im Kopf - Das PTA Magazin

Werbung
Konfetti
im Kopf
> DEMENZ <
© Jan Tepass / Westend61 / mauritius images
TITEL_
EIN BISSCHEN VERGESSLICH IST JEDER EINMAL. DAS HAT NOCH KEINEN KRANKHEITSWERT. EINE DEMENZ DAGEGEN IST EINE SCHWERE ERKRANKUNG, DIE MIT GROSSEN
ÄNGSTEN UND EINER VERKÜRZTEN LEBENSERWARTUNG EINHERGEHT.
[ von Petra Schicketanz ]
D
ie Anzahl der Demenzkranken in Deutschland wird auf
rund 1,2 Millionen geschätzt, wobei leichtere Demenzformen vermutlich nicht ausreichend repräsentiert werden. Die Anzahl der an Demenz erkrankten Menschen steigt
mit zunehmendem Alter. Dennoch ist Demenz keine zu erwartende Alterserscheinung, betont die „Demenz-Leitlinie“, ein
Projekt der Universitätskliniken Freiburg und Hamburg, und
belegt dies mit Daten aus dem Jahr 2008: So sind in Deutschland bei den 65- bis 69-Jährigen nur etwa 1,2 Prozent betroffen
und bei den 80- bis 84-Jährigen 13,3 Prozent, wobei der Frauenanteil bei rund drei Fünfteln liegt.
Was ist Demenz?
Im Januar 2016 wurde die S3-Leitlinie Demenz von den deutschen Fachgesellschaften aktualisiert. Als Basis dient die von
der WHO herausgegebene ICD-10-Definition, wonach Demenz ein Syndrom ist als Folge einer meist chronischen oder
fortschreitenden Krankheit des Gehirns. Dabei sind viele höhere Gehirnfunktionen gestört, wie die Bereiche für Gedächtnis, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen.
Obwohl die Wahrnehmung der Sinnesorgane nicht eingeschränkt ist, und auch keine Bewusstseinstrübung besteht, sind
die zeitlich-örtliche Orientierung und die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt. Der Patient verliert zunehmend seine
autobiografische Identität. So verändern sich Persönlichkeitsmerkmale, Sozialverhalten und Motivation. Die Kontrolle der
eigenen Gefühle geht verloren. Diese Begleiterscheinungen
fallen Angehörigen gelegentlich sogar schon auf, bevor die typischen Demenz-Symptome zutage treten.
Mild Cognitive Impairmant (MCI)
Nicht jede Störung der Denkleistung (Kognition) ist gleich eine Demenz. Abgegrenzt werden beispielsweise leichte kognitive Störungen, die noch keine Störung von Alltagsfunktionen
oder Verhaltensänderungen auslösen (mild cognitive impairmant, MCI). Für diese gibt es bis heute keine exakte oder einheitliche Definition. Der Rahmen wird relativ schwammig abgesteckt: Eine MCI macht sich subjektiv durch persönlich
feststellbare Einbußen der kognitiven Leistung bemerkbar, die
sich objektiv vom Facharzt bestätigen lassen.
Gelegentlich kann sich ein MCI zurückbilden. Von Bedeutung
ist ein MCI jedoch als mögliche Vorstufe der Demenz, denn bei
> DAS PTA MAGAZIN - - - Ausgabe 07-2016 <
21
TITEL_
TIPP
> Häufig haben Angehörige von Demenzkranken zu hohe
Erwartungen an die Therapie. Weisen Sie diese darauf
hin, dass selbst kleine Fortschritte in der Behandlung
bereits bedeuten, dass der weitere Abbau von Gehirnzellen gebremst wurde.
Demenzkriterien
Für das Vorliegen einer Demenz müssen die Symptome mindestens sechs Monate lang bestehen, eine Zustandsverschlechterung vorliegen und mindestens zwei der folgenden Bereiche
beeinträchtigt sein:
> Gedächtnisfunktionen
> Verstehen und Durchführung komplexer Aufgaben, Urteilsfähigkeit
> räumlich-visuelle Funktionen
> Sprachfunktionen
> Veränderungen im Verhalten.
Natürlich dürfen die vorliegenden Symptome nicht durch ein
Delir oder andere psychische Erkrankungen erklärbar sein.
Für die Diagnose der kognitiven Störungen gibt es umfangreiche Vorgaben.
Demenzformen
Grundsätzlich können zwei Prozesse zur Demenz führen. Bei
neurodegenerativen Prozessen gehen Nervenzellen über einen
meist mehrjährigen Zeitraum stetig unter. Liegt die Ursache
dagegen in Gefäßerkrankungen, kann diese vaskuläre Demenz
22
sogar Phasen ohne Fortschreiten (Progredienz) aufweisen
oder sogar eine Besserung zulassen. Generell ist jedoch davon
auszugehen, dass sich der Zustand eines Demenzpatienten zunehmend verschlechtert, was langfristig mit Pflegebedürftigkeit einher geht. Zudem sinkt seine Lebenserwartung.
Alzheimerkrankheit
Die Demenz vom Alzheimer-Typ ist mit einem Anteil von 60
Prozent die häufigste Demenzerkrankung. Im Jahr 1906 wurde
sie erstmals vom Arzt Alois Alzheimer beschrieben und nach
ihm benannt. Es gibt viele Prominente, die an Alzheimer erkrankt sind oder waren, wie beispielsweise Rekord-Fußballer
Gerd Müller, Schauspieler Karl-Heinz Böhm, Volksschauspielerin Heidi Kabel oder Box-Legende Bubi Scholz.
Die Entstehungsursache der primär degenerativen Gehirnerkrankung ist nach wie vor unbekannt. Sie beginnt meist schleichend und entwickelt sich langsam, aber stetig über einen Zeitraum von mehreren Jahren.
Prognose-- Je früher der Erkrankungsbeginn vor dem 65. Lebensjahr liegt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für ein
schnelles Fortschreiten der Erkrankung und desto stärker sind
die Störungen in höheren Gehirnbereichen ausgeprägt. Umgekehrt kommt es bei einem späten Erkrankungsbeginn nach
dem 70. Lebensjahr zu einem langsameren Krankheitsverlauf,
bei dem vor allem die Gedächtnisstörungen im Vordergrund
stehen.
Diagnose-- Für die Alzheimer-Diagnose müssen die oben beschriebenen Demenzkriterien
erfüllt werden: mindestens zwei
Defizite in kognitiven Bereichen
sowie schleichende Progredienz
der Symptome. Dabei müssen
ursächliche Erkrankungen oder
Verletzungen des Gehirns ausgeschlossen werden. Ein plötzlicher Beginn der Erkrankung gilt
als Ausschlusskriterium, da er einen Hinweis auf einen Schlaganfall oder andere ischämische Ereignisse liefert.
> DAS PTA MAGAZIN - - - Ausgabe 07-2016 <
S. o. © SilviaJansen / iStock | S. u. © sudok1 / iStock
bis zu zehn Prozent der MCI-Patienten entwickelt sich
pro Jahr eine Demenz, insbesondere die vom Alzheimer-Typ. Da bei allen Demenzformen eine früh einsetzende Therapie wichtig ist, um das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen, sollte eine MCI nicht auf die leichte
Schulter genommen werden.
Neu von Doppelherz system:
Grüne Kraft für graue Zellen!*
Das neue Doppelherz system GINKGO.
Diese Empfehlung werden sich Ihre
Kunden merken.
• Apothekenpflichtiges Arzneimittel
mit 120 mg bzw. 240 mg
Ginkgo-biloba-Blätter Trockenextrakt
• Neue Zulassung konform der aktuellen
HMPC-Monografie-Anforderungen**
• Attraktiver Preis für preisbewusste
Kunden
120 mg (30 Filmtabl.) PZN: 10963231
120 mg (120 Filmtabl.) PZN: 10963248
240 mg (30 Filmtabl.) PZN: 10963254
* Zur Verbesserung einer altersbedingten kognitiven Beeinträchtigung und der Lebensqualität bei leichter Demenz
** European Union herbal monograph on Ginkgo biloba L., folium, 28.01.2015
Doppelherz Ginkgo 120 mg / 240 mg. Für Erwachsene. Wirkstoff: Ginkgo-biloba-Blätter Trockenextrakt. Zusammensetz.: 1 Filmtbl. enth. 120 mg / 240 mg quantifizierter, raffinierter Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern (35 – 67 : 1), Auszugsm.: Aceton 60 % (m/m). Der Extrakt ist quantifiziert auf 22,0 – 27,0 % Flavonoide, berechnet als Flavonolglykoside, 2,8 – 3,4 % Ginkgolide A, B und C,
2,6 – 3,2 % Bilobalid und enth. höchstens 5 ppm Ginkgolsäuren. Sonst. Bestandt.: Croscarmellose-Natrium, hochdisp. Siliciumdioxid, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, mikrokrist. Cellulose,
sprühgetrockneter Glucose-Sirup, Macrogol 3350, Polyvinylalkohol, Talkum, Titandioxid E171, Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2 O E172. Anwendungsgebiet: Pflanzliches Arzneimittel zur Verbesserung einer altersbedingten kognitiven Beeinträchtigung und der Lebensqualität bei leichter Demenz. Gegenanz.: Überempfindlichkeit gegen Inhaltsstoffe, Schwangerschaft. Nebenwirk.: Kopfschmerzen,
Schwindel, Durchfall, Unterbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Blutung an einzelnen Organen (Augen, Nase, Hirn- und gastrointestinale Blutungen), Überempfindlichkeitsreaktionen (allergischer
Schock), allergische Hautreaktionen (Hautrötung, Ödem, Jucken und Ausschlag). Enth. Lactose und Glucose. Weit. Einzelh. u. Hinw. s. Fach- und Gebrauchsinfo. Queisser Pharma, D-24914 Flensburg.
TITEL_
DETAIL
Begleitsymptome-- Morbus Alzheimer ist
nicht nur auf die Demenz beschränkt.
Zusätzlich können Schlafstörungen, Depressionen, Illusionen, Wahnvorstellungen, Halluzinationen und plötzlich einsetzende
Aggressionen
auftreten.
Häufige Begleiter sind auch Inkontinenz, Gewichtsverlust sowie sexuelle
Funktionsstörungen. Beim Fortschreiten der Erkrankung kann es zu Gangunsicherheit und Krampfanfällen kommen.
Vaskuläre Demenz
Sowohl ein Hochdruck in den Blutgefäßen des Gehirns (zerebrovaskuläre Hypertonie), als auch mikro- und makrovaskuläre Erkrankungen können das
Gehirn bleibend schädigen, indem sie zu
kleineren oder größeren Hirninfarkten
führen. Eine vaskuläre Demenz tritt üblicherweise im höheren Lebensalter auf,
quasi als Ermüdungserscheinung des lokalen Gefäßsystems.
Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz können bei einer vaskulären Demenz die Schäden auch in subkortikalen Gehirnbereichen auftreten bei
intakter Hirnrinde.
Da andere Gehirnbereiche
zerstört
werden, ergibt sich
auch im zeitlichen
Krankheitsverlauf
ein anderes klinisch-neurologisches Bild mit früh eintretenden Gangstörungen, motorischer Unsicherheit, die zu Stürzen führt, Blasenstörungen und emotionaler Instabilität. Störungen von
Aufmerksamkeit, depressive Störungen, eine verlangsamte Mimik (Psychomotorik) oder verzögerte Denkabläufe kommen
bei vaskulärer Demenz etwa doppelt so oft vor wie bei einer
Alzheimer-Demenz.
Akuter Beginn-- Das plötzliche Auftreten der Symptome gibt einen Hinweis auf das Vorliegen von Schlaganfällen, selten ist
auch ein einziger, massiver Infarkt die Ursache. Auslöser sind
Thrombosen (lokal gebildete Blutgerinnsel), Embolien (Gefäßverschlüsse durch eingeschwemmtes
Material) oder Blutungen.
Allmählicher Beginn-- Vorübergehende
Durchblutungsstörungen des Gehirns (Transitorische ischämische
Attacken, TIA) führen zu vorübergehenden neurologischen Ausfallerscheinungen, die sich innerhalb von 24 Stunden wieder zurückbilden. Oft legen sie den
Grundstein für kleinere Infarkte im Hirngewebe. Viele davon
verlaufen einzeln unbemerkt, doch ihre Anhäufung führt zu einem spürbaren, bleibenden Schaden. Die kognitiven Beschwerden einer solchen Multiinfarkt-Demenz steigern sich
langsam mit jedem weiteren Infarkt.
> DEMENZKRANKE VERGESSEN NICHT
NUR DETAILS, SONDERN GANZE VORGÄNGE UND ABLÄUFE <
24
> DAS PTA MAGAZIN - - - Ausgabe 07-2016 <
l. S. o. l. © photophonie / Fotolia | l. S. o. r. © Jensflorian | l. S. m. © Tobilander / Fotolia | r. S. o. © Ingo Bartussek / Fotolia | r. S. u. © bilderstoeckchen / Fotolia
Kinderdemenz: Die Neuronale Ceroid Lipofuszinose, kurz NCL, ist mit aktuell rund 700 Fällen in Deutschland die häufigste Form der Kinderdemenz. Auslöser der Stoffwechselkrankheit ist ein Gendefekt, der zu einer „Vermüllung“ der Nervenzellen und
damit früher oder später zum Zelltod führt. Meist sind die
Augen als erstes betroffen, die innerhalb von zwei Jahren irreversibel und vollständig erblinden. Hinzu kommen geistiger
Abbau, motorische Störungen und frühzeitiger Tod. Da keine
kurative Therapie zur Verfügung steht, liegt der Therapieschwerpunkt auf einer Verbesserung der Lebensqualität.
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
FAKTUM
●
●
●
●
●
●
●
1. Erste Hinweise auf eine AlzheimerDemenz geben zunehmende Vergesslichkeit, Orientierungsstörungen, Wortfindungsstörungen und das mehrfache Wiederholen von Fragen.
2. Der Betroffene versucht, die Defizite
mit Notizen oder Ausreden zu kompensieren und zieht sich allmählich aus Gesprächen und Aktivitäten zurück.
3. Anspruchsvolle Aufgaben werden nicht
mehr bewältigt; einfache Alltagstätigkeiten sind anfangs noch kein Problem.
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
Typisch-- Zum Nachweis einer vaskulären Demenz müssen neben den Demenzkriterien auch zerebrovaskuläre
Störungen belegt werden. Den Befund
stützen weitere Symptome wie das
Auftreten der Demenzsymptome innerhalb von drei Monaten nach einem
Schlaganfall, mit abrupter Verschlechterung der kognitiven Funktionen und
einer Progression dieser Defizite.
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
Gemischte Demenz
Eine Kombination aus Alzheimer-Krankheit und krankhaften
Veränderungen, die gemeinsam eine Demenz bedingen, wird
als „gemischte Demenz“ bezeichnet. In den meisten Fällen ist
damit die Kombination aus Alzheimer- und vaskulärer Demenz gemeint, erstere kann aber auch mit einer Lewy-Körperchen-Erkrankung kombiniert sein.
Pick-Krankheit
Eine neurodegenerative Störung der Schläfen- oder Stirnlappen wird nach ihrem Entstehungsort Frontotemporale Demenz (FTD) genannt, oder, nach dem Prager Neurologen
Arnold Pick, Pick-Krankheit. Die fortschreitende Demenz beginnt bereits im mittleren Lebensalter. Charakteristisch ist eine
frühe, langsam zunehmende Persönlichkeitsveränderung, gekoppelt mit dem Verlust sozialer Kompetenzen. Intellekt, Gedächtnis und Sprachfunktionen sind beeinträchtigt. Es kommt
zu Apathie, Euphorie und Störungen von Bewegungsabläufen
(extrapyramidal-motorische Störungen). Vor allem im Frühstadium lassen sich zwei Prägnanztypen unterscheiden, die im
Krankheitsverlauf ineinander übergehen können.
bvFTD-- Die Verhaltensvariante (behaviorale Variante der Frontotemporalen Demenz, bvFTD) zeigt mindestens drei persistierende Symptome aus den folgenden Kategorien: frühe Verhaltensenthemmung, frühe Apathie oder Passivität, früher
Verlust von Sympathie oder Empathie (Fähigkeit, sich auf die
Gefühle anderer Menschen einzulassen), frühes stereotypes,
ritualisiertes oder zwanghaftes Verhalten, Veränderung der Ernährungsgewohnheiten oder krankhafte Neigung, Dinge in
den Mund zu nehmen (Hyperoralität) sowie ein hier nicht weiter ausgeführtes, bestimmtes neuropsychologisches Profil.
PPA-- Bei der primär progressiven Aphasie (PPA) stehen
Sprachschwierigkeiten im Vordergrund, die das tägliche Leben einschränken. Je nach Art der Sprachstörung werden weitere Untervarianten unterschieden.
Demenz und Parkinson
Zwei Demenzformen stehen im Zusammenhang mit der Parkinsonerkrankung: Die Demenz bei primärem Parkinsonsyndrom entwickelt sich im Verlauf der Parkinsonerkrankung.
Der Beginn ist schleichend, und die kognitiven Einbußen
schränken mit der Zeit das Alltagsleben ein.
> DAS PTA MAGAZIN - - - Ausgabe 07-2016 <
25
TITEL_
Dagegen kann die Lewy-Körperchen-Demenz bereits vor
oder unabhängig von einer Parkinsonerkrankung auftreten.
Die Krankheit wurde nach dem deutschen Neurologen
Friedrich H. Lewy benannt, der bei der Obduktion von Parkinsonpatienten im Bereich von Großhirnrinde und Hirnstamm
Einschlüsse aus Protein-Aggregaten fand. Diese Lewy-Körperchen verursachen einen Dopaminmangel, welcher wiederum Parkinsonsymptome auslöst. Zu Beginn der Erkrankung
stehen Einschränkungen der Alltagsfunktionen im Vordergrund, während das Gedächtnis noch gut erhalten ist. Wahrnehmungs- und Denkprozesse verändern sich fließend, insbesondere im Bereich von Aufmerksamkeit und Wachheit. Hinzu
kommen visuelle Halluzinationen und Parkinsonsymptome,
die durch den Dopaminmangel hervorgerufen werden, wie
Schwindel, orthostatische Dysregulation, eine erhöhte Sturzgefahr, Harninkontinenz und Schlafstörungen mit nächtlichem Schreien und motorischer Unruhe. Ebenfalls auf den
Dopaminmangel zurückzuführen ist die Überempfindlichkeit
für Neuroleptika, die pharmakologisch auf den Dopaminstoffwechsel einwirken.
Schwierige Diagnose
Zahlreiche Krankheitsbilder können zu kognitiven Störungen
führen, so zum Beispiel Erkrankungen von Blutbildung,
Schilddrüse, Nieren oder Leber, Störungen des Vitaminhaushalts, Vergiftungen oder Infektionskrankheiten. Eine Abklärung mittels Blutbild ist daher sinnvoll. Denn immerhin sind
rund elf Prozent aller Demenzen heilbar, da sie sekundär, das
heißt infolge anderer Erkrankungen, entstehen und sich durch
Beseitigung der Ursache behandeln lassen. Für die primären
Demenzerkrankungen gilt das nicht, und es gibt keine klassischen Blutmarker. Stattdessen werden sie hauptsächlich über
neurologische und psychopathologische Befunde diagnostiziert, beziehungsweise dadurch, dass andere Erkrankungen
ausgeschlossen werden.
Eine zuverlässige Alzheimer-Diagnose wird im Prinzip erst
nach dem Tod sicher bestätigt durch das Vorhandensein spezifischer Ablagerungen. Hierzu zählen A -Ablagerungen und
Neurofibrillen aus phosphorylierten Tau-Proteinen.
APP-Abbau-- Das amyloid precursor protein (Amyloid-Vorläufer-Protein, APP) ist ein Protein, das durch die Zellwand der
Nervenzellen ragt. Es wird durch a-, - oder g-Sekretasen in
unterschiedlich große Teile zerlegt, wobei die entstehenden
Produkte zum Teil in die Zelle und zum anderen Teil außerhalb
der Zelle abgegeben werden. Während die a-Sekretase den
normalen Stoffwechsel bestimmt, gilt eine gesteigerte Aktivität
der - und g-Sekretasen als pathologisch. -Sekretasen
schneiden aus dem APP ein verkürztes Stück heraus, das im Anschluss von g-Sekretasen zu einem Peptid abgebaut wird. Die
entstehenden A -Proteine werden entsprechend der Zahl ihrer verbleibenden Aminosäuren als A 40 oder A 42 bezeichnet. Eine therapeutische Hemmung der verantwortlichen Sekretasen kann den neurodegenerativen Prozess aufhalten.
Ablagerungen-- Die Bildung von Neurofibrillen geht auf Ablagerungen dieser unlöslichen A -Proteine zurück. Ebenso fördern sie den oxidativen Stress sowie das Entzündungsgeschehen im Nervengewebe. Eine A -Ablagerung in Form „seniler
Plaques“ an den Synapsen bewirkt deren Untergang und unterbricht die Kommunikation zwischen den Nervenzellen. Neben diesem neurodegenerativen Prozess fördern A -Proteine
jedoch auch die vaskuläre Demenz, denn beim Versuch, die
A -Proteine über die Blutzirkulation zu entsorgen, können sie
sich in den Blutgefäßen ablagern und ischämische Prozesse vorantreiben.
Tau-Proteine-- Sie sind leicht lösliche und wichtige Bauelemente
im Zytoskelett, indem sie die röhrenförmigen Mikrotubuli zu
Bündeln verknüpfen, die der Zelle Form und Festigkeit verleihen. Unter Stress oder struktureller Schädigung kann sich jedoch ein pathologisches Tau entwickeln, das durch eine über-
26
> DAS PTA MAGAZIN - - - Ausgabe 07-2016 <
l. S. m. © Michael Westhoff / iStock | l. S. u. © Juan Gärtner / Fotolia | r. S. © Peter Maszlen / Fotolia
Alzheimer-Ablagerungen
TIPP
> Das kranke Gehirn ist
mäßige Aufnahme von Phosgehörigen in die Mitte der Gesellschaft geempfindlich. Daher
phateinheiten (Hyperphosphohören, und dass ein Leben trotz der Krankmüssen Antidementiva
rylierung) schlechter löslich
heit sehr lebenswert sein kann.
einschleichend in die
wird und sich unkontrolliert zu
Therapie eingeführt
Neurofibrillären Tangles („AlzBelastende Perspektive
werden. Als Faustregel
heimer“-Fibrillen“)
zusamDas Fortschreiten der Demenz führt früher
gilt: Die Initialdosis
menlagert.
oder später zum schweren Stadium, in dem
beträgt ein Drittel
Neurofibrilläre Tangels-- Das
die Patienten hilflos und pflegebedürftig
oder ein Viertel der
sperrige Gewirr (engl.: tangle)
sind.
Zusätzlich zur Grunderkrankung steigt
Zieldosis und wird im
aus aggregierten hyperphosdas
Risiko,
weitere Krankheiten zu erleiden.
Ein- bis Zweiwochenphorylierten Tau-Proteinen
Insgesamt
führt
dies zu einer verkürzten Letakt um jeweils diese
lagert sich innerhalb der gebenserwartung.
Diese
für Patienten und AnDosis gesteigert.
samten Nervenzelle ab, wobei
gehörige sehr belastende Perspektive wird daZellkörper und Zellfortsätze
durch verschärft, dass primäre Demenzen
(Axon und Dendriten) gleichermaßen betrofnicht heilbar sind. Alle Therapieversuche ziefen sind. Langfristig bringt dieser Prozess den Zellstoffwechsel len lediglich darauf ab, die Zunahme der Neurodegeneration
zum Erliegen und führt zum Zelltod.
zu bremsen und die Alltagskompetenz so lange wie möglich zu
Liquordiagnostik-- Aus dem Liquor (Flüssigkeit aus Gehirn und erhalten.
Rückenmark) lassen sich Parameter nachweisen, die dazu beitragen, die Diagnose Alzheimer bereits zu Lebzeiten bioche- Antidementiva
misch zu sichern. Bei Alzheimer-Demenz liegt typischerweise Der Einsatz von Antidementiva soll dem demenztypischen
die Kombination von erhöhtem Tau und niedrigem A 42- Verlust von denk- und gedächtnisbezogenen Fähigkeiten entProtein vor.
gegenwirken. Die verschiedenen Demenz-Typen sprechen
Die Aktivität der -Sekretase ist sowohl bei leichten kogniti- unterschiedlich auf Antidementiva an. Dennoch sind die Wirkven Störungen und Alzheimer-Demenz erhöht, gibt aber nur stoffe in der Regel nur für Alzheimer- oder Parkinson-Demenz
geringfügige Hinweise auf das Ausmaß der vorliegenden Schä- zugelassen. Das bedeutet für andere Demenzformen, dass ihr
digung. Erschwerend kommt hinzu, dass bis zu 80 Prozent der Einsatz in diesem Fall einen Off-label-use darstellt, der Ärzten
Senioren ohne kognitive Auffälligkeiten hinsichtlich der Bio- zwar grundsätzlich erlaubt ist, jedoch nicht von Krankenkassen
marker dieselben pathologischen Veränderungen zeigen, wie bezahlt wird.
AChE-Hemmer-- Die neuronale Schädigung bei AlzheimerpatiAlzheimer-Patienten.
enten betrifft besonders cholinerge Neurone. Dies sind Nervenzellen, die auf den Neurotransmitter Acetylcholin (ACh)
Leben mit Demenz
Am 2. April 2016 startete die zweite große Konfetti-Parade ansprechen. Der Botenstoff ist im Gehirn wichtig für kognitive
durch die Hamburger Innenstadt, die weltweit einzigartige Pa- Prozesse wie Lernen, Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Da
rade zum Thema Demenz. Die Bewegung „Konfetti im Kopf“ Acetylcholin in der Körperperipherie auch das vegetative Nerrund um den Fotografen Michael Hagedorn setzt ein weithin vensystem versorgt, haben Arzneistoffe mit einem Effekt auf
sichtbares Zeichen, dass Menschen mit Demenz und ihre An- dessen Wirkung zahlreiche Angriffsorte. Das kann dement> DAS PTA MAGAZIN - - - Ausgabe 07-2016 <
27
TITEL_
KONZENTRAT
-----------------------------------------------------------------------------------------
> Demenz ist ein Syndrom, das infolge einer chronischen oder fortschreitenden
Krankheit des Gehirns auftritt.
-------------------------------------------------------------------------------------> Dabei sind viele höhere Gehirnfunktionen gestört, wie die Bereiche für
Gedächtnis, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen.
-------------------------------------------------------------------------------------> Etwa 11 % der Demenzen gehen auf andere Erkrankungen zurück (sekundäre
Demenz). Ist diese behandelbar, kann die Demenz geheilt werden.
-------------------------------------------------------------------------------------> Wirkstoffe zur Behandlung einer primären Demenz sind in der Regel nur für die
Alzheimer- oder Parkinson-Demenz zugelassen. Ein Off-label-use ist möglich.
--------------------------------------------------------------------------------------
Ohne Pharmaka
Gerade im Frühstadium einer primären Demenz gibt es große Chancen,
die kognitiven Ausfälle durch stabilisierende, nicht pharmakotherapeutische Maßnahmen zu kompensieren.
Sie reichen von kognitivem Training
über gesunde Ernährung bis zu Stressabbau und Bewegungstherapie. Ein Schwerpunkt sollte darauf
liegen, dem Patienten Akzeptanz und Geborgenheit zu vermitteln. Rituale und biografische Arbeit wirken dem Identitätsverlust entgegen und helfen, den Alltag zu bewältigen. Die Sensorik kann über das therapeutische Arbeiten mit Farben, Musik
und Düften trainiert werden.
Begleitend
Neben den kognitiven Störungen leiden Demenzkranke häufig auch unter Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten, wie
Depression, Aggression oder Angst. In diesen Fällen sollte zunächst versucht werden, das Problem ohne den Einsatz von
Psychopharmaka zu lösen. Für die meisten Neuroleptika gilt
Parkinson als Kontraindikation, da sie zu Bewusstseinsstörungen mit Benommenheit und Schläfrigkeit (Somnolenz) führen
können.
Sammeln Sie Fortbildungspunkte
Auf Seite 80 finden Sie 10 Fortbildungsfragen zu diesem Beitrag.
Bei zu 80 Prozent richtiger Beantwortung können Sie einen von der
Bundesapothekerkammer anerkannten Fortbildungspunkt erhalten.
l. S. © SilviaJansen / iStock | r. S. © Sasha_Suzi / iStock
sprechend zu einer Vielzahl von unerwünschten Nebenwirkungen führen.
Eine Blockade der ACh-abbauenden Acetylcholinesterase
(AChE) verlängert die Wirkung des Botenstoffs an seinem Rezeptor. Als Antidementiva bei leichtem bis mittelschwerem
Alzheimerstadium sind die AChE-Hemmer Donepezil, Galantamin und Rivastigmin im Einsatz.
Neuroprotektiva-- Eine krankheitsbedingt erhöhte Konzentration des Neurotransmitters Glutamat führt zu einer Übererregung der Nervenzellen im Gehirn, Funktionsstörungen und
letztendlich zum Zelltod. In diesen Prozess greift Memantin
an, das Glutamat von seinen N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)Rezeptoren verdrängt und damit die Zahl der überlebenden
Nervenzellen erhöht. Allerdings sagt dies nichts über die Funktionsfähigkeit der überlebenden Neuronen aus. Sind deren Synapsen bereits durch A -Ablagerung unbrauchbar gemacht,
kann ihre Kommunikationsfähigkeit nicht wiederhergestellt
werden. Memantin ist bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimerkrankheit zugelassen.
Nootropika-- Die Präparate zur Steigerung des Gehirnstoffwechsels werden bei Hirnleistungsstörungen eingesetzt und
galten bei Demenz als zu schwach oder nicht wirksam. Die aktuellen Demenz-Leitlinien räumen nun Hinweise für die
Wirksamkeit des Spezialextraktes von Ginkgo biloba EGb 761
bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder
vaskulärer Demenz und nicht psychotischen Verhaltenssymptomen ein.
28
> DAS PTA MAGAZIN - - - Ausgabe 07-2016 <
Herunterladen