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Erstattung
★
Für Medizinprodukte öffnen sich in Deutschland unterschiedliche Wege in die
Erstattung – entweder auf dem ersten oder auf dem zweiten
Gesundheitsmarkt. Die aktuelle Vergütungs- und Honorierungssystematik im
Bereich von Medizinprodukten zeigt eine gewisse Analogie zum ArzneimittelBereich, sodass bestimmte Strategien auf den Medizinprodukte-Bereich
übertragen werden können.
Der Weg auf den Gesundheitsmarkt
Medizinprodukte in Europa auf
den Gesundheitsmarkt zu
bringen, stellt die Hersteller vor
eine zweifache
Herausforderung. Die erste
Stufe besteht darin, die CEZertifizierung zu erlangen, die
dem Medizinprodukt die
Grundsäulen des Marktzugangs
allgemeine Verkehrsfähigkeit
Quelle: Eigene Abbildung
attestiert. In der zweiten Stufe
geht es um die Frage, ob das
Medizinprodukt in die
sogenannte Regelfinanzierung, also in den Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung (erster Gesundheitsmarkt) kommt, oder aber im privaten
Gesundheitsbereich, auf dem sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt, refinanziert
werden soll.
Marktzulassung als notwendige Voraussetzung
Bei der Regelung des
Marktzutritts von
Medizinprodukten nimmt der
Staat eine Ordnungsfunktion
wahr und gewährleistet eine
„Mindestsicherheit“ (primum non
nocere). Dies betrifft sowohl
Arzneimittel als auch
Medizinprodukte. Dabei
Alternative Finanzierungsmodelle – ein Überblick
unterscheiden sich die jeweiligen
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Ulrich
unterscheiden sich die jeweiligen
Zulassungsregelungen jedoch
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Ulrich
(2012) sowie Akhmetov et. al. (2015)
sehr deutlich. Im Gegensatz zu
Arzneimitteln wird die
bestimmungsgemäße Hauptwirkung von Medizinprodukten im oder am
menschlichen Körper weder durch pharmakologische noch durch metabolische
Wirkung erreicht. Während Arzneimittel als weitgehend abgrenzbares „Produkt“
wirken, spielen beim Medizinprodukt die Art der Anwendung, das Know-how des
anwendenden Arztes und die Anwendungstreue des Patienten in die Wirkweise mit
hinein. Zudem können Medizinprodukte die Wirkung von Arzneimitteln unterstützen.
Arzneimittel werden je nach Innovationsgrad als Generika mit einem Festpreis
versehen oder können – wenn sie einen Zusatznutzen gegenüber anderen, bereits
auf dem Markt befindlichen Präparaten aufweisen – mit einem eigenen
Erstattungspreis ausgestattet werden. Bei Medizinprodukten hängt der Preis davon
ab, ob sie als eigenständiges Produkt oder als Teil einer medizinischen Prozedur zur
Anwendung kommen sollen.
Überblick über institutionelle Regelungen zum Marktzugang Deutschland
Zulassungsentscheidung
Finanzierungsentscheidung
Medizinprodukte
Zulassung abhängig vom
Aufnahme in das
(direct to
Gefährdungspotenzial des
Hilfsmittelverzeichnis des GKV-
consumer)
Medizinproduktes durch
Spitzenverbandes.
Benannte Stellen
Zuständig: GKV-Spitzenverband
Grundlage: SGB V
Medizinprodukte
Zulassung abhängig vom
Für die Verwendung von
als Bestandteil
Gefährdungspotenzial des
Medizinprodukten in der
medizinischer
Medizinproduktes durch
ambulanten Versorgung gilt das
Prozeduren
Benannte Stellen
Verbot mit
Genehmigungsvorbehalt.
Bei stationärer Behandlung gilt:
Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt,
das heißt beim G-BA muss ein
Beratungsantrag gestellt werden.
Zuständig: Gemeinsamer
Bundesausschuss (G-BA). Eine
Erprobung von Methoden mit
Potenzial ist möglich
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Gibis et. al. (2014), S. 62 f.
Finanzierung als Teil einer institutionellen Risikoteilung
Das CE-Zertifikat als
Marktzugangsvoraussetzung
bescheinigt dem Produkt
Sicherheit und
Leistungsfähigkeit. Welche Form
der Erstattung der Hersteller
anstrebt, hat damit nichts zu tun.
Diese Frage hängt vielmehr
davon ab, welche „Risikoteilung“
in einem Gesundheitssystem
zwischen Versicherten,
Versicherung bzw. dem Staat
„Risikoteilung“ in ausgesuchten Gesundheitssystemen
Quelle: Eigene Abbildung nach Eurostat
(http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/setupDownloads.do),
Abfrage vom 1. November 2016
besteht. In den Ländern der
OECD herrschen vier
Finanzierungsformen für Gesundheitssysteme vor, die vom jeweiligen nationalen
institutionellen Rahmen abhängig sind:
Finanzierung durch allgemeine Steuern
Finanzierung durch Beiträge (eher versicherungsbasierte Gesundheitssysteme)
Finanzierung durch Privatversicherungen
Finanzierung durch den Patienten (out-of-pocket)
Der Großteil der Gesundheitsleistungen wird in Deutschland auf dem ersten
Gesundheitsmarkt erbracht und von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
vergütet. Private Krankenversicherungen sind ebenfalls als Teil des ersten
Gesundheitsmarktes zu betrachten. „Out-of-pocket“-Zahlungen hingegen gehören
zum zweiten Gesundheitsmarkt.
Erstattung und Regulatory Affairs
Die Zuordnung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in den Erstattungsrahmen
ist in den einzelnen Gesundheitssystemen unterschiedlich klar geregelt. Für
Arzneimittel gibt es in den meisten Ländern – auch in Deutschland – drei Kategorien:
Finanzierung für patentgestützte Arzneimittel, Finanzierung von Generika sowie
Finanzierung von Arzneimittel für seltene Erkrankungen (orphan drugs).
Bei Medizinprodukten ist die Kategorisierung – ob der weitgehend indirekten
Wirkung im diagnostischen wie therapeutischen Kontext – heterogener. Der
Hersteller muss ganz klar abwägen, wo er sich die größten Chancen auf eine
Refinanzierung des Produktes ausrechnet.
Der Großteil der Gesundheitsleistungen wird in Deutschland auf dem ersten
Gesundheitsmarkt erbracht und von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
vergütet. Private Krankenversicherungen sind ebenfalls als Teil des ersten
Gesundheitsmarktes zu betrachten. „Out-of-pocket“-Zahlungen hingegen gehören
zum zweiten Gesundheitsmarkt.
Alternative Erstattungsmöglichkeiten – ein Überblick
Auf internationaler Ebene werden Arzneimittel und Medizinprodukte ganz
unterschiedlich erstattet. Vor allem bei Medizinprodukten, die direkt am Patienten
ansetzen (direct to consumer), sind unterschiedliche Finanzierungsformen – sowohl
auf dem ersten als auch auf dem zweiten Gesundheitsmarkt – möglich. Hilfsmittel
sind grundsätzlich dann im ersten Gesundheitsmarkt erstattungsfähig, wenn diese
vorher im Hilfsmittelverzeichnis gelistet worden sind. Die Aufnahme ins
Hilfsmittelverzeichnis stellt zwar keine Verordnungsgarantie dar, hat aber eine
marktlenkende Wirkung. Auf Antrag eines Herstellers kann ein Medizinprodukt in
das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden. Im Bereich der Pflegeversicherung
spricht man vom Pflegehilfsmittelverzeichnis. Die Honorierung von Hilfsmitteln im
Bereich der GKV vollzieht sich zu einem großen Teil über definierte Festbeträge,
etwa bei Einlagen oder Hörhilfen, die dann durch individuelle Verträge der
Krankenversicherungen mit einzelnen Leistungserbringern konkretisiert werden. Die
Festbeträge stellen eine Art Höchstpreis pro Hilfsmittel dar. Festbeträge setzen in
gewisser Analogie zur Festbetragsregelung bei Generika eine Vergleichbarkeit des
Leistungsanspruchs voraus. Hilfsmittel, die in Form einer individuellen
Gesundheitsleistung angewendet werden und dann Teil des zweiten
Gesundheitsmarktes sind, sind regulär gemäß der für alle Ärzte gültigen
Honorarordnung (GOÄ) abzurechnen. Auch Medizinprodukte, die Teil einer
medizinischen Prozedur sind, können über verschiedene Erstattungswege vergütet
werden – etwa über Diagnosis Related Groups (DRGs) im stationären Bereich oder
den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) im ambulanten Bereich. Ist die
Prozedur noch nicht über eine DRG abgebildet, kann eine alternative
Vergütungsregelung angestrebt werden, etwa im Rahmen eines Antrags auf
Anerkennung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB).
Neben diesen in Deutschland
institutionell vorgesehenen
Methoden gibt es sowohl in der
Literatur als auch in der
internationalen Praxis alternative
Erstattungswege, bei denen
Medizinprodukte als Teil einer
diagnostisch-therapeutischen
Leistung mithonoriert werden.
Bedeutung der Honorierungsregelungen und
Risikoverteilung
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung
Charlesworth et. al. (2012) sowie Miller (2009)
Vor diesem Hintergrund
gewinnen Konzepte, in denen Hersteller ihr Medizinprodukt eingebunden in ein
umfassendes Dienstleistungspaket auf den Markt bringen, zunehmend an
Bedeutung. Unter Umständen können Hersteller sich an innovativen
Vergütungsregelungen im Bereich der pharmazeutischen Industrie orientieren, die
sich gerade im Hinblick auf den Einsatz personalisierter Medizin herauskristallisieren.
Hier gewinnen verhandlungsbasierte Vergütungsregelungen, die das
Medizinprodukt als Teil eines Versorgungsmodells sehen, an Bedeutung.
Literaturnachweise
Akhmetov, I.; Ramaswamy, R.; Akhmetov, I.; Thimmaraju, P. (2015): Market Access
Advancements and Challenges in “Drug-Companion Diagnostic Test” CoDevelopment in Europe, in: Journal of Personalized Medicine 5: 213-228.
Charlesworth, A.; Davies, A.; Dixon, J. (2012): Reforming payment for health care in
Europe to achieve better value, nuffieldtrust, Research report,
www.nuffieldtrust.org.uk/euro-summit/2012.
Gibis, B.; Großelfinger, R.; Gurtner, F., Kaiser, T.; Perleth, M.; Wild, C., Schiffner, R.;
Züllig, M. (2014): HTA und Entscheidungsfindung: Regulation von Technologien, in:
Perleth, M.; Busse, R.; Gerhardus, A.; Gibis, B; Lühmann, D.; Zentner, A. (Hrsg.): Health
Technology Assessment, 2. aktualisierte Auflage, Berlin, S. 58-89.
Miller, H. (2009): From Volume to Value: Better ways to pay for health care, in:
Health Affairs 28 (5): 1418-1428.
Stabile, M. and Thomson, S. (2014): The Changing Role of Government in Financing
Health Care: An International Perspective, in: Journal of Economic Literature 52 (2):
480-518.
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