran, dass wir es mit einem patriarchalischen Königtum zu tun haben. Dass auch eine , im patriarchalischen System, ausnahmsweise regierende Königin politisch "Krieg führt" ist ja selbstverständlich. Solche Situationen gab es zuweilen auch in der MeroeKultur: Als 24/25 v.Chr. die damaligen Herrscher Ägyptens, die Römer, Meroe angriffen, war die Königin AMANIRENAS die regierende Monarchin ( so wie es lange zuvor Hatshepsut in Ägypten gewesen war ). Da die Kuschiten-Streitkräfte den römischen Angriff zurückschlagen konnten, liess die Königin, wie üblich, ihren grossen Sieg feiern. Die Propaganda-Künstler werden also auch dies symbolisch im Bild darstellen, und die Königin als siegreiche Kämpferin verewigen, um die Stärke des Staates dem Volk vor Augen zu führen. Dafür , indessen, dass jemals eine regierende Königin selbst, hoch zu Ross, oder davor auf dem Streitwagen, in die Schlacht gezogen sei, gibt es nirgendwo einen einzigen historischen Hinweis oder auch nur Anhaltspunkt. Nicola von Opel scheint also hier ihre Sehnsucht zu bedienen nach der soldatischen Frau , die genau so gut töten kann, wie die Männer. Deswegen passt es nicht in ihr Bild, dass es der König ist, der Amun gegenüber steht und nicht die Königin. Es wäre doch zu schön, wenn sie als "FeldherrIN" der Armee voran sich in die Schlacht gestürzt und eigenhändig die feindlichen Männer erschlagen hätte. Auch dass die meisten Meroe-Könige, nach dem Begründer ARKAMANI ( ERGAMENES, 280 v.Chr.) , Männer waren, wird geflissentlich verschwiegen. 6) Was von den interviewten Wissenschaftlern hervorgehoben und auch zutreffend ist, ist nur folgendes : Die Matrilinearität der Thronfolge blieb auch in der Meroe-Kultur als wichtiges Abstammungsmerkmal erhalten, ganz nach den Regeln des alten - 4 Kuschiten-Reiches, wie auch des frühen Pharaonenreiches. (Das ISIS-Modell). Dies verleiht der "Mutter des Königs" , der Kandake , die ja auch die Gattin des jeweiligen Königs ist, eine dynastisch und damit sozial bedeutende Stellung. Für einen König genügt es nicht, einen Vater aus königlichem Geblüt zu haben, sondern sein Thronerbrecht ist davon abhängig, dass auch seine Mutter die königliche Blutlinie verkörpert: Sie muss die Tochter einer Königin und eines Königs sein. Solche "KÖNIGS-Mütter" wurden ja nicht nur im Reich der Kuschiten-Könige und der Pharaonen hoch geachtet, verehrt und erhielten ein pompöses Staats-Begräbnis, sondern allgemein: Die Mutter des Königs Gilgamesh von Uruk wurde vergöttlicht als NIN.SUN , und die TAWANANNA, die "Königs-Mutter" der patriarchalischen Könige der Hethiter, war auch die "Hohepriesterin" des Tempelwesens, und hatte damit grosses politisches Gewicht. Sie war , um es so zu formulieren, die "Mutter des Staates" , weil es ihr Sohn war, dem sie als angetraute EHE-Frau des Königs , das Recht auf die Königs-Herrschaft angeboren hatte. Es waren ja bereits die makedonischen Pharaonen, die Ptolemäer, die dies ursprüngliche , matrilinear hergeleitet , Thronfolgerecht der Pharaonen , zusammen mit dem königlichen Geschwister-Inzest, wieder etabliert hatten, und im Kuschitenreich hatte es immer weiter gegolten, dort sogar verbunden mit der traditionellen kollateralen Erbfolge. (Dies ist ja das Thema des mythographierten "Thronfolge-Prozess zwischen Horus und Seth, weil nach dem kollateralen Erbrecht Seth den Erbanspruch auf den Thron seines verstorbenen Bruders Osiris gehabt hätte und nicht der Osiris-Sohn Horus).) So ist es zu erklären, dass auch die post-ptolemäische, Meroe-Kultur dies traditionelle Denken der ihr vorangegangenen Kuschiten-Herrscher beibehielt. Mit einem "matriarchalen Königtum", in welchem die Königin die wahre Monarchin ist, die Herrschaft über den Staat und das Militär ausübt, während der König als eine Art "Prinzgemahl" daneben steht, hat all dies nicht das Geringste zu tun. Historische Desinformation. Gerhard Bott * *Die Erfindung der Götter. Essays zur politischen Theologie. ISBN 978-3-8370-3272-7 vgl. ferner in diesem Blog: Das Thronerbrecht der Pharaonen ; Das Thronerbrecht der Hethiter . "Sakrales" Königtum in Afrika ?