Populismus: Furcht vor der Krise

Werbung
Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 09.02.2017
Populismus: Furcht vor der Krise
1. Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler sollen ...
1. sich die Entwicklung populistischer bzw. europaskeptischer Parteien in den
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) erschließen.
2. die diesbezüglichen Auswirkungen auf den Finanzmärkten und die Spekulationen von Investoren herausarbeiten.
3. sich mit den politischen und wirtschaftlichen Folgen eines möglichen Auseinanderfallens der EU auseinandersetzen.
2. Aufgaben
1. Erklären Sie den Begriff des politischen „Populismus“. Verdeutlichen Sie Ihre
Ausführungen anhand aktueller Beispiele.
2. Beschreiben Sie die aktuell in Europa und speziell in Frankreich und Italien zu
beobachtenden politischen Prozesse. Erschließen Sie sich insbesondere die
Zielsetzungen sowie die Entwicklung europakritischer Parteien.
3. Erläutern Sie die derzeitigen Auswirkungen der politischen Entwicklungen an
den Finanzmärkten. Geben Sie zudem die diesbezüglichen Befürchtungen und
Spekulationen der Analysten wieder.
4. Setzen Sie sich mit den denkbaren Folgen eines Erfolges der euroskeptischen
Parteien in Frankreich und Italien auseinander. Diskutieren Sie hierzu die
denkbaren Folgen eines Auseinanderbrechens der EU.
5. Nehmen Sie begründet Stellung zur Diskussion um den Erhalt der Staatengemeinschaft.
Jetzt wöchentlich die aktuellsten, aufbereiteten Artikel und Infografiken
im „Wirtschaft Aktuell“-Newsletter erhalten. Anmeldung unter:
www.handelsblattmachtschule.de/wirtschaftaktuell
Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 09.02.2017
Populismus: Furcht vor der Krise
Das Gespenst des Populismus geht um in Europa. Investoren warnen vor Erfolgen der
EU-Gegner bei den Wahlen in Frankreich und Italien. Der Zusammenhalt der EuroZone steht auf dem Spiel.
5
10
15
20
25
30
35
Frankreichs Finanzminister Michael Sapin ist alarmiert. Bei einem Mittagessen in
Paris mit Journalisten warnte er in dieser Woche alle Investoren, die möglicherweise
auf einen Sieg der rechtsradikalen Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl im Mai
und danach auf das Auseinanderbrechen der Euro-Zone wetten: Le Pen werde
"niemals gewählt in Frankreich". Ihre Partei, die Front National, sei keine
rechtspopulistische Formation, sondern eine, die "außerhalb des demokratischen
Konsenses und der Werte steht, die Frankreich vertritt". Wer jetzt eine finanzielle
Position gegen Frankreich einnehme, werde "viel Geld verlieren". Sapin vergleicht
das sogar mit der Spekulation auf ein Ausscheiden Frankreichs aus dem Europäischen
Währungssystem 1992 1993: "Damals haben Leute auf den Austritt Frankreichs
spekuliert, sie verloren Milliarden."
Ob sie gegen Frankreich wetten oder nicht - klar ist, dass sich Investoren Sorgen um
das Land machen. Seit Jahren schießt Le Pen gegen den Euro und will, dass
Frankreich wieder den Franc einführt. Jetzt wächst fast mit jedem Tag, den die
Präsidentschaftswahlen in Frankreich näherrücken und Le Pen ihren Vorsprung
ausbaut, die Angst an den Märkten. Dabei wurden der Nationalistin lange Zeit nur
Chancen in der ersten Wahlrunde im April eingeräumt. Seit sich der konservative
Kandidat François Fillon aber immer weiter in die Affäre um fiktive Jobs seiner
Ehefrau Penelope im französischen Parlament verstrickt, fürchten manche Anleger
auch Chancen Le Pens in der zweiten Wahlrunde im Mai.
Ablesen lassen sich die Ängste der Investoren an den Risikoprämien französischer
Staatsbonds. Die Renditeaufschläge zehnjähriger Papiere sind auf mehr als 0,7
Prozentpunkte gegenüber deutschen Bundesanleihen gestiegen. So hoch lagen sie
zuletzt im Herbst 2012 - mitten in der Euro-Krise (siehe Grafik). Absolut gesehen
kommt Frankreich mit gut einem Prozent Rendite für zehnjährige Bonds zwar noch
günstig an Geld, aber: "Die Ausweitung der Renditeabstände ist spektakulär",
konstatiert David Schnautz, Zinsstratege bei der Commerzbank. […]
Die Skepsis der Investoren trifft aber nicht nur Frankreich. Auch in Italien, wo
voraussichtlich bis zum Sommer Neuwahlen stattfinden, sind die Risikoprämien auf
fast zwei Prozentpunkte nach oben geschnellt. Auch die bei den Wahlen durchaus
chancenreiche Fünf-Sterne-Partei unter Beppo Grillo ist ein erklärter Euro-Gegner. In
den Niederlanden, wo im März gewählt wird, stellt sich mit Geert Wilders ebenfalls
ein Feind der Währungsunion zur Wahl. Mit weniger als 0,7 Prozent rentieren
zehnjährige niederländische Anleihen zwar noch sehr niedrig. Aber auch in den
Niederlanden hat sich die Risikoprämie seit Januar auf 0,3 Prozentpunkte mehr als
verdreifacht.
1
Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 09.02.2017
40
45
50
55
60
65
Die Krisenängste sind somit in der gesamten Euro-Zone zurück. "Dieses Phänomen
lässt sich gar nicht auf ein spezifisches Land begrenzen", meint Andrew Bosomworth,
Deutschland-Anlagechef beim Fondshaus Pimco: "Wenn Frankreich aus dem Euro
austreten würde, wäre das der Anfang vom Ende der Euro-Zone." Noch hält er das
aber für unwahrscheinlich. Käme es dennoch so weit, wäre ein Chaos an den Märkten
die Folge, denn ein Austritt eines Landes ist in den europäischen Verträgen gar nicht
vorgesehen. "Investoren fragen aber jetzt schon, ob Frankreich seine ausstehenden
Anleihen in Franc statt in Euro zurückzahlen könnte", sagt Bosomworth. Für einen
solchen Schritt bräuchten alle Euro-Staaten bei den seit 2013 begebenen Anleihen
wegen neuer Umschuldungsklauseln die Zustimmung der Mehrheit der Investoren.
Die würde es aber kaum geben.
Noch spiegeln die Märkte allerdings keinen kompletten Zerfall der Euro-Zone wider.
Im Jahr 2012 bangten die Investoren noch sehr viel stärker um den Zusammenhalt der
Währungsunion. Das war gewesen, bevor EZB-Chef Mario Draghi seine berühmte
Londoner Rede hielt, in der er versprach, alles zu tun, um den Euro zu retten.
Griechenland hatte damals seinen Schuldenschnitt durchgezogen, Irland, Portugal und
Zypern waren unter den Euro-Rettungsschirm geflohen, und Spanien brauchte
europäische Gelder für die Sanierung seiner Banken. Damals lagen die
Risikoaufschläge für französische Anleihen bei knapp 1,5 Prozentpunkten, in anderen
Ländern waren sie noch um ein Vielfaches höher.
Seither hat die EZB ihr gigantisches Anleihekaufprogramm aufgelegt und Anleihen vor allem Staatspapiere - über zusammen mehr als 1,5 Billionen Euro gekauft. Die
Renditen der Staatsanleihen sind dadurch massiv gesunken. Bis auf Griechenland mit
Risikoprämien für zehnjährige Bonds von rund 7,5 Prozentpunkten können sich
wieder alle Staaten ohne die Hilfe des Rettungsschirms refinanzieren. Dabei gilt
Griechenland als Sonderfall. "Doch die Wirkung der EZB-Politik lässt langsam nach",
warnt Bosomworth von Pimco. Seit die Zentralbank im Dezember angekündigt hat,
ihr Anleihekaufprogramm ab kommenden April um monatlich 20 Milliarden auf 60
Milliarden Euro zu reduzieren, werden die Investoren unsicherer. […]
Quelle: Cünnen, A./Hanke, T./Mallien, J., Handelsblatt, Nr. 029, 09.02.2017, 28
2
Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 09.02.2017
3
Herunterladen