Kleine Zeitung, Meine Gesundheit vom 1.8.2015

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ADIPOSITAS
CHIRURGIE
Wunderwaffe
gegendasÜbergewicht?
Die spannendste
Erfahrung nach der Operation
war, dass ich jetzt satt werde.
Das Gefühl kannte ich früher
kaum, weil mein Magen
überdehnt war.
Die Magen-OP ist oft der einzige Ausweg bei
krankhafter Esssucht. Doch die Operation ist
nur ein Krückstock, die Veränderung
tiefgreifend. Ein Schwerpunkt.
SONJA SAURUGGER
Werner Gruber,
Physiker und Kabarettist
GRUBER: Es gibt zwei Einschränkungen, von denen
mich aber nur eine trifft. Das
ist einerseits der Alkohol.
Trinkt man ein Achtel Wein,
ist man angesoffen. Das stört
mich nicht, ich habe schon früher wenig getrunken. Was
mich aber betrifft, ist, dass ich
keine Kohlensäure trinken
kann, denn das tut weh.
Können Sie noch genießen?
GRUBER: Ich habe so gut wie keine Einschränkungen beim Essen, also habe ich auch den Genuss.
Was ist Ihr Wunschgewicht?
GRUBER: Ich will unter die 100
Kilo kommen.
Können Sie Ihren berühmten
Schweinsbraten noch essen?
GRUBER: Zu meinem Geburtstag habe ich einen gemacht,
davon habe ich aber noch immer einiges eingefroren.
Was raten Sie Menschen, die
vor so einer Operation stehen?
GRUBER: Ich glaube, entscheidend ist, wer operiert. Man
sollte sich also mit anderen besprechen, die schon operiert
wurden, und so den besten
Chirurgen finden.
E
s klingt nach einem Wundermittel: Nach einer Operation, die den Magen verkleinert, purzeln plötzlich die
Kilos wie von alleine, der jahrelange Kampf gegen das Übergewicht ist gewonnen und die
Vorher-nachher-Fotos, mit denen sonst Diätmittel beworben
werden, werden Wirklichkeit.
Ist mit der sogenannten Adipositas-Chirurgie wirklich das Allheilmittel gegen krankhaftes
Übergewicht gefunden? Oder
sind die Konsequenzen weitreichender, als es auf den ersten
Blick scheinen mag? Die Experten klären auf: Nach einer solchen Operation ändert sich das
ganze Leben. Und: An der Ernährungsumstellung
führt
trotzdem kein Weg vorbei.
Voraussetzungen. Eine Operation kommt nur für Patienten infrage, die krankhaft adipös sind:
Das gilt ab einem BMI von mehr
als 40. „Haben Patienten einen
BMI von 35 und schon Krankheiten, wie Diabetes oder Gefäßerkrankungen, ist eine Operation auch empfohlen“, sagt
Karl Mrak, Chirurg an der LKHUniklinik Graz. Denn genau sol-
che Erkrankungen will man
Operationstechniken. „Die interdurch die Operation verhin- national häufigste Operation ist
dern: Durch weniger Körperge- heutzutage der Magenbypass“,
wicht sinkt der Blutdruck, der sagt Chirurg Mrak. Mit dem ByFettstoffwechsel wird besser pass erzielt man zwei Effekte:
und Betroffene leben länger. Tut Einerseits wird der Magen auf
man nichts geein Minimum
gen das Übergeverkleinert, anWISSENSWERT
wicht, kommt es
dererseits umzu Diabetes, Gegeht man ein
Die Voraussetzung für eine
fäßverkalkung
Stück
DünnAdipositas-Operation:
und
Herzerdarm, wodurch
Body-Mass-Index (BMI)I
krankungen, die
weniger Nährüber 40 oder BMI über 35
zu den häufigsstoffe aus der
und Erkrankungen, die mit
ten TodesursaNahrung aufgedem Übergewicht zusamchen
führen:
nommen wermenhängen (Diabetes,
Herzinfarkt und
den. „Durch den
Herzerkrankungen)
Schlaganfall.
Bypass kommt
Der BMI beschreibt
Warum es überes nicht nur
das Verhältnis von
haupt eine Opeschneller zum
Körpergröße zu Gewicht:
ration braucht,
Sättigungsgeum
abzunehfühl,
sondern
Körpermasse (in kg)
men? „Ab einem
man
kann
auch
2
Körpergröße (in m)
gewissen Übernur noch eingegewicht sind Beschränkt Fettes
troffene in einem Esssuchtver- und Süßes essen“, sagt Chirurg
halten gefangen“, sagt Reinhard Mittermair. Als Alternative gibt
Mittermair, Adipositas-Chirurg es die Möglichkeit, nur den Maam Klinikum Klagenfurt. Ernäh- gen zu verkleinern, wodurch ein
rungsumstellung,
Bewegung Magenschlauch entsteht (siehe
oder Psychotherapie sind dann Grafik nächste Seite). Ausgenicht genug – es braucht die
Fortsetzung auf Seite 42
Operation als Unterstützung.
42 | GESUNDHEIT
KLEINE ZEITUNG
SAMSTAG, 1. AUGUST 2015
Fortsetzung von Seite 41
dient hat hingegen das Magenband: Der Erfolg war zu gering,
die
Nebenwirkungen
zu
schwerwiegend. Aber auch
beim Magenbypass muss man
sich auf unerwünschte Wirkungen einstellen.
Nebenwirkungen. Durch die
Operation können KomplikaDie
tionen (NarkoOperation
se-Probleme,
narbige Engstelist nur ein
len) auftreten.
kleiner Teil,
Außerdem müses braucht die sen Patienten
nach der Operaumfassende
tion ihr EssverBetreuung.
halten umstellen. Kleine PorKarl Mrak,
tionen, gründliChirurg LKH Graz
ches Kauen und
getrenntes Essen und Trinken
sind die Voraussetzung – sonst
kann es schnell zu Übelkeit und
WISSENSWERT
Eine Adipositas-Operation
sollte nur in einem erfahrenen Zentrum durchgeführt werden. Es braucht
umfassende Betreuung
durch Psychologen,
Internisten und
Ernährungsberater.
Einen Überblick über die
Therapieangebote bei
Adipositas in Österreich
finden Sie unter.
www.adipositas-austria.org.
Erbrechen kommen. Das sogenannte Dumping ist eine häufige Konsequenz von zu viel, zu
süßem und zu fettigem Essen:
Wie der Name sagt, „plumpst“
der Nahrungsbrei direkt in den
Darm, was zu einer Unterzuckerung führt, die sich durch
Schwindel, Zittern und Herzrasen äußert. „Die Operation ist
nur ein kleiner Teil, Patienten
brauchen schon vor der Operation eine Ernährungsberatung,
damit sie wissen, was sie erwartet“, sagt Mrak. Durch die Mangelernährung kann es außerdem zu Mangelerscheinungen
kommen.
Mangelerscheinungen. „Mit der
Operation nimmt man in Kauf,
dass die Patienten ihren Bedarf
an Eiweiß und Nährstoffen
nicht mehr über die Ernährung
decken können“, sagt Karin
Schindler, Ernährungswissenschaftlerin am AKH Wien. Zwar
treffen Mangelerscheinungen
nicht jeden, aber: Schon vorsorglich bekommen Magenoperierte Eiweiß, Vitamine und
Spurenelemente als Ergän- sen: Schlingen ist nicht mehr
zungsmittel – damit der Man- möglich, für eine kleine Portion
gelzustand gar nicht erst ent- braucht man eine Dreiviertelstunde, weil sorgfältig
steht. Diese Ergängekaut werden muss.
zungsmittel können
Durch
diese
belebenslange Begleischränkte Nährstoffter bleiben. Denn
aufnahme nimmt man
eine Mangelernähschnell und viel an
rung hat unangeGewicht ab, aber:
nehme Folgen: Mü„Nach
spätestens
digkeit, Abgeschlazwei Jahren ist die
genheit, häufige InHoneymoon-Phase
fekte,
Wundheivorbei, dann geht Ablungsstörungen.
nicht mehr
Auch Haarausfall
Wenn der nehmen
von alleine“, sagt
betrifft viele, legt
Schindler. Spätestens
sich aber meist Chirurg viel
nach sechs Mona- Erfahrung mit sol- bis dahin müssen die
Betroffenen gelernt
ten. Regelmäßige
chen Operationen haben, sich gesund zu
Blutuntersuchunernähren – denn isst
gen gehören daher hat, ist es ein
weiterhin zu fett
zum
Prozedere
Routineeingriff. man
und zu süß und benach einer Magenoperation.
Reinhard Mittermair, wegt sich nicht, geht
das Gewicht auch
Lebensumstellung.
Chirurg am Klinikum
wieder nach oben. An
„Man muss sich da- Klagenfurt
der Umstellung des
rauf einstellen, dass
sich das Leben nach der Opera- Essverhaltens führt also kein
tion verändert“, sagt Schindler. Weg vorbei – oder wie SchindDas betrifft einerseits das Es- ler sagt: „Die Operation ist ein
OPERATIONSMETHODEN
Der Magenbypass ist die häufigste Operationsmethode bei Übergewicht. Dabei wird der Magen
stark verkleinert und ein Stück Dünndarm umgangen. Eine Alternative ist der Schlauchmagen.
Magenbypass
Schlauchmagen
Der Magen wird stark verkleinert, man kann viel weniger 70 bis 80 Prozent des Magens werden abgetrennt und
essen. Durch Umgehung des Dünndarms werden
entfernt. Dadurch kann weniger gegessen werden.
weniger Nährstoffe aufgenommen. Neuverbindung
Großteil des
von Magenbeutel
Magens wird
Verdauungssaft
und Dünndarm
abgetrennt
Nahrung
Magenbeutel
(„pouch“)
Verbleibender
Schlauchmagen
überbrückter
Zwölffingerdarm
Restmagen
Richtung
Dickdarm
Restmagen
entfernter
Magen
Leerdarm
Zweiter Teil
des Dünndarms
Leerdarm
Verdauungssäfte
werden aus
Zwölffingerdarm
eingeleitet
+
Nicht nur kleinere Portionen, sondern auch weniger Süßes und Fettes kann gegessen werden.
+
Mit dem Magen werden auch HungerRezeptoren entfernt – weniger Esslust.
–
Durch die eingeschränkte Nährstoffaufnahme
kann es zu Mangelerscheinungen kommen.
–
Es kann zu Sodbrennen kommen. Durch große
Essmengen kann sich Magen wieder ausdehnen.
GESUNDHEIT | 43
KLEINE ZEITUNG
SAMSTAG, 1. AUGUST 2015
Krückstock, aber gehen muss
man alleine.“
Auf diesem Weg passieren
noch andere Veränderungen:
Man
wird schlanker und
attraktiver,
das
kann sich auf die
Beziehung auswirken. Der Abnehmerfolg wird meist
von einem Hochgefühl begleitet – in
seltenen
Fällen
kann es aber auch
Die
zu depressiven Zuständen kommen, Operation ist
da das Essen als ein Krückstock,
Frustbewältigung
aber gehen
wegfällt.
Betreuung. An spe- muss man
zialisierten Zentren schon selbst.
betreut ein Team
aus
Diätologen, Karin Schindler,
Psychologen und ErnährungswissenInternisten Patien- schaftlerin am AKH Wien
ten vor und nach
dem Eingriff.
Denn die Operation alleine ist
nun mal kein Wundermittel.
Von 144 auf 70 Kilo:
Bernhard Traint
lebt seit drei
Jahren mit einem
Magenbypass
MEINE
GESCHICHTE
M
eine Magenbypass-Operation ist schon drei Jahre her
und in meinem Leben hat sich eigentlich alles verändert. Von
meinen damals 144 Kilogramm
bin ich richtiggehend auf mein
Wunschgewicht hinuntergerasselt. Heute wiege ich 70 Kilo, das
sind sogar zehn Kilo weniger, als
ich angestrebt habe. Auf diesem
Gewicht stehe ich jetzt schon seit
fast einem Jahr – dünner möchte
ich jetzt nicht mehr werden.
Nach der Operation konnte ich
nur winzige Portionen essen, das
hat sich mit der Zeit ein bisschen
verändert: Heute kann ich schon
einen Toast mit zwei Toastscheiben essen, früher musste ich einen Toast der Länge nach teilen.
Aber ich habe gelernt, genau auf
meinen Körper zu hören, und
höre auf, zu essen, wenn es nicht
mehr geht. Muss ich auch, denn
sonst muss ich erbrechen. Prinzi-
KK, KLZ/KANIZAJ
„Von meinem alten
Leben
ist nicht viel übrig“
Bernhard Traint erhielt bereits vor
drei Jahren einen Magenbypass. Sein
Leben hat sich völlig verändert.
piell könnte ich alles essen, ich
verzichte aber auf Schweine- und
Rindfleisch, weil es lange im Magen liegt und ich dadurch auch
lange nichts trinken kann. Essen
und trinken geht nach wie vor
nur getrennt. Ich esse hauptsächlich Geflügel und Fisch und damit
geht es mir gut. Ich habe bisher
auch noch keine Mangelerscheinungen, lasse aber trotzdem regelmäßig mein Blutbild kontrollieren.
Meine Haut ist in der Zwischenzeit schon zurückgegan-
gen, aber ich habe heuer schon
eine Bauchdeckenstraffung machen lassen. Das hat gut funktioniert, nach fünf Tagen konnte ich
wieder nach Hause. Die Narbe
der Operation sehe nur ich, sie ist
gut unter der Badehose versteckt.
Ich sehe sie als Kriegsverletzung,
als Erinnerung an eine vergangene Zeit.
Freunde verloren
Von meinem alten Leben ist nicht
mehr viel übrig: Ich habe viele
Sportarten ausprobiert, spiele
Speedminton und Tennis und
stelle mich auch auf die Slackline.
Das wäre früher, mit Übergewicht, nicht möglich gewesen.
Heute kann ich auch 20 Kilometer Skaten gehen, auch das war
früher undenkbar.
In meinem Freundeskreis hat
es auch einige Veränderungen
gegeben, leider. Mein ehemals
bester Freund war auch stark
übergewichtig: Zuerst hat er
mich nach meiner Operation unterstützt, doch bald hat er sich
nicht mehr gemeldet und hinter
meinem Rücken gemault. Ich
denke, da spielt wohl der Neid
mit. Auch einige andere Freunde
können mit meinem neuen
Selbstbewusstsein nicht umgehen oder vergönnen mir mein
neues Leben nicht.
Trotzdem sage ich: Die Operation war die beste Entscheidung
meines Lebens.
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