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Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos
Medienmitteilung vom 13. Mai 2008
Der Winter 2007/08
Winterbilanz 2007/08 des Eidg. Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Der Winter 2007/08 begann früh – es schneite bereits Mitte November ein. Ende April lag vor
allem in hohen Lagen noch viel Schnee. Es lag in den meisten Regionen genügend Schnee für
sehr gute Schneesportbedingungen. Besonders in den nördlichen Gebieten waren die Schneehöhen während der meisten Zeit des Winters überdurchschnittlich. Dort war auch die Schneedecke meist günstig aufgebaut. In den inneralpinen Gebieten hingegen war die Schneedecke
deutlich ungünstiger beschaffen. Dort ereigneten sich auch die meisten Lawinenunfälle. 11
Personen verloren ihr Leben in Lawinen, was deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt
liegt.
Winterverlauf
Der Winter 2007/08 startete fulminant und früh mit ergiebigen Schneefälle zuerst im Norden, dann
aber auch im Süden sorgten für einen geglückten Winterstart– und das schon Mitte November. Am 15.
November wurden an den meisten Stationen am Alpennordhang, im Unterwallis, in Nordbünden und
im Unterengadin höchste oder zweithöchste Schneehöhen seit Messbeginn gemessen. Es lagen zum
Beispiel in Fionnay (Unterwallis, 1500 m) 67 cm Schnee, in Saanenmöser (Berner Oberland, 1390 m)
51 cm, in Hasliberg (Berner Oberland, 1825 m) 137 cm, in Braunwald (Glarnerland, 1310 m) 116 cm,
in Arosa (Mittelbünden, 1818 m) 81 cm und im Samnaun (Unterengadin, 1750 m) 49 cm. Am Alpensüdhang und im Oberengadin fiel der Schnee meist nur oberhalb von etwa 2000 m.
In der ersten Dezemberhälfte folgten in allen Gebieten, besonders ausgeprägt erneut am Alpennordhang, im Wallis und in Nordbünden weitere Schneefälle, wobei Schnee bis in tiefe Lagen fiel. Mitte
Dezember waren die Schneehöhen in allen Gebieten ausser am Alpensüdhang überdurchschnittlich.
Im Unterwallis, am Alpennordhang und in Nordbünden erreichten die Schneehöhen das zwei- bis dreifache des langjährigen Mittelwertes. Am Alpensüdhang lag weniger Schnee als normal um diese Jahreszeit. In der zweiten Dezemberhälfte etablierte sich eine Schönwetterperiode, die mit einem kurzen
Unterbruch um den 30.12. bis über den Jahreswechsel anhielt. Über die Weihnachtsfeiertage herrschten sehr gute Schneesportbedingungen mit verbreitet geringer Lawinengefahr.
Für den Januar ungewöhnlich häufige Südstaulagen führten am Alpensüdhang zu ergiebigen
Schneefällen bis in tiefe Lagen. Am 16.01. galt in Lugano ein Schneekettenobligatorium. In den Kerngebieten des Niederschlages im nördlichen Tessin fielen in der ersten Monatshälfte 140 bis 180 cm
Schnee. Aber auch im Westen sowie in den Randgebieten am westlichen und östlichen Alpenhauptkamm schneite es 60 bis 120 cm, in den übrigen Gebieten meist weniger. Nördlich des Alpenhauptkammes führten die wiederholten Föhnlagen zu bedeutenden Schneeumlagerungen. Die Schneehöhen waren Mitte Januar im Vergleich zum langjährigen Mittelwert im Wallis, am Alpensüdhang und
in Graubünden leicht überdurchschnittlich (110 bis 140%), am Alpennordhang durchschnittlich (90 bis
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110%) – in allen Gebieten herrschte also eine ausgezeichnete Schneelage.
Einen ersten, frühlingsähnlichen Eindruck hinterliess die zweite Januarhälfte. Die Nullgradgrenze lag
zeitweise bei 3000 m und es war mit viel Sonne tagsüber recht mild. Die Wirkung der Sonneneinstrahlung konzentrierte sich aber auf sehr steile Südhänge – andernorts hatte die Sonne aufgrund des
noch flachen Einstrahlungswinkels und der kurzen Tage noch wenig Einfluss auf die Schneedecke.
Zum Monatsende brachte eine schwache Störung immerhin eine markante Abkühlung und v.a. am
Alpennordhang Schnee bis auf rund 600 m hinunter.
Weitere, mässige Schneefälle folgten in der ersten Februarwoche mit Zentrum zuerst am westlichen
Alpennordhang, dann am Alpensüdhang und zuletzt im Osten. Vom 8. bis zum 19.02. blieb es in der
ganzen Schweiz niederschlagsfrei. Exzellente Fernsicht, viel Sonne und hervorragende Schneesportbedingungen in den Bergen verwöhnten den Wintersportler während der Sportferienzeit. Milde Temperaturen liessen ein zweites Mal an das Frühjahr erinnern. Ende Februar waren erstmals in diesem
Winter die Schneehöhen aufgrund der Schönwetterperiode und ausbleibender Schneefälle in allen
Gebieten unter dem langjährigen Mittelwert.
Die erste Märzhälfte war geprägt von Weststürmen, deren erster und heftigster der Sturm Emma war.
Bis Mitte Monat jagte ein Tief (u.a. das Sturmtief Johanna und Kirsten) nach dem anderen seine Fronten über die Schweizer Alpen. In dieser sehr dynamischen Wetterphase lag die Schneefallgrenze
zeitweise über 2000 m, dann wieder in den tiefen Lagen. Auch am Karfreitag, 21.03. gab es nochmals
ein Wintercomeback bis ins Mittelland. Am meisten Schnee fiel im Glarnerland, im östlichen Berner
Oberland, im Lötschental und im Goms, wo in der Höhe innerhalb von knapp 24 Stunden 50 bis 80 cm
Schnee fielen. Gegen Süden und Südosten hin nahmen die Neuschneemengen deutlich ab. So blieb
es bis über die Ostertage hinaus winterlich mit weiteren Schneefällen bis zum 27. 03. Am meisten
Schnee fiel in dieser Zeit in Summe im Glarnerland mit 150 bis 200 cm. Am letzten Märzwochenende
erwarteten den Schneesportler sehr schöne Bedingungen: In der Regel dem langjährigen Mittelwert
entsprechende Schneehöhen und in den nördlichen Gebieten Schnee bis in tiefe Lagen.
Im April folgte eine Niederschlagsperiode der anderen. Besonders der Beginn des Aprils zeigte sich
von der winterlichen Seite. Am 7. 04. schneite es sogar nochmals bis ins Mittelland hinunter. Später
erhielten sowohl der Norden als auch der Süden nochmals grössere Schneemengen. Besonders zu
erwähnen ist die Niederschlagperiode vom 21. bis 24. 04, wobei oberhalb von rund 2200 m folgende
Neuschneehöhen gemessen wurden: Alpennordhang vom östlichen Berner Oberland bis ins Säntisgebiet 60 bis 90 cm; übriger Alpennordhang und Nordbünden 40 bis 60 cm, weiter südlich weniger als
30 cm. Über längere Zeit regnete es bis auf 2200 m hinauf, was zur Durchnässung der Schneedecke
bis in diese Höhenlage führte. Meist bedeckte Nächte verhinderten eine Abkühlung und Stabilisierung
der oberflächennahen Schneeschichten. In hohen Lagen lag Ende April in den meisten Gebieten, vor
allem am Alpennordhang, im Gotthardgebiet und in Nordbünden für die Jahreszeit noch viel Schnee.
Die Schneehöhen auf 2000 m betrugen dort noch (teilweise deutlich) mehr als 2 Meter. Gegen Süden
hin nahmen die Schneemengen ab.
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Lawinengefahr – Schneedeckenstabilität und Lawinenaktivität
Die Qualität des Schneedeckenaufbaus richtete sich typischerweise nach der Schneehöhe – je mehr
Schnee desto günstiger der Schneedeckenaufbau. Die Schneedecke war daher während des ganzen
Winters am Alpennordhang und im westlichen Unterwallis am günstigsten aufgebaut, das heisst die
Schneedecke war generell gut verfestigt. Lawinen lösten sich meist im Zusammenhang mit Schneefällen oder der Bildung von Triebschneeansammlungen in den jeweils oberflächennahen Schneeschichten. Ausgeprägte Schwachschichten, die über längere Zeit erhalten blieben, waren hier eher die
Ausnahme.
In den inneralpinen Gebieten des Wallis und Graubündens, aber auch teilweise am Alpensüdhang war
die Schneedecke etwa ab Ende Dezember am ungünstigsten aufgebaut. Vor allem in den Grundschichten der Schneedecke waren schwache Schichten eingelagert oder die Schneedecke war insgesamt schwach. Es waren hier immer wieder Brüche in den tiefen Schichten der Schneedecke zu
beobachten was v.a. im Frühjahr zu grossflächigen Lawinen führte. Die Lawinengefahr nahm gegenüber den anderen Regionen jeweils verzögert ab.
Typisch für den Winter 2007/08 waren Gleitschneelawinen, die über die meiste Zeit des Winters aktiv
waren. Ein wesentlicher Faktor für die Häufigkeit von Gleitschneelawinen war das relativ frühe Einschneien mit viel Schnee auf nicht gefrorenen, noch schneefreien und nassen Boden.
Im Winter 2007/08 wurde die Lawinengefahr wie folgt eingeschätzt (Darstellung in Klammern: Mittelwert der letzten 11 Jahre, jeweils Dez-April – vgl. Abbildung 1): Gefahrenstufe „gering“: 19% (16%),
Gefahrenstufe „mässig“: 45% (49%), Gefahrenstufe „erheblich“: 36% (33%), Gefahrenstufe „gross“:
0.6% (2%), Gefahrenstufe „sehr gross“: 0% (0.2%). Zu Gunsten der Gefahrenstufen „gering“ (Stufe 1)
und „erheblich“ (Stufe 3) wurden die Stufen „mässig“ (Stufe 2) und „gross“ (Stufe 4) etwas weniger
häufig benutzt als im langjährigen Mittel, wobei die Abweichungen moderat ausfallen.
Gefahrenstufenverteilung 07/08 in % (01.12. - 30.04.)
60
50
49
40
45
36
30
20
10
Werte links: Winter 07/08
Werte rechts: langjähriger Mittelwert
19
33
16
2
1
0
gering
mässig
erheblich
gross
0.0
0.2
sehr gross
Abb. 1: Gefahrenstufenverteilung im Winter 2007/08 vom 1. Dezember 2007 bis 30. April 2008
und langjähriger Mittelwert (11 Jahre).
Die günstigsten Perioden mit mehrheitlich geringer Gefahrenstufe (Stufe 1) dauerten vom 23.12. bis
zum 02.01. und vom 12.02. bis zum 28.02 – sie fielen also mit der Hauptferienzeit zusammen. Die
längste Periode mit mehrheitlich erheblicher (Stufe 3) und grosser (Stufe 4) Lawinengefahr am Stück
dauerte vom 04.01. bis 19.01. Dies war auch die Zeit mit der höchsten Lawinenunfalldichte. Die Gefahrenstufe „gross“ (Stufe 4) wurde an sieben Tagen verwendet (10.11., 11.12., 07.01., 12./13.01.,
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22.03., 03.04.). Betroffen waren aber jeweils maximal 30% der Fläche der Schweizer Alpen. Die fünf
Tage der höchsten Lawinenaktivität über die Schweizer Alpen beurteilt waren der 12./13.01., der
13.03. und der 21./22.03.
Perioden mit ausgeprägter Nassschneelawinenaktivität waren am 06./07.01., vom 22.02. bis 01.03.,
vom 12. bis 14.03. sowie vom 10.04. bis 12.04. und 18.04. bis Anfangs Mai. Grossflächige Nassschneelawinen gingen vor allem in den inneralpinen Gebieten Graubündens ab, wo der Schneedeckenaufbau den ganzen Winter über am ungünstigsten war. Ende April und Anfang Mai unterlag die
Lawinengefahr meist einem Tagesgang, wie das bei sonnigem Wetter im Frühjahr üblich ist. Die Gefahr für trockene Lawinen konnte als „gering“ (Stufe 1) eingeschätzt werden, die Nassschneelawinengefahr stieg jeweils im Tagesverlauf auf „erheblich“ (Stufe 3) an.
Lawinenunfälle
Bis Anfang Mai wurden dem SLF für den Winter 2007/2008 104 Lawinen mit insgesamt 171 erfassten
Personen gemeldet. 11 Personen haben bei 11 Lawinenunfällen ihr Leben verloren, 38 Personen
wurden in Lawinen verletzt, bei 32 Lawinen entstand Sachschaden (an Gebäuden, Objekten, Wald
sowie Such- und Räumungsaktionen). In einem der tödlichen Unfälle war die Lawinengefahr im Lawinenbulletin als „gross“ (Stufe 4), in 6 Fällen als „erheblich“ (Stufe 3) und in 3 Fällen als „mässig“ (Stufe 2) eingeschätzt. 7 der 11 Unfälle ereigneten sich in den inneralpinen Gebieten. Die Gesamtopferzahl von 11 liegt markant unter dem langjährigen Mittelwert von 25 Lawinentoten pro Jahr. Allerdings
muss erfahrungsgemäss bis zum Ende des nivologischen Jahres 2007/08 am 30. 09. noch mit weiteren Lawinenopfern gerechnet werden. Aufgrund der noch grossen Schneemengen in diesem Frühjahr
ist das Gefahrenpotential deutlich höher als in den vergangenen Jahren.
Die möglichen Gründe für diese vergleichsweise geringe Opferzahl sind vielfältig: Aufgrund der grossen Schneemengen war in vielen Gebieten der Schneedeckenaufbau oft günstig. Zudem waren während der Hauptferienzeit über Weihnacht/Neujahr und im Februar die Lawinensituation günstig. Es
zeichnet sich aber auch ab, dass diesen Winter oft eine effiziente Kameradenrettung Hand in Hand mit
der organisierten Rettung zu diversen erfolgreichen Rettungen führte – ein Hinweis darauf, dass der
Umgang mit den Notfallgeräten wie LVS (Lawinen-Verschütteten-Suchgerät), Schaufel und Sondierstange oft sitzt und das richtige Verhalten bei einem Unfall oft bekannt ist. Es ist zu hoffen, dass auch
die präventiven Massnahmen wie die Lawinenwarnung, die Lawinenausbildung und das Verhalten der
Skitourenfahrer, Freerider, Schneeschuhwanderer und Bergsteiger im Gelände ihren Teil zur tiefen
Opferzahl beigetragen haben.
Lawinenbulletins
Die Herausgabe der täglichen nationalen Lawinenbulletins wurde am 08.11. 2007 gestartet – ausserordentlich früh. Das letzte tägliche Lawinenbulletin erschien am 05.05.2008. Bis auf weiteres erscheint
jeweils mindestens jeden Donnerstag ein weiteres Lawinenbulletin, welches die allgemeine Schneeund Lawinensituation erläutert und über www.slf.ch, Fax 0900 59 20 20 oder Telefon 187 abgerufen
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werden kann. Zudem kann ein SMS Service abonniert werden, der auch über den Sommer auf das
Erscheinen eines Lawinenbulletins hinweist (SMS mit dem Inhalt START SLF SOMMER an 9234 senden, Service stoppen: SMS mit dem Inhalt STOP SLF SOMMER an 9234 senden, CHF 0.20 pro
SMS).
Im Weiteren verweisen wir auf den Alpenwetterbericht von MeteoSchweiz (www.meteoschweiz.ch,
Fax 0900 162 338 oder Telefon 0900 162 138). Weitere detailliertere Informationen zum Winter können über WinterAktuell wa.slf.ch eingesehen werden.
Kontakt:
Thomas Stucki, Leiter Lawinenwarnung SLF, 081 417 01 22
Corina Lardelli, Kommunikation SLF, 081 417 02 95
Das SLF ist Teil der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL.
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