So scharf war die Sonne noch nie - Kiepenheuer

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10. Juli 2009
So scharf war die Sonne noch nie
FREIBURG. Das Sunrise-Ballonteleskop, das gerade eine Nordpolfahrt
beendet hat, stellt mit einem Sensor des Freiburger Kiepenheuer Instituts
für Sonnenphysik (KIS) ständig seinen Fokus nach. Der Sensor stabilisiert
die Bilder und richtet das Teleskop genau auf den Stern aus.
KIS-Projektleiter Wolfgang Schmidt hofft, dass die internationale SunriseMission neue Anhaltspunkte liefert, warum die Sonne manchmal heller und
heißer strahlt. Wie das mit ihren Flecken und Tupfen zusammenhängt, weiß
niemand genau.
Sunrise – das größte
Sonnenteleskop, das je die Erde
verließ – hob vor einem Monat im
schwedischen Kiruna ab. An einem
Heliumballon stieg es 37 Kilometer
hoch. Am Rand der Atmosphäre
blähte sich der Ballon zu einem
Durchmesser von 130 Metern auf,
unter dem das Teleskop 300 Meter
tiefer baumelte. Vom Winde
verweht flog das Duo über den
Nordpol, bis Sunrise nach 4000
Kilometern an einem Fallschirm
auf einer kanadischen Insel sanft
sdv | Foto: privat
zu Boden fiel. "Wir konnten alle
Daten bergen", freut sich Schmidt. Diese kopieren und kalibrieren andere
Projektteilnehmer jetzt unter der Leitung des Lindauer Max-Planck-Instituts für
Sonnensystemforschung. Ob es Überraschungen gibt, weiß Schmidt noch nicht.
"Aber es sieht sehr viel versprechend aus", sagt der 55-jährige Physiker, "unser
Sensor konnte die Bildbewegung 1000-fach verringern!" Die unverwackelten
Aufnahmen zeigen die feine Struktur der Sonnenoberfläche und die Verteilung der
Magnetfelder mit einer Auflösung bis zu 30 Kilometer. Mit Sunrise ließe sich die BZ
aus 40 Kilometern Höhe lesen, sagt Schmidt: "Ohne den Wellenfrontsensor könnten
sie nicht einmal die Zeitung erkennen." Das Herz des Freiburger Sensors ist eine
Hochgeschwindigkeitskamera mit einem System aus sieben Mikrolinsen. Sie schießt
sieben Bilder gleichzeitig, 1600 pro Sekunde. "Oberhalb der Atmosphäre ist die
Wellenfront der Sonnenstrahlen parallel", erklärt Schmidt. Die Mikrolinsen werfen
sieben Bilder der Sonnenoberfläche auf den Chip der Kamera. Wenn kleine Fehler in
der Optik des Teleskops die Lichtstrahlen stören, biegt sich die Wellenfront. Dann
verändert sich die Lage der sieben Bilder minimal: Sie wandern etwa alle nach oben
oder auseinander.
Daran erkennt der "Bordcomputer" des
"Wir mussten
KIS-Sensors, warum die Wellenfront gebogen ist:
Haben sich die Winkel der Spiegel des Teleskops
ordentlich abspecken.
Wir haben kein
Weltraumbudget."
Wolfgang Schmidt, Projektleiter
im Freiburger KIS
verschoben oder ihre Abstände? Schaukelt das
Teleskop am Ballon? Entsprechend neigt der
Rechner einen Spiegel um Millionstelmeter,
verrückt einen anderen oder gleicht das Pendeln
aus. "Er bewegt einen Kippspiegel im Gegentakt",
erklärt Schmidt. Nur eine Hundertstelsekunde
bleibt für Kalkulation und Reaktion. Darin steckt die
jahrelange Erfahrung der KIS-Außenstelle auf
Teneriffa. Doch da rechnet ein dicker Computer, die
Kamera hat 37 Linsen. "Wir mussten ordentlich
abspecken", sagt Schmidt. Auch die Eiseskälte
beim Aufstieg machte Probleme, denn die Forscher
mussten mit herkömmlicher Elektronik arbeiten. "Wir haben kein Weltraumbudget",
sagt der Projektleiter. Für das achtjährige Projekt standen eine Million Euro zur
Verfügung. Das reichte nur für einen weltraumtauglichen Computer. Die
Personalkosten verschlangen so viel Geld, dass das KIS noch eine Million Euro aus
seinem Grundbudget zuschoss.
Sunrise hat fünf Wellenlängen im UV-Licht gemessen, die verschiedene Schichten in
der Sonne ansprechen. "Wir konnten da reinschauen." Mit den Daten lässt sich
möglicherweise die Veränderung der Sonnenhelligkeit besser vorhersagen. Sie hängt
mit der Granulation zusammen, den Tupfen und Punkten an der Oberfläche. Der
erste Datenschub wird frühestens in zehn Tagen bei ihm ankommen.
Dass sich sein Hauptwunsch nicht erfüllt hat, weiß Schmidt schon jetzt: "Wir wollten
die Magnetfelder in den Sonnenflecken studieren." Mit vielen Flecken scheint die
Sonne erstaunlicherweise heißer. Über das Warum spekulieren die Fachleute noch –
und müssen es weiterhin tun. Zwei Tage vor dem Sunrise-Start verabschiedete sich
der letzte aktuelle Fleck. Makellos strahlte das Gestirn.
Nun hat Wolfgang Schmidt einen neuen Hauptwunsch: "Ich hoffe, das Projekt hat so
gut geklappt, dass unsere Geldgeber sich für eine zweite Ballonfahrt entscheiden."
Sie fände in etwa drei Jahren satt. Mit Glück zeigt die Sonne dann ein fleckiges
Antlitz.
Autor: Jürgen Schickinger
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