HBV, HCV und HIV Gemeinsamkeiten und Unter

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Fortbildung
Sandra Bühler und Ralf Bartenschlager, Heidelberg
HBV, HCV und HIV
Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus Sicht des Virologen
HBV, HCV und HIV gehören zu unterschiedlichen Virusfamilien und haben unterschiedliche Strategien der Viruspersistenz. Es gibt jedoch auch Gemeinsamkeiten,
z.B. die hohe Replikationsrate, die große Zahl von Mutationen bei der Vermehrung
und die damit verbundene Möglichkeit der Resistenzentwicklung gegen Medikamente. Unterschiede und Gemeinsamkeiten müssen jedoch differenziert betrachtet
werden und die Übertragung der klinischen Erfahrungen von einer Infektion auf die
andere ist nicht ohne weiteres möglich.
Virusmorphologie
Auf Grund ihrer Genomstruktur und Vermehrungsstrategie gehören das Humane
Immundefizienz Virus (HIV), das Hepatitis
B Virus (HBV) und das Hepatitis C Virus
(HCV) zu ganz unterschiedlichen Virusfamilien. HBV gehört zu den Hepadnaviridae,
HCV zu den Flaviviridae und HIV zu den
Retroviridae. Dennoch gibt es eine ganze
Reihe von Gemeinsamkeiten, die, bei ober-
flächlicher Betrachtung, mit dem Aufbau
des infektiösen Viruspartikels beginnen. So
ist allen drei Erregern gemeinsam, dass es
sich um sphärische Viruspartikel handelt,
die von einer Detergenz-sensitiven Lipidhülle umgeben sind (Abb. 1 und Tab. 1). In
diese Hülle eingebaut sind die viralen
Hüllproteine, die bei einer Infektion die
Aufnahme der Viruspartikel in die Wirtszelle vermitteln. Unterhalb der Virushülle
Abb. 1: Elektronenmikroskopische Aufnahmen von HBV, HCV und HIV-1 Partikeln
(freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. S. Urban und S. Seitz (HBV), A. Merz (HCV)
und Prof. H.-G. Kräusslich (HIV))
HBV
HCV
HIV
Lipidhülle Ja
Ja
Ja
[Herkunft]
[ER-Membran [Vermutlich von ER-
[Plasmamembran]
abgeleitet]Membran; mit Lipo-
proteinen assoziiert]
KapsidstrukturSphärisch
Vermutlich sphärischSphärisch (unreife Parti
kel); konisch (reife Partikel)
GenomPartiell Einzelsträngige RNA
Zwei Kopien eines
doppelsträngige, positiver Polarität
einzelsträngigen
zirkuläre DNA
(Plusstrang)RNA-Genoms
GenomorganisationMehrere Promotoren;Ein Gen (Polyprotein) Ein Promotor; mehrere
mehrere Gene Gene
Tab. 1: Vergleichende Eigenschaften von HBV, HCV und HIV
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Hepatitis&more 2/2008
befindet sich eine Proteinkapsel, die aus
zahlreichen Kopien desselben viralen Proteins (HBV und HCV) oder verschiedener
viraler Proteine (HIV) besteht. Die molekulare Struktur der Viruspartikel ist bei HBV
und HIV weitestgehend erforscht. Im Fall
von HCV ist das nicht der Fall, was im wesentlichen daran liegt, dass bis vor kurzem
das Virus in kultivierten Zellen im Labor
nicht vermehrt werden konnte und das infektiöses HCV in hohem Maße mit Lipoproteinen quasi maskiert ist (Tab. 1).
Epidemiologie
Alle drei Erreger zeichnen sich durch eine
weltweite Prävalenz aus und sind Verursacher der am häufigsten vorkommenden
Virusinfektionen, wobei Endemiegebiete
in Afrika, Südostasien und Lateinamerika
liegen. HBV ist dabei das weltweit häufigste Virus. Rund zwei Fünftel der Weltbevölkerung haben eine HBV-Infektion durchgemacht und ca. 300 bis 400 Millionen
Menschen sind chronisch HBV infiziert.
Jährlich sterben ca. 1 Million Menschen an
den Folgen einer chronischen Hepatitis B.
In Europa liegt die Prävalenz der HBV-Infektion auf Grund der Impfung und Hygienestandards unter 2%. Chronisch mit
HCV infiziert sind weltweit etwa 170 Millionen Menschen. Die Prävalenz liegt in
Europa bei 0,5-1%, in Deutschland sind ca.
500.000 Personen chronisch HCV-infiziert.
Einige Länder wie beispielsweise Ägypten
oder die Mongolei haben eine besonders
hohe Prävalenz (ca. 30%). Im Fall von
Ägypten wurde dies auf den Mehrfachgebrauch von Kanülen im Rahmen der Schistosomiasistherapie zurückgeführt.
Weltweit gibt es ca. 35 Millionen HIV infizierte Menschen. Zweidrittel der Infektionen
kommen dabei in Afrika in Regionen südlich
der Sahara vor. Auch von den 2,5 Millionen
Neuinfektionen jährlich sind allein 1,7 Millionen in diesen Regionen zu verzeichnen,
was immense Auswirkungen auf Bevölkerungsstruktur und Lebenserwartung hat.
Jährlich sterben etwa 2 Millionen Menschen
an den Folgen einer HIV Infektion.
Fortbildung
Übertragungswege
Gemeinsam ist allen drei Erregern, dass sie
parenteral (durch Blut oder kontaminierte
Blutprodukte), perinatal (vor, unter oder
kurz nach der Geburt) oder auf sexuellem
Weg übertragen werden können, wobei
die Rolle, die die einzelnen Übertragungswege spielen, variiert. Die parenterale
Übertragung aller drei Viren durch Bluttransfusionen und durch nicht inaktivierte
zelluläre Blutprodukte ist nach der verbindlichen Einführung der Untersuchung
aller Spender und durch das Einführen von
Verfahren zur Virusinaktivierung deutlich
zurückgegangen und spielt in Deutschland
keine Rolle mehr. Dagegen ist intravenöser
Drogenkonsum in Deutschland einer der
wichtigsten Übertragungswege bei HCVund HIV-Infektionen. Beruflich bedingte
Infektionen bei medizinischem Personal
mit HBV, HCV und HIV kommen im Einzelfall vor und sind auf konkrete Ereignisse,
z.B. Nadelstichverletzungen, zurückzuführen. Das Risiko einer Infektion nach Nadelstichverletzung mit einer Hohlnadel liegt
bei HBV etwa bei 30%. Bei HCV und HIV
ist das Übertragungsrisiko deutlich geringer und beträgt 3% respektive 0,3%. Die
perinatale Infektion von einer HBV-positiven Mutter auf das Kind, ist in Endemiegebieten der wichtigste Übertragungsweg.
Hauptproblem dabei ist, dass die perinatale HBV Infektion in 90% der Fälle inapparent chronifiziert und die Infizierten ein
hohes Risiko für einen Leberschaden in
jungen Jahren haben. Bei Infektionen im
späten Kindes-/Jugend- und Erwachsenenalter liegt die Chronifizierungsrate
hingegen bei etwa 5-10%.
Bei HIV hängt die perinatale Übertragung
davon ab, ob die Mutter kurz vor bzw.
unter der Geburt einer antiviralen Therapie unterzogen wird. Die Transmissionsrate ohne Prophylaxe von 25% kann durch
entsprechende Therapie auf 1-2% reduziert werden. Von ganz entscheidender
Bedeutung bei HIV ist die sexuelle Übertragung, die für mehr als 90% der HIVNeuinfektionen verantwortlich ist und die
auch bei den HBV Neuinfektionen in den
Industrieländern die Hauptrolle spielt. Im
Gegensatz dazu spielt der sexuelle Übertragungsweg bei der Hepatitis C nur eine
untergeordnete Rolle.
Persistenzstrategien
Alle drei Erreger sind in der Lage, eine persistente Infektion zu etablieren. Darunter
versteht man das Überdauern des Virus,
zumindest des Virusgenoms, im Organismus. Persistenz ist unabhängig von Symptomen und in der Tat sind die Frühphasen
nach der akuten Infektion häufig asymptomatisch, obwohl der Erreger durch die
Immunantwort nicht eliminiert wurde. Die
persistente Infektion ist jedoch die Voraussetzung für die ‚Spätschäden’, die sich
nach einer langjährigen chronischen Infektion manifestieren können. Dabei verfolgen die drei Erreger unterschiedliche
Persistenzstrategien, die durch die jeweiligen Vermehrungszyklen bedingt sind.
HBV
Die HBV-Infektion verläuft nur in seltenen
Fällen so aggressiv, dass es zu einem lebensbedrohlichem Leberversagen kommt
(fulminante Hepatitis B). Die akute HBV
Infektion heilt bei erwachsenen immunkompetenten Personen in 90% der Fälle
nach ein bis sechs Monaten aus. Lediglich
bei etwa 10% der Infizierten wird die Infektion chronisch. Von zentraler Bedeutung für die Persistenz ist das Erregerreservoir. Im Falle der HBV-Infektion stellt
die epsiomale (d.h. nicht in das Wirtsgenom integrierte) und extrem stabile ‚covalently closed circular’ (ccc)DNA das zentrale Persistenzreservoir dar. Wie in Tabelle 2 dargestellt wird das partiell doppelsträngige HBV-Genom nach Infektion
der Zielzelle in eine vollständig doppelsträngige Ringstruktur, die cccDNA, umgewandelt (daher die Bezeichnung ‚kovalent geschlossen‘) und in den Zellkern eingeschleust. Sie ist der Ausgangspunkt für
die Synthese aller viralen RNAs und damit
aller viralen Proteine. Darüber hinaus wird
Virusreplikation
Grundsätzlich unterteilt sich der Vermehrungszyklus eines Virus in 6 Phasen, was
auch für die drei genannten Erreger gilt:
1.Die ‚Adsorption’, d.h. das Virus bindet
mittels spezifischer Strukturen auf
seiner Oberfläche (die Hüllproteine)
an Rezeptoren der Zielzelle.
2.Die ‚Penetration’, d.h. das Viruskapsid
dringt – auf unterschiedlichem Weg –
in die Wirtszelle ein.
3.Das ‚uncoating‘, d.h. die virale Erbinformation wird in die Wirtszelle freigesetzt.
4.Die ‚Replikation’, d.h. das Virusgenom
veranlasst, dass die viralen Proteine
in der Wirtszelle synthetisiert werden.
Diese wiederum katalysieren, unter
Mithilfe zellulärer Faktoren, die Vermehrung des Virusgenoms.
5.Die ‚Montage’, d.h. neue Viruspartikel
bauen sich in der Wirtszelle zusammen.
6.Die ‚Freisetzung’, d.h. die Nachkommenviren werden aus der infizierten
Zelle ausgeschleust.
Die sechs Schritte des Vermehrungszyklus
eines Virus
von der cccDNA das RNA Prägenom abgelesen, das wiederum durch das virale
Enzym reverse Transkriptase in DNA-Versionen des Virusgenoms umgeschrieben
wird. Die Ausheilung der chronischen HBV
Infektion erfordert somit die Elimination
der cccDNA, was mit aktuell verfügbaren
Therapien nicht möglich ist.
HCV
Im Gegensatz zu HBV repliziert HCV ausschließlich im Zytoplasma in eigenen von
viralen Proteinen induzierten Replikationskomplexen, die von zellulären Membranen umgeben sind. Diese Replikationskomplexe sind das zentrale Persistenzreservoir des HCV und ihre Aufrechterhaltung
erfordert eine kontinuierliche Virusreplikation. Damit ist die HCV Infektion einer >
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Fortbildung
HBV
Adsorption
Penetration
Anheftung durch Heparansulfatproteoglykane;
spez. Rezeptor unbekannt
Unbekannt; pH-unabhängiger Prozess
Uncoating
Unbekannt
Replikation
Umbau des viralen DNAGenoms in eine ccc Form
im Zellkern; dient als
Ausgangspunkt für alle
viralen RNAs und Proteine; Umschreibung des
RNA-Prägenoms in eine
DNA
Core-Protein lagert sich
zusammen mit dem RNAPrägenom zu unreifen
Kapsiden
zusammen;
Knospung der Partikel
in
das
ER-Lumen
Sekretionsweg
Montage
Freisetzung
Über den konstitutiven
HIV
HCV
Vermittelt durch mehrere
Rezeptoren (u.a. LDL-Rezeptor, SR-BI, CD81, Claudin)
Vermutlich intrazellulär an
Endosomen; Virushülle verschmilzt mit Endosomenmembranen; pH-abhängiger
Prozess
Im Zytoplasma;
Mechanismus unbekannt
Synthese der viralen Proteine direkt vom infizierenden
Plusstrang
RNA-Genom;
davon Synthese einer Minusstrang-Kopie, die als
Vorlage für neue Plusstrang
Genomkopien dient
Core-Protein und virale RNA
lagern sich vermutlich an
der Oberfläche von Lipidtröpfchen zu unreifen Kapsiden zusammen. Knospung
in das ER-Lumen in enger
Assoziation mit Lipoproteinen
Vermutlich über den konstitutiven Sekretionsweg analog zu vLDL
Vermittelt durch zwei Rezeptoren (CD4 und Chemokin-Korezeptor CXCR4 oder
CCR5)
An der Zelloberfläche;
Virushülle verschmilzt mit
der Plasmamembran der
Zielzelle; pH-unabhängiger
Prozess
An der Kernhülle; Transfer
des proviralen DNA-Genoms
in den Zellkern
Umschreibung des viralen
RNA-Genoms in eine doppelsträngige DNA; Integration in das Wirtszellgenom
(‚Provirus’); und Nutzung
dieser Genomkopie für die
Synthese aller viralen RNAs
und Proteine
Innere Strukturproteine lagern sich mit den beiden
RNA-Genomkopien an der
Plasmamembran zu unreifen
Kapsiden zusammen; Umhüllung der Kapside durch
Knospung an der Plasmamembran
Abschnürung an der Zellmembran
Tab. 2: Vergleich der 6 Schritte der Vermehrungszyklen von HBV, HCV und HIV
HBV
HCV
HIV
Genomische VariabilitätGenomische VariabilitätGenomische Variabilität
Niedrige Replikation und Provirus Integration in ruhende
Antigenproduktion
Zellen
Abfangen neutralisierender Anti-Hemmung der Induktion von Zerstörung von Immunzellen
körper durch HBsAg; Immun-Interferon; Interferenz mit
modulation durch HBsAg und der erworbenen Immuantwort
HBeAg
(T- und NK-Zellen)
Tab. 3: Einige Persistenzstrategien bei HBV, HCV und HIV
antiviralen Therapie relativ gut zugänglich, denn bei Hemmung der Virusvermehrung verschwinden die Replikationskomplexe und damit der Erreger. HCV-Infektionen verlaufen relativ harmlos, bei drei
Viertel aller Infizierten sogar inapparent.
Problematisch ist jedoch die hohe Chronifizierungsrate von bis zu 80%. Hier kommt
es häufig zu einer Entzündungsreaktion in
der Leber, die abhängig von Kofaktoren
wie Alkoholkonsum oder HIV- bzw. HBVKoinfektion innerhalb von einigen Jahren
bis Jahrzehnten zu einer Leberzirrhose
oder einem hepatozellulären Karzinom
führen kann.
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Hepatitis&more 2/2008
HIV
Eine ganz andere Persistenzstrategie liegt
der HIV Infektion zu Grunde. Nach Infektion der Zielzelle wird das RNA-Genom mittels reverser Transkription in eine DNAKopie umgeschrieben, die als ‚Provirus’
stabil in das Wirtszellgenom integriert
wird. Damit wird das HIV-Genom integraler
Bestandteil der Wirtszelle und bei jeder
Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben. Besonders problematisch ist die Integration des HIV-Genoms in ruhende, d.h.
teilungsinaktive Zellen, da diese keine HIVGene ablesen und damit keine viralen Antigene präsentieren, die durch das Immun-
system erkannt werden könnten. Diese
Zellen können durch die aktuellen Therapien nicht erreicht werden. Darüber hinaus
infiziert HIV vorwiegend CD4-positive THelfer Zellen, die eine zentrale Stellung in
der Immunantwort haben. Dieser Zelltropismus erklärt auch das Krankheitsbild und
den -verlauf der HIV-Infektion. Bedingt
durch die Zerstörung der Wirtszellen (durch
direkte, virus-induzierte Zelllyse sowie anderer postulierter Mechanismen) kommt es
zu einer Schwächung des Immunsystems.
AIDS-Patienten versterben letztlich nicht
an der HIV-Infektion selbst, sondern an opportunistischen Infektionen, z.B. einer
Pneumocysitis carinii-Pneumonie. AIDS ist
somit die klinische Manifestation des fortgeschrittenen Immundefekts.
Virale Strategien zur Abwehr der
Immunantwort
Die Pathogenese der chronischen Hepatitis
B und C ist durch die körpereigene Immunantwort bedingt, d.h. die Zerstörung des
Lebergewebes wird nicht durch den Erreger
verursacht, sondern ist die Folge der Immunantwort auf die viralen Antigene (Immunpathogenese). Dabei führt die Infektion mit HBV oder HCV bei einzelnen Personen zu einer unterschiedlich stark
ausgeprägten Immunantwort. Ist diese
nicht oder nur schwach ausgeprägt, erfolgt
eine nur geringe Zerstörung des Lebergewebes und der Patient ist ein „gesunder“
Virusträger. Eine starke Immunantwort
hingegen, häufig erkennbar am apparenten
Infektionsverlauf, führt mit einer erhöhten
Wahrscheinlichkeit zur Viruselimination
und somit zur Ausheilung. Hauptproblem
sind mittel stark ausgeprägte Immunantworten, die zwar zu keiner effektiven Hemmung der Replikation führen, die infizierten Zellen aber über Jahre oder Jahrzehnte attackieren. Daraus resultieren
chronische Entzündungen, die dann zu den
oben genannten Spätschäden führen können. Warum die Immunantwort bei den
meisten HCV- und bei 10% der HBV-Infizierten versagt, ist nach wie vor unklar. Bei
Fortbildung
perinataler HBV-Übertragung ist die hohe
Chronifizierungsrate vermutlich auf das
unreife Immunsystem des Neugeborenen
zurückzuführen. Im Erwachsenenalter
scheinen HBsAg und HBeAg immunmodulatorische Effekte zu haben. Man nimmt
an, dass HBsAg neutralisierende Antikörper
abfängt und zusätzlich, wie HBeAg, eine
Immuntoleranz induziert (Tab. 3).
Auch HCV und HIV haben eine Reihe von
‚aktiven’ Strategien entwickelt, mit denen
sie der Immunantwort entkommen und
eine persistente Infektion etablieren (Tab.
3). Beide Erreger greifen direkt in den natürlichen Ablauf der Immunantwort ein
und interferieren sowohl mit der angeborenen als auch der erworbenen Immunität.
Ein bekanntes Beispiel ist die NS3-Protease des HCV, die durch proteolytische
Spaltung wichtiger Signaltransduktoren
(Cardif und TRIF) die Induktion des Interferonsystems hemmt.
Zweifellos trägt auch die hohe Virusreplikation zur Immunevasion aller drei Erreger
bei (Tab. 4). Pro Tag werden in einer infizierten Person zwischen 10 und 1,000 Milliarden Virusnachkommen produziert. Dazu
kommt, dass die Polymerasen aller drei
Viren keine Korrekturfunktion besitzen und
deshalb eine hohe Fehlerrate haben. Die
Konsequenz ist eine enorm hohe genetische Variabilität, bei der täglich Milliarden von Virusvarianten entstehen. Darunter sind auch solche, die vom Immunsystem
nicht mehr oder nur schlecht erkannt werden (‚immune escape’), beispielsweise wenn
Erkennungssequenzen (Epitope) für zytotoxische T-Zellen verändert sind.
Chancen für Heilung
Die Erfolge der Therapie der HBV-, HCVund HIV-Infektion im Sinne einer Ausheilung sind sehr unterschiedlich, was im Wesentlichen auf die Art der Persistenzreservoirs zurückzuführen ist (Tab. 5). Bei der
HBV-Infektion müsste die Therapie so lange
durchgeführt werden, bis alle Zellen mit
einer cccDNA eliminiert sind. Es ist unklar,
wie lange das dauern würde, man geht
HBV
HCV
HIV
‚Mittlere’ Virämie (Titer/ml)
105-1010
106
108
Virusumsatz (Partikel/Tag)
1012
1012
109-1011
Halbwertszeit Viruspartikel
3-24 h
2-3 h
ca. 1 h
Fehlerrate virale Polymerase
10-5
10-5
10-6
Genomvarianten/Tag
1012
>1010
1011
Tab. 4: Zusammenfassung wichtiger Zahlen zur Virusdynamik und genomischen Variabilität
HBV
HCV
HIV
Heilung
ca. 25%
50% SVRNein
Einsatz von Interferon Ja (nur in JaNein
ausgewählten Fällen)
Standard CareRT-InhibitorPeg-IFN+RibaHAART
Resistenz
Ja, Frequenz abhängigNein (IFN/Riba); Ja
vom Therapeutikum
Ja (selektive Inhibitoren)
Fixierung der Resistenzmutanten Ja (cccDNA)Nein
Ja (Provirus)
Tab. 5: Antivirale Therapie: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
jedoch von mehreren Jahren aus. Die besten Aussichten auf Heilung bestehen bei
der HCV-Infektion, da dieses Virus kein eigentliches Persistenzreservoir besitzt und
sich, nach allem was wir wissen, nur bei
kontinuierlicher Replikation im Organismus
halten kann. Das macht das Virus für antivirale Therapien angreifbar. Dazu kommt,
dass Resistenzmutanten nur dann im
Organismus erhalten bleiben, wenn sie eine
hohe Replikationskompetenz (‚fitness’) besitzen. Das ist ersten klinischen Studien mit
Proteaseinhibitoren zufolge nicht der Fall.
Im Gegensatz dazu können bei HBV und
HIV Resistenzmutanten mit eingeschränkter
fitness in Form der cccDNA bzw. dem Provirus archiviert werden und damit über
Jahre und Jahrzehnte hinweg erhalten
bleiben. Für die erfolgreiche Ausheilung
der HIV-Infektion müssten alle Provirustragenden Wirtszellen eliminiert werden,
was derzeit nicht möglich ist.
ANTIVIRALE THERAPIE UND
RESISTENZENTWICKLUNG
Idealerweise dienen virus-eigene Enzyme
als Angriffsziele für eine Therapie. Bei HBV
ist dies die reverse Transkriptase (RT). Aktuell verfügbare Inhibitoren der HBV-RT sind
Nukleotid- und Nukleosidanaloga wie beispielsweise Lamivudin oder Adefovir. Diese
Substanzen imitieren einen DNA-Baustein,
sind allerdings so modifiziert, dass sie nach
einem Einbau in die DNA die Verlängerung
dieser DNA-Kette verhindern (Kettenabbruch). Damit kommt die Synthese der viralen DNA zum Erliegen. Im Falle von HBV
wird damit das Umschreiben des RNA-Prägenoms in die virale DNA verhindert und
damit die Produktion von Nachkommenviren unterbunden. Trotz dieser Hemmung
bleibt die cccDNA in einer vor Therapiebeginn infizierten Zelle unberührt.
Eine weitere Behandlungsoption bei chronischer Hepatitis B ist (pegyliertes) Interferon-alpha. Bei dieser Therapie besteht eine
Heilungschance, allerdings liegt die Heilungsrate nur bei 20 bis 25%.
Die aktuelle Therapie der chronischen Hepatitis C besteht aus einer Kombination von
pegyliertem Interferon-alpha und Ribavirin.
Der Therapieerfolg hängt hier maßgeblich
vom infizierenden Genotyp ab. Bei Infektionen mit Genotyp 2 und 3 liegt die Erfolgswahrscheinlichkeit der dauerhaften Elimination des Virus (‚sustained virologic
response’; SVR) mit rund 80% deutlich
höher als bei Infektionen mit Viren vom Genotyp 1 oder 4. Die zukünftige Therapie der
chronischen Hepatitis C wird sich jedoch
sehr bald verändern. Zurzeit sind eine große
Anzahl von selektiven Inhibitoren in der
präklinischen oder klinischen Erprobung,
allen voran Inhibitoren der NS3-Protease >
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Fortbildung
HIV
Reverse Transkriptase
Retrovirus
lymphotrop
Kernphase (Provirus)
zytolytisch
Konservierung Resistenz
Virus mit Lipidhülle
weltweite Prävalenz
Übertragungswege
Immunpathogenese
Persistenz (chronisch)
aktive Immunevasion
hohe Virusvermehrung
hohe Mutationsrate
hohe Virusdynamik
Angriffziele f. selektive Therapie
HBV
Hepadnaviridae
Kernphase (cccDNA)
Konservierung Resistenz
'langsame' Resistenz
effizienter Impfstoff
hepatotrop
nicht zytolytisch
schnelle Resistenzentwicklung
kein Impfstoff
Flavivirus
zytopl. Repl.-komplex
keine Kernphase
HCV
Zusammenfassung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Erreger HBV, HCV und
HIV und der von ihnen verursachten Infektionen. Die farbigen Kästen sollen die für das
jeweilige Virus zutreffenden Eigenschaften zusammenfassen. Gemeinsame Eigenschaften
sind in den jeweiligen Überschneidungen der Kästen aufgeführt, bzw. im Doppelpfeil.
Zytopl. Repl.-komplex, zytoplasmatischer Replikationskomplex.
und der Polymerase. Erste klinische Studien
zeigen eine zum Teil sehr eindrückliche
Hemmung der Virusvermehrung. Die Virämie kann unter dieser Therapie innerhalb
weniger Tage um mehrere Größenordnungen abnehmen. Es zeigt sich allerdings,
dass sehr schnell Resistenzen entstehen,
vergleichbar der Situation zu HIV.
In der HIV-Therapie werden aktuell 27 verschiedene Inhibitoren aus fünf verschiedenen Wirkstoffklassen eingesetzt. Angriffsziele dieser Wirkstoffe sind der Viruseintritt
(Entry-Inhibitoren), die Integrase (Integrasehemmer), die HIV-Protease (Proteasehemmer) sowie die RT (Nukleosid- und Nukleotidanaloga sowie Nicht-nukleosidische Reverse Transkriptase-Inhibitoren). Letztere
binden direkt an die RT und hemmen deren
Aktivität. Größtest Problem ist die Resistenzentwicklung, die bei der HIV-Infektion besonders ausgeprägt ist.
Die auftretenden Resistenzmutanten werden (analog zur cccDNA bei HBV) im Provirus fixiert und an die Nachkommenviren
weitergegeben. Zur Unterdrückung oder
Verzögerung der Resistenzentwicklung
dient die 1996 eingeführte HAART (Highly
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Hepatitis&more 2/2008
Active Anti-Retroviral Therapy), eine Kombinationstherapie aus drei antiviral wirksamen Substanzen mit mindestens zwei
unterschiedlichen Wirkprinzipien. Ein weiteres Therapieproblem besteht bei einer
HIV-Infektion in den Virusreservoirs. HIV
infiziert u.a. auch nicht proliferierende TZellen (Gedächtniszellen), die über Jahre
oder Jahrzehnte hinweg stabil sind und
von wo das Provirus jederzeit reaktiviert
werden kann. Auch in diesen Reservoirs
können Resistenzmutationen in Form des
Provirus archiviert werden.
Ausblick
Aus der Erfahrung der HIV-Therapie heraus werden die zukünftigen Therapien der
chronischen Hepatitis C sehr wahrscheinlich ebenfalls aus einer Kombination bestehen, initial vermutlich aus pegyliertem
Interferon, Ribavirin und einem selektiven
Wirkstoff. Fernziel wird sein, zum einen
die SVR zu steigern, insbesondere bei Infektionen mit wenig reaktiven Genotypen,
zum anderen Interferon und Ribavirin, die
beide mit hohen Nebenwirkungen behaftet sind, durch besser verträgliche Medi-
kamente zu ersetzen. Im Falle von HBV ist
eine Kombination zurzeit nicht sinnvoll.
Alle verfügbaren Wirkstoffe greifen an der
RT an und führen zum Teil zu erheblichen
Kreuzresistenzen. Glücklicherweise dauert
die Entstehung solcher Resistenzvarianten
bei HBV relativ lange, vermutlich weil das
Virusgenom so kompakt organisiert ist,
dass eine Mutation in dem PolymeraseLeseraster automatisch auch eines der
überlappenden Lesenraster (insbesondere
das für das HBsAg) gleichermaßen betrifft.
Ein Beispiel ist das vor kurzem zugelassene
Nukleosid-Analogon Entecavir, das in entsprechenden Studien bei therapienaiven
Patienten im Lauf von 3 Jahren nur bei
0,7% zur genotypischen Resistenz geführt
hat. Dennoch wäre es wünschenswert, dass
auch zur Behandlung der chronischen Hepatitis B Wirkstoffe mit unterschiedlichen
Angriffszielen zur Verfügung stünden. Eine
Möglichkeit hier ist den Zusammenbau des
Viruskapsides zu verhindern, wofür ein
Wirkstoff entwickelt wurde (Heteroaryldihydropyrimidine), der zumindest in Zellkulturen hochpotent ist. Eine zweite Möglichkeit ist, den Eintritt des Virus in die
Leberzellen mittels eines rekombinanten
Teilstücks der Virushülle zu blockieren,
über das das Virus an Leberzellen bindet.
Abschließend ist festzustellen, dass die auf
den ersten Blick sehr unterschiedlichen
Infektionen mit HBV, HCV und HIV eine
Reihe von Gemeinsamkeiten haben, die
Implikationen u.a. für das Verständnis der
Pathogenese und die antivirale Therapie
haben. So kann beispielsweise das Management der antiviralen Therapieresistenz als Leitmodell für die zukünftige Therapie insbesondere der chronischen Hepatitis C dienen. Es ist offensichtlich, dass
sich hieraus Synergien ergeben, die eine
verbesserte Bekämpfung dieser heimtückischen Infektionen ermöglichen.
Dr. Sandra Bühler · Prof. Dr. Ralf Bartenschlager
Hygiene Institut Universitätsklinikum Heidelberg
Abteilung Molekulare Virologie
Im Neuenheimer Feld 345 · 69120 Heidelberg
Tel.: +49 (0)6221 56 4225 · Fax: +49 (0)6221 56 4570
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