C1/C2 Infomaterial

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Unterrichtsmaterialien
zur ägyptischen Archäologie
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für die:
Sekundarstufe I
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Mathematik im alten Ägypten:
Zahlen (-system), einfache Rechnungen,
Kalendersystem
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Mathematik im alten Ägypten
Impressum
Unterrichtsmaterialien zur ägyptischen Archäologie
Herausgeber
Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo
31, Sh. Abu el-Feda
11211 Kairo-Zamalek
Ägypten
Konzept, Texte und Redaktion
J. Sigl/ H. Sonbol, DAIK
M. Belal, DEO
A. Imhausen, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Gestalterisches Konzept, Layout, Satz
N. Mancy (freie Grafikerin, Kairo)
J. Sigl/ H. Sonbol, DAIK
Bildnachweis
Druck
Printcity © DAI Kairo, 2014 (Auflage 2)
Digitaler Zugang
www.dainst.org
www.deokairo.de
www.pasch-net.de
Cover: J. Sigl;
S. 2, 4, 7: © British Museum Company Limited;
S. 12, 13: J. Sigl/ G. Dreyer;
S. 18, 19: J. Sigl;
S. 22, 23: J. Dorner (Vermessung)/D. ­Härtrich
(Fotos)/S. Khamis (Grundrisszeichnung)/
U. ­Fauerbach (Gestaltung).
Projektpartner des Transformationspartnerschaftsprojekts „Schule“
Auswärtiges Amt (AA)
www.auswaertiges-amt.de
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DAIK 2014
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Deutsche Evangelische Oberschule in Kairo (DEO)
www.deokairo.de
Thomas Schröder-Klementa
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Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Kairo (DAIK)
www.dainst.org
Stephan J. Seidlmayer
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Mathematik im alten Ägypten
Info
Entstehung der Mathematik
Zahlen und mathematische Aufgaben ermöglichen es dem Menschen Ordnung in Gegenstände, Personen und Abläufe zu bringen (Personallisten, Zählungen von Lebensmitteln etc.) sowie
Vorgänge zu planen (Bauvorhaben, Feldzugsausrüstung usw.). Die Entstehung der Mathematik
ist in allen alten Hochkulturen somit in etwa zeitgleich mit dem Aufbau einer zentralen Staatsverwaltung anzusetzen. In Ägypten begann bereits um 2900 v. Chr., zur Zeit der Reichseinigung
(unter König Narmer) der im Delta und im Niltal bestehenden Kleinkönigreiche, die Entwicklung
eines hoch entwickeltes Mathematikverständnisses. Mit der Entstehung des Verwaltungswesens
bildete sich als einer der wichtigsten Berufe des alten Ägypten der des Schreibers heraus.
Mathematik in Ägypten hat eine eigenständige Entwicklung und wurde aus anderen Kulturkreisen
wohl erst ab der Perserzeit beeinflusst. Die ägyptische Rechentechnik hat jedoch umgekehrt die
Entwicklung der hellenistischen Mathematik gelenkt.
Mathematiker
Die Anforderungen aus Verwaltung und Wirtschaft im Staatsgeschäft verlangten vom Schreiber
in erster Linie die Kenntnisse der Schrift. Dabei handelte es sich natürlich um die Hieroglyphen,
wie sie in Tempeln und Gräbern aller Zeiten der pharaonischen Hochkultur zu sehen sind. Für
das ­Alltagsgeschäft der Staatsführung und Korrespondenz war jedoch die Schreibschriftform
der Hieroglyphen wichtiger, das Hieratische (und ab ca. dem 1. Jahrtausend v. Chr. das daraus
entwickelte Demotische). Hieratisch wurde wie Arabisch von rechts nach links und von oben nach
unten (in Spalten oder Zeilen) geschrieben und stellte eine vereinfachte, Zeichen verbindende Form der Hieroglyphen dar. Die Leserlichkeit der in dieser Schriftform geschriebenen Texte
hängt jeweils von der Handschrift des Schreibers ab. Obwohl also die altägyptischen Worte zum
überwiegenden Teil heute übersetzbar sind, kann die Entzifferung vieler Texte durchaus Probleme bereiten. Diese Quellen sind jedoch die wichtigsten für die moderne Wiedergewinnung des
altägyptischen Wissens und Denkens.
Neben allgemeinen Schriftkenntnissen musste der Schreiber je nach Aufgabe und Rang
­Spezialkenntnisse besitzen, die von der Verfassung von Briefen und Listen (nach Mustern) bis hin
zu Berechnungen von Steuerabgaben, Flächen, Volumina u.ä. reichten. Eine Ausbildung dafür
wurde sowohl als Einzelunterricht als auch – ab dem Mittleren Reich (ca. 1980-1750 v. Chr.) – in
Schreiberschulen bewerkstelligt. Sie war grundsätzlich zugänglich für alle Bevölkerungsschichten
und mit einem wesentlichen sozialen Aufstieg verbunden. Etwa in der Zeit der Schreiberschulen
entstanden auch das erste Schulbuch, die Kemit, sowie weitere Lehrtexte, u.a. zur Mathematik.
Die Mathematiker des alten Ägypten können in zwei Kategorien eingeteilt werden: In „Programmierer“ und „Computer“ (Seidlmayer 2001). Während erstere als Entwickler mathematischer
Theorien und Berechnungen zu gelten haben, wurden zweitere lediglich auf deren Anwendung
hin ausgebildet, nicht aber in das Hintergrundwissen eingeführt.
Mathematische Lehrtexte aus dem alten Ägypten, ihr Inhalt und Aufbau
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Zahlen sind unter den ersten bekannten Hieroglyphen vertreten. Sie werden in Datumsangaben und Auflistungen genutzt. Die ältesten Beweise für das mathematische Wissen der alten
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Mathematik im alten Ägypten
Info
Abbildung 1: Mathematischer Papyrus Rhind (mit Erlaubnis der British Museum Company Limited, London)
Ägypter sind jedoch die monumentalen Bauten des 3. Jahrtausends v. Chr., u.a. die Pyramiden,
für deren Planung bereits eine intensive mathematische Vorarbeit geleistet worden sein muss.
Die ältesten schriftlichen Quellen zu Berechnungen sind jedoch erst aus viel späterer Zeit über
liefert: Es sind auf Papyrus, Holztäfelchen und Lederrollen verfasste Lehrtexte, Beispiel
rechnungen und Anwendungsbeweise, deren älteste Exemplare aus der Zeit des Mittleren
Reichs stammen (ca. 1980-1750 v. Chr.). Eines der wichtigsten und bekanntesten Schriftzeugnisse ist der nach seinem Ankäufer benannte Mathematische Papyrus Rhind, der heute im British
Museum in London liegt (Abbildung 1; gekauft 1858 in Luxor; 87 mathematische Aufgaben niedergeschrieben von einem Schreiber namens Ahmes um 1650 v. Chr.; Inventarnummer im British
Museum EA 10057; Länge 199,5cm, Höhe 32cm). In all diesen Texten werden nicht etwa die
hinter bestimmten Berechnungen stehenden Theorien dargestellt und Herleitungen erklärt,
sondern anhand von Beispielen rein die Anwendung der mathematischen Formeln demonstriert,
wobei geometrischen Berechnungen erklärende Zeichnungen beigefügt werden (Arbeitsblatt
4). Die Praxisorientierung hatte dabei immer höchste Priorität. Arithmetrik und Geometrie bildeten ein fest zusammengehöriges Gefüge. Die Verfasser dieser Texte werden vermutlich die
„Programmierer“ unter den ägyptischen Mathematikern gewesen sein. Den „Computern“ wurden
über die Lehrtexte das notwendige Handwerkszeug gegeben um Aufgaben nach dem gleichen
Schema zu lösen.
Die mathematischen Handschriften der alten Ägypter sind voll mit komplizierten Rechenvorgängen:
Multiplikationen (Arbeitsblatt 3), Divisionen mit ganzen Zahlen und mit Brüchen, Flächen-, Volumenund andere Maßberechnungen. Diese Rechenoperationen umfassen auch die Anwendung von
Addition und Subtraktion, die jedoch nie explizit erklärt werden. Ihre Lösung geschah trivial, d.h.
der Weg zum Ergebnis wurde als Grundkenntnis vorausgesetzt. Die Multiplikation wurde auf die
Addition zurückgeführt: Der relevante Faktor wurde einfach so oft verdoppelt oder halbiert bzw.
mit 10 multipliziert bis das gewünschte Ergebnis erreicht war. Bei der Division näherte sich der
ägyptische Mathematiker der Berechnung dadurch, dass er sich überlegte, wie oft der Divisor
bei fortwährender Multiplikation mit 2 in den Dividenden passte. Ein eventuell übrig bleibender
Rest wurde in Bruchteilen des Divisors ausgedrückt. Bei einer Berechnung, die mehrere
Teilrechnungen umfasste, wurde sich dem Ergebnis mit Hilfe des sog. falschen Ansatzes (Regula
falsi/ probierender Ansatz) genähert.
Die aus dem alten Ägypten erhaltenen Mathematikaufgaben sind in drei übergeordnete Gruppen
zu teilen:
• Aufgaben zur Übung mathematischer Grundtechniken (inkl. Aufgaben zur Berechnung von
unbestimmten Größen, die wir heute mittels algebraischer Gleichungen lösen);
• Aufgaben der administrativen Mathematik (Rationenberechnungen, Berechnungen von
Mengen an Zutaten für Bier oder Brot);
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Mathematik im alten Ägypten
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• Berechnungen von Konstruktionselementen (Volumen eines Pyramidenstumpfes, Neigung
einer Pyramide, Berechnungen von Schiffsteilen).
Eine Besonderheit stellen einige Aufgaben aus dem Papyrus Rhind dar, die die Berechnung von
Kreisflächen beschreiben. In der heutigen Mathematik wird dazu die Zahl π verwendet. Diese war
den alten Ägyptern jedoch noch nicht bekannt. Dennoch schaffte es der Verfasser des Papyrus
auf verschiedene Weise das Problem zu lösen. Es wurde in der Ägyptologie versucht die Methode
der Kreisflächenberechnungen aus diesen Aufgaben inklusive einem π-ähnlichen Faktor zu
rekonstruieren. Tatsächlich fanden verschiedene Wissenschaftler Näherungswerte heraus, die
sich nur ab der zweiten Nachkommastelle von π unterschieden. Ob dem alten Ägypter jedoch
tatsächlich diese Methode sowie der Näherungswert an π vorschwebte lässt, sich dadurch weder
beweisen noch widerlegen.
Die Mathematikaufgaben in den erhaltenen Lehrschriften sind vorwiegend nach folgendem Schema
aufgebaut: Nach einer in roter Tinte geschriebenen „Überschrift“ wird zunächst ein Problem
beschrieben und dann der Lösungsweg vorgeführt – größtenteils in Form einer Textaufgabe.
In einigen Texten werden dabei Handlungsschritte – wie das Erreichen von Zwischenergebnissen
o.ä. – übersprungen, die der Mathematiker wohl auswendig kennen musste oder die dem alten
Ägypter zu logisch erschienen um extra auf sie hinzuweisen. Auffällig ist die überwiegende
Fehlerlosigkeit, in der grundlegende Rechenschritte gelöst werden. Es wurde daher vermutet, dass
für Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division Rechentabellen vorlagen. Solche Tabellen
wurden für natürliche Zahlen jedoch bisher nicht gefunden, sondern nur für Bruchrechenaufgaben.
Zahlen und Zahlensystem (Arbeitsblatt 1)
Die Ägypter verwendeten wie wir ein Dezimalsystem. Im Gegensatz zu den weltweit heute genutzten arabischen Ziffern, die ein Zeichen für je die Zahlen Null bis Neun kennen, die in unterschiedlicher Kombination höhere Zahlen darstellen, gab es im alten Ägypten für natürliche
Strich
1
Zahlen nur Zeichen für die Zahl 1, 10, 100, 1000,
10000, 100000 und 1000000.
Klammerfessel
10
Lotosblume
1000
Finger
10000
Kaulquappe
100000
Gott der Unendlichkeit
1000000
Beispiel: 19607 =
n („nein, nicht (existent)“
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Die Zahl Null existierte bei den Ägyptern nicht.
Man musste jedoch gelegentlich das „Nicht-Vorhandensein“ eines Wertes kennzeichnen. Dazu
verwendete man das Zeichen für „nein/nicht“.
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Die Zahlzeichen wurden additiv, der Größe
ihres Wertes nach hintereinander gesetzt –
beginnend mit den höchsten Zahlzeichen –
um Zahlen zu bilden. Dem idealen Schriftbild
folgend, versuchte der alte Ägypter dabei
kleinere oder breite Zeichen übereinander zu
kombinieren. Während normale Texte in Hieroglyphen sowohl von links nach rechts als auch von
rechts nach links und oben nach unten geschrieben werden konnten, sind die hieroglyphischen
Zahlen immer von links nach rechts zu lesen.
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Mathematik im alten Ägypten
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Die magische Zahl 7 (Arbeitsblatt 3)
Die Zahl 7 taucht in vielen heutigen und
vergangenen Kulturkreisen meist in Zusammenhang mit Märchen, Mythologie und
Religion auf. Sie ist dort sowohl mit positiven,
erschaffenden (z.B. 7 Schöpfungstage) als
auch negativen, zerstörenden Kräften (z.B.
7 Todsünden) verbunden. In altägyptischen
Quellen taucht die Zahl 7 zum Beispiel in
den Siebenheiten verschiedener Götter, dem
7-sternigen Sternbild des Großen Wagens,
das damals mit Osiris in Verbindung gebracht
wurde, den 7 Uräusschlangen, die den König
Abbildung 2: Eine Aufgabe zur Potenz der Zahl 7 im Ma- gegen Feinde schützten usw., auf. Wann imthematischen Papyrus Rhind (mit Erlaubnis der British
mer erforderlich, konnte man sich der Macht
Museum Company Limited, London).
dieser Zahl versichern und sie als macht
geladenes
Instrument
einsetzen.
So
begegnet man ihr sowohl im Diesseits, als auch im Jenseits und unterstützt durch ihre
Präsenz die für die maatgerechte Existenz des Landes unvergleichlich wichtigen Prozesse von
Schöpfung, Feindvernichtung und Regeneration.
Einführung in die altägyptischen Bruchzahlen (Arbeitsblatt 5)
Neben natürlichen Zahlen kannten die alten Ägypter auch Bruchzahlen. Bruchrechnen war damals jedoch deutlich schwieriger, da man nur mit sog. Stammbrüchen (Zähler: 1, Nenner: eine
beliebige Zahl) und den festen Bruchzahlen 1/2 und 2/3 arbeitete. Alle anderen Brüche wurden
als Summen von Stammbrüchen geschrieben, wobei die Stammbrüche ihrer Größe nach, mit
dem Größten beginnend geordnet werden:
1/2
1/3
1/12
1/56
2/3
5/12 = 1/3 + 1/12
6/7 = 1/2 + 1/3 + 1/42
Die Zerlegung von Brüchen (a/b) in Stammbrüche (1/n) und den festen Bruch 2/3 kann durch
folgende Schritte bewerkstelligt werden (aus dem alten Ägypten ist dieses Verfahren wohlgemerkt nicht bekannt!):
• Man prüft, ob der Bruch 2/3 von der zu zerlegenden Zahl abziehbar ist, ohne einen
negativen Wert zu ergeben. Wenn ja, sollten er vor der Weiterrechnung subtrahiert werden.
Wenn nein, geht man über zum nächsten Schritt.
• Gesucht wird der größte Stammbruch, der im gegebenen Bruch enthalten ist: bei gleich
bleibendem Zähler (a) sucht man dazu nach einem neuen Nenner (c), der das kleinste Vielfache des Zählers (n), das wiederum größer als der Nenner des Ausgangsbruchs ist (a/c
= gekürzt 1/n): z.B. 6/7 => größter Stammbruch = 6/12 = 1/2. (Als kleiner Trick kann man
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einfach den Nenner durch den Zähler dividieren und den Dezimalbruch, den man dabei
erhält, auf die nächsthöhere natürliche Zahl aufrunden. Dies ist dann der Multiplikations
faktor.)
• Die Differenz beider Brüche (= (na – b)/nb) ist zu bilden.
• Schritte 2 und 3 werden solange wiederholt, bis der Rest ein Stammbruch ist.
Die ägyptische Bruchrechnung stellte hohe Anforderungen an die Fähigkeiten des Rechnenden.
Erleichtert wurde die Arbeit durch Bruchrechentabellen, in denen Summen von Stammbrüchen,
die einfache Strammbrüche ergaben bzw. die Verdopplung von Stammbrüchen (die in der Praxis
oft benötigt wurden) verzeichnet waren. Diese Listen wurden eventuell sogar auswendig gelernt.
Zahlen in Jahreseinteilungen und Daten im
alten Ägypten (Arbeitsblatt 2)
Jahre, Monate, Tage und Stunden wurden bei
den alten Ägyptern nach dem Sonnen-, dem
Mond- und dem Sternenlauf sowie dem Wechsel der Jahreszeiten eingeteilt. Das jährlich wiederkehrende Ereignis, das den Anfang eines
neuen Jahres markierte, war die Überschwemmung des Nils, die über die Menge an Feld
früchten und das Überleben von Mensch und
Tier bestimmte. Sie trat in etwa Ende Juni,
ungefähr gleichzeitig mit dem heliakischen (in
der Morgendämmerung stattfindenden) Aufgang
des Sterns Sirius (oder Sothis) ein. Die Jahre
Regierungsjahr
Monat
Monatstag
Überschwemmungszeit
Zeit der Saat/der Herauskommens
Zeit der Hitze/Ernte/Flut
wurden als Regierungsjahre des jeweiligen Königs gezählt. Wie heute hatte ein Jahr 12 Monate
und war 365 Tage lang. Die Monate waren unterteilt in drei Dekaden, d.h. Wochen á 10 Tage,
und wurden in drei Jahreszeiten zusammengefasst, die jeweils Ende Juni, Ende Oktober und
Ende Februar wechselten. Die fünf fehlenden Tage wurden später im Griechischen als Epagomenen bezeichnet und als düstere, unsichere Zeit angesehen (im Grunde sind diese Tage mit den
unsrigen „zwischen den Jahren“ zu vergleichen, sprich zwischen Weihnachten und Neujahr, in
denen bereits das Gefühl des neuen Jahres in der Luft liegt, dieses aber noch nicht begonnen
hat).
Die Reihenfolge der einzelnen Elemente des altägyptischen Datums ist Jahr – Monat – Tag. Ein
Beispiel sieht demnach folgendermaßen aus (nach der Feldstele Thutmosis II. in Südaswan,
ASW/ROY/06):
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„Regierungsjahr 1, 2. Monat der Überschwemmungszeit, Tag 7. Erscheinen der Majestät des Königs von Oberund Unterägypten (Aa-cheper-n-Ra) , des Sohnes des Re (Thutmosis II. mit vollkommenen Kronen).“
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Die Jahreseinteilung war jedoch an Probleme geknüpft. Die Nilflut beispielsweise trat nicht zuverlässig am immer gleichen Tag des Jahres ein und konnte auch ganz ausfallen. Für Neujahr
wurde daher auf den ersten Neumond nach dem heliakischen Aufgang des Sirius gewartet. Das
altägyptische Neujahr wanderte durch die Eigenbewegung des Sterns im Laufe der Jahrtausende
von Mitte Juni bis Mitte Juli (in der römischen Zeit nach 30 v. Chr.).
In jede der drei Jahreszeiten fielen vier Mondzyklen von je 29 bis 30 Tagen. Es gab somit Jahre
mit 12 und mit 13 Neumonden im Wechsel. Dieser luni-stellare, für die Festlegung von religiösen
Riten und Festen genutzte Kalender musste also ständig durch genaue astronomische Beobachtungen angepasst werden. Für die Verwaltung war er daher nicht zu gebrauchen.
Ein zweiter Kalender, der sog. bürgerliche, standardisierte Kalender, hatte das Neujahr zu Anfang
seiner Existenz wohl ebenfalls am Neumondstag nach dem Sirius-Aufgang. Er teilte das Jahr wie
oben beschrieben in 12 Monate von 30 Tagen und je drei Dekaden. Die übrigen 5 Tage werden
im Griechischen als Epagomene bezeichnet, die „Nachfolgenden“. Sie wurden an die Monate frei
angehängt. Danach begann das neue Jahr, egal ob der erste Neumondstag da war oder nicht.
Da das tatsächliche Sonnenjahr 365 1/4 Tage lang ist, verschob sich dieser Kalender ständig zu
den Jahreszeiten und zum luni-stellaren Kalender. Nur alle 1460 Jahre stimmten beide Kalender
überein. Dies war den Ägyptern durchaus bewusst, wie eine Aufzeichnung auf dem Papyrus
Ebers beweist. Doch da die Jahreseinteilung als von den Göttern gegeben angesehen wurde,
verbat es sich etwas zu ändern.
238 v. Chr. versuchte Ptolemaios III. ein Schaltjahr per Dekret einzuführen. Dieses wurde jedoch
nach seinem Tod schnell wieder abgeschafft. Erst Kaiser Augustus gelang es für das römische
Reich und all seine Provinzen – darunter auch Ägypten – das Schaltjahr fest im Kalender zu
fixieren.
Die Tage wurden im alten Ägypten bereits in 24 Stunden geteilt: 12 Tages- und 12 Nachtstunden.
Da diese sich am Auf- und Untergang der Sonne orientierten variierte ihre Länge im Laufe des
Jahres mit der Zahl der Sonnenstunden. Als Uhren dienten tagsüber verschiedene Sonnenuhren, darunter auch Wanduhren, wie sie heute noch an einigen Gebäuden zu sehen sind. Für die
Nacht griff man auf Wasseruhren zurück. Sie bestanden aus einem Gefäß aus dem durch ein
Loch Wassertropfen auslaufen konnten. Mittels einer Skala konnte so der Ablauf der Zeit bestimmt werden. Eine andere Möglichkeit stellte die Positionsbeobachtung der Sterne dar. Auf auf
wendigen Sternenuhren waren die Positionen verschiedener Sternbilder zu bestimmten
Nachtstunden von ihrem jeweiligen Auf- bis Untergang vermerkt. Auch die Verschiebung der
Erscheinungszeiten über das Jahr hinweg war auf ihnen ablesbar.
Ägyptische Maßeinheiten (Arbeitsblatt 4)
Altägyptische Maß- und Gewichtseinheiten sind durch Grabungsfunde (Ellenmaßstäbe, Messstricke, Waagen, Gewichte usw.), aus Abbildungen und in Schriftstücken überliefert. Die
Größe dieser Einheiten war genormt bzw. wurde von der obersten Staatsverwaltung festgelegt.
Dennoch ergaben sich im Laufe der über 3000 Jahre der pharaonischen Geschichte zahlreiche
Veränderungen und Neudefinitionen. Im Folgenden werden vor allem die aus dem Neuen Reich
(1539-1077 v. Chr.) überlieferten Werte verwendet.
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Abbildung 3: Aufgaben zu Pyramiden und anderen geometrischen Berechnungen mit Längenmaßen auf dem
Mathematischen Papyrus Rhind (mit Erlaubnis der British Museum Company Limited, London).
Wie im mittelalterlichen Europa wurde auch bei den alten Ägyptern die Elle (Mech) als Längenmaß verwendet. Als Standard diente die sog. königliche Elle. Sie reichte vom Ellebogen bis zur
Spitze des Mittelfingers und war umgerechnet 52,5cm lang. Die Elle wurde in sieben Handbreiten
und diese wiederum in je vier Fingerbreiten unterteilt:
1 Elle = 52,5 cm
= 7 Handbreiten => 1 Handbreite = 7,5cm
= 28 Fingerbreiten => 1 Handbreite = 4 Fingerbreiten => 1 Fingerbreite = 1,875cm
Daneben wurden auf zeremoniellen Ellenstäben – aus Holz gefertigten Maßstäben – noch die
Fünffingerbreite, die Faust (6 Fingerbreiten), die Doppelhandbreite, die kleine (3 Handbreiten)
und große Spanne (3 1/2 Handbreiten), das Dscheser-Maß (4 Handbreiten), das Remen-Maß (5
Handbreiten)und die sog. kleine Elle (6 Handbreiten) sowie Bruchteile von einer Fingerbreite als
Maßeinheiten vermerkt. Diese tauchen jedoch in den schriftlichen Niederlegungen von Maßen
selten auf.
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Für die Vermessung langer Strecken, beispielsweise von Feldern, wurden genormte Messstricke
von 100 Ellen verwendet. Im Grunde handelte es sich dabei um normale Seile, in die im Abstand
von einer Elle Knoten geknüpft worden waren. Daneben taucht der sog. Doppel-Remen auf, der
sich als Länge der Diagonale eines Quadrats mit einer Seitenlänge von einer Elle definiert und
damit 74,25cm entspricht. Sehr lange Strecken wurden in Flußmaßen von je 20000 Ellen (ca.
10,5km) gemessen.
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Die größte Flächenmaßeinheit war der Setschat (die Arure), der als Quadrat von 100 Ellen, d.h.
10000 Quadratellen (2756,5m2) – definiert war. Dieser konnte unterteilt werden in:
Cha = 1000 Quadratellen = 10 mal 100 Ellen = 275,65m2
Ta = 100 Quadratellen = 10 mal 10 Ellen = 27,565m2
Remen = 1/2 Ta = 50 Quadratellen
Heseb = 1/2 Remen = 1/4 Ta = 25 Quadratellen
Sa = 1/2 Heseb = 1/4 Remen = 17,5 Quadratellen
Flächenmaße wurden sowohl bei der Landvermessung, als
auch beispielsweise bei der Abmessung von Stoffen benutzt.
Getreide, Gold, Myrrhe und ähnliche Waren wurden in Heqat
bzw. Oipe (= 4 Heqat) und Sack (= 20 Heqat) abgemessen.
Ein Heqat entsprach 4,75l und wurde in verschiedene Bruchteile zerlegt, die mit Teilen der Hieroglyphe für das sogenannte
Horusauge (rechts) geschrieben wurden.
Flüssigkeiten wurden allgemein in Hin (= 1/10 Heqat) abgemessen. Die kleinste Maßeinheit war
die für Arzneien: Ro (= 1/320 Heqat). Daneben gab es für einige flüssige und feste Stoffe – beispielsweise Bier, Honig, Wein, Weihrauch – zusätzlich noch spezielle Maßeinheiten in Krügen
und Töpfen unterschiedlichen Fassungsvermögens. Holz, Stroh, Gemüse oder ähnliches wurde
in Eselsladungen oder Bündeln bemessen.
Das Grundgewicht und eine der (Geld-) Werteinheiten im alten Ägypten war der Deben. Er entsprach ursprünglich ca. 13,6g. Im Mittleren Reich wurde der 13,6g-Deben primär zum abwiegen
von Gold verwendet. Für Kupfer und alles, was mit Kupfer aufgewogen wurde, gab es weitere,
größere Gewichte von ca. 26-28g. Im Neuen Reich kam es zu einer Vereinheitlichung des Deben
auf ein Standardgewicht von etwa 91g.
Neben dem Deben ist der Wertmesser Schati bereits im Alten Reich in Texten belegt. Mit ihm
konnte neutral der Wert von jedem Handelsgut wiedergegeben werden. Er hatte jedoch keinen
Währungscharakter wie heutiges Geld, sondern ist bisher nur als immaterieller Maßstab bekannt.
Geschäfte wurden in der Realität als Tauschhandel abgeschlossen.
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Mathematik im alten Ägypten
Literatur
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der Ägyptologie III, Wiesbaden 1980, 1199–1209.
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2003.
• A. Imhausen, Ancient Egyptian Mathematics: New Perspectives on Old Sources, in: The
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http://www.springerlink.com/content/k305070274802760/.
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• A. Loprieno, Zahlwort, in: W. Helck/W. Westendorf, Lexikon der Ägyptologie VI, Wiesbaden
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• F. Müller-Römer, Mathematikunterricht im Alten Ägypten (Propylaeum-DOK), Heidelberg
2011: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/volltexte/2011/1169/.
• O. Neugebauer, Vorlesungen über Geschichte der antiken mathematischen Wissenschaften
1 (Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen 43), Berlin/
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• T. Pommerening, Die altägyptischen Hohlmaße (Beihefte zu Studien zur altägyptischen Kultur 10), Hamburg 2005.
• W.-F. Reineke, Dezimalsystem, in: W. Helck/E. Otto, Lexikon der Ägyptologie I, Wiesbaden
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pdf.
• S. Vleming, Maße und Gewichte in demotischen Texten (insb. aus der ptol. Zeit), in: W.
Helck/W. Westendorf, Lexikon der Ägyptologie III, Wiesbaden 1980, 1209–1214.
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• A. Wirsching, Die Pyramiden von Giza – Mathematik in Stein gebaut, Norderstedt 2006.
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