Kapitel 0 Einführung - Math.Uni

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Kapitel 0
Einführung
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 0: Einführung
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Ziele der Vorlesung
In der Vorlesung wird eine Einführung in die mathematische Logik gegeben.
Dabei ist die mathematische Logik “mathematisch” in zweierlei Sinn:
�
Zum einen: Die Mathematische Logik ist eine Mathematisierung der
(formalen) Logik, also eine Mathematische Theorie, die die Logik zum
Gegenstand hat. Dies erlaubt die Beschreibung und Untersuchung der
Logik mit mathematischen Methoden.
�
Zum anderen: Die Mathematische Logik umfasst die Teile der Logik,
die der Mathematiker bei seiner Arbeit verwendet. Die Mathematische
Logik ist also auch die Logik, die der Mathematik als Wissenschaft
zugrundeliegt.
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Prädiakatenlogik: mathematische Strukturen
Im Zentrum der Vorlesung wird die Prädikatenlogik (der 1. Stufe = PL1)
stehen, die die logische Analyse von Aussagen über Mathematische
Strukturen erlaubt.
Eine mathematische Struktur ist dabei z.B. die Struktur
N = (N, +N , ·N , 0N , 1N ) der natürlichen Zahlen mit den arithmetischen
Operationen (Arithmetik), ein beliebiger Körper K = (K , +K , ·K , 0K , 1K ),
oder die Ordnung der rationalen Zahlen Q = (Q, ≤). In jedem Fall besteht
eine Struktur aus einem Grundbereich (=Universum, dessen Elemente wir als
Individuen bezeichnen) und ausgezeichneten Relationen bzw. Funktionen
bzw. Elementen (= Konstanten). Stimmen diese ausgezeichneten Objekte
bezüglich Anzahl, Art und Stelligkeit überein, so sagt man, dass die
zugehörigen Strukturen denselben Typ haben.
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Prädiakatenlogik: Sprache und Sätze
In der Prädikatenlogik werden dann Aussagen über mathematische
Strukturen eines gegebenen Typs mit Hilfe von Sätzen dargestellt, die rein
syntaktisch als Zeichenreihen einer (vom Typ abhängenden) formalen
Sprachen definiert sind. Diese Sprache verfügt neben logischen Zeichen - die
es erlauben Aussagen zu verknüpfen (Junktoren) und über Individuen zu
quantifizieren (Quantoren) - für jede der ausgezeichneten Relationen,
Funktionen und Konstanten über ein entsprechendes Symbol.
So macht z.B. der Satz
∀ x ∃ y (x = y + 1)
die (falsche) Aussage “Jede natürliche Zahl ist der Nachfolger einer
natürlichen Zahl” über die Struktur N der natürlichen Zahlen (und die
(wahre) Aussage “Jede ganze Zahl ist der Nachfolger einer ganzen Zahl”
über die (entsprechend definierte) Struktur Z der ganzen Zahlen).
Ist ein Satz σ in einer Struktur A wahr, so nennen wir A ein Modell von σ.
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Prädiakatenlogik: Logische Wahrheit
Ein Satz ist dann logisch wahr (allgemeingültig), wenn er in allen Strukturen
(des passenden Typs) gilt, also bei jeder möglichen Interpretation oder anschaulich - “in jeder möglichen Welt” wahr ist.
BEISPIEL: Der Satz ∀x(x = x) ist allgemeingültig, wogegen der auf der
letzten Folie angegebene Satz nicht allgemeingültig ist.
Weiter sagen wir, dass ein Satz σ erfüllbar ist, wenn er in zumindest einer
Struktur gilt, also zumindest ein Modell besitzt, und wir nennen σ
widersprüchlich, wenn σ kein Modell besitzt.
BEISPIELE:
�
�
�
Jeder allgemeingültige Satz ist erfüllbar.
Der Satz ∃x∃y (x �= y ) ist erfüllbar (aber nicht allgemeingültig).
Der Satz ∃x(x �= x) ist widersprüchlich.
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Prädiakatenlogik: Logischer Folgerungsbegriff
Den Begriff der logischen Folgerung präzisiert man wie folgt: Ein Satz σ
folgt (logisch, d.h. zwingend) aus einer Menge T von Sätzen, wenn in jeder
Struktur, in der alle Sätze aus T gelten, auch der Satz σ gilt (also jedes
Modell von T auch Modell von σ ist).
Man nennt hier oft T eine Theorie und die Sätze in T die (mathematischen)
Axiome von T .
BEISPIEL: Eine Gruppe G = (G , ◦G , eG ) ist eine Struktur, in der die 3
Gruppenaxiome
σ1
σ2
σ3
≡
≡
≡
∀x∀y ∀z((x ◦ y ) ◦ z = x ◦ (y ◦ z))
∀x(x ◦ e = x)
∀x∃y (x ◦ y = e)
gelten. Ein Satz σ folgt also genau dann aus der “Gruppentheorie”
T = {σ1 , σ2 , σ3 }, wenn er in allen Gruppen wahr ist.
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Prädiakatenlogik: Wahrheit vs. Beweisbarkeit (1)
Der (semantische, d.h. sich auf Strukturen beziehende) logische Wahrheitsund Folgerungsbegriff ist in hohem Maße nicht konstruktiv. Um zu
überprüfen, ob ein Satz σ allgemeingültig ist, müsste man nach Definition
für alle möglichen Strukturen A des passenden Typs - von denen es
unendlich viele gibt und die selbst wiederum unendlich groß und beliebig
komplex sein mögen - überprüfen, ob σ in A gilt. Da dies unmöglich ist,
versucht man Wahrheits- und Folgerungsbegriff durch einen konstruktiven,
rein syntaktisch (d.h. ohne Bezug auf Strukturen) definierten Beweis(barkeits)begriff zu erfassen.
Hierzu definiert man sogenannte Kalküle K. Solch ein Kalkül verfügt über
eine Menge von ausgezeichneten Sätzen, den (logischen) Axiomen, sowie
einer Menge ausgezeichneter endlicher Folgen von Sätzen ϕ1 , . . . , ϕn , ϕ, den
Regeln, wobei die Sätze ϕ1 , . . . , ϕn als die Prämissen und der Satz ϕ als die
Konklusion der Regel bezeichnet wird.
Entscheidend ist hierbei, dass sich die Frage, ob ein Satz ein Axiom oder
eine Folge von Sätzen eine Regel ist, effektiv durch Prüfung der vorliegenden
Gestalten (also rein syntaktisch) beantworten lässt.
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Prädiakatenlogik: Wahrheit vs. Beweisbarkeit (2)
Ein Beweis eines Satzes σ besteht dann aus einer endlichen Folge von
Sätzen ψ1 , . . . , ψm , wobei der letzte Satz ψm der zu beweisende Satz σ ist
und jeder Satz ψi ein Axiom oder die Konklusion einer Regel ist, deren
Prämissen weiter vorne im Beweis vorkommen.
Ein Satz σ ist dann beweisbar, wenn es einen Beweis von σ gibt, und
entsprechend ist ein Satz σ aus einer Theorie T beweisbar, wenn es einen
Beweis von σ aus T gibt, wobei in solch einem Beweis an Stelle von
(logischen) Axiomen und Regelkonklusionen auch die Axiome aus T
vorkommen dürfen.
Sind die Axiome des Kalküls K allgemeingültig und folgt die Konklusion
jeder Regel (semantisch) aus deren Prämissen, so kann man leicht zeigen,
dass jeder beweisbare Satz allgemeingültig ist und jeder aus einer Theorie
beweisbarer Satz aus dieser Theorie folgt. Solch einen Kalkül nennt man
korrekt.
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Prädiakatenlogik: Wahrheit vs. Beweisbarkeit (3)
Unser Hauptergebnis wird sein, dass es korrekte Kalküle K gibt, die auch
vollständig sind, d.h. in denen jeder allgemeingültige Satz auch beweisbar ist
und entsprechend jeder aus einer Theorie T folgender Satz aus T beweisbar
ist. (Vollständigkeitssatz von Gödel)
Der in hohem Grade nichtkonstruktive (semantische) logische Wahrheitsund Folgerungsbegriff lässt sich also rein syntaktisch und konstruktiv durch
den Beweisbarkeitsbegriff (in einem geeigneten Kalkül) beschreiben!
Dieses Ergebnis hat eine Reihe gravierender Folgerungen: so werden wir z.B.
zeigen, dass sich der Endlichkeitsbegriff oder die Struktur der natürlichen
Zahlen (bis auf Isomorphie) nicht in der Prädikatenlogik erster Stufe
beschreiben lassen. Für solche Beschreibungen muss man die Prädiaktenlogik zur Prädikatenlogik 2. Stufe (PL2) erweitern, in der man auch über
Mengen von Individuen quantifizieren kann. Wie wir ebenfalls zeigen werden,
lässt sich in dieser Logik der Wahrheitsbegriff jedoch nicht durch einen
geeigneten Beweisbarkeitsbegriff erfassen. Die Wahrheit einer Aussage lässt
sich dort daher i.a. nicht konstruktiv nachweisen.
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Prädiakatenlogik: Vorgehensweise
In der Vorlesung werden wir, bevor wir die Prädikatenlogik behandeln,
zunächst in Kapitel 1 die Aussagenlogik (AL) vorstellen, in der die Logik der
Verknüpfung von Aussagen (aber noch nicht die Quantifizierung) behandelt
wird. Am Beispiel dieser recht einfachen Logik werden wir schon eine Reihe
der grundlegenden logischen Konzepten vorstellen, lernen Semantik und
Syntax auseinanderzuhalten, und als Vorbereitung auf den Vollständigkeitssatz von Gödel einen korrekten und vollständigen Kalkül der Aussagenlogik
angeben.
In Kapitel 2 führen wir dann die (Syntax und Sematik der) Prädikatenlogik
erster Stufe 1 (PL1) ein und stellen die grundlegenden Fakten hierüber
zusammen.
In Kapitel 3 diskutieren wir die Ausdrucksstärke von PL1, d.h. gehen der
Frage nach, welche Strukturen und Strukturklassen sich als die
Modellklassen von Theorien in PL1 darstellen lassen.
In Kapitel 4 wird dann schliesslich der Vollständigkeitssatz von Gödel
bewiesen.
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Weitere Themen der Vorlesung (1)
Eine kurze Einführung in die axiomatische Mengenlehre
Hierbei werden wir vor allem auf die Rolle des Auswahlaxioms und der
Kontinuumshypothese eingehen und diskutieren wie sich die natürlichen
Zahlen (zur Erfassung endlicher Mengen) zu unendlichen Ordinal- und
Kardinalzahlen fortsetzen lassen.
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Weitere Themen der Vorlesung (2)
Die Unvollständigkeitssätze von Gödel
Während es nach dem Gödelschen Vollständigkeitssatz einen Kalkül gibt, in
dem sich gerade die allgemeingültigen Sätze beweisen lassen, hat Gödel auch
gezeigt, dass es keinen Kalkül gibt, in dem sich die wahren Sätze der
Arithmetik beweisen lassen, d.h. in dem gerade die in der Struktur
N = (N, +, ·, 0, 1) geltenden Sätze beweisbar sind.
Während sich also die logische Wahrheit durch einen geeigneten Beweisbarkeitsbegriff erfassen lässt, ist dies für die mathematische Wahrheit (d.h.
die Wahrheit in einzelnen Strukturen) i.a. nicht der Fall.
Um dies zu zeigen werden wir kurz die Grundlagen der Berechenbarkeitstheorie (Rekursionstheorie) vorstellen und dann zeigen: während für
jeden Kalkül die Menge der beweisbaren Sätze rekursiv aufzählbar ist, gilt
dies nicht für die Menge der in N geltenden Sätze.
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