Ein Rennrad ist ein Rennrad, wenn es leicht läuft

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PREISWERTE RENNRÄDER
Ein Rennrad ist ein Rennrad, wenn
es leicht läuft, wenig wiegt und edel
aussieht. Fragt sich nur: Was muss
es mindestens kosten, damit es diese Eigenschaften erfüllt? Früher
galten 1.000 Mark als absolute Untergrenze. Sind daraus angesichts
überall steigender Preise inzwischen still und heimlich 1.000 Euro
geworden? Oder reichen 500 Euro
auch heute noch als Einstiegspreis
ins sportliche Rennradvergnügen?
TOUR hat exemplarisch drei Rennräder zu 499 Euro, 799 Euro und
999 Euro getestet und klärt, wieviel
Rad man fürs Geld bekommt
SPAR
FAHR
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GEISSLER
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PREISWERTE RENNRÄDER
»Viele Kunden, die sich für ein Rennrad interessieren,
schreckt ein Preis von knapp 1.000 Euro ab.«
Stefan Kleinschmidt, Bicycles
BOCAS ROUBAIX
DAS KONZEPT DES HERSTELLERS: Technische Vorgaben standen
bei der Entwicklung des Bocas „Roubaix“ nicht im Vordergrund. Wichtig
war der günstige Preis als Argument für Leute, die das Rennrad als Sportgerät einmal ausprobieren wollen. „Wir wollen Leute ansprechen, die
durch Tour de France oder HEW Cyclassics spontan inspiriert sind“, sagt
Stefan Kleinschmidt vom Anbieter Bicycles, der die Marke Bocas in 16
Shops und B.O.C.-Märkten überwiegend in Norddeutschland vertreibt.
Deshalb durfte das Rad nicht teurer als 499 Euro werden. Kleinschmidt
stellte fest, dass schon 1.000 Euro viele Einsteiger abschrecken. „Unsere Idee war es deshalb, den Preis unterhalb der psychologischen Grenze
von umgerechnet tausend Mark zu lassen.“
Die Schaltbremshebel
Zwischen Reifen und Bremssteg passt
arbeiten zuverlässig und mit
locker ein Schutzblech. Die Bremsen sind
wenig Widerstand
der Schwachpunkt des Rades
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DAS RAD IM URTEIL: Räder, die das Zehnfache des Roubaix kosten, sind keine Seltenheit im TOUR-Test. Insofern war es auch für
die Tester interessant zu erfahren, ob ein so preiswertes
Rad vergleichbaren Fahrspaß vermitteln kann. Die sportliche
Rahmengeometrie ist durchaus dazu angetan – aber sie zielt an
der avisierten Käufergruppe vorbei. Das Oberrohr ist zwei Zentimeter länger als der Rahmen hoch. Das führt dazu, dass der Sattel
sehr deutlich über dem Niveau des Lenkers thront und den
Radler in eine gestreckte Position zwingt; genau das
aber macht Rennrad-Anfängern, die bisher bequem
auf ihrem Stadtrad pedalierten, die Gewöhnung
an das schnittige Gefährt schwer. Man kann zwar
den Vorbau umdrehen, wodurch der Lenker weiter nach oben käme – aber dafür haben die Monteure den Bremszug zu kurz abgeschnitten.
An der Fahrstabilität gibt es nichts zu mäkeln:
Aluminium-Rahmen und Stahlgabel sind zusammen fast drei Kilo schwer und sehr steif – das
Rad verkraftet auch schwere und große Fahrer. Anfängerfreundlich ist der große Übersetzungsbereich der Antriebsgruppe „Sora“ von Shimano. Mit
acht Ritzeln hinten und einem Dreifach-Kettenblatt vorne
kommen auch untrainierte Fahrer über die Berge. Die Schaltung
funktioniert bei richtiger Einstellung einwandfrei. Schwachpunkt und
Konsequenz des Kampfpreises sind die Bremsen, die nicht vom Markenhersteller stammen. Einfache Materialien, simple Lager und
schwergängige Züge lassen sie träge reagieren; die langen Bremsarme
verwinden sich sichtbar, wenn
Bezug: Bicycles Räder AG
man fest an den Hebeln zieht.
Telefon: 01 80/5 24 29 25
Die Laufräder drehen sich um
einfach gelagerte und gedichtewww: bicycles.de
te Naben, die Speichen knackRahmenhöhen: 53, 56, 58, 61
ten beim Testrad hörbar. Das
MESSWERTE
passiert, wenn man beim Bau
Gewicht Rahmen/Gabel:
der Laufräder die späteren Set2.034/788 Gramm
zungsbewegungen nicht durch
Gesamtgewicht: 11,0 Kilo
das so genannte „Abdrücken“
Steifigkeit Lenkkopf/Tretlager:
vorweg nimmt – was Zeit und da109/111 Nm/Grad
mit Geld kostet. Das Rad ist gut
Seitensteifigkeit Gabel:
verarbeitet, der Lack könnte et65 Nm/Grad
was haltbarer sein. Gewinde in
AUSSTATTUNG
Ausfallenden und Sitzstreben
Gabel: Aprebic C3, Ganzstahl;
vereinfachen die Montage von
1-Zoll-Schaft
Schutzblechen.
Antriebsgruppe:
FAZIT: Aufgrund der sportlichen
Shimano 2200/- Sora 3x8
Sitzposition weniger für AnfänNaben, Speichen, Reifen:
ger als für Rennradler mit schmaFormula Alu, Jalco DRX 2000,
ler Börse geeignet. Bessere MonKenda Nylon 25c
tage und höherwertige Bremsen
Vorbau/Lenker: Custom
würden das Rad deutlich aufwerAlu/Custom Alu
ten – vermutlich aber den KampfSattel/-stütze: 2-Danger
preis sprengen. Gegen RahmenRaco/Kalloy
bruch gibt es zehn Jahre Garantie.
„Cube steht mit seinem Namen für Preis-Leistung. Die Leistung darf aber
nicht leiden zugunsten eines attraktiveren Preises!“
Claus Wachsmann, Cube
CUBE PELOTON
DAS KONZEPT DES HERSTELLERS: Claus Wachsmann von Cube ist
überzeugt: „Unter 999 Euro fragt bei uns keiner nach einem Rennrad.“
Ein technisches Mindestniveau wollen die Franken auch nicht unter-
Shimanos schwarze
105-Griffe sehen edel
aus, schalten und
bremsen auf hohem
Niveau (links). Der
Steuerrohrbereich
ist harmonisch
geformt, die Verarbeitung gut, die Pulverschicht haltbar
schreiten, so dass die Zielrichtung
klar war. Rahmen und Gabel solBezug: Pending System GmbH
len fahrstabil sein, aber nicht mehr
& Co.
als 2,5 Kilo wiegen. Robust soll der
Telefon: 0 92 31/9 70 07 80
Rahmen dank Pulverbeschichwww: cube-bikes.de
tung sein und trendig durch die CarRahmenhöhen:
50, 53, 56, 58, 60, 62, 64
bon-Gabel. Wert legt man bei Cube
MESSWERTE
auf hochwertige Komponenten
Gewicht Rahmen/Gabel:
auch an weniger beachte1.848/583 Gramm
ten Stellen. Teile wie
Gesamtgewicht: 9,9 Kilo
Speichen, Nippel,
Steifigkeit Lenkkopf/Tretlager:
Ketten und Zahn108/115 Nm/Grad
kränze sollen in
Seitensteifigkeit Gabel:
der Qualität nicht
55 Nm/Grad
abfallen. „Die
AUSSTATTUNG
Kunden, die wir
Gabel: Aprebic, Alu-Schaft/
ansprechen, sind
Carbon-Scheiden, 1-1/8 Zoll
sportliche RennAntriebsgruppe: Shimano
rad-Einsteiger und
105/Tiagra 3x9
Mountainbiker, die
Naben, Felgen, Reifen:
auch auf der Straße traiShimano 105, Mavic CXP 22,
nieren “, sagt Wachsmann.
Schwalbe Stelvio
DAS RAD IM URTEIL: RennradVorbau/Lenker: Deda Nero
Feeling beim ersten Tritt. Selbst
Sattel/-stütze: Selle Italia
schwere Fahrer fühlen sich mit dem
Trimatic 2/Scape
fahrstabilen Rahmen-Set sicher auf
kurvenreicher Abfahrt. Die Rahmengeometrie ist neutral: Das Oberrohr ist so lang wie der Rahmen hoch – auf
dieser Basis finden viele verschiedene Fahrer ihre Position. Neutrale Lenkeigenschaften machen den Renner auch für Anfänger leicht beherrschbar.
Mit der fast kompletten Mittelklasse-Gruppe 105 von Shimano schaltet
man bereits auf hohem Niveau. Dagegen fallen Kurbelgarnitur und Bremsen aus der nachrangigen Tiagra-Gruppe bei Gewicht und Funktion etwas
ab. Gut fanden wir den komfortablen Sattel, die Klemmung der Sattelstütze und die zuverlässige Vorbau-Lenker-Kombination.
FAZIT: Schon Mittelklasse, wenn auch mit 9,9 Kilo etwas schwer.
Verarbeitung und Ausstattung garantieren reichlich Fahrspaß. Fünf Jahre
Garantie ohne Rennausschluss sind ein fairer Zug.
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PREISWERTE RENNRÄDER
»Beim Jan Ullrich lautet der Mindestanspruch: Bewährter
Rahmen mit Pulverlack und lupenrein verbaute Gruppe.«
Peter Siegfried, P&A Radsport Handels GmbH
JAN ULLRICH VUELTA
DAS KONZEPT DES HERSTELLERS: Jan-Ullrich-Räder sollen zuver-
lässig sein. Deshalb wählt Peter Siegfried, Chef der P&A Radsport Handels GmbH aus Göggingen, Teile nur von zuverlässigen Lieferanten.
Schon das preiswerteste Modell „Vuelta Xenon“ gibt es mit pulverbeschichtetem Rahmen und lupenrein
verbauter Antriebsgruppe, entweder
von Campagnolo
oder Shimano. Die
Montage von Teilen
einer Gruppe, sagt
Siegfried,
gehe
schneller als die
Kombination mehrere No-Name-Produkte: „Die ZeiterKnackig gut funktioDer Jan-Ullrich-Rahmen
sparnis hilft den
niert Campas Xenonist sauber verarbeitet, der
Preis zu senken.“
Bremsschalthebel
Pulverlack sehr haltbar
Das Vuelta sei ein
Rennrad für 799 Euro, mit dem man
sorglos viele Kilometer abspulen
Bezug: P&A Radsport
kann. Nach dem Baukastenprinzip
Handels GmbH
kann man das Rad für mehr Geld
Telefon: 0 71 75/99 80 2-0
höherwertig ausstatten lassen.
www: jan-ullrich-bikes.de
DAS RAD IM URTEIL: Das Vuelta
Rahmenhöhen: 44, 47, 50, 52,
ist farblich schön abgestimmt und
54, 56, 58, 60, 62 (alle Sloping)
wirkt daher wie aus einem
MESSWERTE
Guss. Der Pulverlack sitzt
Gewicht Rahmen/Gabel:
sauber auf den dicken
2.005/816 Gramm
Rahmenrohren und
Gesamtgewicht: 10,5 Kilo
feingeschuppten
Steifigkeit Lenkkopf/Tretlager:
Schweißnähten
113/123 Nm/Grad
und schützt sie zuSeitensteifigkeit Gabel:
verlässig vor Korro76 Nm/Grad
sion. Die schwarze
AUSSTATTUNG
Gabel mit StahlGabel: Aprebic, Stahlschaft und Alu-ScheiSchaft/Alu-Scheiden, 1-1/8 Zoll
den geht harmonisch
Antriebsgruppe:
ins Steuerrohr über. Auch
Campagnolo Xenon 3x9
Rahmendetails wie die AusfallNabe, Felgen, Reifen: Campa
enden sind liebevoller gemacht als
Xenon, Ambrosio Evolution,
sonst üblich in dieser Klasse. Das VerVittoria Rubino
hältnis von Oberrohrlänge zu RahVorbau/Lenker: 3TThe/3TThe
menhöhe ist klassisch eins zu eins,
Sattel/-stütze: Selle Italia
das Fahrverhalten ausgewogen. Vom
Trimatic 2/X-Tacy
Bremsschaltgriff bis zur Kette ist komplett Campagnolos Xenon-Gruppe verbaut, deren schwarze Lackierung
die Carbon-Optik der Top-Gruppe Record nachahmt. Die Campa-Bremsen verzögern besser als die der Testkonkurrenz, die Schaltung arbeitet
jedoch etwas weniger geschmeidig. Wichtig für Anfänger: Drei Kettenblätter vorne bieten an steilen Anstiegen Übersetzungsreserven. Die
Laufräder sind solide gemacht: Um die Xenon-Nabe drehen sich 32 Speichen und eine hochwertige Ambrosio-Felge, hinten kreist ein NeunfachRitzel. Nicht gefallen hat uns die Lenker-Vorbau-Kombination von 3T. Bei
korrekt angezogenen Schrauben verdrehte sich der Lenker im Vorbau. In
Sachen Fahrstabilität gibt’s nichts zu meckern. Mit steifem Rahmen folgt
das Vuelta in jeder Situation dem eingeschlagenen Kurs des Fahrers.
FAZIT : Blauer Hingucker mit gut verarbeitetem Rahmen, schönen
Detaillösungen und problemlos funktionierenden Komponenten. Eine
Herstellergarantie über die gesetzliche Gewährleistung hinaus würde
beim Kunden noch mehr Vertrauen wecken.
KURZ & KNAPP
Unter der 1.000-Euro-Marke spürt man jeden eingesparten Euro vor allem bei der Ausstattung –
deutlich stärker als bei Preissprüngen in höheren
Kategorien. Glänzt am teuersten Testrad von Cube
fast ausschließlich die für die Preisklasse hochwertige und langlebige 105er-Gruppe von Shimano, reicht es beim halb so teuren Rad von Bocas
nicht mal zur kompletten Einsteiger-Gruppe Sora
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von Shimano – und billige Fremdteile wie in diesem Fall die Bremsen schlagen gleich auf den Gesamteindruck durch. Wer das nicht möchte, muss
in der Preisklasse des Jan Ullrich „Vuelta“ einsteigen: hier gibt’s bereits Campagnolos komplette
Einsteiger-Gruppe Xenon. Insgesamt sind alle drei
Räder ordentlich gemacht, bieten fahrstabile Rahmen und im Neuzustand problemlos funktionierenden Komponenten. Dass sie zwischen zehn
und elf Kilo wiegen, muss man bei diesen Preisen
hinnehmen, dafür helfen Dreifach-Kettenblätter
über die Berge. Zum Schnuppern am RennradSport genügen 499 Euro; für 300 Euro mehr erhält
man einen schöner verarbeiteten Rahmen und
deutlich bessere Bremsen. Wer langfristig Spaß
haben will und gleich viele tausend Trainingskilometer im Visier hat, für den ist das 999 Euro teure
„Peloton“ von Cube eine gute Wahl.
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