Hundekot als Feld- und Wiesenplage?

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Hundekot als Feld- und Wiesenplage?
Ungefähr 200 Zuhörer, darunter viele Hundebesitzer, waren am Donnerstag, 20. Januar, ins "Bürgerund Kulturhaus beim Klosterhof" gekommen. Auf Einladung des Agenda Arbeitskreises "Naturschutz
und Landwirtschaft" referierten Fachleute zu einem Thema, das auf den Härten seit längerem die Gemüter bewegt: "Die Verunreinigung von Wiesen und Feldern durch Hundekot". Aufgeschreckt durch
eine Schilder-Aktion des Landesbauernverbandes, die Hundebesitzer auffordert, das Geschäft ihrer
vierbeinigen Lieblinge auf der grünen Wiese zu unterbinden, waren viele neugierige und verunsicherte
Kusterdinger gekommen, um sich zu informieren und miteinander zu diskutieren.
Ein Parasit, namens Neospora caninum, der den Hund als Endwirt wählt, gibt den Experten zur Zeit
Rätsel auf, wie Dr. Bernhard Hofmeister von der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg und vom
Rindergesundheitsamt Aulendorf erläuterte. Der Erreger wird über den Kot von Hunden verbreitet und
kann bei Rindern über verunreinigtes Futter wie Gras zu Totgeburten, Missbildungen oder Krankheiten führen. Auch Tiere, die klinisch unauffällig bleiben, können den Parasiten über den "vertikalen
Übertragungsweg" auf den Fötus übertragen und so auf Dauer die ganze Herde anstecken. Hunde dagegen, die infiziertes ungekochtes oder rohes Fleisch fressen, können den Erreger in sich aufnehmen,
was im schlimmsten Fall zu Lähmungen oder Organversagen führen kann. Nur 0,3 % der untersuchten
Hundekotproben seien infektiös, während bis zu 40 % der Rinder auffällig gewordener Herden Antikörper gegen den Erreger aufwiesen. Hofmeister wies darauf hin, dass der Erreger auch andere Tiere
als Zwischenwirt wählt wie Füchse, Rehe, Schafe, Ziegen, Pferde, aasfressende Vögel oder Mäuse.
Menschen, so die beruhigende Botschaft, werden nicht befallen.
Walter Langer vom Landesverband für das Jagdgebrauchswesen und Förster aus Weil im Schönbuch,
selbst Hundebesitzer, gab Vorschläge aus der Praxis. Einen Hund unter Kontrolle zu halten, schaffe
der aufmerksamste Hundehalter nicht, vor allem wenn es um das Aufspüren von Aas oder weggeworfenem Fleisch ginge. Er wusste aber auch: Die "Masse" der Hundeköttel ist das Problem. Und: Nicht
nur Rinder, auch Wildtiere seien als möglicher Zwischenwirt betroffen. Dem Hundebesitzer empfahl
er, es mal mit Schaufel, Tüte oder Eimer zu versuchen. Auch ließen sich Welpen so erziehen, dass sie
später auf Befehl koten, auch im eigenen Garten. Am Plastikmodell demonstrierte Langer, wie man
die fäkalen Hinterlasssenschaften mittels Sägemehl oder Kalk geruchsfrei entsorgt.
Christian Reutter vom Kreisbauernverband wies darauf hin, dass die Klagen von Bauern häufig aus
Gegenden kämen, die am Rande größerer Zentren liegen. Die Härten seien mit diesem Problem nicht
allein. Auch der Gemüseanbau und Streuobstbau sei von dem Problem betroffen. Maschinen, die beim
Auflesen helfen, machen keinen Unterschied zwischen Apfel und Fäkalbrocken, "und dann macht man
daraus Apfelsaft". Reutter machte aber auch deutlich, dass sich der Bauernverband ausdrücklich von
kursierenden Hundedrohbriefen distanziert. Das Problem, das sich den Bauern stellt, ist die Produkthaftung. Die Landwirtschaft hat die Pflicht, unverschmutzes Futter zu verfüttern und unverschmutzte
Produkte zu erzeugen. Der Verbraucher hat ein Recht darauf.
Prof. Manfred Wolff vom Tübinger Verein Hunde-Rudel räumte ein, dass "Hunde keine Engel" seien.
Hunde benötigen aber auch Bewegung, bis zu 7 km am Tag. Er bestritt, dass die Infektion von Rindern
auschließlich von Hunden herrührt. Auch werde der Hundekot in der Flur biologisch wieder abgebaut.
Wolff beanstandete, dass die Kommunen trotz Hundesteuer dem Problem bisher tatenlos gegenüberständen. Allerdings sah auch er das Problem dort, wo Hunde "massiert" auftreten. Sein Vorschlag:
"Ab 1. Mai keine Hunde auf die Wiese". Was an Terrain bleibt, seien Wald, Wegränder oder Brachland. Als weitere Möglichkeiten empfahl er, dass Hunde ihr Geschäft an der Leine verrichten, das
Aufsammeln von Hundekot oder die Einführung von Hundetoiletten, wie im Kreis Ravensburg oder in
der Schweiz modellhaft mit Erfolg praktiziert.
Die folgende Diskussion, an der sich viele Zuhörer engagiert beteiligten, führte zu einer weiteren Vertiefung des Themas, machte aber auch den Riss deutlich, der quer durchs Publikum lief. Einige, meist
Hundebesitzer, waren der Ansicht, dass das angesprochene Infektionsrisiko überdramatisiert werde.
Andere sahen den Stein des Anstoßes ganz woanders, nämlich im um sich greifenden Hundekot- und
Gassi-geh-Tourismus aus den Zentren Tübingen und Reutlingen. Trotz mancher Unmutsäußerungen
auf beiden Seiten verlief die Diskussion im fairen Rahmen. Ein erster Schritt zu einer Versachlichung
des Themas, der auch Verständnis für die Gegenseite wecken möchte und dem weitere Schritte folgen
sollten. Mancher Zuhörer, ob Hundebesitzer oder Nichthundebesitzer, wird an diesem Abend nachdenklich nach Hause gegangen sein, als er das Für und Wider der Meinungen und Argumente noch
einmal Revue passieren ließ.
jnh
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