2007 Einsatzhinweise Eichenprozessionsspinner

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Eichenprozessionsspinner
Einsatzvorschlag: BIO-EINSATZ / DEKONTAMINATION
Allgemeines
Vorkommen
Der Eichenprozessionsspinner (Falterart), ein Forstschädling, befällt vor allem
Eichen und Weißbuchen.
Die Eigelege finden sich an kleinen Ästen in der Baumkrone und sind so gut getarnt, dass sie vom Boden aus praktisch nicht entdeckt werden können.
Ende April bis Anfang Mai schlüpfen aus den Eiern die Raupen gleichzeitig mit
dem Austreiben der Blätter.
Ab Mitte Juni erfolgt die Bildung von Gespinstnestern, in denen sich ab Ende Juni
bis Anfang Juli die Raupen verpuppen. Ende Juli schlüpfen daraus die (harmlosen) Falter.
Übertragungswege und –arten
Die Raupen leben in großen Kolonien und wandern in Reihen („Prozession“). Sie
entwickeln Gifthaare, die das Eiweißgift Thaumetopoein enthalten. Diese Gifthaare
rufen auf der Haut und an den Schleimhäuten toxische und/oder allergische Reaktionen hervorrufen.
Ein praktisch unlösbares Problem ist die lange Haltbarkeit der Gifthaare (z. B. aus
alten Gespinstnestern) in der Natur. Diese können mehrere Jahre intakt und reizauslösend bleiben. Daraus erklärt sich, dass Personen, die in betroffenen Gebieten leben, auch außerhalb der Larven- und der Puppenperiode (allergische)
Krankheitssymptome entwickeln.
Da die Eichenprozessionsspinner nur auf der Suche nach einem neuen Wirtsbaum am Boden anzutreffen sind, ist ein direkter Kontakt eher selten. Davon sind
meistens
Kinder betroffen,
die mit
den
Tieren
spielen
wollen.
Die wichtigste Übertragungsart ist die Vertragung von Giftpfeilen (sog. Setae) mit
dem Wind oder das Passieren befallener Bäume. Dabei werden die Patienten von
den Giftpfeilen wie von einem Giftpfeilhagel getroffen. Sie können aber auch bis
zu hundert Meter weit mit dem Wind vertragen werden.
Verletzungsmuster
Akut
Unmittelbar nach dem Kontakt mit den Gifthaaren entwickelt sich ein fast unerträglicher Juckreiz, dem ein Hautausschlag folgt.
Krankheitsbilder
Die Raupendermatitis kann sich in drei verschiedenen klinischen Erscheinungsbildern zeigen: Kontakturtikaria (Quaddeln), toxische irritative Dermatitis (Hautentzündung) oder anhaltende Papeln (Knötchen), die an Insektenstichreaktionen erinnern.
Allergische Allgemeinsymptome wie Schwindelgefühl, Fieber und Krankheitsge-
fühl, sowie Bindehautentzündung, Entzündungen im Rachenbereich und Asthma
sind möglich. Einzelne Fälle schwerer allergischer Schockreaktionen wurden berichtet.
Zuständigkeit und Verantwortung in der Gefahrenabwehr
Die Feststellung des Befalles obliegt den zuständigen Forst- oder Gartenbauämtern. Für die Beseitigung sind die jeweiligen Grundstückseigentümer verantwortlich.
Die Zuständigkeit und Verantwortung für die Maßnahmen der direkten Gefahrenabwehr (Menschenrettung) liegt beim Rettungsdienst.
Die Feuerwehren und andere Hilfsorganisationen werden darüber hinaus nur auf
Anforderung und in AMTSHILFE tätig.
Hinweis: Die Verantwortung für die fachgerechte Durchführung der übernommenen Aufgaben liegt aber bei der ausführenden Stelle!
Maßnahmen
Raupen und Gespinst-Nester nicht berühren!
Kontaminationsverschleppung verhindern!
Eigenschutz beachten!
PSA
Ggf. sind weitere Schutzmaßnahmen aufgrund der verwendeten Reinigungs- bzw.
Bekämpfungsmittel (z.B. Beflammung) in Bezug auf die Schutzkleidung und Geräte notwendig.
Arbeitsbereich:
Mindestens staubdicht verschlossene (abgeklebte) Einwegschutzkleidung mit Atemschutzmaske und mind. FFP3 (bzw. A2B2E2K2P3) - Filter.
Dekonplatz:
Nässe-/Spritzschutz für die Dekon-Helfer ist erforderlich.
Dekontamination
DEKONTAMINATION mit viel Wasser spült die Gifthaare ab. Diese bleiben dabei
allerdings aktiv, ggf. auffangen und Wasser entsorgen, sonst stark verdünnen.
Einweg-Kleidung dicht verpacken, kennzeichnen und anschließend entsorgen (z.
B. Verbrennung).
Dekon-Helfer anschließend ebenfalls unter Einwegschutzkleidung und Filtermaske
dekontaminieren.
Ggf. Dekon-G der gebrauchten Geräte (z. B. inkl. Hubrettungsgerät!) mit viel Wasser.
Abwasser mit viel Wasser in Kanalisation leiten, das gilt auch für sonstige abgespritzte Flächen (aber erst verbrennen, danach ggf. abspülen). Ggf. R mit Abwasserbetrieb und entsprechenden Ämtern.
Bekämpfung
• Eigelege können mit Insektiziden bekämpft werden.
• Nach dem Schlüpfen der Larven sollen die Nester so früh als möglich mit Pestiziden, die die Häutung verhindern, besprüht werden.
• Raupennester mit Flüssigkeit (z.B. Wasserglas) oder Sprühkleber oder Haarspray zum Binden der Gifthaare bespritzen. Nester unter geeigneter PSA abkratzen und in einem geschlossenen Verbrennungssystem vernichten.
• Wege, die an befallenen Bäumen vorbeiführen, absperren.
• Während der Puppenruhe die Nester mit einem Sprühkleber von außen "versiegeln", um die Vertragung der Gifthaare zu verhindern, anschließend mechanisch
entfernen.
• Teilweise hilft das Abflammen der befallenen Bäume, da die Gefahr der Gifthaare minimiert wird.
Rettungsdienst
RD-Personal wendet zum Eigenschutz am besten Maßnahmen des Infektionsschutzes an (z. B. Einweganzug, Maske).
• Bei Kontakt der Haut mit Gifthaare ausgiebig mit Wasser spülen.
• Bei Augenschleimhaut-Kontakt Augenspülflasche benutzen
• Bei schweren allergischen Reaktionen mit Asthma- und Atemnot Rettungsdienst
mit Notarzt verständigen
Bei den meisten Patienten genügt eine Behandlung mit externen Steroidzubereitungen ("Kortison"; Salben, Cremen, Augentropfen) und Tabletten, die gegen die
Allergie wirken (Antihistaminika).
Personen mit einem überempfindlichen Bronchialsystem sind besonders gefährdet. Bei Einschränkungen der Atmung (Asthma) können spezielle, die Bronchien
erweiternden Medikamente (ß-Mimetika) und Kortikoide durch Inhalation angewandt werden. Die Einnahme von Kortikosteroiden ("Kortison") ist nur bei sehr
schweren Verlaufsformen erforderlich.
Folgemaßnahmen
• Kontaminierte Flüssigkeit sowie Kleidung ist in Abstimmung mit den Fachbehörden zu entsorgen.
• Betroffene Gebiete meiden, ggfls. sperren!
Benachrichtigungen:
- Gartenamt bzw. Forstdienststelle
- Rettungsdienst
- Polizei
- ggf. Ordnungsbehörde
- ggf. Veterinäramt
- ggf. Gesundheitsamt
- ggf. Abwasserbetrieb
- Ggf. Fachfirma
Literaturhinweise:
- Bayerische Landesanstalt für Wald und Fortwirtschaft: Eichensprozessionsspinner - LWF Merkblatt 15, 5.2004,
http://www.lwf.bayern.de/lwfmerkblatt/15/merkblatt15.pdf, Weihenstephan 2004
- Dauber, Dr. Andreas: Informationsmerkblatt LFV Bayern, http://www.lfvbayern.de/pdf_dateien/eichenprozessionsspinner.pdf, 2003
- Landwirtschaftsberufsgenossenschaft: Betriebsanweisung zu Haaren des Eichenprozessionsspinners gemäß § 14 GefStoffV, Ausgabe 06/2006
- Maier, Dr.-med. Harald:
http://www.med4you.at/derma/allerg_intol/eichenprozessionsspinner.htm
- Wessels, Martin und Bosch, Gerhard: Nur „Eichenprozessionsspinner“ – oder
Bio-Einsatz, in: Brandschutz, 03/2001, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, 2001
Autor: U. Cimolino
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