Halle, den 18.6.2011 Offener Brief: Das GSZ muss dem Bedarf entsprechen! Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Wolff, Sehr geehrter Herr Bullerjahn, Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Sträter, Sehr geehrter Herr Dr. Hecht, mit dem Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Zentrum (GSZ) planen die Martin-Luther-Universität und das Land Sachsen-Anhalt die meisten der bisher in der Stadt verstreuten Institute der Philosophischen Fakultäten I und II in einem neuen Gebäudekomplex zusammen zu führen. Zu den Zielen des Projektes gehören neben einer besseren Vernetzung der Wissenschaftsdisziplinen, einer repräsentativeren Außendarstellung und kurzen Wegen für Studierende, vor allem die Schaffung von ausreichenden und adäquat ausgestatteten Räumlichkeiten für die zur Zeit teilweise in stark baufälligen Gebäuden untergebrachten Institute. Es soll Studierenden und MitarbeiterInnen also angemessenen Raum zum Lernen, Lehren und Arbeiten geben. Dieses hehre Ziel rechtfertigt die erhebliche Investitionssumme und den enormen Aufwand des Umzugs von 56 Professuren, rund 300 wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und mehreren Bibliotheken im laufenden Betrieb. Nach langjährigen Planungen ist nun eine Entscheidung über den Um- und Neubau eines Gebäudekomplexes in der Ludwig-Wucherer-Straße/Emil-Abderhalden-Straße gefallen. Leider mussten wir feststellen, dass das GSZ in der aktuellen Planung dramatische Unzulänglichkeiten bietet: • keinen Platz für die Studierenden: Es sind weder Studierenden-Arbeitsräume (z. B. zur Vorbereitung von Gruppenarbeiten) vorgesehen, noch Flächen, an denen sich Studierende zwischen Lehrveranstaltungen aufhalten können. Ebenso sind keine Wartebereiche für Sprechstunden vorgesehen. Studierende würden also viel Zeit in einem engen Flur gedrängt stehend verbringen müssen, was Studierende und MitarbeiterInnen in ihrer Arbeit stark beeinträchtigen würde. • zu wenig Platz in der Bibliothek: Die aktuell geplante Bibliothek des GSZ wird nicht genug Platz für den jetzt schon existierenden Bestand an Bücher und Zeitschriften bieten, von ausreichend Arbeitsplätzen für die NutzerInnnen ganz zu schweigen. Eine solche Mangelsituation macht Ankauf und Nutzung aktueller Forschungsliteratur praktisch unmöglich. Gerade die Geistes- und Sozialwissenschaften werden damit ihrer elementarsten Arbeitsgrundlage beraubt! Eine „Priorisierung des Bestandes“, d. h. das Wegwerfen von Büchern, kann und darf keine Option sein!! • zu wenige Räume für Lehre (Seminarräume): Obwohl die Lehre eine der wichtigsten Aufgaben der Universität ist, gibt es dafür kaum Räume. Hintergrund ist u. a. die unsinnige und weltfremde Berechnungsgrundlage, nach der ein Bedarf nur für Studierende in der Regelstudienzeit ermittelt wird. Wenn ein Seminarraum pro Institut geplant ist, bedeutet das eine deutliche Verringerung der Lehrraumkapazitäten. In einer Lage, in der Seminarräume und Hörsäle schon überfüllt und i. d. R. von 8-18 Uhr ausgelastet sind, ist eine weitere Reduktion nicht akzeptabel! • keine Räume für studentische Vertretungen: Fachschaften und Institutsgruppen sind nicht nur wichtige und förderungswürdige Teile des universitären Lebens, sondern sie sind als demokratische Interessenvertretungen ein nicht wegzudenkender Teil der universitären Selbstverwaltung. Sie sind außerdem Anlaufstellen bei Problemen und Keimzelle für Initiativen. Sie sind Teil der Fakultät und brauchen Räumlichkeiten für ihre Arbeit und um ortsnah ansprechbar zu sein. • nicht genug Büros für die bestehenden MitarbeiterInnen und Lehrstühle: Nicht für alle Lehrstühle und MitarbeiterInnen, die in das GSZ umziehen sollen, sind auch tatsächlich Büros eingeplant, von Raum für die Einstellung neuer MitarbeiterInnen ganz zu schweigen. • kein familienfreundliches Umfeld: Die MLU hat sich im Rahmen des Audit-Zertifizierungsprogramms verpflichtet, eine familienfreundliche Studien- und Arbeitsumgebung zu schaffen. Die Planungen zum GSZ widersprechen dem grundlegend: Es sind keine Wickelräume, Stillräume, Spielecken, Eltern-Kind-Arbeitsräume etc. vorgesehen! • Kompromisse bei der Barrierefreiheit: Die Barrierefreie Umsetzung des Großteils des GSZ ist sehr zu begrüßen. Dennoch bleibt es schwer nachzuvollziehen, dass ein Gebäude auf dem Gelände nicht über eine Behindertengerechte Ausstattung verfügen soll. • zu wenig Platz für Drittmittelprojekte: Finanzierungen durch externe Geldgeber wie z. B. die DFG sind heute eine wichtige und schnell wachsende Säule der universitären Forschung. Durch die ,leistungsorientierteʻ Mittelvergabe (LOM) werden Drittmittel außerdem zu einer Grundlage für die Berechnung der Finanzausstattung der Fakultät und damit, politisch gewollt, in mehrfacher Weise unverzichtbar. Das GSZ bietet jedoch weder den nötigen Platz für die MitarbeiterInnen bestehender Projekte, noch die Raumkapazität für die Einwerbung neuer Drittmittel. Das GSZ bietet nach den gegenwärtigen Planungen also keine Umgebung zum Arbeiten, Lernen oder Lehren!! Trotz erheblicher Investitionssummen wird der geplante Bau keinem der anvisierten Zwecke gerecht. Stattdessen würde der GSZ-Neubau bei jetziger Planung prekäre Zustände für Forschung, Studium und Lehre schaffen! Eine derartige Verschlechterung ist so nicht hinzunehmen! Wer mindestens 52 Millionen Euro in ein unzulängliches Bauvorhaben investieren will, sollte die vergleichsweise geringen Mehrkosten für einen Bau nicht scheuen, der tatsächlich den Interessen der gesamten Universität entspricht! Wir fordern daher von der Landesregierung Sachsen-Anhalts und der Hochschulleitung der Martin-Luther-Universität: 1. Eine Konzeption des GSZ, die den Anforderungen als Studien-, Lehr-, Forschungs- und Arbeitsort gerecht wird (also genug Platz für alle Studierenden und MitarbeiterInnen in einem menschenfreundlichen Arbeitsumfeld, das dem tatsächlichen Bedarf und den Entwicklungsperspektiven entspricht), bzw. die Konzeption von Alternativlösungen! 2. Die dem tatsächlichen Bedarf entsprechende finanzielle Ausstattung des Bauvorhabens seitens des Landes! Bei der weiteren Planung müssen die oben angesprochenen Kritikpunkte mit einbezogen werden. 3. Dies muss noch vor Baubeginn geschehen: Der jetzt geplante Bau ist auch als Übergangslösung nicht geeignet! Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät I der Martin-Luther-Universität hat in seiner Sitzung vom 15. Juni 2011 beschlossen, dass die Fakultät die in diesem Brief geäußerte Kritik prinzipiell teilt und den studentischen Protest entschlossen unterstützt. Mit freundlichen Grüßen, die ErstunterzeichnerInnen: • • • • • • • • • • • • • der Studierendenrat der Martin-Luther-Universität der Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät I der Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät II für Neuphilologien und Sprechwissenschaften Sebastian Lüdecke (stud. Mitglied im Akademischen Senat der MLU) Joachim Langner (stud. Mitglied im Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät I) Alexander Müller (stud. Mitglied im Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät I) Martin Schröder (stud. Mitglied im Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät I) Anita Schunke (stud. Mitglied im Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät II) die Grüne Hochschulgruppe Halle (ghg) die Hochschulgruppe SDS/Die Linke Halle der Arbeitskreis Bildungspolitik des Studierendenrates der MLU die Institutsgruppe Philosophie die Institutsgruppe Soziologie Ansprechpartner: Joachim Langner, [email protected]