Wir hoch sind die Risiken in Deutschland?

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Südwestrundfunk
Impuls
Aufnahme: 10.10.2014
Sendung: 10.10.2014
Dauer:
05’30
Autor:
Mirko Smiljanic
Redaktion: Rainer Hannes
Ebola
Wir hoch sind die Risiken in Deutschland?
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Moderation
Das Ebola-Virus hat Europa erreicht. Spanische Behörden gaben gestern
bekannt, wie sich eine Krankenschwester mit dem tödlichen Erreger angesteckt
haben könnte: Beim Ablegen ihrer Schutzkleidung habe sie ihr Gesicht
unbeabsichtigt mit einem Ebola-kontaminierten Arbeitshandschuh berührt. Eine
fatale Panne, die so mit hoher Wahrscheinlichkeit in den deutschen EbolaBehandlungszentren nicht passieren könnte, beteuern Ärzte. Aber stimmt das?
Außerdem: Was passiert, wenn über welchen Weg auch immer Ebola-Patienten
in größerer Zahl nach Deutschland kommen? Sind die Gesundheitsbehörden
darauf ausreichend vorbereitet? Mirko Smiljanic hat nachgefragt.
Es gibt in diesen Tagen nur wenige medizinische Websites, die häufiger
angeklickt werden, als www.stakob.de. Der „Ständige Arbeitskreis der
Kompetenz- und Behandlungszentren für hochkontagiöse und lebensbedrohliche
Erkrankungen“ des Robert-Koch-Instituts informiert darauf, wohin Menschen
gebracht werden, die entweder gesichert an Ebola erkrankt sind oder
wahrscheinlich Träger des Ebola-Virus sind. Sieben Behandlungszentren,
verteilt über die gesamte Republik, sind aufgelistet: Hamburg, Berlin,
Düsseldorf, Leipzig, Frankfurt am Main, München und Stuttgart. 50 Betten
stehen in den extrem gesicherten Quarantänestationen zur Verfügung, besonders
geschultes Personal kümmert sich um die Kranken. Also alles gut? Diese Frage
lässt sich nicht eindeutig beantworten, denn es bestehen verschiedene Risiken.
Da ist zunächst die Zahl der Betten: Reichen 50 für eine Seuche, an der zurzeit
Tausende sterben?
Das weiß heute niemand, ob das reichen wird,…
…Professor Oliver Cornely, Infektiologe am Universitätsklinikum Köln,…
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…50 Betten sind zu der Relation der Anzahl der Patienten in Afrika nichts, aber
zu der Relation zu den zwei Patienten, die bislang in Deutschland behandelt
worden sind, ist es fast eine Überkapazität.
Seit gestern wird in Leipzig ein dritter Patient – ein UNO-Mitarbeiter – betreut,
das Wort „Überkapazität“ passt aber immer noch. Das würde sich schlagartig
ändern, wenn Ebola-Patienten unkontrolliert einreisen und – das ist der
schlimmste anzunehmende Fall – Gesunde infizieren. Dieses Szenario wird
zurzeit heruntergespielt, in der Hoffnung, es möge nie auftreten. Fairerweise
muss man sagen: Ad hoc ließe sich die Zahl der Ebola-tauglichen Betten auch
gar nicht erhöhen – weder logistisch noch finanziell.
Sie können relativ einfach Isolierstationen aufmachen, aber Sie können nicht
einfach so eine Station ausrüsten mit dem Filter, wie wir ihn haben,…
…Professor Eduard Stange, Chefarzt am Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart
und Leiter des dortigen Ebola-Behandlungszentrums,…
…wir können auf einer normalen Isolierstation ohne diese Filter- und
Unterdrucktechnik nicht ausschließen, dass doch das Virus nach außen gelangt.
Man braucht diese hochspezialisierte Station, um das ausschließen zu können,
und das kann man nicht über Nacht mal eben schnell einbauen, das wird nicht
gehen.
Kritiker bemängeln zudem, dass sich jetzt die jahrlange Nachlässigkeit
bezüglich des Infektionsschutzes rächt. Der Katastrophenschutz, so Oliver
Cornely, spiele keine wirklich wichtige Rolle mehr, weil die Vorstellung von
Katastrophen immer einherging mit möglichen kriegerischen Ereignissen; und
die, so das gängige Credo, finden in Europa nicht mehr statt.
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Das zweite Risiko besteht darin, dass sich einige deutsche Helfer bei ihren
Einsätzen in Westafrika infizieren könnten und dann zurückgebracht werden
müssen – auch wenn Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen noch nicht
genau weiß, wie. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass sich Ärzte und
Pfleger selbst in den deutschen Behandlungszentren infizieren. Aus anderen
Bereichen, aus der Luftfahrt etwa, weiß man, dass auch hohe
Sicherheitsstandards auf Dauer zu einer Routine führen, aus der heraus dann
fatale Fehler passieren. Eduard Stange, Stuttgart.
Das kann auch sehr früh passieren. Es gibt durchaus Fälle, die man aus der
Geschichte kennt, wo bereits am ersten, zweiten Tag etwas passiert, was man so
nicht vorhergesehen hat. Das wird natürlich geübt, und zwar mehrere Male die
Woche, trotzdem, das kennen wir auch von uns selbst, Fehler passieren immer
wieder, nur diese Fehler sind dann unter Umständen gravierend.
Weitgehend ungelöst ist ein drittes Problem, das sich sowohl beim mittlerweile
verstorbenen Patienten in Dallas gezeigt hat, als auch bei der spanischen
Krankenschwester: Je länger eine Infektion unerkannt bleibt, desto mehr
gesunde Menschen können infiziert werden. Oliver Cornely, Köln.
Prinzipiell gilt ja, dass man auch Kontaktpersonen isoliert und Kontaktpersonen
dann untersucht, wobei es ja nicht damit getan ist, dass man denjenigen
körperlich untersucht, anschaut oder interviewt, das entscheidende wird dann
sein, dass man eine Blutuntersuchung vornimmt und schaut, ob diese
Kontaktperson ein Patient ist.
Sieben Quarantänestationen mit insgesamt 50 vorhandenen Betten reichen dann
auf keinen Fall aus. Wichtigstes Ziel müsse deshalb sein, mögliche EbolaPatienten so früh es geht zu erkennen. Bayern hat als erstes Bundesland eine
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Task Force am Flughafen München eingerichtet. Denkbar sind aber auch weit
drastischere Maßnahmen. Als die Infektion SARS grassierte, hatte Oliver
Cornely folgendes Erlebnis.
An verschiedenen Flughäfen in der Zeit, zum Beispiel in Peking, war es so, dass
man aufgefordert wurde, langsam durch einen bestimmten Bereich, unmittelbar
nachdem man das Flugzeug verlassen hatte und dann wieder festen Boden unter
den Füßen hatte. Zunächst verstand man gar nicht, warum langsam, dann sah
man aber die Monitore, auf denen man sich selber auch abgebildet sah, so wie
man das schon mal von Überwachungskameras kennt, und oben dran stand
immer eine Zahl, und das war die Temperatur, das waren Wärmekameras.
Ob die vorhandenen Kapazitäten in den Behandlungszentren reichen, weiß
niemand. Die gesundheitspolitische Grundsatzfrage lautet für Eduard Stange:
Mit wie viel Geld sichert die Gesellschaft ein Risiko ab, das hoffentlich nie
eintritt.
Das größte Problem ist, dass wir uns bisher sehr sicher gefühlt haben, dass eine
solche Epidemie hier nicht möglich ist, und ich bin nach wie vor optimistisch,
dass das nach wie vor der Fall ist. Wenn sich aber zeigen sollte, dass
beispielsweise durch diesen Fall in Dallas oder auch durch die Patientin jetzt in
Spanien es zu einer lokalen, hoffentlich kleineren Epidemie kommt, dann wird
man hier sicher umdenken müssen, dann hat man hier eine völlig neue Situation
und das wird auch Geld kosten.
+++Ende+++
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