Schmerzen mit dem Skalpell ausschalten - Nervenschmerz

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Schmerz
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Schmerzen mit dem
Skalpell ausschalten
Für Nervenkompressionssyndrome an der Hand gilt die
chirurgische Therapie als Goldstandard. Von Sonja Streit
Nerveneinengungssyndrome an
den Händen zählen zu den gefürchtetsten, betreffen sie doch
unsere wichtigsten Werkzeuge.
Mithilfe denervativer Mikrochirurgie lassen sich derartige Probleme relativ schonend lösen.
Das Um und Auf ist aber eine
frühzeitige Diagnostik.
Zu einer chronischen oder akuten
Druckschädigung eines peripheren
Nervs an der Hand kann es posttraumatisch aufgrund einer Vernarbung
und/oder anatomisch bedingt kommen. Körpereigene Engstellen sind
häufig prädestiniert für Nerveneinengungen. Nicht immer lässt sich die
Ursache medizinisch erklären, für
die Betroffenen sind sämtliche Nervenkompressionssyndrome
allerdings gleichermaßen unerträglich.
bei der Perkussion eines geschädigten
Nervs in dessen Versorgungsgebiet
auftreten. Betroffene verspüren elektrisierende Missempfindungen distal
der Einengung, was als klares Zeichen
gewertet werden kann.
Bildgebende Verfahren können
nur in bestimmten Fällen weiterhelfen. Dazu zählen Röntgen, MRT und
CT sowie hochauflösender Ultraschall, der immer häufiger in der
Diagnostik von Nervenkompressionssyndromen Anwendung findet.
Kommt es zu einer Einengung des
Nervus medianus im Bereich des
Handgelenks, spricht man vom Karpaltunnelsyndrom (CTS), das man
als äußerst bekannt und ziemlich
verbreitet bezeichnen kann. Die Beschwerden rauben Betroffenen den
Schlaf und äußern sich in starken
Schmerzen sowie Ameisenlaufen,
das sich von der Schulter bis in die
Hand erstreckt. Tagsüber können Tätigkeiten wie Telefonieren oder Autofahren Schmerzen auslösen.
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Eindeutige Symptome
Nachdem es sich bei Nerven um
Erregungsleiter handelt, reagieren
sie naturgemäß extrem auf minimalste Irritationen. Ist ein Nerv
komprimiert, hat das eine Störung
seiner Funktion zur Folge, was in
Gefühlsstörungen, Schmerzen, Muskelschwäche und durchaus auch
Lähmungen münden kann.
Sind nicht myelinisierte Fasern
irritiert, äußert sich das durch Parästhesien und Schmerzen, während
Hypästhesien für einen partiellen
Funktionsausfall sprechen. Dies
zieht nicht selten das Absterben von
Nervenfasern nach sich und macht
im fortgeschrittenen Stadium Feinarbeiten unmöglich. Muskelschwäche und Kraftverlust lassen darauf
schließen, dass das Krankheitsbild
lange besteht und die Kompression
sehr ausgeprägt ist.
Sind sympathische Nervenfasern
involviert, neigen Patienten zu verstärktem Schwitzen sowie Empfindlichkeit gegenüber Kälte und im weiteren Verlauf zu einer Verminderung
der Hautfeuchtigkeit. Alltägliche Arbeiten werden zunehmend zum Problem, nicht zuletzt auch deshalb, da
die Nachtruhe vieler Patienten aufgrund von Missempfindungen und
Schmerzen erheblich gestört wird.
Abb. 1: Wartenberg-Syndrom mit eingeengtem Nerv: Darstellung des
Nervus radialis vor der Neurolyse. © Veith Moser
• rasche Schmerzlinderung
• rascher Rückgang der Schwellung
Fachkurzinformation siehe Seite 32
Schwierige Diagnose
Wenngleich die Symptome relativ eindeutig erscheinen, kann sich
die Diagnose durchaus schwierig
gestalten. Fachärzte für Neurologie
sind in dieser Phase unbedingt einzubeziehen, da die elektrophysiologische Abklärung mittels Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) zum Standard gehört. Fällt die Nervenleitgeschwindigkeitsmessung normal aus,
was bei manchen Patienten vorkommen kann, stehen weitere Maßnahmen zur Verfügung.
Die klinische Diagnostik ist ebenso wichtig wie eine exakte Anamnese.
Das Hoffmann-Tinel-Zeichen (HT)
kann am verlässlichsten Aufschluss
darüber geben, ob ein Nervenkompressionssyndrom vorliegt. Es handelt sich dabei um Parästhesien, die
05. November 2015
Dr. Veith Moser,
Oberarzt für Plastische und
Rekonstruktive, Hand- und
Nervenchirurgie im Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler;
1. Wiener Nervenschmerzzentrum, Wien © Veith Moser
Charakteristisch ist außerdem ein
Taubheitsgefühl in den Fingerspitzen,
Betroffene werden zunehmend ungeschickter und sind mit Schwäche
konfrontiert. Der Hoffmann-TinelTest ist positiv, wobei das HT-Zeichen
proximal oder über dem Karpalkanal
auftritt. Der Phalen-Test verstärkt die
Symptome mitunter. Chirurgisch
kann das Syndrom sowohl endoskopisch als auch offen behoben werden,
wobei die offene Variante die komplikationslosere darstellt. Im Rahmen
des Eingriffs wird das zu enge beugeseitige Band durchtrennt, um den
Druck vom darunter liegenden Nerv
zu nehmen. In der Folge sind Betroffene meist beschwerdefrei.
Das Wartenberg-Syndrom (siehe
Abb. 1) tritt zwar am Unterarm auf,
gehört aber dennoch zu den Nervenkompressionssyndromen der Hand.
Es handelt sich dabei um eine Kompression des Ramus superficialis des
Abb. 2: Wartenberg-Syndrom – Dekompression durch Entfernung von
irritierendem Gewebe. © Veith Moser
Nervus radialis und ist auch unter
dem Namen Cheiralgia paraesthetica bekannt. Der Hautnervenast tritt
circa sechs bis zehn Zentimeter
proximal des Handgelenks radiodorsal am Unterarm durch die Faszie in
das Subkutangewebe. An der Durchtrittsstelle kommt es zu einer Einengung, die mit Schmerzen und Missempfindungen in Daumen, Zeigeund Mittelfinger sowie am Handrücken einhergeht und ein positives
Hoffmann-Tinel-Zeichen im Nerveneinengungsgebiet aufweist.
Operative Dekompression
Nicht selten berichten Betroffene außerdem von Schmerzen am
streckseitigen Unterarm, die in den
Ellbogen, die Hand und/oder die
Finger ausstrahlen. Eine konservative Behandlung kann mittels Kortikoidinjektionen versucht werden,
was aber nur selten zu einer Verbesserung führt. Eine operative Dekompression ist angezeigt, um die
Beschwerden schnellstmöglich zu
lindern. Der Nerv wird aufgesucht
und von irritierendem Gewebe befreit (siehe Abb. 2), was in den meisten Fällen unmittelbar nach dem
Eingriff zu Beschwerdefreiheit führt.
Einengung des Nervus ulnaris
Beim Loge-de-Guyon-Syndrom
handelt es sich um eine Einengung
des Nervus ulnaris am beugeseitigen Handgelenk (siehe Abb. 3). Ulnar des Karpalkanals liegt die körperlich bedingte Engstelle Logede-Guyon, durch die der Nervus ulnaris gemeinsam mit der gleichnamigen Arterie und einigen Venen
Richtung Handfläche gelangt, wo er
sich in einen oberflächlichen sensiblen (Ramus superficialis) sowie
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Den Schleimbeutel am Ellbogen
konservativ beruhigen
Druckverband und NSAR genügen bei Bursitis olecrani.
Welches Verfahren sich am besten für die konservative Therapie
einer nicht septischen Schleimbeutelentzündung am Ellbogen
eignet, haben koreanische Forscher untersucht.
Abb. 3: Loge-de-Guyon: Darstellung des eingeengten Nervus ulnaris im
Loge-de-Guyon-Bereich. © Veith Moser
Um sich eine Bursitis am Olecranon
einzufangen, bedarf es oft nicht viel.
Manchmal genügt es schon, beim
Lesen den Ellbogen häufig aufzustützen – ein sogenannter Studentenellbogen kann die Folge sein. Neben der chirurgischen Sanierung, etwa der laparoskopischen Bursektomie, existieren einige konservative
Behandlungsmethoden. Welche davon am ehesten vor den nicht seltenen Rückfällen schützt, haben Orthopäden um Joon Yub Kim vom
Seonam University College in Goyang, Korea, untersucht
Hierfür teilten die Forscher 90
Patienten in drei Gruppen ein. Die
Gruppe 1 erhielt für eine Woche einen Kompressionsverband sowie ein
zweimal täglich einzunehmendes
nicht steroidales Antirheumatikum
(NSAR) verordnet. Bei Probanden
der Gruppe 2 wurde das Gelenk
punktiert und die Flüssigkeit abgezogen, anschließend ging es weiter
wie in Gruppe 1. In Gruppe 3 gab es
nach der Aspiration noch eine Kortikoidinjektion, danach wurde ebenfalls verfahren wie in Gruppe 1.
Unterschiedliche
Heilungsdauer
Die Patienten aller Gruppen
wurden vier Wochen nachbeobachtet und dabei wöchentlich nachuntersucht. Bei Rezidiven wiederholten
die Orthopäden die ursprüngliche
Therapie. Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen
Methoden waren nach vier Wochen
nicht festzustellen. 83 Prozent der
Bursitiden in Gruppe 1, 65 Prozent
der entzündeten Schleimbeutel in
Gruppe 2 und 85 Prozent jener in
Gruppe 3 waren nach vier Wochen
verschwunden. Allerdings war die
Studie nur ausgelegt, Differenzen
von mindestens 30 Prozent zwischen
den einzelnen Vorgehensweisen als
signifikant zu erfassen.
Ein Vorteil für Aspiration plus
Steroidinjektion ergab sich insofern,
als die Heilung dadurch am
schnellsten erfolgte. Im Mittel dauerte es hier 2,3 Wochen, bis die
Bursitis abgeheilt war. In den beiden
anderen Gruppen zog sich der
Heilungsprozess hingegen über drei
Wochen hin (3,2 Wochen bei Kompression plus NSAR, 3,1 bei Aspiration). Allerdings ist die Punktion des
Schleimbeutels am Ellbogen prinzipiell komplikationsträchtig – auch
wenn in der koreanischen Studie
keine Zwischenfälle auftraten – und
der Griff zur Spritze vergrößert die
Erfolgsaussichten offenbar nicht
wesentlich.
Kim et al. plädieren deshalb dafür, bei konservativer Therapie der
Bursitis olecrani allein auf Verband
und NSAR zu setzen – sofern künftige Studien nicht doch noch klare
Vorteile für ein anderes Verfahren
zutage fördern. springermedizin.de
Originalpublikation: Kim JY et al.
Clin Orthop 2015; online 13. Oktober;
DOI: 10.1007/s11999-015-4579-0
Abb. 4: Loge-de-Guyon-Syndrom: Darstellung des mittels Neurolyse
freigelegten Nervus ulnaris. © Veith Moser
Ein eingeengter
Nerv lässt sich in
den seltensten
Fällen durch konservative Maßnahmen behandeln.
Deshalb stellt die
operative Nervenschmerztherapie
oftmals die einzige
Lösung dar.
drucken. Deshalb stellt die operative Nervenschmerzbehandlung oftmals die einzige Lösung dar. Mittels
Lokalanästhetikum (Testblockade)
lässt sich häufig feststellen, ob ein
Eingriff einen entsprechenden Benefit für einen Patienten bereithalten würde. Dieses wird in den Nerv
injiziert und simuliert so die Operation. Ist der Betroffene nach der Injektion schmerzfrei, wird ihm eine
chirurgische Nervenfreilegung sicher helfen. Das Um und Auf ist eine frühzeitige Diagnostik, wobei
das Alter des Patienten ebenfalls eine Rolle spielt.
wieder mobil mit ...
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einen tiefen motorischen Ast
(Ramus profundus) teilt. Meist wird
der Ramus profundus eingeengt,
was mit Handbinnenmuskulaturschwäche einhergeht und zu Kraftverlust führt. Da die Arteria ulnaris
von Ganglien, Thrombosen oder
Aneurysmen betroffen sein kann,
wird im Rahmen einer Operation
sowohl eine Nervenfreilegung als
auch die Entfernung der zugrunde
liegenden Ursache vorgenommen
(siehe Abb. 4).
Wichtig ist nach einem solchen
Eingriff, die Hand nicht ruhigzustellen, sondern mit einer frühfunktionellen Nachbehandlung zu beginnen. Eine Verklebung oder Vernarbung des Nervs wird dadurch verhindert, da er seine Gleitfähigkeit
behält. Darüber hinaus gilt, dass
derartige Eingriffe in die Hände eines auf periphere Nervenchirurgie
spezialisierten Chirurgen gehören.
Zur Diagnosestellung ist außerdem
ein interdisziplinärer Ansatz unumgänglich.
GPB.SER 140204
Nicht ruhigstellen
Chirurgie hat klare Vorteile
Wie erwähnt, stehen zur Behandlung von Nervenkompressionssyndromen der Hand zahlreiche
konservative Möglichkeiten zur
Verfügung. Zu diesen zählen die
Hand- und Physiotherapie, Schienenbehandlungen und Kortikosteroid-Injektionen, was die Beschwerden kurzfristig lindern kann.
Ein eingeengter Nerv lässt sich
allerdings in den seltensten Fällen
von derartigen Maßnahmen beein-
Mag. Sonja Streit ist
Medizinjournalistin in Wien.
Co-Autoren:
Dr. Arthur Schultz ist als Oberarzt im
Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler
(Unfallchirurgie und Sporttraumatologie) sowie im 1. Wiener
Nervenschmerz Zentrum tätig.
Mag. Dr. Pia Hollosi ist als
Fachärztin für Neurologie und
Psychiatrie am 1. Wiener
Nervenschmerz Zentrum tätig.
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die Kraft gegen Schmerz und Entzündung
Fachkurzinformation siehe Seite 32
05. November 2015
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