bodenmechanik1-geologie

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Bergische Universität
Wuppertal
Grundbau, Bodenmechanik
und Felsmechanik
Bodenmechanik 1
Bodenmechanik/Hydromechanik
Teil Bodenmechanik
2./3. Semester (SS 2002/WS 2002/2003)
- Geologische Grundlagen
(Erdentstehung, Kreislauf der Stoffe)
- Gesteinskunde/Petrographie
- Kartenkunde/Erdgeschichte
- Baugrundaufschluß-Technik
- Bodenmechanische Klassifizierung
- Druck-Setzungs-Verhalten
- Scherfestigkeit
Prof. Dr.-Ing. Matthias Pulsfort
Prof. Dr.-Ing. Bernhard Walz
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Bodenmechanik 1
I
INHALTSVERZEICHNIS
1 GEOLOGIE ALS NATURWISSENSCHAFT
1
2 DIE ERDE
3
2.1 ENTSTEHUNG
2.2 DAS ALTER DER ERDE
2.3 AUFBAU DER ERDE
3 KREISLAUF DER GEOLOGISCHEN STOFFE
3.1 EXOGENE DYNAMIK (SEDIMENTBILDUNG)
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.1.5
PHYSIKALISCHE VERWITTERUNG
CHEMISCHE VERWITTERUNG
AUSWIRKUNGEN
EROSION, TRANSPORT, SEDIMENTATION
DIAGENESE
3.2 ENDOGENE DYNAMIK
3.2.1 TEKTONIK
3.2.2 MAGMATISMUS
3.2.3 METAMORPHOSE UND ANATEXIS
3.3 STOFFKREISLAUF
4 GESTEINSKUNDE
4.1 MINERALBESTAND = MODUS
4.1.1 ALLGEMEINES
4.1.2 GESTEINSBILDENDE MINERALIEN
4.1.2.1
4.1.2.2
4.1.2.3
4.1.2.4
Silikate
Karbonate, Salze (nicht silikatische gesteinsbildende Mineralien)
Nebengemengteile
Akzessorische Gemengteile
3
4
5
7
7
8
9
13
13
18
18
18
21
28
29
31
31
31
34
35
36
37
38
4.2 GEFÜGEBESCHREIBUNG
4.3 MAGMATISCHE GESTEINE
38
39
4.3.1 TIEFENGESTEINE
4.3.2 GANGGESTEINE
4.3.3 ERGUßGESTEINE (VULKANITE)
4.4 SEDIMENTGESTEINE
40
42
42
44
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4.5 METAMORPHE GESTEINE
4.6 KREISLAUF DER GESTEINE
5 GEOLOGISCHE ZEITENFOLGE UND KARTENKUNDE
5.1 KARTIERUNGEN
5.2 ERDGESCHICHTE - ERDZEITALTER
5.3 LITERATURHINWEISE ZU ABSCHNITT 1 - 5
6 GEOTECHNISCHE UNTERSUCHUNGEN FÜR BAUTECHNISCHE ZWECKE
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
ALLGEMEINES
VERANLASSUNG UND DURCHFÜHRUNG GEOTECHNISCHER UNTERSUCHUNGEN
DIE GEOTECHNISCHEN KATEGORIEN
ARTEN DER GEOTECHNISCHEN UNTERSUCHUNGEN
BEDEUTUNG VON GEOTECHNISCHEN UNTERSUCHUNGEN
LITERATUR
7 DIREKTE AUFSCHLÜSSE
7.1
7.2
7.3
7.4
DEFINITION
VORGEGEBENE UND EINSEHBARE AUFSCHLÜSSE
SCHÜRFE, UNTERSUCHUNGSSCHÄCHTE UND -STOLLEN
BOHRUNGEN
7.4.1
7.4.2
7.4.3
7.4.4
7.4.5
7.4.6
7.4.7
DEFINITION
ANORDNUNG UND TIEFE DER AUFSCHLUßBOHRUNGEN (SIEHE [1])
TECHNISCHE AUSFÜHRUNG VON BOHRUNGEN IN BÖDEN
KLEINBOHRVERFAHREN IN BÖDEN
KLEINSTBOHRUNGEN
BOHRPROTOKOLL UND DARSTELLUNG DER BOHRERGEBNISSE
ABSCHLIEßENDE BEMERKUNG
7.5 PROBENGEWINNUNG
7.6 ERKUNDUNG DES TRENNFLÄCHENGEFÜGES
7.6.1 BEDEUTUNG DES TRENNFLÄCHENGEFÜGES
7.6.2 STREICHEN UND FALLEN
7.7 LITERATUR
8 INDIREKTE AUFSCHLÜSSE
8.1
8.2
8.3
8.4
8.5
8.6
ALLGEMEINES
DRUCKSONDIERUNGEN (CPT = CONE PENETRATION TEST)
BOHRLOCHRAMMSONDIERUNGEN – BDP (BOREHOLE DYNAMIK PROBING)
RAMMSONDIERUNG
FLÜGELSONDIERUNG (FLÜGELVERSUCHE)
LITERATUR
II
46
49
50
50
51
55
56
56
56
57
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60
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62
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69
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83
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9 LABORVERSUCHE ZUR KLASSIFIZIERUNG DES BODENS
9.1
9.2
9.3
9.4
DER BODEN ALS DREIPHASENGEMISCH
BESTIMMUNG DER KORNDICHTE ρS
BESTIMMUNG DES WASSERGEHALTES
BESCHREIBUNG DER FESTEN BESTANDTEILE
9.4.1 ALLGEMEINES
9.4.2 KORNGRÖßENVERTEILUNG UND DEREN BEDEUTUNG
9.4.3 ERMITTLUNG DER KORNGRÖßENVERTEILUNG
9.5 PORENRAUM
9.5.1
9.5.2
9.5.3
9.5.4
ALLGEMEINES
LAGERUNGSDICHTE D, BEZOGENE LAGERUNGSDICHTE ID
LOCKERSTE UND DICHTESTE VERSUCHSLAGERUNG
MESSUNG DES PORENANTEILS N
9.6 DIE PLASTISCHEN EIGENSCHAFTEN FEINKÖRNIGER BÖDEN
III
84
84
85
86
86
86
87
89
90
90
91
91
92
92
9.6.1 ZUSTANDSGRENZEN NACH ATTERBERG
9.6.2 ABGELEITETE KENNZAHLEN
92
93
9.7 BESTIMMUNG VON BODENBEIMENGUNGEN
96
9.7.1 GLÜHVERLUST
9.7.2 KALKGEHALT
9.8 SCHLUßBEMERKUNG
9.9 LITERATURHINWEISE
10 DRUCK- UND ZEITSETZUNGSVERHALTEN DES BODENS
10.1 ALLGEMEINES
10.2 DER EINDIMENSIONALE KOMPRESSIONSVERSUCH
10.2.1
10.2.2
10.2.3
10.2.4
10.2.5
10.2.6
10.2.7
10.2.8
DEFINITION
KOMPRESSIONSAPPARAT
VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
VERSUCHSAUSWERTUNG
ENTLASTUNG UND WIEDERBELASTUNG
ÜBERTRAGUNG DER VERSUCHSERGEBNISSE
MÖGLICHE VERSUCHSFEHLER
ERFAHRUNGSWERTE FÜR DEN STEIFEMODUL ES
10.3 DAS ZEITSETZUNGSVERHALTEN
10.3.1
10.3.2
10.3.3
10.3.4
DAS EINKAMMERSYSTEM
DAS MEHRKAMMERSYSTEM
ANALOGIE ZUM VERHALTEN EINES WASSERGESÄTTIGTEN, BINDIGEN BODENS
DAS ZWEITE MODELLGESETZ DER BODENMECHANIK
96
96
96
97
98
98
98
98
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101
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106
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109
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10.4 SCHLUßBEMERKUNG
10.5 LITERATUR
11 DIE SCHERFESTIGKEIT DES BODENS
11.1 ALLGEMEINES
11.2 DAS RAHMENSCHERGERÄT
11.3 DAS SCHERGESETZ FÜR NICHTBINDIGEN BODEN
11.3.1
11.3.2
11.3.3
11.3.4
VERSUCHSDURCHFÜHRUNG BEI ROLLIGEM BODEN
DAS SCHERWEGDIAGRAMM DES ROLLIGEN BODENS
DAS SCHERGESETZ
SCHEINBARE KOHÄSION BEI SAND
IV
112
112
114
114
115
116
116
116
117
118
11.4 SCHERGESETZ BEI BINDIGEM BODEN
11.4.1 VORBEMERKUNG
11.4.2 DIE KOHÄSION
11.4.3 DER NORMALKONSOLIDIERTE VERSUCH
11.4.4 DER ÜBERKONSOLIDIERTE SCHERVERSUCH
11.4.5 SCHERWEGDIAGRAMM BINDIGER BÖDEN
118
118
118
120
121
123
11.5 EINSATZBEREICH DES RAHMENSCHERGERÄTES
11.6 ERFAHRUNGSWERTE FÜR DIE SCHERFESTIGKEIT
11.7 LITERATUR
123
123
125
12 DREIAXIALE VERSUCHSTECHNIK
126
12.1 ALLGEMEINES
12.2 DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS
12.2.1 HERLEITUNG DER GLEICHUNGEN
12.2.2 GRAPHISCHE LÖSUNG MIT HILFE DES MOHRSCHEN KREISES
12.2.3 DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS UND DAS SCHERGESETZ
12.2.4 DIE MOHR-COULOMBSCHE FLIEßBEDINGUNG
126
126
126
127
129
131
12.3 AUSWIRKUNG DES KONSOLIDIERUNGSVERHALTENS EINES BINDIGEN BODENS
AUF SEINE SCHERFESTIGKEIT
12.4 BEISPIEL FÜR DIE ANWENDUNG DES ϕU = 0, CU-FALLES
12.5 DER DREIAXIALVERSUCH
134
136
137
12.5.1 VERSUCHSGERÄT
12.5.2 VERSUCHSPHASEN
12.5.3 VERSUCHSTYPEN
137
139
139
12.6 SCHLUßBEMERKUNG
12.7 LITERATUR
142
142
DER MOHRSCHE SPANNUNGSKREIS BEI VORGABE EINES (EBENEN)
NEBENSPANNUNGSZUSTANDES
143
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1
1 Geologie als Naturwissenschaft
Die Geologie als anwendungsbezogene Naturwissenschaft hat die Aufgabe, naturwissenschaftlich begründet
die Geschichte der Erde und des Lebens auf der Erde zu beschreiben und zu erklären. Man unterscheidet dabei übergeordnet:
− Allgemeine Geologie = Lehre vom Stoffbestand und Bauplan der Erde
Vorgänge der Veränderungen
− Historische Geologie = Lehre von der Geschichte der Erde anhand der Gesteine als Zeugnis des vor
zeitlichen Geschehens.
Für den Bauingenieur sind daraus besonders die Bereiche der Angewandten Geologie von Bedeutung:
− Geophysik (Erdbeben, geophysikalische Erkundung)
− Ingenieurgeologie
− Hydrogeologie
− Lagerstättenkunde.
In der Ingenieurgeologie berühren sich die Disziplinen Geologie und Geotechnik unmittelbar, was auch der
Grund für die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Bauingenieuren und Geologen
bei großen Ingenieurbauwerken ist, z. B. bei Talsperren, Tunneln, Felsböschungen etc.
Abb. 1.1: Geologie - Spezialdisziplinen [3]
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Nicht ausreichend berücksichtigte geologische Verhältnisse können möglicherweise verheerende Schäden
nach sich ziehen, z. B. bei der Malpasset - Staumauer oder dem Vajont - Stausee (s. Abb. 2).
Abb. 1.2: Vajont-Stausee: Felsgleitmasse und Gleitfläche [2]
1
2,3
4
5
6
Malm, dünnbankige Kalkstein-Mergel-Tonsteinfolge
Kreide, dickbankige Kalksteine (2) und Mergelkalkstein (3)
Gleitfläche
Oberfläche nach Felsgleitung
Ursprüngliche Morphologie
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3
2 Die Erde
2.1 Entstehung
Die Erde entstand im Zuge unseres Sonnensystems aus einer sich zusammenziehenden Wolke aus interstellarem Gas. Im Zentrum der Wolke stiegen Temperatur und Druck so an, daß die Atomkerne zusammengepreßt wurden, so daß es zu einer Kernfusion kam. Dadurch gab es eine nach außen gerichtete Kraft, die
die Schwerkraft ausglich, so daß die Kontraktion zum Stillstand kam - die Sonne als Stern war geboren.
Auf einer Scheibe rings um die Sonne sammelten sich Trümmer, deren Zentrifugalkräfte der Sonnenschwerkraft entgegenwirkten, so daß sie sich auf einer Umlaufbahn bewegten. Daraus entstanden die Planeten. Nah
an der Sonne ist die Temperatur für Wasser und Methan zu hoch, als daß sich feste Brocken hätten bilden
können. Dagegen konnten Materialien mit hohem Schmelzpunkt wie Eisen und Silizium hier in festem Zustand verharren. Die anwachsenden Körper saugten wiederum selbst Materie auf, mehr oder weniger zufällig - „Reich wird reicher und schluckt die Armen“ ist also sozusagen ein altes Naturgesetz.
Die Erde entstand dabei in ca. 1496 Mill. km Entfernung von der Sonne. Die inneren, näher zur Sonne rotierenden Planeten sind klein und felsig, die äußeren dagegen groß und gasförmig (Methan, Ammoniak). Man
unterscheidet dabei terristrische Planeten (erdähnlich) von sog. iuvianischen Planeten (jupiterähnlich).
Durch den weiteren Meteoritenregen hat sich die Erde erwärmt, ebenso durch den Zerfall radioaktiver Kerne.
Der Unterschied der Planeten entstand durch die Phase der Abkühlung, nachdem der Großteil der Materie
aufgesaugt war. Die Erde konnte in dieser Phase weniger Wärme abstrahlen als z. B. Merkur, der im Vergleich zum Volumen eine größere Oberfläche aufweist (∅ Erde ∼ 13000 km, ∅ Merkur ∼ 5000 km). Dies
weiß man aus Analogieschluß vom Mond, der bis ca. 160 km Tiefe geschmolzen war (APOLLOMissionen); zunächst stieg in den kleineren Planeten wie beim Mond die Temperatur an der Oberfläche,
wurde dann an das Weltall abgegeben und es bildete sich durch Abkühlung an der Oberfläche eine durchgehende LITHOSPHÄRISCHE PLATTE.
Die Erde hat dagegen zunächst Energie aufgenommen und ist durchgeschmolzen (vor ca. 4,5 Milliarden Jahren). Dabei sind in der Schmelze schwere Mineralien abgesunken (eisenhaltig), leichte Mineralien aufgestiegen (Silizium, Magnesium) - ähnlich wie in einer Öl-Wasser-Emulsion, d. h. es entstand eine Differenzierung.
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4
Auch Mars und Venus sind durchgeschmolzen, jedoch anschließend - wie der viel kleinere Mond - oberflächlich abgekühlt, so daß darauf eine lithosphärische Platte als einhüllende Schale entstand.
Die Erde - als größter terrestrischer Planet - konnte nicht genügend Wärme abstrahlen als daß sich eine
durchgehende lithosphärische Schale hätte bilden können. Zusätzlich entstand in der Schmelze durch Konvektion, d.h. durch Bewegung der Flüssigkeit und Blasenbildung ein Kreislauf mit Aufsteigen und anschließendem Absinken nach Abkühlung. Deshalb ist die Oberfläche nie ganz erstarrt, so daß eine bis heute anhaltende tektonische Aktivität der Platten die Folge war.
Der Unterschied zwischen den verschiedenen Planeten und damit die Möglichkeit der Entwicklung von Leben auf der Erde ist demnach göttliche Vorsehung oder Zufall, denn der Erddurchmesser als Maß für die
Wärmeabstrahlfähigkeit ist nur 5 % größer als Venus, die Erdmasse nur 15 % größer als bei der Venus.
2.2 Das Alter der Erde
Im 17. Jahrhundert hat ein englischer Bischof aus der Addition der Lebensalter der biblischen Geschlechter
errechnet, die Erde sei Dienstag, den 26. Oktober 4004 vor Christi um 9.00 Uhr morgens erschaffen worden.
Mit der Entwicklung der technischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden iost das Alter
der Erde immer weiter zurückdatiert worden, analog zu dem Postulat, daß die Erde so alt sein muß wie das
älteste Gestein auf ihrer Oberfläche. Die Entwicklung der Kenntnisse ist aus der nacshfolgenden Zusammenstellung abzulesen:
• 1,46 Mrd. Jahre mit Uran-Blei-Datierung
• 3,1 Mrd. Jahre (Zirkon aus USA)
• 4,6 Mrd. Jahre (Gestein aus Grönland).
Das Durchschmelzen der Erde hat alle geologischen Uhren auf 0 gestellt, so daß erst danach wieder Gestein
durch Erstarrung von Schmelze entstanden sein kann. Auch Meteoriten vom Mond sind auf ca. 4,6 Mrd.
Jahre Alter datiert worden.
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5
2.3 Aufbau der Erde
Die Erde hat einen Radius von ca. 6300 km und besteht
aus mehr oder weniger konzentrischen Kugelschalen unterschiedlicher Dichte. Dabei unterscheidet man von innen
nach außen:
•
Erdkern
-
fester innerer Kern,
flüssiger außerer Kern,
d = 3470 km
•
äußerer Erdmantel -
leichter als Kern, flüssig,
d = 2900 km
•
Erdkruste
-
feste äußere Schale =
Lithosphäre, d = 35 km
Abb. 2.1: Schnitt durch die Erdkugel [3]
Die Dichteverteilung innerhalb der Erde nimmt von außen
nach innen erheblich zu, beginnend in der sogenannten SiAl-Zonae (vorwiegend aus Silizium und Aluminium bestehend, meist Granodiorite als Gestein) mit 2,7 g/cm3 über die sog.SiMa-Zone (vorwiegend Silizium
und Magnesium, meist als Gabbro-Gestein) mit 3,0 g/cm3 bis hin zur sog. NiFe-Zone im Erdkern (aus Nickel
und Eisen) mit einer Dichte von 9 – 13 g/cm3 (siehe Abb. 2.1).
Die mit geologischen Methoden beschreibbare Zone ist nur die Erdkruste, d. h. die obersten 35 km. Selbst
darin haben die tiefsten bisher ausgeführten Bohrungen (KTB – kontinentale Tiefbohrung bei WindischEschenbach in Bayern sowie russische Bohrvorhaben) nur max. 10 – 12 km Tiefe erreicht. Die Vorstellung
über den Erdmantel und Erdkern resultiert daher nur aus geophysikalischen Untersuchungsverfahren.
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Abb. 2.2: Schematischer Schnitt durch die Erdemit Einteilung in Zonen [2]
6
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3 Kreislauf der geologischen Stoffe
Auf der Erdkruste treffen zwei Energie- bzw. Stoffströme aufeinander und wirken auf die Oberfläche ein.
Beide bestimmen gemeinsam die Landschaftsgestaltung und stehen miteinander in unmittelbarer Wechselwirkung, nämlich die exogene und die endogene Dynamik. Daraus resultiert ein Kreislauf der geologischen
Stoffe, in dem Gesteine entstehen und wieder eingeschmolzen werden.
3.1 Exogene Dynamik (Sedimentbildung)
Hierzu gehören alle Prozesse der Verwitterung von Gestein an bzw. in der Nähe der Erdoberfläche, aber
auch Erosion, Transport, Sedimentation und Diagenese; alle üblicherweise als Boden bezeichneten Lockergesteine entstehen zunächst durch Verwitterung von Festgestein (Abb. 3.1).
Abb. 3.1: Entstehung des Bodens durch Verwitterung des im Untergrund anstehenden Gesteins [1]
• Verwitterung:
Veränderung von Gestein im Kontakt mit der Hydrosphäre und der
Atmosphäre
• Ablauf der Verwitterung: durch physikalische und chemische Prozesse werden für die
mineralischen Bestandteile neue Gleichgewichtszustände erreicht.
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8
Zunächst entstehen durch die Verwitterung von Gestein Blöcke und Schutt mit größerer Oberfläche, die den
Atmosphärilien den Verwitterungsangriff erleichtern. Man unterscheidet dabei:
• Physikalische Verwitterung
= mechanische Zerkleinerung
• Chemische Verwitterung
= Lösung von Gesteinsteilen im Wasser, das keineswegs rein ist,
sondern Lösemittel enthalten kann.
3.1.1 Physikalische Verwitterung
Zur physikalischen Verwitterung sind die Einwirkungen Temperatur, Frost, Salzkristallwachstum und (physikalisch-biologisch) der Wachstumsdruck von Pflanzenwurzeln zu rechnen.
* Temperaturverwitterung :
durch Anisotropie der thermischen Ausdehnungskoeffizienten in den
Mineralkörnern in verschiedenen Achsrichtungen (Ausdehnungskoeffizienten 8 - 35 . 10-6/K)
die durch den Temperaturgradienten besonnte Erdoberfläche dehnt sich
ca. 1,5-2,5fach stärker als die Luft (tägliche Einwirktiefe: < 0,5 m, jährliche Einwirktiefe: < 20 m).
Die zugehörigen zyklischen Volumenschwankungen können bei Überschreiten der Zugfestigkeit zu Zugrissen im Gestein führen und lockern
das Gestein allmählich auf
* Frostverwitterung:
Wasser dehnt sich beim Phasenübergang flüssig/Eis um ca. 9 % seines
Volumens aus. Die Sprengkraft aus dieser Volumenszunahme in Hohlräumen beträgt bis zu pmax = 210 MN/m2 bei ca. -22o C; aber durch allseitige Drucksteigerung wird auch der Gefrierpunkt abgesenkt. Auch Kapillarspannungen = Grenzflächenkräfte zwischen Wasser und Kornoberfläche senken den Gefrierpunkt, z.B. bei feinkörnigem Ton auf –3 bis –5°
C.
Auf angelegten Schwächezonen (Klüfte, Schichtungen, Risse durch
Temperaturschwankungen) des Gesteins konzentriert sich der Frost-
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angriff, da hier das Porenvolumen größer und die Wasserfüllung stärker
sind als in dichtem Gestein.
Häufiges Gefrieren und Tauen im Gefolge der Temperaturschwankungen
lockern den Verband des Gesteins. Die Frost-Eindringtiefe beträgt in
Deutschland ca. 0,5 - 0,7 m, im arktischen Sibirien 6 - 7 m.
* Salzverwitterung:
Kristallisierende Salze, die bei Verdunstung von salzhaltigem Wasser in
aridem (trockenem) Klima in Spalten des Gesteins anwachsen, erzeugen
einen Kristallisationsdruck. Bei erneuter Durchfeuchtung werden manche Salze durch Wasseraufnahme zu Hydraten. Durch die Kristallisation
können Spannungen von 10 - 100 kN/m2 entstehen. Häufiger Wechsel im
Klima „feucht - trocken“ lockert entsprechend wie Frost das Gefüge von
Gestein.
* Physikalisch-Biologische
Verwitterung:
In der Vegetationszone kann durch den Wachstumsdruck der Pflanzenwurzeln (> 1 MN/m2) ebenfalls eine erhebliche Lockerung des Gesteinsverbandes auftreten.
Tiere lockern dagegen den Boden in der Regel nur auf und brechen damit
der weiteren Verwitterung durch Frost und Temperatur Bahn.
3.1.2 Chemische Verwitterung
Im Gegensatz zur physikalischen Verwitterung wird durch chemische Verwitterung eine völlige Auflösung
oder Umsetzung der Mineralsubstanzen von Gesteinen mit Hilfe von Lösungsmitteln bewirkt. Als Lösungsmittel kommen vor allem Oberflächen- und Grundwasser einschl. darin enthaltener Stoffe, z. B. Kohlensäure, Salze, Natriumchlorid, Ammoniumchlorid, Huminsäuren, schwefeliger Säure vor.
* Lösungsverwitterung:
Direkte Lösung von bestimmten Mineralien durch Wasser, z.B. bei Salzen wie Karbonat oder Gips
1 l Wasser löst bei 20° C z.B.:
360 g
NaCl
2,5 g
Gips (CaSO4 2H2O)
0,014 g
Kalkspat CaCO3
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Der Verlauf und das Ergebnis der Lösungsverwitterung hängt ab von:
− klimatischen Bedingungen (Temperatur, Feuchte)
− Ausgangsgestein (Mineralbestand)
− Zeit
− Relief (Tiefenreichweite, > 100 m).
Nur wenige Minierale widerstehen der Lösungsverwitterung: z.B.
Quarz (SiO2). Die gelösten Minerale werden weggeschwemmt, fallen
wieder aus oder bilden neue unlösliche Verbindungen.
* Kohlensäureverwitterung:
Regenwasser enthält mehr oder weniger gelöstes Kohlenstoffdioxid
CO2 (z.B. als „saurer“ Regen), besonders in der Bodenluft der nicht
wassergesättigten Bodenzone ist die Konzentration an CO2 ca. 100
mal höher als in der Außenluft. Auch die Verwesung organischer
Substanz setzt CO2 frei; andererseits verbrauchen Pflanzen in der belebten Bodenzone durch Assimilation wiederum CO2. Die im Wasser
gelöste Kohlensäure dissoziiert in Ionen:
CO2 + H2O ⇒ H2CO3 ⇒ H+ + HCO3- ⇒ 2H++ + CO3--
Reines Wasser löst z.B. nur wenig Kalkspat/Calzit CaCO3 (0,014 g/l),
aber bei CO2-haltigem Wasser bildet sich Calziumbikarbonat (dissoziiertes Ca-Hydrogenkarbonat). Dieses ist sehr viel stärker löslich, abhängig vom CO2-Druck, so daß die Löslichkeit erheblich zunimmt:
CaCO3 + H+ + HCO3- → Ca++ + 2 HCO3--.
Da in warmem Wasser weniger CO2 gelöst wird als in kaltem (analog
auch bei sinkendem Druck weniger CO2), löst kühles Grundwasser
erhebliche Mengen an Kalkspat, während bei Erwärmung bzw. bei
Entspannung = Druckabfall die Kohlensäure-Konzentration absinkt
und daher Kalkspat bzw. Aragonit wieder ausfällt (z.B. erkennbar an
der Kesselsteinbildung in Kochtöpfen bei kalkhaltigem Wasser. ).
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Auch Dolomit [(CaMg) CO3] wird durch kohlensäurehaltiges Wasser
gut gelöst und fällt bei Erwärmung als mehliger Rückstand von Dolomitkriställchen aus.
Abb. 3.2
* Rauchgasverwitterung
Löslichkeit von Kalkspat/Calciumkarbonat in Wasser [1]
= industriell bedingte verstärkte Verwitterung durch anthropogen erhöhte Konzentration CO2 und SO2, die durch Verbrennung von Kohle
und Erdöl in der Luft entstehen. Der Kohlensäure bzw. Schweflige
Säure enthaltende Regen löst direkt Kalkstein oder kalkig gebundenen
Sandstein. Er dringt jedoch auch in nicht lösliches Gestein ein, dort
bilden sich Salze und führen zu physikalischer Verwitterung (z. B. am
Kölner Dom).
* Oxidationsverwitterung
Eisenhaltige Mineralien werden durch in Wasser gelösten Luftsauerstoff oxidiert; betroffen sind im wesentlichen Fe-Oxide, Fe-Sulfide,
z.B. Pyrit (FeS2), das in den Nebengesteinen des Steinkohlenbergbaus
im Rheinischen Schiefergebirge vorkommt und durch seine Verwitterung diese „Waschberge“ sehr sauer macht:
2 FeS2 + 7 O2 + H2O → Fe2(SO4)3 + H2SO4 ,
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Bei der Oxydationsverwitterung von eisenhaltigen Mineralien wird
häufig zweiwertiges Eisen zu dreiwertigem Eisen oxidiert. Daraus
entsteht ein Mineral namens GOETHIT (α FeOOH + H2O), das häufig darunter liegende Erzlagerstätten anzeigt.
Brauneisenstein:
Fe2O3 .H2O
gelblich - rötlicher Farbumschlag
Roteisenstein:
Fe2O3
als Merkmal für den Beginn der
chemischen Verwitterung.
* Hydrolytische Verwitterung
Silikate, d. h. die Salze der Kieselsäure werden vollständig gelöst und
dann nicht - wie Carbonate und Salze - wieder ausgeschieden. In Wasser sind Silikate praktisch unlöslich.
Kieselsäure/Alumo(Tonerde)-Kieselsäuren bilden Salze mit Alkalibzw. Erdalkali-Kationen: K, Na, Ca, Mg, Fl. Diese Salze setzen unter
Druck-Temperatur-Beanspruchung bei Hydrolyse Molekül-Teile frei
und finden neue stabile Verbindungen, so z.B.:
4 K Al Si3O8 (Kalifeldspat = Orthoklas) + 4 H2O →
Al4 (OH)8 Si4O10 (Kaolinit) + 2 K2O + 8 SiO2 (Quarz).
Der Verwitterungsrückstand sind überwiegend Tonmineralien, d.h.
Aluminiumhydrosilikate und Aluminiumhydrate. Alkalisalze K2O und
Quarz werden fortgeführt (amorphe Gele), man spricht von Entkieselung
oder z.B. Hydrolyse mit CO2-haltigem Wasser:
2 K Al Si3O8 + 2 H2CO3 + H2O →
Al2 OH4 Si2O5 (Kalolinit) + 4 SiO2 (Gel) + 2 K HCO3 (löslich).
* Chem.-Biol. Verwitterung
Mikro-Organismen, z.B. Bakterien und niedere Pilze, die auf Fels
wachsen, scheiden Wasserstoff-Ionen H+ aus. Das abgestorbene Gewebe wird durch andere Kleinlebewesen im Boden in dunklen Humus umgewandelt , d.h. hochmolekulare zyklische Huminsäuren.
Diese leiten dann wieder eine chemische Verwitterung ein.
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3.1.3 Auswirkungen
Bodenkunde
in Land- und Forstwirtschaft, betrachtet die Verwitterungszone als Kulturboden, d.h. als Nutzpflanzenstandort (kolloidale Anteile Ton + Humus).
Bodenmechanik
betrachtet das mechanische Verhalten der Verwitterungszone als Lockergestein.
Technische Gesteinskunde
betrachtet die Wetterbeständigkeit und Festigkeit von Gestein als Baustoff, die Werkstoffprüfung erfolgt z.T. unter künstlichen Verwitterungsbedingungen.
3.1.4 Erosion, Transport, Sedimentation
Die Verwitterungsprodukte werden am Ort ihrer Entstehung von verschiednenen Transportmedien abgetragen (erodiert) und wegtransportiert. Als Transportmedien kommen neben der Schwerkraft dazu in Frage:
• aquatisch, d.h. durch Wasser
-
Erosion, Abrasion, Subrosion
• glazial,
d.h. durch Eis
-
Exaration
• äolisch,
d.h. durch Wind
-
Deflation
Je nach der örtlich wirksamen Klimazone - nivale Zone (nivalis = Schnee, lat.), periglaziale Zone, humide
Zone, aride Zone (aridus = trocken, lat.) - herrscht das eine oder andere Transportmedium vor, wobei sich
die Klimabedingungen in geologischen Zeiträumen erheblich ändern können und geändert haben.
Die Bewegung der Transportmedien wird durch die Sonne exogen gesteuert (d.h. durch Energiezufuhr), indem die kurzwelligen Lichtstrahlen am Boden in langwelligere Wärmestrahlen umgesetzt werden und die
Luft erwärmen. Dadurch steigt (heutzutage) die Luft am Äquator auf und strömt zu den Polen hin ab. Dabei
wird Wasserdampf mitgerissen, der beim Kondensieren wieder Niederschlag liefert. Die Meeresflächen verdunsten mehr Wasser als das umgebende Land, daher müssen zum Potentialausgleich pro Jahr ca. 27000
km3 Wasser vom Land in die Ozeane fließen, damit der Kreislauf geschlossen wird. Das Potential dieses
Wassers steht für eine gewaltige geologische Arbeitsleistung zur Verfügung. Genauso werden durch die
Sonneneinwirkung von außen her auch die Winde und die Bewegung der Gletscher gesteuert.
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Transportmedium Wasser
Der Transport des verwitterten Materials im Wasser erfolgt entweder in Lösung (bei chemischer Verwitterung) oder als Suspension (Schwebstoff-Fracht) mit diskreten Teilchen; beim Mitschleppen von größeren
Teilchen spricht man von Geröllfracht bzw. Geschiebe. Bei ausreichender Fließgeschwindigkleit ist das
Wasser in der Lage, Feststoffteile mitzureißen (s. Abb. 3.3).
Abb. 3.3: Transport und Sedimentation durch Wasser, Wechselwirkung zwischen der Fließgeschwindigkeit und der Korngröße
Geröllfracht
-
durch Schub des strömenden Wassers im Flußbett, Steine werden gerundet;
je nach Härte des Gesteins benötigt die Rundung der Kiesel einen Transportweg
von ca. 1 - 5 km für rel. weiche Ausgangsgesteine wie Kalkstein, Sandstein
dagegen
10 - 20 km für härtere Ausgangsgesteine wie Quarzit oder Granit;
eine Halbierung der Korngröße erfolgt nach
10 - 50 km Kalk, Sandstein
100 - 300 km Quarzit, Granit;
mit der Zerkleinerung ist eine Auslese des Härtesten verbunden (Gold, Diamant).
Schwebfracht -
feine Schwebstoffe werden durch Turbulenz in ganzem Wasser verteilt;
Bergflüsse führen in der Regel mehr Geröll: z.B. der Inn: Schweb/Geröll = 2/1
Flachlandströme führen mehr Schwebfracht:
Wolga: Schweb/Geröll = 500/1.
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Lösungsfracht
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Im Wasser gelöste Mineralien treten überwiegend im Sickerwasseranteil von Bächen und
Flüssen auf, d.h sind im Quellwasser vorhanden und werden weiter flußabwärts verdünnt; ihre Konzentration ist nicht von der Fließgeschwindigkeit abhängig.
Akkumulation
z. B. im Neckar
Schwebfracht mg/l
Lösungsfracht mg/l
HW Frühjahr
380
760
NW Herbst
20
690
Bei Abnahme des Bach- bzw. Flußgefälles läßt die Fließgeschwindigkeit und damit die
Schleppkraft des Wassers nach (s. Abb. 3.3), so daß fluviatile Sedimentablagerungen
entstehen, zunächst die Geröllfracht (Terrassenschotter, Kies, Sand), bei weiterer Geschwindigkeitsabnahme auch die viel feinkörnigere Schwebfracht (Schluff, Ton, Schlick,
Auelehm); dabei wird das mitgeführte Material nach der Korngröße sortiert und klassiert.
In einem Flußdelta kann es dabei durch wechselnde Fließrichtungen und Fließgeschwindigkeiten eines Flusses zu ausgeprägten Schrägschichtungen kommen (s. Abb. 3.4). Auf
diese Weise werden mit entsprechender Zeit die Geosynklinalen (d.h. tiefer gelegene
Teile der Erdoberfläche, z.B. Becken) mit Sedimenten aufgefüllt.
Abb. 3.4: Schrägschichtung und Kreuzschichtung in der Sedimentfolge eines Flußdeltas [1]
Abrasion
Bezeichnung für den Abtrag von Gestein durch Meeresbrandung an der Küste bzw. Litoralregion (lat. litus = Ufer); Gesteinsblöcke werden durch die Brandung gegen die Uferwand geworfen; dadurch entstehen Brandungshohlkehlen, deren lichte Höhe vom örtlichen Tidehub abhängt. Bei genügend tiefer Unterhöhlung brechen die überhängende
Schichten nach (z.B. Helgoland oder Rügen, ähnlich im Lockergestein von Sylt). Die feineren Teilchen werden als Schwebstoff vom Meer hinausgetragen, die groben bleiben
auf der Brandungsterrasse, werden aber nach der Größe sortiert.
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Die dadurch hervorgerufene Verschiebung der Küste ins Binnenland nennt man
Transgression des Meeres.
Transportmedium Eis
In den nivalen (kalt, schneereich) Klimazonen erfolgt der Transport von verwittertem Material überwiegend
durch Exaration (exarare = lat. auspflügen) infolge von Gletschereis-Bewegungen. Gletscher entstehen
durch „Verfirnung“ von Schnee unter Druck des Eigengewichtes. Durch die Verdichtung infolge Eigengewicht entstehen dichter gepackte Kristallkörner, die im Gletscher jahreszeitlich geschichtet abgelagert sind.
Mit zunehmender Tiefe wird innerhalb eines Gletschers aus dem weißen lufthaltigen Eis tiefblaues, nahezu
luftfreies Eis. Bei ausreichend hohem Druck infolge Eigengewichts beginnt an der Sohle eines Gletschers
das Eis plastisch zu fließen (z.B. Eispanzer über Grönland heute d > 3 km), weil der Schmelzpunkt von
Wasser infolge Drucks um ca. 0,007K/100 kN/m2 absinkt. Infolge Gravitation beginnt der Gletscher auf dieser plastischen Zone talwärts zu fließen.
Der dabei ablaufende Vorgang der Exaration durch Abfrieren von Gestein aus der Talsohle durch ausgepreßtes Schmelzwasser und durch Ausschleifen eines Talgrundes führt zur glazialen Überformung der
Landschaft, d.h. V-förmige Täler werden zu U-förmigen Tälern umgeformt.
Abb. 3.5: Prinzipschnitt durch einen Gletscher [1]
Schuttfracht:
Grundmoräne, am Gletscherfuß zusammengeschoben und transportiert; unsortiert
Seitenmoränen, Zufuhr von Schutt von oben auf den Gletscher, z.B. durch Lawinen etc.;
beim Schmelzen sinkt die mitgeführte Moräne als ungeschichteter Geschiebemergel zusammen;
bei Stillstand = Gleichgewicht zwischen Nachschub und Abschmelzen bauen sich an der
Gletscherzunge Endmoränen auf;
vor dem Gletscher sortieren die Schmelzwässer das mitgeführten Material in Sandern,
ähnlich wie in den Schüttfächern von Bächen/Flüssen.
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In periglazialen Gebieten und im Permafrostgebiet erfolgt durch das Auffrieren in Eislinsen und Wiederauftauen ein hangparalleles Erdfließen, das man als Solifluktion bezeichnet. Auch durch diesen Frost-TauWechselprozeß kann Schutt/Boden hangabwärts transportiert werden.
Transportmedium Wind
Bei großflächigen Vereisungen können herabwehende Fallwinde Gesteinstaub von der Gletscheroberfläche
mit sich führen (Gletschertrübe) , jedoch auch vor der Gletscherzunge aus Sandern und Solifuktionsgebieten
die feineren Körner herausreißen und fortwehen. Dieser Staub wird vor dem Eisrand durch Steppenpflanzen
aufgefangen oder fällt in Lee hinter dem nächsten Hügelkamm durch Nachlassen der Windgeschwindigkeit
wieder aus und bildet dann mehr oder weniger mächtige Löß-Ablagerungen als äolische Sedimente. Diese
betragen in:
• Deutschland
1 - 3 m (z.B. im Raum Heiligenhaus/Solingen vor der südlichen Vereisungsgrenze der
nordeuropäischen Vereisung)
• Rußland
15 m
• China
> 100 m.
In ariden Gebieten (pflanzenarme Wüsten) mit einer Schuttdecke aus Temperaturverwitterung ist der Wind
in der Lage, durch Deflation Feinbestandteile aus der Oberfläche zu lösen und damit in Form von
Sandstürmen eine Korrasion = schleifende Wirkung von sandbeladenem Wind zu erzeugen (Monument Valley in USA). In Sandwüsten wird der Sand als DÜNE bewegt und wandert bis mehrere m/Monat leewärts.
Bei jahreszeitlich wechselnden Winden können solche Dünen auch ortsfest bleiben.
Ablagerung = Sedimentation
Nach dem Ort und der Art der Ablagerung des mehr oder weniger sortierten Verwitterungsmaterials am Ende des Transportweges werden die Sedimente wie folgt unterschieden:
Ort der Ablagerung
Art der Ablagerung
terrestrisch
klastische Sedimente
marin (im Meer)
chemische Sedimente
fluviatil (in Bächen oder Flüssen)
organogene Sedimente
limnisch (in Binnenseen)
Schließlich unterschiedet man noch die klastischen Sedimente nach ihrer Korngöße in psephitische (griech.
ψεϕos -Kiesel), psammitische (ψαµµos - Sand) und pelitische (πελos - Schlamm) Sedimente.
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3.1.5 Diagenese
Mit Diagenese bezeichnet man die Verfestigung von als Lockergestein abgelagerten Sedimenten vom Zeitpunkt ihrer jeweiligen Ablagerung an. Dabei bleibt der Gefüge-, Stoff- und Mineralbestand des sedimentierten Materials im wesentlichen unverändert. Je nach stofflicher Zusammensetzung der Sedimente unterscheidet man:
* synsedimentäre Diagenese:
gleichzeitig mit der Sedimentation eintretende Verfestigung, zB.
durchprimäre Kristallisation von Salzen oder Riffkalkzementation
* postsedimentäre Diagenese:
nach Abschluß der Sedimentation eintretende Verfestigung durch
Druck- und Temperaturzunahme (< 300o C), Kompaktion (vor allem
bei Ton) durch steigende Überdeckung (räumliche Verdichtung),
Wasseraustrieb, Umkristallisation, Kornzertrümmerung;
nachträgliche Zementation (vor allem bei Sand), d.h. Verfestigung
durch Ausfällung eines Bindemittels, z.B. Einkieselung durch Quarzlösung unter Druck oder durch Kalkzement als Bindemittel.
3.2 Endogene Dynamik
Plattentektonik, Vulkanismus und Erdbebenaktivität stehen in unmittelbarem Zusammenhang, wobei die
heutige Vorstellung der Plattentektonik erst in den 60er Jahren entwickelt wurde. Die endogenen Kräfte sichtbar an den Bewegungen der Erdkruste - sorgen immer wieder für frischen „Gebirgsnachschub“, an dem
die exogenen Kräfte wieder ihre Verwitterungs- und Einebnungsarbeit verrichten können.
3.2.1 Tektonik
Die Tektonik beschreibt die Krustenbewegungen der Erde, auch die vorzeitlichen. Man unterscheidet dabei
zwei Typen von Vorgängen:
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* Epirogenese
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beständige, langsame und lange andauernde Hebungen bzw. Senkungen der
Erdkruste (allerdings auch mitunter ruckartig konzentriert), daraus entstehen
Schwellen = Geoantiklinen und Gräben = Geosynklinalen
* Tektogenese (Orogenese) Gebirgsfaltung, ggf. mit plötzlichem Freiwerden von potentieller Energie in
Bruchflächen, wobei die Gesteinsmassen in Ruhelage zurückschnellen → Erdbeben, Brüche und Falten.
Die Plattentektonik wurde in den 60er Jahren durch Magnetfeld-Messungen auf dem Ozeanboden belegt.
Vulkanische Gesteine (z.B. die SiO2-armen Basalte) enthalten Kristalle von ferromagnetischem Magnetit
(Fe304), die beim Erstarren/Abkühlen das wirksame Erdmagnetfeld fixieren (unterhalb der Curietemperatur,
bei der die Atome sich ausrichten, ca. 550 - 450o C, d.h. das Gestein ist schon erstarrt, wenn es magnetisiert
wird).
Die Messungen am Meeresboden ergaben Gestein, das entgegengesetzt zum heutigen Magnetfeld magnetisiert war („Nordpol“ an der Antarktis); d.h. das Magnetfeld muß sich im Laufe geologischer Zeiträume geändert haben. Gemeinsam mit der Datierung des Gesteinsalters ergab sich weltweit ein einheitliches Gesamtmuster. Die einzelnen Gesteinslagen wechseln in der Magnetisierungsrichtung (Wechsel jeweils alle
0,5 - 2 Mill. Jahre). Auf dem Meeresboden zeichnen sich dadurch Linien umgekehrter Magnetisierung parallel zu den vorhandenen Rückenstrukturen ab. Mit dem Gesteinsalter kann man daraus eine UmkehrzeitSkala entwickeln, aus der auch die Driftgeschwindigkeit der Plattenränder ermittelt werden kann.
Das ca. 30 km entfernt vom mittelatlantischen Rücken liegende Gestein (umgekehrt magnetisiert) war
600.000 Jahre alt. Demnach dehnen sich die Ozeanischen Platten aus (s. Abb. 3.6, heute ca. 1 - 5 cm/Jahr, d.
h. 2 km2 neue Fläche/Jahr), dafür wird an den Plattenrändern älteres Plattenmaterial nach unten gedrückt
(Subduktionszonen = Benioff-Zonen, in denen horizontale bzw. schräge Pressungen vorherrschen). Entsprechend gibt es 2 Typen von Rändern an den ozeanischen Platten:
• Zerrungszonen nennt man „Sea floor spreading“ (z. B. im Mittelatlantischer Rücken)
• Pressungszonen nennt man Benioff - Zonen (z.B. westlich von Chile ).
Die Konvektion im Magma unter der Lithosphäre bewegt die Oberfläche (wie bei einem Ölfilm auf fast kochendem Wasser) und zerreißt sie in Platten, die sich auf der flüssigen Unterlage bewegen. Die Kontinente
unterliegen in der Regel nicht der Unterschiebung (Subduktion, s. Abb. 3.6), daher sind sie durchweg älter
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als die ozeanischen Platten. Eine Ausnahme ist der indische Subkontinent, der sich unter die asiatische Platte schiebt und dabei das Himalaya-Gebirge auffaltet.
Abb. 3.6: Tektonik der ozeanischen Platten mit Subduktion an den kontinentalen Platten[1]
Abb. 3.7: Rekonstruktion der Wanderung der Kontinente in der jüngeren Erdgeschichte[6]
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In Europa sind in der erdgeschichtlich „jüngeren“ Vergangenheit (bis ca. 580 Mio Jahre vor unserer Zeit)
i.w. 3 Gebirgsbildungsphasen mit unterschiedlichen Beanspruchungsrichtungen durch die Kontinentaldrift
der afrikanischen Platte gegen die europäische bzw. laurasische Platte abgelaufen:
• die kaledonische Faltung am Ende des Silur (vor ca. 400 - 500 Mio. Jahren)
• die variskische Faltung am Ende des Paläozoikums (vor ca. 230 - 350 Mio. Jahren)
• die alpidische Faltung im Jungmesozoikum/Känozoikum (Jura bis Tertiär, vor ca. 15 - 180 Mio. Jahren),
die nacheinander einschließlich der folgenden Verwitterungsphasen die heutigen europäischen Landschaftsformen geprägt haben.
Abb. 3.8: Tektonisch-Chronologische Gliederung von Europa [1]
3.2.2 Magmatismus
Besonders an den Pressungsrändern der Platten (s. Abb. 3.9) entstehen Schwächezonen mit Teilaufschmelzungen der Kruste, in denen Magmen bzw. Laven aufsteigen und dabei erkalten und erhärten können:
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z.B. an den
-
Inselbögen an der Westküste des Pazifiks
bzw. an den
-
aufgeschobene Kontinentränder wie Anden oder Rocky Mountains mit Vulkanismus.
Abb 3.9: Gliederung der Erdkruste in lithosphärische Platten[6]
Magma ist dabei die Bezeichnung für natürliche Gesteinsschmelzen, während als Lava nur freigesetztes
Magma bezeichnet wird, welches durch Druckentspannung bereits entgast ist. Beim Zusammenstoß von 2
kontinentalen Platten erfolgt die Subduktion nur unvollständig (Indien unter eurasische Platte), vielmehr
werden dann Faltengebirge, z. B. der Himalaya, erzeugt. Man unterscheidet bei den magmatischen, d.h.
durch Erkalten beim Aufstieg entstandenen Gesteinen folgende Grundtypen:
• Tiefengesteine
=
Plutonite, in der Erdkruste erstarrtes Magma
• Erstarrungsgesteine
=
Vulkanite, an der Erdoberfläche erstarrte Lava
a) Vulkanismus
Die Austrittsstellen des Magmas, das sich als Lava (1000 - 1100o C heißer Schmelzfluß) an der Erdoberfläche ergießt, nennt man VULKANE (nach der Insel Vulcano nördlich Siziliens, im Äolischen Inselbogen, eine der liparischen Inseln). Insgesamt sind auf der Erde ca. 500 verschiedene, in geschichtlicher
Zeit aktive Vulkane bekannt. Ihre Verbreitung orientiert sich ebenso wie die der Erdbeben häufig an
jungen Faltengebirgen bzw. entlang größerer Brüche und der Plattenränder, dagegen kaum innerhalb von
massiven Kontinentalplatten (Australien, Zentralasien, Nordamerika).
Klassische berühmte Beispiele für Vulkane sind z.B.:
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• Vesuv (79 n. Chr. ausgebrochen mit der berühmten Verschüttung von Pompeji und Herculaneum), s.
Abb. 3.10)
• Ätna auf Sizilien (Vulkangebirge mit einer Vielzahl von seitlichen Ausbruchstellen, sog. parasitären
Kratern)
• Stromboli nördl. von Sizilien, ständig rhythmisch tätig, kleine Eruptionen täglich
• Krakatau (1883/1927) in Indonesien/Sundainseln
• Santorini (Ägäis) mit einem vom Meer überfluteten Einbruchkessel = Caldera.
Abb. 3.10: Übersicht des Vesuv mit halbseitig erodiertem Somma-Krater
Man unterscheidet folgende Vulkantypen:
Schildvulkane =
reine Lavavulkane (Hawaii und Island), die gasarme und Si02-arme Laven mit
niedriger Viskosität, d.h. sehr dünnflüssig, fördern
(Hawaii = 18 km hoch, ∅ 400 km, Kegel mit nur 5o Böschungsneigung gegen die
Horizontale, gebildet aus 5 Schildvulkanen; davon ist z.B. der Kilauea heute noch
aktiv)
Schichtvulkane =
Stratovulkane (z. B. Vesuv, Ätna) mit Förderung von sog. Tephra, d.h.
einem Gemisch aus Lava und bereits vorher erkaltetem Tuff, solche Vulkane bilden unter ca. 30o geböschte Kegel mit leicht konkaven Hängen.
Häufig enthalten solche Vulkane Radialgänge an parasitären Kratern = seitl.
Ausbrüche, dadurch kann die charakteristische Form verändert sein.
Gasvulkane
=
Lockerstoffvulkane, fördern überwiegend mit Lockerstoffen beladene Gase,
meist Nebengesteinstrümmer!
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Die Baukörper dieser Vulkane heißen MAARE, d.h. ringförmige Wälle, die sich
nach unten zu einem engem Spalt verengen (tektonische Kluft in der Kruste, die
sozusagen von unten aufgeblasen wird).
Vorkommen in Deutschland: Eifel, Schwäbische Alb, letzte Tätigkeit in der Eifel
vor ca. 10.000 Jahren
Subvulkane
=
Quellkuppen, d.h. in geringer Tiefe unter der Oberfläche erstarrte (meist Si02reiche) Lava, z. B. am Drachenfels; diese Vulkanform stellt den fließenden Übergang zur Erscheinung des sog. Lagerganges zwischen anderen Schichten (z.B.
Diabasgänge) dar
Submarine Vulkane = mit Unterwasserförderung liefern Pillow-Laven, die in großen Tropfen (∅ 0,2 - 2
m) als plastische Kugeln übereinander geschichtet werden; dabei entsteht durch
die schockartige Abkühlung häufig eine glasig abgeschreckte Haut, die durch das
Weiterrollen zerbricht und wieder neu gebildet wird; solche Glassande nennt man
Hyaloklastite = Glastuff, bei chemischer Reaktion mit dem Salzwasser und Bindung von tonigem Meeresbodensediement auch Palagonite.
typische Förderprodukte der Vulkane
vulkanische Gase
- ursprünglich unter Druck in der Lava gelöst Gase, durch Entspannung
und Abkühlung nahe der Oberfläche werden sie aus der Gesteinsschmelze
gelöst, schäumen auf und bilden Blasen
(überwiegend Wasserdampf, C02, S02)
aufgeschäumte Lava wird leichter und dünnflüssiger, evtl. kann dadurch
auch ein regelrechter Gasstrahl aus dem Schlot entstehen. In der Regel
wird das Gas durch Viskosität der Schmelze zurückgehalten.
Vulkanite = Ergußgesteine - silikatischer Schmelzfluß von 1000 - 1100oC, der bei ca. 700o C erstarrt.
Si02-arme Schmelzen = dünnflüssig, liefern Lavadecken (Andesit)
Si02-reiche Schmelzen = zähflüssig, liefern steile Staukuppen.
Durch Schwindklüfte bei der Abkühlung und Volumenverminderung entstehen häufig sechsseitige Säulen (z.B. in Form der sog. Basaltorgeln).
Vulkanische Kontaktmetamorphosen durch Wärmeabgabe an die benachbarten Gesteine neben dem Schlot sind typische Begleiterscheinungen.
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Pyroklastika = vulkanische Lockerstoffe - beim Aufschäumen der Schmelze entstehen blasige Fetzen,
die in der Luft beim Flug erkalten, die sog. Pyroklastika. Der Stoff dieser
Pyroklastika ist vulkanischen Ursprungs, der Absetzvorgang sedimentär.
Auch ältere Trümmer (Aschen, Lapilli) können dabei mitgerissen werden.
Mit organogenen Beimengungen nennt man die Pyroklastika Tuffite.
Als postvulkanische Prozesse in der Erkaltungsphase eines nicht mehr fördernden Vulkans (z.B. in Island oder den Rocky Mountains) können mit fallender Temperatur bzw. steigendem Alter folgende auftreten:
• Fumarolen -
heiße Exhalationen von ca. 200 - 800o C, sondern Salz ab, kommen bis ca. 100 Jahre
nach Erlöschen des Vulkans vor.
• Solfaturen -
Wasserdampf-Exhalationen von ca. 90 - 250o, C02- und H2S-haltig, sondern häufig
Schwefel ab
• Mofetten -
C02-Austritte mit unter 200o C Temperatur.
Wenn solche Gas-Exhalationen das Grundwasser berühren, wird dieses aufgeheizt und mit Gas beladen.
Dann entstehen THERMEN oder GEYSIRE bzw. Mineralquellen. Die im Wasser gelösten Mineralien
(kieselig, kalkig) schlagen sich in der Umgebung als Sinterkrusten nieder.
Wenn der Lavastrom in einem Vulkan von unten nachläßt, bricht häufig das Dach der entleerten Magmakammer zusammen, es entsteht anstelle des ursprünglichen Kraters ein kesselförmiges Becken, die
sog. CALDERA (s. z.B. die Insel Santorini in der Ägäis).
Blasenreiche Glaslava = Bimsstein wird bei plötzlicher Entgasung zertrümmert und als Tephra gefördert
(z.B. als Ascheregen beim Ausbruch des Pinatubo/Philippinen). Bims -kommt in Deutschland im
Neuwieder Becken vor (Laacher See), wo seit dem Tertiär bis zuletzt vor ca. 11000 Jahren (Eiszeit) ca.
16 km3 Bims abgelagert wurden.
b) Plutonismus (Pluto = Gott der Unterwelt und des Reichtums, Erze)
Als Plutonite bezeichnete man Gesteinsmassen, die aus erstarrtem Magmaschmelzfluß unter der Erdoberfläche entstanden sind, eine andere Bezeichnung ist Tiefengesteine. Das flüssige Magma kühlt bei
dieser Erscheinung in unterirdischen Räumen aus, die in Tiefen > 1 km unter der ursprünglichen Oberfläche liegen.Die dabei entstehenden Plutone sind meist von bedeutender Ausdehnung bis in große Tiefen der Erdkruste; sie werden erst durch die spätere Verwitterung der darüber vorhandenen Schichten
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freigelegt.Die Größe der Plutone kann sehr unterschiedlich bis hin zu ∅ 80 - 150 km sein (z.B. das Brockenmassiv im Harz), bei großen Massen/Trichterplutonen spricht man von sog. Batholithen, während
schlankere pilzförmige Stöcke als Lakkolithen bezeichnet werden. Auch kommen trichterförmig aufgeweitete Plutone (Ethmolithen) und
gangförmige Spaltenformen (sog.
Lopolithen) vor (s. Abb. 3.11).
a) Batholith
b) Trichterpluton
c) Lakkolith
d) Lopolith
Abb. 3.11: Prinzipskizzen einiger Pluton-Formen
Der chemische und physikalische Zustand des Magmas ändert sich bei der Platznahme und Auskristallisation ständig; flüssiges Magma wird zu zähem Kristallbrei in plastisch-strömender Bewegung. Dabei
entsteht eine Zonenbildung, indem am Rand feinkörnige Abschreckzonen kristallisieren, während im Inneren gröbere Kristalle wachsen können, da hier der Erstarrungsvorgang langsamer abläuft (Erstarrungszeiten bis zu 8 Mio. Jahre). Durch den Magma-Druck von unten wölbt sich die bereits etwas abgekühlte
Kappe auf und es kommt zu Zugrissen, sog. Querklüften. In diesen Klüften kann wiederum flüssiges
Magma nachsteigen. Z.T. entstehen auch mehr oder weniger horizontale Lagerklüfte parallel zur Oberfläche (= Schubrisse), die später zur charakteristischen Wollsack-Verwitterung führen.
Abb 3.12: Kluftsystem eines großen Granitplutons [6]
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In den Klüften der Plutone bilden sich häufig auch in nachträglichen Intrusionen sog. Ganggesteine (z.B.
Quarzgänge oder Porphyrgänge) oder es entstehen durch hydrothermale Vorgänge bedeutende Erzlagerstätten (Harz, s. Abb. 3.13, auch Erzgebirge).
Abb. 3.13: Brockenmassiv als Beispiel eines großen Plutons mit verschiedenen Intrusionsphasen [1]
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Das Neben- bzw. Deckgestein eines Plutons nahe der Intrusionszone wird durch die hohe Temperatur
der Schmelze in Form einer Kontaktmetamorphose in Gefüge und Mineralbestand verändert. Je nach
Temperatur reicht dieser Kontakthof von einigen Metern bis zu mehreren Kilometern Entfernung.
3.2.3 Metamorphose und Anatexis
Durch wesentliche Änderung von Druck oder Temperatur (erheblich höher als zum Zeitpunkt der Gesteinsbildung) können in den Gesteinen (Sedimente, Magmatite) Mineralumwandlungen und strukturelle Änderungen (z.B. in Form einer Schieferung = Ausrichtung von Kristallen in einer Richtung) auftreten. Diesen
Vorgang nennt man Metamorphose (=Umwandlung). Man unterschiedet dabei folgende Erscheinungsformen:
• Regionalmetamorphose -
größere Bereiche der Erdkruste geraten unter Zwängungsdruck, z.B. bei
der Gebirgsauffaltung, Bildung dichterer Mineralien
• Kontaktmetamorphose -
in der Nachbarschaft von intrudierten Magmenkörpern (s. 3.2.2) kommt es
zu örtlichen Änderungen der Druck-Temperatur-Verhältnisse (erhöhte
Temperatur > 300°C), Freisetzen leichtflüchtiger Bestandteile
Dabei ist der Metamorphosegrad, also die Art und der Umfang der mineralischen bzw. strukturellen Umbildung sehr unterschiedlich. Bei sehr hohen Temperaturen über 700-800 °C beginnt die vollständige Wiederaufschmelzung des Gesteins, die man als Anatexis bezeichnet (s. Abb. 3.14).
Abb 3.14: Abhängigkeit der Metamorphose-Typen von Temperatur und Druck [1]
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Im allgemeinen werden die Gesteine durch die Metamorphose etwas homogenisiert. Durch Gebirgsfaltungen
entsteht allerdings häufig ein klar gerichteter Druck parallel zur Faltungsrichtung (horizontal oder schräg) in
der Erdkruste, so daß im Zuge der Regionalmetamorphose sowohl magmatisch entstandene Gesteine als
auch Sedimentgesteine eine Einregelung von Mineralien nach ihrer Kristallstruktur erfahren, wobei besonders plättchenförmige Mineralien (Glimmer, Graphit, Ton) dann eine ausgeprägt anisotrope Schieferung erhalten können. Auch durch eine starke Scherung von Gestein (Dynamometamorphose) in Zonen starker tektonischer Beanspruchung kann die Struktur des Ausgangsgesteins stark geschiefert werden.
Bei der Kontaktmetamorphose nimmt der Grad der chemisch/mineralogischen Veränderung des Ausgangsgesteins mit dem Abstand von dem Hitzeherd nach außen hin ab.
Verschiedene metamorphe Gesteine, z.B. Gneise, können sowohl aus magmatischen Ausgangsgesteinen
(Granit - Orthogneis) als auch aus sandig-quarzitischen Sedimentgesteinen (Grauwacken - Paragneis) entstehen.
3.3 Stoffkreislauf
Die 3 von der Entstehung her beschriebenen Gesteinstypen Sedimentgestein, Magmatite und Metamorphite sind innerhalb der Erdkruste über geologische Zeiträume(kleinste Einheit ca. 10.000 Jahre) immer
in Bewegung und in den Kreislauf der Verwitterung, Tektonik, Aufschmelzung und Kristallisation eingebunden (s. Abb. 3.15).
Auch die in der Regel als Lockergestein bezeichneten Böden unterschiedlicher Korngöße stellen nur einen
Momentanzustand in diesem Kreislauf dar.
Die Geologie geht davon aus, daß die Erkenntnisse über die endogene und exogene Dynamik über die gesamte Erdgeschichte hinweg Gültigkeit besaß und somit die großen regionalen Unterschiede der Landschaftsformen i.w. durch klimatische und tektonische Veränderungen bedingt sind.
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Abb 3.15: Kreislauf der geologischen Stoffe und Gesteinsbildungsvorgänge
30
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31
4 Gesteinskunde
Festgesteine der Erdkruste sind Mineralaggregate aus einer (monomineralisch) oder mehreren (polymineralisch) Mineralarten. Jedes Gestein läßt sich durch folgende Eigenschaften charakterisieren:
• Mineralbestand
• Gefüge
Art der Mineralien und mengenmäßige Anteile, Modus
- Struktur
(Kornform/größe)
- Textur
(räumliche Anordnung und Orientierung der Mineralkörper)
- innere Bindung
(Kristallwuchs, Verkittung).
Nach der Genese und den Umgebungsbedingungen beim Prozeß der Gesteinsbildung unterscheidet man
grundsätzlich 3 verschiedene Gesteinsarten:
• magmatische Gesteine (65 %)
= Erstarrungsgesteine, entstanden durch
Kristallisation einer aufsteigenden Schmelze
• Sedimentgesteine (8 %)
= Absetzgesteine, meist geschichtet, entstanden
durch Absetzen von Verwitterungsprodukten anderer Gesteine, diagenetisch verfestigt
• metamorphe Gesteine (27 %)
= Umwandlungsgesteine, z.B. Schiefergesteine,
entstanden aus anderen Ausgangsgesteinen
durch Temperatur- und Druckänderung
Die Ansprache von Gesteinen nach den nachstehend genannten Merkmalen wird als Petrographie bezeichnet.
4.1 Mineralbestand = Modus
4.1.1 Allgemeines
Die Erdkruste wird aus Mineralien gebildet, die in sich chemisch/stofflich einheitlich (homogen) zusammengesetzt sind und in festem Aggregatszustand, meist in kristalliner Form vorliegen (im Gegensatz zur kristallinen Erscheinungsform gibt es auch nichtkristalline = amorphe Mineralien, z.B. Opal = aus Silikatgel
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32
entstandener wasserhaltiger Quarz oder Obsidian = Gesteinsglas). Überwiegend sind es anorganische Verbindungen, seltener auch chemisch reine Elemente. Reine Einzelkristalle sind eher selten, meist sind verschiedene Mineralien aus einer gemeinsamen Schmelze kristallisiert und dabei gegenseitig behindert bzw.
unvollständig gewachsen.
Auch die Mineralien können - wie die daraus zusammengesetzten Gesteine - auf verschiedene Arten entstehen, nämlich:
• magmatisch durch Kristallisation aus einer Schmelze
• sedimentär als Neubildung aus vorher vorhandenen gelösten oder festen Mineralien
• metamorph als Umwandlung durch Änderung von Druck-/Temperaturbedingungen.
Die Mineralogie unterscheidet die verschiedenen (ca. 3500 bekannten) Mineralien neben der chemischen
Zusammensetzung nach folgenden physikalischen Kriterien:
• Kristallform (mehr oder weniger regelmäßiger Raumgitterbau der Atome)
• Optische Eigenschaften (Brechung/Beugung von Licht)
• Spaltbarkeit und Bruchform
• relative Härte (Ritzhärte auf der Mohs´schen Härteskala)
• Färbung und Glanz (selektive Absorption, Reflexion und Refraktion von weißem Licht)
• Strichfarbe auf Porzellan
• Dichte ρ (g/cm³)
• Schmelzpunkt, Wärmeleitfähigkeit, Wärmeausdehnung
• Elektrisch/magnetische Eigenschaften (Leitfähigkeit, Piezoeffekte, Oberflächenaktivität).
Unter Berücksichtigung des Chemismus werden die Mineralien in 9 Klassen aufgegliedert, die in Abb. 4.1
dargestellt sind. Nach der typischen Form der Kristalle und des Kristallgitter-Aufbaus unterscheidet man 7
Kristall-Systeme, wobei Verzerrungen von der idealen Geometrie des Kristallbaus berücksichtigt sind (s.
Abb. 4.2).
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Abb. 4.1: chemische Gliederung der Mineralien in 9 Klassen [6]
Abb. 4.2: Gliederung der Kristallformen in 7 Kristall-Systeme [6]
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4.1.2 Gesteinsbildende Mineralien
Im Mineralbestand eines Gesteins unterscheidet man zunächst Hauptgemengteile (>10 Vol. %), Nebengemengteile (< 10 Vol. %, z.B. Hornblende-Granit) und akzessorische Gemengteile (< 2 Vol. %). Die Bestimmung der Volumenanteile erfolgt durch Punktauszählung in einem durchleuchtbaren Dünnschliff unter
dem Mikroskop, ggf. unter Einsatz von Polarisationsfiltern.
Dabei läßt sich eine Farbzahl (C.I. = Colour Index = ΣV % aller Mineralarten mit Dichte > 2,8 g/cm3 ) ermitteln, da leichte Mineralien geringer Dichte sich im Dünnschliff farblos zeigen, während schwere Mineralien stärker farbig durchscheinen. Die verschiedenen Mineralien können diesbezüglich 3 unterschiedlichen
Farbtypen zugeordnet werden:
• felsische Mineralien
= hell, farblos (leukokrat)
• mafelsische Mineralien
= mäßig farbig, durchscheinend (mesokrat)
• mafische Mineralien
= farbig, dunkel (melanokrat).
Von den ca. 50 gesteinsbildenden Mineralien sind nur 25 verschiedene in der Erdkruste weit verbreitet; ihre
volumenmäßige Verteilung zeigt Abb. 4.3. Man erkennt daran, daß die überwiegende Menge (87 %) sog.
Silikate, d.h. Salze der Kieselsäure (immer mit Silizium- und Sauerstoffatomen) sind. Dadurch herrschen als
chemische Elemente Sauerstoff und Silizium vor (94 % des Erdkrustenvolumens bestehen aus Sauerstoff).
Durch die unterschiedliche Dichte der Elemente bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Verteilung der Gewichts- bzw. der Volumenanteile in der Erdkruste.
Abb. 4.3: Volumen- bzw. Gewichtsanteile der gesteinsbildenden Mineralien/Elemente in der Erdkruste [7]
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4.1.2.1 Silikate
Die ca. 1200 verschiedenen Silikat-Mineralien kommen in kaum übersehbarer Zahl von Ausbildungen vor,
davon sind jedoch nur einige wenige für den Aufbau der Erdkruste maßgebend. (87 Vol. % der Erdkruste)
Feldspäte
Orthoklas
K Al Si3O8 (gerade brechend)
Plagioklas
Albit
-
Ca Al Si2O8
Anorthit
-
Na Al Si3O8 (schief brechend)
Quarz
(Si O2) = „Kieselsäure“, meist klar und durchsichtig, nahezu nicht verwitterbar, daher in
fast allen Sediementgesteinen vertreten, daneben auch in vielen magmatischen/kristallinen
Gesteinen als Gemengteil, meist zuletzt erhärtend und damit als Füller in den verbliebenen
Räumen zwischen den anderen Mineralien
Härte 7, Dichte ρ = 2,65 g/cm³
Glimmer
Muskovit = Hellglimmer (K Al3 (OH)2 Si2 O10), Härte 2-2,5, Dichte ρ = 2,85 g/cm³, guter
Isolator, daher Verwendung als Wärmesisolator in Heizgeräten; ein Abart davon heißt
Serizit, der Vorgang der Serizitisierung = Zersetzung von Albit in Glimmer.
Biotit = dunkel, Eisenmagnesiaglimmer, Härte 2-2,5, Dichte ρ = 2,90 - 3,20 g/cm³.
Beide feinschuppig/blättrige Form, ausgezeichnet spaltbar wegen ausgeprägtem
Schichtgitteraufbau.
Ähnlich dem Glimmer: Chlorit (grün, Verwitterungsprodukt des Biotit), Talk (fettig-weiß,
Härte 1), Serpentin (faserig, Asbest, Verwitterungsprodukt des Olivin),
Glaukonit (grün, aus Zersetzung in Meerwasser entstanden)
Pyroxen
Augit (Ca Mg Si2 O6 mit Al2O3 und Fe2O3), gehört zu den melanokraten Gemengteilen
(feuerfremd)
(glänzt schwarz, braun, grün), kommt vor in Eruptivgesteinen Basalt, Tuff
Strich grünschwarz, Härte 5 - 6, Dichte ρ = 3,3 - 3,6 g/cm³
Amphibole
z.B. Hornblende, griech. für „zweideutig“, Mischung aus Ca Mg-Silikat und Ca Fe-Silikat,
grün oder braunschwarz
kommt vor in Magmatiten und Metamorphiten (kristallinen Schiefern),
Strich: graugrün, Härte 5 - 6, Dichte ρ = 3,1 - 3,4 g/cm³
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Olivin
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(Mg, Fe)2 [Si O4], grünlichgelb bis schwarz, Fe oxidiert bei Verwitterung und führt
zu rostbrauner Färbung
kommt vor in basischen (d.h. kieselsäurearmen) Eruptivgesteinen, z. B. Peridotiten
Strich weiß, Härte 6,5 - 7, Dichte ρ = 3,1 - 3,4 g/cm³
Tonminerale
= Tonerdesilikate Al2O3 + SiO2 + Wasser, z.B. Kaolinit, Illit, Smektit/Montmorillonit
4.1.2.2 Karbonate, Salze (nicht silikatische gesteinsbildende Mineralien)
Kalkspat
Calcit = Ca CO3 , formenreichstes Mineral
weißlich-trüb, kaum von Milchquarz zu unterscheiden, bei HCl-Reaktionen schäumend.
Kommt vor in Kalkstein, Marmor, auch in Tonmergel und Sandstein, ebenso
als Gangmineral in Hohlräumen und Klüften, dann mit trigonaler Kristallform.
Härte 3, Dichte ρ = 2,70 - 2,72 g/cm³
Aragonit
= Ca CO3 rhombisch-dipyramidal, leichter löslich als Kalkspat, unbeständig = metastabil,
kristallisiert oberhalb 29 oC, weiß-grau, hellgrün; Strich weiß
kommt vor in sinterartigen Krusten von Thermalquellen, Kesselstein, ebenso in
Klüften basischer Ergußgesteine
Härte 3,5 - 4, Dichte ρ = 2,95 g/cm³
Dolomit
= Ca Mg [CO3]2, grauweiß mit gelb-bräumlichem Ton (Fe)
Strich: weiß, Härte 3,5 - 4, γ = 2,85 - 2,95
Kalkspat 3
= , Verwendung als feuerfestes Material
Dolomit 1
Löslichkeit:
Siderit
= Fe CO3 = Spateisenstein, Erscheinungsform ähnlich Dolomit
Härte 4 - 4,5, Dichte ρ = 3,8 - 4,5 g/cm³
Sulfate (Salze der Schwefelsäure)
besser wasserlöslich als Karbonate und fällen daher in Meeresbecken erst nach der
Karbonatfällung, so z.B.:
Gips
= Ca SO4 . 2H2O, klare, farblose Kristalle (Alabaster, Marienglas), schichtiger Aufbau,
gut spaltbar, gut wasserlöslich, daher Erdfallgefahr; bei 107 - 110 oC entsteht durch chem.
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Wasserverlust ein Halbhydrat: Ca SO4 . ½ H2O.
Gipsrose = Sand mit Gips verfestigt
Härte 2 (mit Fingernagel ritzbar), Dichte ρ = 2,3 - 2,4 g/cm³
Anhydrit
= Ca SO4, Primärausscheidung in der salinaren Abfolge
leicht mit Kalkspat zu verwechseln (Säuretest, Kalkspat braust durch entweichendes CO2)
Vergipsung = Hydratation durch Wasseraufnahme mit bis zu 62 % Volumenzunahme
(Gipshüte auf den norddeutschen Salzstöcken)
farblos, glasglänzend, trübe, weißer Strich, Härte 3 - 4, Dichte ρ = 2,9 - 3,0 g/cm³
Steinsalz
= NaCl (Halit) / KCl (Sylvin), stechend salzig, kristallisiert kubisch, farblos/grau-rötlich
durch MgCl-Verunreinigungen, hygroskopisch, plastisch deformierbar, hohe
Wärmeleitfähigkeit, Härte 2, Dichte ρ = 2,0 - 2,2 g/cm³
4.1.2.3 Nebengemengteile
Pyrit
FeS2 = Schwefelkies (Katzengold), , kubische Kristalle, goldfarben,
häufig in Buntmetallerzen, in Sedimenten auch als Knollen, in Kohle häufig in Knollen enthalten (Schwefelkohle), durch exotherme Verwitterung häufig Selbstentzündung von Kohlehalden
Strich: grünschwarz , Härte 6 - 7, Dichte ρ = 4,8 - 5 g/cm³
andere Sulfide z.B.:
Kupferkies
Cu Fe S2
Magnet kies
FeS
Markasit
FeS2
Sulfide zersetzen sich an der Erdoberfläche exotherm, was sich in Zuschlägen für Beton und
Schwarzdecken sehr schädlich auswirkt:
FeS2 + 2,5 H2O + 7,5 O
→ 2H2 SO4
Schwefelsäure
+
Fe OOH
Limonit (Rost)
Bleiglanz = (PbS) in hydrothermalen Erzgängen
metallischer Glanz, schwer, würfelig, Härte 2,5 - 3, Dichte ρ = 7,2 - 7,6 g/cm³
Magnetit
= (Fe3 O4) = Doppeloxid aus FeO und Fe2O3 in magmatischen Gesteinen, ferromagnetisch,
schwarze kubische Kristalle verantwortlich für dunkelgraue Farbe von Basalt und Gabbro
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Strichfarbe schwarz, Oberfläche blauschwarz, Härte 5,5, Dichte ρ = 5,2 g/cm3
wird bei Verwitterung zu Sanden in Schwermetallseifen angereichert; Vorkommen z.B. als
schwedisches Eisenerz mit 72 % Fe
Hämatit
= Blutstein (Fe3O3), roter Glaskopf, traubenförmig, auch z. B. in rotem Sandstein, der durch
Hämatithäutchen an den Quarzkörnern gefärbt wird; Farbe schwarzgrau, Strichfarbe kirschrot bis rot; wichtiges Eisenerz, Farbstoff, Polierrot
Härte 5,5 - 6, Dichte ρ = 5,2 - 5,3 g/cm3
Limonit
= Gelbeisenerz (Fe OOH), brauner Glaskopf, in Raseneisenerz
Gemisch aus Goethit (Nadeleisenerz) und Lepidokrit (Rubinglimmer, β - Fe OOH)
Endprodukt der oxidischen Eisenverwitterung, wird in Böden gelbbraun angereichert;
Vorkommen hauptsächlich in Sedimenten; Härte 5 - 5,5, Dichte ρ = 3,5 - 4 g/cm³
4.1.2.4 Akzessorische Gemengteile
Zirkon
= Zr SiO4 , habicht-farben: braun-grün, Strich: weiß
als gelbrote Varietät auch: Hyazinth (Edelstein)
enthält radioaktive Elemente, Vorkommen
in sauren Eruptivgesteinen
Härte 7,5, Dichte ρ = 3,9 - 4,8 g/cm³
Apatit
= Ca5 (PO4) F und Ca5 (PO4) Cl, Phosphoritknollen, kommen vor in Magmatiten und
metamorphen Gesteinen, verwittert leicht und düngt den natürlichen Boden
Titanit
= (Ca Si TiO5) in Magmatiten, Granit, Trachyt
Rutil
= (TiO2) gelbbraun-rotschwarz, Strichfarbe gelb, kommt vor in metamorphem Gestein
und Sedimenten
4.2 Gefügebeschreibung
Zur Beschreibung des Gefüges werden folgende Eigenschaften qualitativ und nach Möglichkeit auch
quantitativ beschrieben:
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• Raumerfüllungsgefüge
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dicht, schaumig, porös, blasig, kavernös
• Struktur = Korngefüge der einzelnen Mineralkörner
− nach dem Aggregatzustand
holokristallin, glasig, hypokristallin
− nach Gestalt der Gemengteile
idiomorph (freies Wachstum der einzelnen Kristalle)
xenomorph (behindertes Wachstum)
hypidiomorph (Tiefengesteinsgemengteile)
− nach der absoluten Größe
makrokristallin (mit bloßem Auge erkennbar)
mikrokristallin (nur unter dem Mikroskop erkennbar)
kryptokristallin (auch unter Mikroskop nicht bestimmbar)
− nach der relativen Größe
körnig
-
alle Minerale etwa gleich groß
porphyrisch
-
idiomorphe Einsprenglinge in feinkörniger
Grundmasse, z.B. bei vulkanischen bzw.
Ganggesteinen
• Textur
richtungslos (Tiefengesteine) isotrop
Magmatite
Fließtextur (parallel zur Fließrichtung) anisotrop
anisotrope Orientierung durch schichtigen Absetzvorgang
Sedimente
wellig, scharig
- Einregelung der Mineralien durch Schieferung (Bänderung)
Metamorphite
- stengelige Textur (Hornblende)
- richtungslos - massig (unter Temperatureinfluß)
4.3 Magmatische Gesteine
Magmatische Gesteine - d. h. aus Erstarrung von silikatischen Schmelzen entstandene Gesteine - werden unterschieden nach dem Ort der Entstehung:
a) Plutonite
= Tiefengesteine, Batholith, Lakkolith (griech. λακκos = Lochzisterne)
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b) Ganggesteine = in Gängen/Hohlräumen aufgestiegene, schneller erstarrte Tiefengesteine
(Subvulkanite)
c) Vulkanite
= Ergußgesteine bzw. Effusivgesteine, die an der Erdoberfläche bzw. im Wasser
sehr schnell erstarrt sind
4.3.1 Tiefengesteine
Das in die Erdkruste aufsteigende Magma erkaltet sehr langsam, wobei eine Magmendifferentiation eintritt
(2 bis 6 km unter der Oberfläche). Der Gehalt an Kieselsäure (Si O2) im Magma bestimmt dessen Viskosität:
• Si O2 - reich:
saures Magma, zähflüssig; meist mit hellen Mineralien (Quarz, Orthoklas)
• Si O2 - arm:
basisches Magma, dünnflüssig; meist mit dunklen Mineralien (melanokrat).
Die Magma hat eine Temperatur von ca. 1200 - 1300o C; bei 1200 - 700o C beginnt die Kristallisation. Die
Tiefengesteine haben meist eine kristalline Struktur, da sie langen, bis 10.000 Jahre andauernden Abkühlzeiten unterliegen, so daß zuerst einzelne größere Kristalle wachsen können (1 - 10 mm groß). Quarzkristalle
erstarren meist zuletzt und füllen damit die Hohlräume zwischen den Primärmineralien aus. Die zuerst erstarrenden Mineralien wachsen idiomorph, die restlichen nur noch hypidiomorph bzw. sogar xenomorph,
d.h. mit Verwachsungen bzw. behindertem Wachstum. Man unterscheidet je nach Zusammensetzung der
Schmelzen:
− Granite und Granodiorite
enthalten ca. 65 Gew.-% Kieselsäure, d.h. es sind „saure“ Gesteine
normiert,
d. h. Quarz, Alkalifeldspäte (Orthoklas, Albit) und Plagioklas gibt 100 %:
dann: 20 - 60 % Quarz (Vol.)
Granit
Granodiorit
Färbung:
meist mit Orthoklas als Feldspat
meist mit Plagioklasen als Feldspat
grau, weiß, rötlich (Hämatit), gelblich (Oxidation)
Leukogranit
< 5 % mafische Gemengteile
Melanogranit
> 20 % mafische Gemengteile
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Struktur:
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grobkörnig, einzelne Mineralkomponenten sind mit dem bloßen Auge erkennbar;
seltener porphyrisch, d.h. mit grobkristallinen Feldspäten von 1 - 15 cm ∅ (Kalifeldspat = Orthoklas)
Verwitterung:
meist auf Klüften (Wollsackverwitterung), vorzugsweise die Feldspäte verwittern zu
Tonmineralien
Verwendung:
als Werkstein oder Schotter, bei starker Klüftung auch als
Brechkies/Splitt
− Syenite und Monzonite (seltener, in Deutschland kaum vorkommend)
ausgewogener mittlerer Kieselsäuregehalt, enthält kaum freie Quarzkristalle,
Quarz < 20 Vol.-% normiert bzw.
auf die Summe aus Quarz + Plagioklase + Alkalifeldspat bezogen: 52 - 65 Gew.-%
Kieselsäure
Syenit:
enthält mehr Alkalifeldspat als Plagioklas
Monzonit:
enthält gleich viel Alkalifeldspat wie Plagioklas.
Struktur:
ähnlich Granit
Färbung:
lebhaft durch 10 - 35 % mafische Gemengteile
− Diorite und Tonalite (selten, in Deutschland im Bayr. Wald/Fichtelgebirge)
Modus:
kaum Alkalifeldspäte (Orthoklas und Albit), überwiegend Plagioklas
ca. 52 - 65 Gew.-% Quarz
Diorit:
25 - 50 Vol. % mafische Gemengteile (Hornblende, Biotit)
Tonalit:
10 - 40 Vol.% mafische Gemengteile
Struktur:
ähnlich Granit, meist mittel- bis feinkörnig
Färbung:
dunkel, grau oder schwarz - weiß gefleckt
− Gabbros
(häufig, in Deutschland überwiegend im Schwarzwald, Odenwald, Harz)
basisches Gestein mit weniger als 52 Gew.-% SiO2, max. 10 Vol-% Quarz
leukokrate Gemengteile (Ca-reich):
mafische Gemengteile:
überwiegend Plagioklas, > 50 Vol.-% Anorthit
∼ 50 Vol.-% Hornblende, Augit, Olivin
Dichte: 3,0 g/cm3, zäh, d. h. schlagfest, schwarz/grün/braun
weniger verwitterungsbeständig als Granit
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− Ultramafitite
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(Vorkommen in Harz, Odenwald, Erzgebirge)
z. B. Peridotit mit mehr als 90 Vol.-% mafischen Gemengteilen = Olivin, Augit,
Hornblende, enthält keinen Quarz ⇒ ultrabasisch;
meist dunkelgrün bis schwarz, häufig serpentinisiert (Olivin → Serpentin),
Dichte 3,2 - 3,5 g/cm3, feinkörnig.
4.3.2 Ganggesteine
Analog Granitmagma, jedoch mit porphyrischer Struktur, d. h. große idiomorphe Einsprenglinge in relativ
feinkörniger Grundmasse. Einsprenglinge in der Tiefe kristallisiert und hochgetragen, der noch flüssige Rest
ist schneller erkaltet.
Granitporphyr
=
gleicher Mineralbestand wie Granit, große Kalifeldspäte (Orthoklase) und
Quarze
Granit-Aplit
=
Anreicherung der hellen Gemengteile Orthoklas, Albit, Quarz;
kaum Glimmer, Gänge in Graniten
Pegmatit
=
grobkörnig, Quarz und Orthoklas mit seltenen Mineralien Topas, Turmalin
(faustgroße Kristalle), Glimmer
Lamprophyre
(Spessartit)
=
Ganggestein von basischem Tiefengestein (Gabbro)
grünlichgrau (Hornblende, Augit, Olivin)
4.3.3 Ergußgesteine (Vulkanite)
Schnell erkaltetes Magma an der Erdoberfläche, daher in der Erscheinungsform meist nur mikrokristallin
oder kryptokristallin. Man unterscheidet wieder nach der mineralischen Zusammensetzung der Schmelze analog zu den Magmatiten (s. Abb. 4.4)
Rhyolith
= entspricht vom Mineralbestand dem Granit, meist durch Anatexis entstanden
(in Deutschland selten)
Quarzporphyr
= feinkörnig, Einsprenglinge von Orthoklas und Quarz häufig mit Poren (dann
nicht frostsicher)
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Färbung:
Liparit
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rötlich hell bis weißgrau (Porphyr = Rote Schnecke → lat. Purpur)
= jungvulkanische Rhyolithe und Bimsstein (schaumiges Glas, grauweiß, Dichte
1 g/cm3) mit Orthoklas-Einsprenglingen
Obsidian = dunkle Gläser
Perlite = perlig zerfallender Obsidian
Trachyt
= entspricht dem Mineralbestand von Syenit (wenig Quarz)
Struktur:
porphyrisch, porös
Einsprenglinge aus Orthoklas, Hornblende, Plagioklas
Textur:
Flußbild zwischen den Einsprenglingen
Färbung:
grau bis gelblich
Siebengebirge/Westerwald, als Keratophyr: Schwarzwald, Vogesen
geringere Druckfestigkeit 70 - 150 MN/m2
Andesit
= Ergußäquivalent zum Diorit, d. h. kaum Quarz
Farbe: grau bis schwarz, porphyrisch, fluidale Textur, dunkle Einsprenglinge
häufig im Siebengebirge/Eifel/Westerwald
Porphyrit
= altvulkanische Form des Andesit häufig grünlich durch Chloritisierung von Augit +
Hornblende, kommt vor in Harz, Vogesen, Saar - Nahe
Basalt
= Ergußäquivalent zum Gabbro, quarzfrei, basisch; häufiges jungvulkanisches
Ergußgestein, dunkel bis schwarz, weil nur melanokrate Gemengteile
Struktur:
dicht, nur undeutliche Einsprenglinge
Dichte: 3,0 g/m3, Festigkeit: bis 350 MN/m2
Diabas:
feinkörnige altere Basalte, altvulkanisch (gröber als dicht)
alter Diabas =
(Rhein. Schiefergebirge, Devonausbrüche)
Melaphyr
säulige Absonderung, blaugrau - schwarz
Sonnenbrand ist eine besondere Basaltverwitterung, die die Verwendung als
Baustoff gefährden kann; sie tritt ein, wenn Analzim (Na[Al Si2 O6]) aus Nephelin
entsteht, dann erfolgt ca 5 % Volumenvergrößerung und entsprechende Sprengwirkung und Zerfall, sichtbar an grauen Flecken bis hin zu kirschgroßen Körnern.
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44
Kurztest auf Sonnenbrandgefahr 10 min. Kochen in Salzsäure, wenn dann keine
weißen Flecken auf dem Gestein auftreten→ keine Sonnenbrandgefahr
Melabasalt = Pikrit = ultrabasisches Ergußgestein, vom Mineralbestand her dem Peridotit ähnlich;
> 65 % mafische Gemengteile, altvulkanisch
Phonolithische Tuffe = verfestigte vulkanische Aschen mit Einsprenglingen (Lapilli, Bomben)
weiches, porenreiches Gestein mit Grob- und Feinbestandteilen, mitunter gut
verfestigt, so daß daraus Werksteine gewonnen werden können (nicht frostsicher);
Vorkommen z.B. in der Eifel (Laacher See) als weißgrauer feiner Tuff, der in
gemahlener Form als Traß auch hydraulisch abbindet, ähnlich den bei den Römern
verwendeten Puzzolanen.
Abb. 4.4: Übersicht zu den Entstehungsbedingungen für magmatische Gesteine [7]
4.4 Sedimentgesteine
Die Sedimentgesteine entstehen durch Ablagerung von verwittertem, erodierten Material bzw. durch chemische oder organische Ausfällung. Aus dem so abgelagerten Lockergestein wird durch Diagenese (Verfestigung über lange Zeiträume durch Verdichtung, Erwärmung oder Kristallisation von Bindemitteln etc. ohne
wesentliche Veränderung des Gefüges und des Mineralbestandes) dann ein Festgestein. Man unterscheidet:
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45
• klastische Sedimente - nach der Größe sortierte Ablagerung je nach Schleppkraft der Transportmedien
Wasser und Wind, z.B. Sandstein, Tonstein, Schluffstein, Grauwacke,
Konglomerat, Brekzie (s. Abb. 4.5); das Transportmedium Eis erzeugt praktisch
keine Sortierung
• chemische Sedimente - Ausscheidungssedimente, transportiert in gelöster Form und abgelagert durch
chemische Ausfällung, z.B. Kalkstein, Dolomit, Travertin (calzitisch gebunden),
Flint/Feuerstein, Kieselgur, Kieselschiefer (kieselig gebunden),
oder Eindampfungsgesteine (Evaporite) z.B. Steinsalz, Gips
• organische Sedimente - unvollständig zersetzte organische Substanzen (Torf, Braunkohle, Steinkohle, Öl,
Erdgas) oder Ausfällungen durch Einwirkung von Lebewesen (Riffkalke)
Abb. 4.5: Erscheinungsform von Sedimentgesteinen (nach diagenetischer Verfestigung gefaltet)
Abb. 4.6: Übersicht der Klastischen Sedimentgesteine (Trümmergesteine) nach [1]
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46
Abb. 4.7: Übersicht der chemischen/biochemischen Sedimengesteine nach [1]
4.5 Metamorphe Gesteine
Metamorphe Gesteine sind durch Um- bzw. Neukristallisation aufgrund von Erhöhung der Druck- und
Temperaturbedingungen aus bereits vorher vorhandenen Magmatiten oder Sedimentgesteinen entstanden;
das Ausgangsgestein nennt man Protolith. Solche tiefgreifenden Änderungen der Randbedingungen können
bei tektonischen Bewegungen in der Erdkruste (sog. Regionalmetamorphose, z.B. bei Gebirgsfaltungen) und
damit verbundenen Drucksteigerungen und/oder beoi Temperatursteigerung in der Umgebung von aufsteigenden Plutoniten (sog. Kontaktmetamorphose) auftreten.Dann kann es zu einer teilweisen oder vollständigen Umwandlung der vorher vorhandenen Gesteine in ein kristallines Gefüge kommen. Oberhalb von ca.
750 - 800 °C kann es sogar zur völligen Wiederaufschmelzung (Anatexis) der Ausgangsgesteine kommen.
Abb. 4.8: Erscheinungsformen von Metamorphiten in der Nähe einer Gebirgsfaltung
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Abb. 4.9: Druck(°C)- und Temperatur-(kbar)-Bedingungen für unterschiedl. Metamorphosegrade
Bei gerichtetem Druck regeln sich die Mineralien häufig quer zur Haupt-Druckrichtung lagenförmig ein
bzw. das entstehende metamorphe Gestein erhält eine schiefrige Struktur (geschieferte Sedimente, kristalline Schiefer). Eine Übersicht über die Eintelung der metamorphen Gesteine gibt Abb. 4.10. Die häufigsten
Vertreter sind:
• Gneis
mit demselben Mineralbestand wie Granit, aber in lagenförmiger Ausrichtung
(Paralleltextur) der Mineralien. Sehr variantenreich bei unterschiedlichem Biotitund Hornblendeanteil, parallel zur Schieferung gut spaltbar (sehr häufig in Tessiner
Alpen, Schwarzwald, Odenwald, Spessart, Bayr. Wald, Fichtelgebirge, Thür. Wald)
• Tonschiefer
dünnplattig teilbar durch engscharige Schieferung meist schräg zur Schichtung,
entstanden aus Tonstein durch schwache Metamorphose, Mineralbestand meist
feinstkörniger Quarz und Schichtsilikate (Illit bis Serizit), wenig Feldspatreste.
Färbung schwarzgrau bis schwarz durch organische Substanzen. Falls Tonschiefer
Pyrit enthält, ist er bautechnisch wegen der Pyritverwitterung praktisch unbrauchbar.
• Phyllit
mit Blättchenstruktur, Gemenge aus Quarz und schuppigem Glimmer (Sericit), völlig
feldspatfrei. Je nach Härte als Talkschiefer (Speckstein) und Chloritschiefer, grünlich
bis violett mit seidigem Glanz
• Glimmerschiefer gröber als Phyllit, kristalliner Schiefer mit Blättchenstruktur, Quarzkristalle werden
von blättrigen Glimmerlagen eingehüllt.
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• Quarzit
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fast reiner Quarzbestand, kaum Glimmer, daher deutlich geschichtet, aber nur geringe
Schieferstruktur.Meist sehr hart und verwitterungsbeständig.Vorkommen häufig in
den Alpen und im Fichtelgebirge, entstanden aus Sandstein durch Verflüssigung und
an schließende Wiederverfestigung des SiO2.
• Marmor
entstanden aus Kalk (durchweg Calcit), weiß oder verfärbt in allen Farbtönen durch
Beimengungen. Grob kristallines, meist sehr homogenes Gefüge aus etwa gleichgroßen, polygonalen Kalkspatkristallen.Sowohl durch Reginalmetamorphose (z.B. Norditalien:
Carrara-Marmor) als auch durch Kontaktmetamorphose (Odenwald, Spessart).
Abb. 4.10: Übersicht über die Metamorphite in Abhängigkeit vom Protolith nach [8]
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4.6 Kreislauf der Gesteine
Die 3 Hauptklassen von Gestein - Magmatite, Sedeimentite und Metamorphite - unterliegen innerhalb der
Erdkruste einem ständigen Wandel aus Verwitterung, Sedimentation, Druck- und Temperaturbeanspruchung
bis hin zur Wiederaufschmelzung , so daß sich daraus ein regelrechter Kreislauf der Gesteine ergibt, in den
auch die Existenz von Boden als sog. Lockergestein als vorübergehende Phase eingebunden ist (s. Abb.
4.11).
Abb. 4.11: Kreislauf der Gesteine [aus 8]
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5 Geologische Zeitenfolge und Kartenkunde
5.1 Kartierungen
Durch die Wechselwirkung zwischen endogener und exogener Dynamik wird die Erdoberfläche - über geologische Zeiträume gesehen - laufend umgestaltet, d.h. die Landschaftsmorphologie wird permanent verändert. Dabei werden durch tektonische Beanspruchungen lithologische Platten gefaltet oder übereinander geschoben (aktive Gebirgsfaltung, z.B. heute in noch jungen Gebirgen wie Himalaya, Anden und Alpen);
durch Entlastung infolge Abschmelzung von Vereisungen können Hebungen auftreten (bzw. umgekehrt
Senkungen durch Vergletscherung) usw. Dadurch ist das örtliche Gefüge im oberflächennahen Gebirge in
der Regel gegenüber den Entstehungsbedingungen des entsprechenden Gesteines gestört, die Stellung im
Raum kann durch Faltung verdreht und der Gebirgsverband durch die Beanspruchung in ein Trennflächengefüge zerlegt sein. Hinzu kommt die seit der Gesteinsentstehung eingetretene Verwitterung (die bereits
während der Gebirgsauffaltung wirksam ist), die wie ein Mahlstrom an der Landschaft arbeitet und die härteren Gesteinsrippen herausformt, während die weicheren Partien abgetragen und dadurch Höhenunterschiede nivelliert werden. Das Ergebnis ist die jeweils aktuelle Morphologie, in der unterschiedliche Gesteinsformationen in örtlich stark wechselnden Lagerungsbedingungen an der Erdoberfläche ausstreichen
bzw. in geringer Tiefe unter einer entsprechenden Verwitterungsdecke vorliegen. Diese Situation wird von
Geologen örtlich erkundet, in den erdgeschichtlichen Zusammenhang eingeordnet und schließlich in Kartierungen dargestellt, die einerseits die Art und geschichtliche Entstehung der vorhandenen Gesteine charakterisieren, aber auch die räumliche Orientierung des Trennflächengefüges (Schichtung, Klüftungen, Schieferung) und den gesamten Gebirgsbau (Sattel-/Muldenstruktur, Horst/Grabenstrukturen, Verwerfungen, Überschiebungen etc.) beschreiben.
In Deutschland wurde bereits vom Land Preussen Ende des vergangenen Jahrhunderts mit einer geologischen Kartierung im Maßstab der Topographischen Karte M 1:25.000 begonnen, die noch heute den Rahmen der „Geologischen Karte GK 25“ darstellt; bisher sind jedoch noch nicht alle dieser Meßtischblätter für
die Bundesrepublik Deutschland bearbeitet, wobei die Bearbeitung heute als Länderaufgabe durch die Geologischen Landesämter erfolgt. Daneben sind Übersichtskartierungen (GK von Nordrhein-Westfalen M
1:100.000 und GK von Deutschland M 1:200.000) eingeführt (Gesamtübersicht für Deutschland s. Abb.
5.1).
Schließlich gibt es geologische Spezialkarten wie die Ingenieurgeologische Karte M 1:25.000 mit Darstellung der für das Bauwesen besonders interessanten oberflächennahen Verhältnisse bis ca. 5/10 m Tiefe,
Hydrogeologische Karten M 1:25.000/1:50.000 mit Darstellung der Grundwasserverhältnisse etc. bis hin zu
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Baugrundkarten M 1:5.000/10.000, die für einige Städte (z.B. Aachen) erarbeitet wurden. Für größere Projekte werden auch örtliche Spezialkartierungen angefertigt, die die speziellen geologischen Verhältnisse in
der unmittelbaren Umgebung des entsprechenden Bauvorhabens darstellen.
5.2 Erdgeschichte - Erdzeitalter
Das derzeit bekannte Alter der Erde von ca. 4,8 Milliarden (4,8 * 10 9) Jahren ist bisher von der Geologie
nur zu einem geringen Teil von der Stratigraphie (Beschreibung der Schichtenfolge) erforscht. Dabei unterscheidet man folgende Hauptperioden:
•
Präkambrium = Erdurzeit von ca. 3500 Millionen Jahren Dauer ohne größere Versteinerungen von
Lebewesen
• Paläozoikum
= Erdaltertum von ca. 335 Mio Jahren Dauer mit einfachen Fossilien, Pflanzen,
Reptilien
• Mesozoikum
= Erdmittelalter von ca. 160 Mio Jahren mit ersten Säugetieren, Sauriern, Vögeln etc.
• Känozoikum
= Erdneuzeitvon ca. 65 Mio. Jahren Dauer bis heute
Das Präkambrium und damit die längste Zeit der Erdgeschichte liegt damit noch weitestgehend im Dunkeln;
man faßt damit die Zeit der Entstehung des Grundgebirges in den lithologischen Platten zusammen. Erst gegen Ende dieser Phase hat sich eine Atmosphäre mit freiem Sauerstoff gebildet.
Im Paläozoikum unterscheidet man folgende Einzelperioden (meist benannt nach Gegenden, in denen entsprechend datierte Sedimentgesteine vorgefunden wurden):
•
Kambrium (vor 570 - 500 Mio Jahren): Sedimentgesteine in Wales (röm. Cambrium) und Norwegen,
erste Fossilien von niederen Pflanzen
•
Ordovizium (vor 500 - 440 Mio. Jahren)Baltischer Schild, Kaledonien/Schottland mit Auftreten erster
Fische und früher Pflanzen
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•
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Silur (vor 440 - 400 Mio. Jahren) fossilienreich von Pflanzen und Schalentieren, größere Panzerfische,
Auffaltung des kaledonischen Gebirges mit Ausläufern bis nach Mitteleuropa innerhalb eines nordatlantischen Kontinents
•
Devon (vor 400 - 345 Mio. Jahren): es bilden sich mächtige Sedimentgesteine wie Schiefer, Sandstein,
Grauwacken und Kalke, verbreitet tropisches Klima. Entwicklung erster Vierfüßler, erste Landflora.
•
Karbon (vor 345 - 280 Mio Jahren): Lebhafte Entfaltung der Pflanzenwelt in subtropisch-feuchtem Klima. Auffaltung u.a. des Rheinischen Schiefergebirges in der variskischen Gebirgsfaltung, die in Mitteleuropa als ca. 500 km breiter Faltengürtel das Meer zurückdrängte (Reste sind die heutigen Mittelgebirge); weltweite Bildung von Steinkohlenflözen, z.B. im Ruhrgebiet, Teutoburger Wald, Schlesien, Saarland, Belgien, England), aber auch anderer Sedimentgesteine wie Schiefer, Sandstein, Quarzite, Grauwacken.
•
Perm (vor 280 - 225 Mio. Jahren): anfangs Eiszeit-Klima, später Wüstenklima in Mitteleuropa. Bildung
großer chemischer Sedimente (Steinsalz, Kalisalz, Gips) sowie Erdöl und Erdgas aus Faulschlamm.
Die Sedimente des Mesozoikums sind in Deutschland noch vollständig vertreten. Hier differenziert man
folgende Formationen:
•
Trias (vor 225 - 200 Mio. Jahren): germanische Trias, bestehend aus Buntsandstein (Hessen, Odenwald,
Spessart, Weserbergland, meist Sandsteine) , Muschelkalk (Oberfranken und Thüringen, meist Kalke
und Sandsteine) und Keuper (Thüringen, Franken Württemberg, meist Tone und Gips/Anhydrit); bis
3000 m mächtige Sedimente im Alpenraum.
•
Jura (vor 200 Mio bis 145 Mio Jahren): Hochphase der Dinosaurierbesiedelung, erste Vögel. Lias/Schwarzjura
(Tonsteine,
Mergel),
Dogger/Braunjura
(Tone,
Sandsteine,
Eisenerze)
und
Malm/Weißjura (Kalkstein, Dolomit, z.B. Solnhofener Kalk = „Marmor“)
•
Kreide (vor 145 - 65 Mio. Jahren): weit verbreitete Meeresflächen (Transgression), Entstehung meist
kalkiger Gesteine (Dover/England: Kreidecliffs; Rügen: Kreidefelsen, Nördl. Ruhrgebiet/Münsterländer
Kreidebecken: sog. Emschermergel = toniger Kalkstein bzw. kalkig gebundener Tonstein, auch Essener
Grünsand), aber auch Erze (Oberpfalz, Salzgitter). Beginn der Alpenauffaltung (alpidische Gebirgsbildung).
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Die erdgeschichtlich jüngsten Sedimente des Känozoikums bilden heute in den Tälern und im Tiefland die
aktuelle Landschaft:
•
Tertiär (vor 65 - 1,8 Mio. Jahren): mit den auf der jeweiligen Fauna basierenden Unterformationen Paläozän, Eozän, Oligizän sowie Miozän und Pliozän; Rückzug des Meeres, Ablagerung von bis heute meist
noch unverfestigten Sedimenten (Ton, Feinsand, Kiessand), mächtigen Braunkohlenflözen (Rheinland
und Mitteldeutschland), Ablagerung von Molasse und Flysch (klastische Sedimente) im Alpenvorland.
Starke tektonische Beanspruchung in der Erdkruste mit weiterer Auffaltung der Alpen, Pyrenäen, Karpaten, Kaukasus, Himalaya, Rocky Mountains und Anden/Kordilleren, daher auch begleitet durch intensiven Vulkanismus, u.a. im heutigen Deutschland (Eifel, Kaiserstuhl, Vogelsberg/Rhön, Hegau). Weltweite Abkühlung und Rückzug der Riffkorallen in Richtung Äquator.
•
Quartär (vor 1,8 Mio Jahren bis heute): Pleistozän/Diluvium (Eiszeitalter) mit Wechsellagerung von
glazialen/nicht-glazialen Sedimenten (infolge von zyklischen Kaltzeiten/Interglazialstadien) und
schließlich das Holozän/Alluvium (Warmzeit, vor 10.000 Jahren bis zur Jetztzeit).
Pleistozän: großflächige Vergletscherung in Nordeuropa/Nordeuropa mit unterschiedlich weit reichenden Eisvorstößen nach Süden, gleichzeitig Vergletscherung von den Alpen her nach Norden; in Mittelund Süddeutschland eisfreie Zonen mit periglazialen Sedimentbildungen (die Ursache der Klimaschwankungen ist noch nicht geklärt); die Kaltzeiten werden wie folgt bezeichnet:
Gegend
Phase vor
ca. Jahren
600.000
470.000
230.000
110.000
Süddeutschland
Günz
Mindel
Riß
Würm
Norddeutschland
Elbe
Elster
Warthe/Saale
Weichsel
Das letzte Rückzugsstadium der Vereisung begann ca. 15.000 bis 8.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung,
seitdem hebt sich der skandinavische Schild unter der Entlastung kontinuierlich heraus. Die von den
Gletschern (Ausschürfung von U-Tälern, z.B. in den Alpen/Seetäler in Oberitalien) transportierten Verwitterungsprodukte wurden ungeordnet in Moränen oder durch das Schmelzwasser klassiert abgelagert.
Eiszeitliche Sedimente kommen durchweg nur als Lockergesteine vor (Sande, Kiese, Geschiebemergel,
Geschiebelehme, aber auch nicht vorbelastete Tone in den Voralpen/Südnorwegen)
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Abb. 5.1: Geologische Übersichtskarte von Deutschland [4]
Das Holozän kann durchaus als Interglazialphase gedeutet werden, an die sich wieder eine Kaltzeit anschließen wird. In dieser Phase zieht sich das Meer im Ostseeraum durch Landhebung zurück (Regressi-
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on), während im Nordseeraum eine Transgression (Niederlande, Deutsche Bucht) vonstatten geht. Typische holozäne Sedimente sind Auelehm und rezente Sande.
5.3 Literaturhinweise zu Abschnitt 1 - 5
[1]
Brinkmann/Zeil: Abriß der Geologie. Erster Band - Allgemeine Geologie. Enke-Verlag, Stuttgart
(1984).
[2]
Fecker/Reik: Baugeologie. Enke-Verlag, Stuttgart (1982).
[3]
Klengel/Wagenbreth: Ingenieurgeologie für Bauingenieure, 2. Auflage.
[4]
Henningsen: Einführung in die Geologie für Bauingenieure. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg,
New York (1982).
[5]
Henningsen/Katzung: Einführung in die Geologie Deutschlands, 4. Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag DTV/Enke-Verlag, Stuttgart (1992).
[6]
Reinsch: Natursteinkunde - eine Einführung für Bauingenieure, Architekten. Denkmalpfleger und
Steinmetze. Enke-Verlag, Stuttgart (1992).
[7]
Steinbach/Medenbach: Gesteine. Mosaik-Verlag, München (1987).
[8]
Schumann: Der neue BLV Steine- und Mineralienführer. 3. Aufl., BLV-Verlagsgesellschaft München/Wien/Zürich (1991)
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6 Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke
6.1 Allgemeines
Ein Bauwerk - Büro- oder Wohngebäude, Produktionshalle, Brücke, Tunnel, Turm usw. - soll gegründet
werden. Es soll auch der Verfahrensablauf zur Herstellung der unterhalb der Geländeoberfläche befindlichen Bauwerksteile geklärt werden; gegebenenfalls sind Hilfsbauwerke, wie z. B. der Baugrubenverbau, zu
konstruieren und zu bemessen. Für diese Bauaufgaben müssen
•
die Schichtung des Baugrundes (Ausdehnung, Tiefenlage, Mächtigkeit und Neigung der Schichten),
•
die Grundwasserverhältnisse (Tiefenlage des Grundwasserspiegels, Größe der Grundwasserschwankungen und des Grundwassergefälles) und
•
die bodenmechanischen Eigenschaften der einzelnen Bodenschichten (Zusammensetzung des Bodens,
Festigkeit, Verformbarkeit, Durchlässigkeit)
ausreichend bekannt sein, um insbesondere die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks
sowie die Auswirkungen der Baumaßnahme sicher beurteilen zu können.
Die Grundlagen der geotechnischen Untersuchungen für bautechnische Zwecke sind in der DIN 4020 [1]
geregelt.
6.2 Veranlassung und Durchführung geotechnischer Untersuchungen
„Der Entwurfsverfasser hat den Bauherrn rechtzeitig auf die Notwendigkeit einer geotechnischen Untersuchung hinzuweisen. Der Bauherr hat geotechnische Untersuchungen für den Entwurf rechtzeitig zu beauftragen und in der Regel einen Sachverständigen für Geotechnik zu beauftragen. Ergibt sich in der Ausführungsphase die Notwendigkeit, ergänzende geotechnische Untersuchungen auszuführen, so sind auch diese
vom Bauherrn zu beauftragen.“ (Zitat aus [1])
„Der Sachverständige für Geotechnik hat die erforderlichen Untersuchungen und Messungen zu planen, die
fachgerechte Ausführung der Aufschlüsse sowie der Feld- und Laboruntersuchungen zu überwachen, die aus
dem Aufschluß und Untersuchungsbefund sich ergebenden Folgerungen für Planung und Konstruktion zu
ziehen und die Wechselwirkung zwischen den angetroffenen Baugrundverhältnissen einerseits und der Planung, Konstruktion und Bauausführung andererseits dem Bauherrn sowie ggf. dem Entwurfsverfasser und
den Sachverständigen benachbarter Fachbereiche darzulegen. Er hat den geotechnischen Bericht zu erstel-
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len. Er muss fachkundig auf dem Gebiet der Geotechnik sein und Erfahrungen auf den jeweils angesprochenen Teilgebieten besitzen .“ (Zitat aus [1])
„Der geotechnische Bericht ist die zusammenfassende Darstellung und Kommentierung der Ergebnisse aller
geotechnischen Untersuchungen sowie der Folgerungen für das Bauwerk und für die Ausführung.“ (Zitat
aus [1])
Nach E DIN 4020 besteht eine gegenseitige Informationspflicht zwischen dem Entwurfsverfasser und dem
Sachverständigen für Geotechnik.
6.3 Die geotechnischen Kategorien
Der Aufwand für die geotechnischen Untersuchungen ist je nach der Schwierigkeit von baulicher Anlage
und Baugrund unter Berücksichtigung von sonstigen Randbedingungen festzulegen. Als Anhalt zur Beurteilung der „Schwierigkeit“ wird das Bauvorhaben einer der drei geotechnischen Kategorien zugeordnet, wobei
sich aufgrund der nachfolgenden Untersuchungen ergeben kann, daß diese Einordnung berichtigt werden
muß.
Die geotechnischen Kategorien sind wie folgt definiert [1]:
•
Die geotechnische Kategorie 1 umfaßt einfache Bauwerke bei einfachen und übersichtlichen
Baugrundverhältnissen, so daß die Standsicherheit aufgrund gesicherter Erfahrungen beurteilt werden
kann.
•
Die geotechnische Kategorie 2 umfaßt Bauwerke und Baugrundverhältnisse mittleren Schwierigkeitsgrades, bei denen die Sicherheit zahlenmäßig nachgewiesen werden muß und die eine ingenieurmäßige
Bearbeitung mit geotechnischen Kenntnissen und Erfahrungen verlangen.
•
Die geotechnische Kategorie 3 umfaßt Bauwerke oder Baugrundverhältnisse hohen Schwierigkeitsgrades, die zur Bearbeitung vertiefte geotechnische Kenntnisse und Erfahrungen auf dem jeweiligen Spezialgebiet der Geotechnik verlangen.
Als Kriterien für diese Einstufung gelten [1]:
• Art, Größe und Konstruktion der baulichen Anlage,
• Geländeform und geologische Verhältnisse,
• Grundwasser,
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• Erdbebengefährdung,
• Einflüsse aus der Umgebung oder auf die Umgebung (z. B. Oberflächenwasser, offene Gewässer, Maßnahmen Dritter, Anschneiden eines Hanges).
Die Einstufung richtet sich nach dem Kriterium, das den größen Schwierigkeitsgrad beschreibt. Die (vorläufige) Zuordnung des Bauvorhabens in eine der Kategorien nach den o. g. Kriterien erfolgt unter Hinzuziehen
folgender Unterlagen:
•
Grundrisse und Schnitte des Bauwerks sowie Lastenpläne und Angaben zur Bauwerkskonstruktion.
•
Vorhadenes Kartenmaterial (geologische Karten, ingenieurgeologische Karten usw.) (siehe Kap. 5.1).
•
Ergebnisse einer Ortsbegehung des Standortes und seiner Umgebung.
Beispiele für die o. g. Kriterien und der Zuordnung zu den Kategorien siehe Anhang A der E DIN 4020 [1].
Bei der Festlegung von Art und Umfang der geotechnischen Untersuchungen des Baugrundes sind zusätzlich auch folgende Einflußmerkmale zu beachten:
•
Fragestellung (z. B. Voruntersuchung, Hauptuntersuchung siehe Kap. 6.4);
•
Möglichkeit der Baudurchführung (z. B. Baugrubenumschließung, Wasserhaltung; Zwischenlagerung
von Aushub; Befahrbarkeit von Bau- und Zufahrtsstraßen);
•
Einschränkung technischer Untersuchungsmöglichkeiten;
•
Möglichkeit, während der Baudurchführung ergänzende geotechnische Untersuchungen durchzuführen
bzw. Konstruktionsänderungen vorzunehmen.
6.4 Arten der geotechnischen Untersuchungen
Die geotechnischen Untersuchungen für Zwecke der Baustoffgewinnung und -verarbeitung (Boden als Baustoff für Dämme, Deiche, Dichtungen usw.) werden in der Vorlesung/Übung „Erdbau“ behandelt.
•
Voruntersuchung: geotechnische Untersuchungen von Boden und Fels für Standortwahl und Vorplanung eines Bauwerkes. Eine Voruntersuchung umfaßt:
−
die Sichtung und Bewertung vorhandener Unterlagen;
−
ein weitmaschiges Untersuchungsnetz;
−
die stichprobenhafte Feststellung von maßgebenden Baugrundkenngrößen und Eigenschaften.
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•
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Hauptuntersuchung: geotechnische Untersuchungen für Entwurf, Ausschreibung und Baudurchführung
sowie für Schadensanalysen. Eine Hauptuntersuchung umfaßt für Verhältnisse der geotechnischen Kategroie 2 und 3:
−
Sichtung und Bewertung vorhandener Unterlagen;
−
Erkundung der Konstruktionsmerkmale und Gründungsverhältnisse von im Einflußbereich der
Baumaßnahme liegenden baulichen Anlagen;
−
geologische Beurteilung, ggf. bei schwierigen Objekten oder schwierigen Baugrundverhältnissen
geologische Detailuntersuchung;
−
direkte und indirekte Aufschlüsse, Feldversuche, Laboruntersuchungen;
−
ggf. Untersuchungen auf umweltrelevante Stoffe (siehe LV „Grundbau 3“);
−
erforderlichenfalls Probebelastungen, in Einzelfällen Probeausführung von Bauteilen mit
Funktionsprüfung (z. B. Proberammungen) (siehe LV „Grundbau 1“);
•
−
hydraulische Feldversuche; Dichtheitsprüfungen (siehe VL „Grundbau 2“);
−
Messung vorgegebener Abläufe, wie Grundwasserschwankungen, Hangbewegungen usw.
Baubegleitende Untersuchung: Prüfungen, Messungen und Versuche einschließlich der geotechnischen
Dokumentation, die während der Bauausführung zur Ergänzung der Hauptuntersuchungen, zur Überprüfung der vorausgesetzten Verhältnisse, zur Beobachtung des Verhaltens von Baugrund, Grundwasser
und Bauwerk und zur Überprüfung der Tragfähigkeit von Gründungselementen ausgeführt werden.
Meßmethoden und Meßverfahren werden umfänglich in der LV „Messen in der Geotechnik“ behandelt.
• Überwachung von Baugrund und Bauwerk nach der Bauausführung: Sie dient der Kontrolle der Entwurfsvoraussetzungen sowie der Sicherheit des Bauwerks und von baulichen Anlagen in der Umgebung
(z. B. Überwachungsmessungen bei Staumauern und Staudämmen). Meßverfahren werden in der LV
„Messen in der Geotechnik“ behandelt.
6.5 Bedeutung von geotechnischen Untersuchungen
Die Bedeutung von geotechnischen Untersuchungen wird aus dem „Merkblatt für eilige Leser“ (Abb. 6.1)
deutlich, das den „Richtlinien für bautechnische Bodenuntersuchungen [2] (1937) entnommen ist.
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Abb. 6.1: Merkblatt für eilige Leser (Quelle [2])
6.6 Literatur
[1]
E DIN 4020 (August 2002): Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke.
[2]
Richtlinien für bautechnische Bodenuntersuchungen. Deutsche Gesellschaft für Bauwesen – Deutscher Ausschuß für Baugrundforschung. 2. erweiterte Auflage, 1937.
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7 Direkte Aufschlüsse
7.1 Definition
Aufschlüsse allgemein sind Mittel und Maßnahmen zur Feststellung von Art, Aufbau und Verbreitung des
anstehenden Bodens und Fels, der Grundwasserverhältnisse sowie des Verhaltens von Boden und Fels bei
Durchströmung (nach E DIN 4020 [1]).
Als direkter Aufschluß wird ein natürlicher oder künstlicher Aufschluß bezeichnet, der eine Besichtigung
von Boden oder Fels, die Entnahme von Boden- oder Felsproben sowie die Durchführung von Feldversuchen ermöglicht.
7.2 Vorgegebene und einsehbare Aufschlüsse
Bei der Ortsbegehung ist festzustellen, ob im Baubereich oder in dessen näherer (und weiterer) Umgebung
bereits Aufschlüsse vorhanden sind (z. B. Böschungen an Bächen oder Flüssen, Straßeneinschnitte usw.).
Die dort angetroffenen Boden- und Felsarten sind entsprechend DIN 4022, Teil 1 bis Teil 3 anzugeben.
7.3 Schürfe, Untersuchungsschächte und -stollen
Nach [3] „ist der Schurf, Untersuchungsschacht, Untersuchungsstollen ein künstlich hergestellter Aufschluß
zur Einsichtnahme in den Baugrund, zur Entnahme von Proben und zur Durchführung von Feldversuchen.“
Schürfe sind von der Oberfläche aus mit Hand oder maschinell (Baggerschurf) ausgehobene Gruben, Schlitze oder Schächte, in denen der anstehende Boden direkt in Augenschein genommen werden kann. Wirtschaftlich ist eine Schürfgrube nur bis zum Grundwasser oder bis in eine Tiefe von 2,0 m bis 3,0 m. Die
Mindestbreite zur Entnahme von Bodenproben beträgt 0,75 m. Bei tieferen Schürfgruben sind diese zu verbauen.
Begehbare Schürfe gestatten ein sicheres Erkennen der Boden- und Felsarten, ihrer Zusammensetzung, ihrer
Schichtung usw. Es ist eine leichte und zuverlässige Entnahme von Proben und eine unmittelbare Prüfung
von Boden und Fels an den Wandungen und auf der Sohle möglich. Schürfe sind insbesondere im Übergangsbereich vom Boden zum Fels zweckmäßig.
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7.4 Bohrungen
7.4.1 Definition
Nach [3] „ist die Bohrung ein Aufschluß, um Boden-, Fels- oder Wasserproben aus erreichbarer Tiefe zu
entnehmen und um Untersuchungen im Bohrloch durchführen zu können bzw. sie zur Grundwassermeßstelle auszubauen.“ Das Bohrverfahren wird entsprechend den vermuteten Bodenverhältnissen und der für erforderlich gehaltenen Güteklasse der Bodenproben ausgewählt, wobei gegebenenfalls auch die im Bohrloch
durchzuführenden Versuche berücksichtigt werden müssen.
7.4.2 Anordnung und Tiefe der Aufschlußbohrungen (siehe [1])
a) Art, Umfang und Anordnung der Aufschlüsse muß eine ausreichende Information über den räumlichen
Verlauf der Schichten im Baugrund ermöglichen. Die Aufschlüsse werden im Raster oder in Schnitten
angeordnet und häufig an Gebäudeecken und an Stellen hoher Bodenpressung durchgeführt. Bei Linienbauwerken (z. B. Straßendämme, Tunnel usw.) sind je nach Breite von Dammaufstandsflächen oder Einschnitten Aufschlüsse auch außerhalb der Bauwerksachse anzuordnen. Bei Baugruben sind Aufschlüsse
auch außerhalb des Bauwerksgrundrisses vorzusehen.
b) Als Richtwerte für die Abstände direkter Aufschlüsse können gelten (nach [1]):
•
bei einfachen Bauwerken und solchen mit kleiner Grundfläche verbunden mit einfachen
Baugrundverhältnissen mindestens ein direkter Aufschluß;
•
bei Hoch- und Industriebauten ein Rasterabstand von 20 m bis 40 m;
•
bei großflächigen Bauwerken ein Rasterabstand von nicht mehr als 60 m;
•
bei Linienbauwerken (Landverkehrswege, Wasserstraßen, Leitungen, Deiche, Tunnel, Stützmauern)
zwischen 50 m und 200 m;
•
bei Sonderbauwerken (z. B. Brückengründung, Schornsteinen, Maschinenfundamenten usw.) 2 bis 4
Aufschlüsse je Fundament;
•
bei Staumauern, Staudämmen und Wehren Abstände zwischen 25 m bis 75 m in charakteristischen
Schnitten.
Bei schwierigen geologischen Verhältnissen oder zur Eingrenzung von Unregelmäßigkeiten sind geringere Abstände oder eine größere Anzahl von Aufschlüssen erforderlich. Dagegen darf bei sehr gleichförmigen geologischen Verhältnissen ein größerer Abstand oder eine geringere Anzahl von Aufschlüssen gewählt werden.
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c) Die Aufschlußtiefe za muß alle Schichten, die durch das Bauwerk beansprucht werden, erfassen. Für
Baugruben im Grundwasser sowie bei Fragen der Wasserhaltung ist die Aufschlußtiefe außerdem auf
die hydrologischen Verhältnisse abzustimmen. Die Ebene, ab der za gemessen wird, ist die Bauwerksoder Bauteilunterkante bzw. die Aushubsohle. Im Regelfall kann von folgenden Erkundungstiefen ausgegangen werden (bei Alternativen gilt der jeweils größere Wert):
•
bei Hochbauten und Ingenieurbauten gilt allgemein, daß za um so größer gewählt werden muß, je
größer die Bodenpressung, je größer die Bauwerks- bzw. Fundamentbreite, je unregelmäßiger geschichtet und je zusammendrückbarer der Baugrund ist. Im übrigen kann konkret angenommen werden:
z a ≥ 3,0 ⋅ b F
•
und
z a ≥ 6,0m
mit bF = kleinere Fundamentseitenlänge
bei Plattengründungen und bei Bauwerken mit mehreren Gründungskörpern, deren Einfluß sich in
tieferen Schichten überlagert:
z a ≥ 1,5 ⋅ b B
•
mit bB = kleinere Bauwerkseitenlänge
Erdbauwerke
−
Damm:
0,8 ⋅ h ≤ z a ≤ 1,2 ⋅ h und
za ≥ 6 m
h = maximale Dammhöhe
−
Einschnitt:
za ≥ 2 m
und
z a ≥ 0,4 ⋅ h
h = maximale Einschnitttiefe
•
Linienbauwerke:
−
Landverkehrsweg:
za ≥ 2,0 m unter Aushubsohle
−
Kanal und Leitung:
za ≥ 2,0 m unter Aushubsohle
und z a ≥ 1,5 ⋅ b Ah
•
Hohlraumbauten:
•
Baugruben
−
1,0 ⋅ b Ab < z a < 2,0 ⋅ b Ab
(bAh = Aushubbreite)
(bAb = Ausbruchbreite)
Grundwasserspiegel liegt unter der Baugrubensohle:
z a ≥ 0,4 ⋅ h
(h = Baugrubentiefe)
z a ≥ t + 2,0
(t = Einbindetiefe der Baugrubenwand unterhalb der Baugrubensohle)
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−
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Grundwasserspiegel liegt über der Baugrubensohle:
z a ≥ 1,0 ⋅ H + 2,0 m und
z a ≥ t + 2,0 m
wenn bis zu diesen Tiefen kein Grundwasserhemmer erreicht wird:
za ≥ t + 5 m
H = Höhe des Grundwasserspiegels über der Baugrubensohle
t = Einbindetiefe der Baugrubenwand unterhalb der Baugrubensohle
Weitere Angaben auch zu anderen Bauwerksarten siehe [1]. Bei ungünstigen geologischen Verhältnissen, wie bei tiefliegenden, wenig tragfähigen oder stark zusammendrückbaren Schichten, sind größere
Untersuchungstiefen zu wählen. Bei Fels darf ggf. die Untersuchungstiefe bei Hochbauten, Erdbauwerken und Linienbauwerken auf za = 2 m ermäßigt werden (siehe [1]).
Ein Teil der direkten Aufschlüsse darf durch indirekte Aufschlüsse (Kap. 8) ersetzt werden, wenn das
für die indirekten Aufschlüsse gewählte Verfahren auch die erforderliche Aufschlußtiefe erreicht. Zusätzliche Aufschlüsse zur Verdichtung des Erkundungsnetzes dürfen auch geringere Tiefen aufweisen.
7.4.3 Technische Ausführung von Bohrungen in Böden
In [3] sind in einer Übersicht die Bohrverfahren für Lockerböden und im Fels zusammengestellt und ihre
Eignung für verschiedene Boden- bzw. Felsarten und die erreichbare Güteklasse der Bodenprobe angegeben.
Die Bohrlöcher sind im Lockergestein und im nachbrüchigen Fels fortlaufend zu verrohren, um zu verhindern, daß sie ganz oder auch nur teilweise zusammenfallen oder Boden aus der Bohrlochwand nachfällt.
Beim Bohren im Grundwasser sind der Durchmesser der Verrohrung, der Durchmesser des Bohrwerkzeuges
und der Wasserstand im Bohrrohr so einzustellen, daß kein Bodeneintrieb in das Bohrrohr auftritt. Nach
Abschluß der Bohrung und aller Messungen sind die Bohrlöcher im Lockergestein gleichzeitig mit dem Ziehen der Verrohrung mit einem dem anstehenden Baugrund entsprechenden Material zu verfüllen (insbesondere müssen Grundwassersperrschichten wieder hergestellt werden).
Das Verrohrungs-Rohr wird in den Boden eingedrückt und durch Hin- und Herdrehen nach unten gebracht.
Bei großen Bohrtiefen sind teleskopierbare Rohre zu verwenden.
Das Bohrgerät besteht aus Bohrgerüst, Seilwinde, Verrohrungsrohren, Bohrgestänge (sofern drehend gebohrt wird) bzw. Rammeinrichtung (sofern schlagend gebohrt wird) und dem eigentlichen Bohrwerkzeug
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65
sowie Hilfsgeräten. Das gesamte Bohrgerät ist meist auf einem LKW montiert bzw. mit einem Rad- oder
Raupenfahrwerk versehen. Folgende Bohrverfahren sind zu unterscheiden:
a) Verfahren mit durchgehender Gewinnung gekernter Proben:
•
Rotationskernbohrung:
Das Bohrwerkzeug hat als Bohrkrone (Abb. 7.1) einen Zahn-, Hartmetall- oder Diamantkronenbesatz
und bohrt drehend, meist mit Spülhilfe, einen (Boden- oder) Gesteinskern, der bei bestimmter Länge
abgebrochen wird und im Kernrohr gefördert wird. Das Bohrgestänge (mit kleinerem Durchmesser)
wird am Kopf des Kernrohres aufgeschraubt.
Abb. 7.1: Bohrkronen und Kernrohrtypen für Rotations-Kernbohrungen (Quelle [8])
a)
b)
c)
d)
e)
f)
Oberflächenbesetzte Diamantkrone
Bohrkrone mit Hartmetallsplittern
Bohrkrone mit Hartmetalleinsätzen
Einfachkernrohr
Doppelkernrohr mit mitdrehendem Innenrohr
Doppelkernrohr mit feststehendem Innenrohr
Bei einer „orientierten“ Bohrung wird eine Pilotbohrung mit kleinem Durchmesser vorab so ausgeführt, daß die Verbindungslinie des Mittelpunktes des Bohrkern mit der Pilotbohrung nach Norden
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66
zeigt. Hierdurch kann der gewonnene Gesteinsbohrkern in die geometrisch korrekte Lage ausgerichtet werden (wichtig für die Bestimmung der Streichrichtung von Trennflächen; siehe Kap. 7.6).
•
Seilkernbohrung:
Das Außenrohr mit Bohrkrone geht mit konstantem Durchmesser bis zur Geländeoberfläche. Das (selbstständige)
Kernrohr kann mit einem am Seil hängenden Fänger (ohne
Ausbau des Außenrohres) geborgen werden.
•
Rammkernbohrungen:
Bei bindigen Böden und rolligen Böden oberhalb des
Grundwasserspiegels kann durch Schlagen (Rammen) oder
Drücken ein „Kernrohr“ eingebracht werden, wodurch ein
„durchgehender Bohrkern“ gewonnen wird. Durch das Einbringen des Kernrohres (Abb. 7.2) ist der Boden innerhalb
des Kernrohres etwas gestaucht.
b) Verfahren mit durchgehender Gewinnung nicht gekernter Proben:
•
Drehbohren mit Gestänge und Teller- oder Spiralbohrern
oder mit Schappe (Abb. 7.3):
Nach dem Eindrehen des Bohrers wird der Boden mit dem
Abb. 7.2: Rammkernbohrgerät
(Quelle [4])
nicht drehenden Bohrgestänge herausgehoben. Der Boden
wird hierbei, auf der Schneide liegend, gefördert. Anwendbar in rolligen Böden oberhalb des
Grundwassers und bei bindigen Böden.
•
Schlagbohrung (Stauchbohrung):
Der am Seil hängende Bohrer wird angehoben und fallengelassen, wodurch sich der Bohrer mit
Bohrgut füllt. Das Bohrgerät ist ein Ventilbohrer (auch Schlamm- oder Kiesbüchse genannt) (Abb.
7.4). Ventilbohrer werden bei Sand und Kies unterhalb des Grundwassers eingesetzt.
•
Greiferbohrung:
Der an einem Seil hängende Zwei- oder Mehrschalenbohrlochgreifer löst und fördert das Bohrgut.
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67
Abb. 7.3: Drehbohrgerät (Quelle [4])
a) Tellerbohrer
b) Spiralbohrer
c) Schappe
Abb. 2.5: Ventilbohrer (Quelle [4])
Abb. 2.6: Flachmeißel (Quelle [4])
c) Bohrverfahren mit Gewinnung unvollständiger Bodenproben:
•
Rotationsspülbohrung (Rotary-Bohrung):
Schneid- bzw. Rollenmeißel lösen das Material, das durch Spülung zutage gefördert wird. Es ist keine eindeutige Probengewinnung möglich, daher nicht für Baugrundaufschlüsse geeignet.
•
Meißelbohrung (Bohrhindernisbeseitung) mit Hilfsspülung:
Harte Schichten und Steine können mit Hilfe eines Meißels (Abb. 7.5) zerkleinert und so durchörtert
werden. Das zerkleinerte Material wird trocken gefördert oder auch ausgespült.
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7.4.4 Kleinbohrverfahren in Böden
Kleinbohrungen können mit geringem Geräteaufwand durchgeführt werden; sie liefern nur kleine Probenmengen, die zwar bei geeigneten Untergrundverhältnissen die Schichtenfolge erkennen lassen, für bodenmechanische Untersuchungen aber häufig unzureichend sind. Die Abb. 7.6 gibt eine Übersicht über diese
Bohrverfahren.
Abb. 7.6: Kleinbohrverfahren in Böden (Quelle [3])
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7.4.5 Kleinstbohrungen
Kleinstbohrungen sind Bohrungen, die mit einem Enddurchmesser ≤ 30 mm hergestellt werden.
Ein Beispiel für ein Kleinstbohrgerät ist der Sondierbohrer. Der Sondierbohrer (Stahlstange mit Längsnut,
auch Schlitzsonde genannt) wird mit einem Hammer oder kleinem Rammgerät in den Boden geschlagen;
nach Herumdrehen wird die Sondierstange gezogen und der in der Nut befindliche Boden beurteilt.
7.4.6 Bohrprotokoll und Darstellung der Bohrergebnisse
Über die Bohrung ist nach DIN 4022 [2] ein Protokoll (Schichtenverzeichnis) zu führen, in das der Bohrmeister Tiefe und Mächtigkeit der Schichten, die Benennung (= Zuordnung eines Namens nach der jeweiligen stofflichen Zusammensetzung) und Beschreibung (Eigenschaften und Unterscheidungsmerkmale) der
Schichten, die Entnahme von Bodenproben usw. einträgt. Die Methoden zur „Ansprache der Schichten“, d.
h. die Methoden zum Erkennen der einzelnen Bodenarten, werden in DIN 4022, Teil 1, beschrieben. Näheres ist dort nachzulesen.
Die Bohrprotokolle werden im Labor anhand der Bodenproben überprüft. Das Bohrergebnis wird zeichnerisch mit sog. Bohrprofilen dargestellt. Vereinbarung über Symbole, Farben, Zeichen usw. siehe DIN 4023
[5].
7.4.7 Abschließende Bemerkung
Die Bohrungen sind im Gelände nach Lage und Höhe des Bohransatzpunktes sorgfältig zu vermessen.
Bei den üblichen Aufschlußbohrungen nach Kap. 7.4.3 b) können die Schichtgrenzen mit einer Genauigkeit
von etwa ± 10 cm bis ± 25 cm festgestellt werden. Feinschichtungen sind infolge des Bohrvorganges nicht
feststellbar. Bei der Rammkernbohrung (nach Kap. 7.4.3 a)) ist die Genauigkeit größer, auch können Feinschichtungen erkannt werden, da die Rammkerne im Labor längs aufgeschnitten und ausgemessen werden
können.
Hinsichtlich der Beobachtung des Grundwassers in Aufschlußbohrungen und hinsichtlich des Ausbaus von
Bohrungen zu Grundwassermeßstellen wird auf die Lehrveranstaltung „Grundbau 2“ verwiesen.
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7.5 Probengewinnung
Aus Schürfen und bei der Bohrung sind laufend Bodenproben zu nehmen. Je nach Art der Entnahme und des
Zustandes der Proben unterscheidet man nach DIN 4021 [3] fünf Güteklassen (Abb. 7.7).
Abb. 7.7: Güteklassen von Bodenproben (Quelle [3])
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a) Entnahme von Bodenproben aus einem Schurf:
Aus der Sohle, der Abtreppung oder aus der Wand des Schurfes sind gestörte Proben (siehe b) oder Sonderproben (siehe d) mit dem Entnahmezylinder nach Abb. 7.8 zu entnehmen.
Abb. 7.8: Entnahme von Sonderproben aus Schürfen mit dem Stechzylinder (Quelle [3])
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b) Gestörte Bodenproben (= Güteklasse 3 bis 5) werden aus dem Boden entnommen, der beim Bohrvorgang gewonnen wird. Die Proben sind mehr oder weniger durchgeknetet und vermischt. Sie gestatten eine geologische Beurteilung und Benennung der Bodenarten sowie die Ermittlung gewisser Kennzahlen
(siehe Abb. 7.7).
Probenzahl:
Bei jedem Schichtwechsel, mindestens aber jedem Meter ist eine Probe zu entnehmen.
Die Entnahmetiefe ist zu vermerken. Die Proben sind in luftdicht (Vermeidung von Wasserverdunstung) verschlossenen Behältern (meist Kunststoffdosen von 1 l Inhalt) aufzubewahren, eindeutig zu kennzeichnen und im bodenmechanischen Labor zu beurteilen.
c) Bei Verfahren mit durchgehender Gewinnung gekernter Proben aus Boden oder Fels sind diese in ganzer
Länge in Kernkisten zu lagern. Sofern die Kerne aus Böden nicht in Entnahmezylindern oder Schläuchen vor dem Austrocknen geschützt werden, sind aus ihnen Einzelproben auszuwählen und in luftdicht
abschließbare Behälter zu füllen. Der anstehende Leerraum ist in der Kernkiste freizuhalten und ebenso
wie die Einzelprobe zu kennzeichnen.
d) Sonderproben (= ungestörte Proben = Güteklasse 1 und 2) sind Proben in natürlicher Lagerung und mit
natürlichem Wassergehalt. Die Entnahme erfolgt mit besonderen Geräten (z. B. Abb. 7.9 und Abb.
7.10), für deren Einsatz der Bohrvorgang unterbrochen wird. Sonderproben werden in der Regel aus
bindigen oder organischen Schichten entnommen. Im allgemeinen ist die Entnahme mindestens einer
Sonderprobe aus jeder bindigen Schicht je Bohrung angebracht. Die Entnahmegeräte für Sonderproben
aus Bohrungen sind in [3] ausführlich beschrieben.
Bei festen Böden und solchen mit gröberen Einschlüssen sind dickwandige, offene Entnahmegeräte
einzusetzen. Bei breiigen und weichen, bindigen und organischen Böden sind dünnwandige
Kolbenentnahmegeräte (Abb. 7.10) geeignet.
Die Sonderprobe muß aus dem ungestörten Boden unterhalb der Verrohrung entnommen werden. Nach
dem Säubern der Bohrlochsohle wird das Entnahmegerät eingedrückt oder eingerammt. Die Probe wird
im Entnahmezylinder in das Labor gebracht, nachdem die Endflächen gegen Austrocknen, Auflockern
oder Rutschen im Entnahmezylinder gesichert wurden.
e) In der Regel sind aus den Bohrungen auch Grundwasserproben zu entnehmen, insbesondere zur Untersuchung auf betonangreifende Inhaltsstoffe. Näheres hierzu siehe [3] und [6].
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Abb. 7.9: Dünnwandiges, offenes Entnahmegerät Abb. 7.10: Dünnwandiges Kolbenentnahmegerät zur
für Sonderproben aus Bohrlöchern (QuelEntnahme von Sonderproben aus Bohrlöle [3])
chern bei weichen Böden (Quelle [3]
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7.6 Erkundung des Trennflächengefüges
7.6.1 Bedeutung des Trennflächengefüges
Das mechanische Verhalten (Festigkeit, Verformbarkeit) von Festgestein (Bauen auf oder im Fels, z. B.
Staumauer, Tunnel, Brückengründung usw.) wird nicht durch die Festigkeit des Gesteins (z. B. einaxiale
Druckfestigkeit eines zylindrischen Sandstein-Probekörpers), sondern durch das (häufig systematisch angeordnete) „Trennflächengefüge“ bestimmt.
Trennflächen sind (siehe Lehrveranstaltungsteil „Geologie“)
•
Schichtflächen in Sedimentgesteinen (Materialwechsel),
•
Kluftflächen (Trennflächen infolge Faltung, d. h. tektonische Beanspruchung oder infolge Abkühlung
eines magmatischen Gesteins ohne wesentliche trennflächenparallele Relativverschiebungen) und
•
Störungen (Störflächen) mit gegenseitiger Relativverschiebung.
Die (statistische) Erfassung des „Trennflächengefüges“ (insbesondere Kluftflächen treten häufig in zwei oder drei Richtungen systematisch auf) beinhaltet u. a.
•
die Bestimmung der geometrischen Lage der Trennflächen (Abb. 7.11) im Raum durch Messung
−
des Fallens (Fallwinkel β) und
−
des Streichens (Streichwinkel α oder Winkel der Einfallrichtung αF; letzteres ist heute üblich);
•
die Ermittlung des Kluft- bzw. Schichtflächenabstandes und des Durchtrennungsgrades,
•
die Feststellung der Beschaffenheit der Trennfläche, z. B. des Verwitterungsgrades, der Öffnungsweite
der Trennfläche, der Oberflächenrauhigkeit sowie ggf. der Eigenschaften der Kluftfüllung.
7.6.2 Streichen und Fallen
Mit dem „Streichen und Fallen“ wird die Lage der als Ebene gedachten Trennfläche im Raum angegeben
(siehe Abb. 7.11). Hierzu wird auf die Trennfläche (gedanklich) eine Höhenlinie (Gerade, da die Trennfläche eine Ebene ist) und senkrecht hierzu eine Fall-Linie gezeichnet. Das „Streichen“ ist der Winkel α (0 ≤ α
≤ 360°), den die Höhenlinie mit der Nord-Richtung bildet (daher wird zur Messung des Streichens ein Kompaß verwendet). Heute wird vielfach statt α der Winkel der Einfallrichtung αF angegeben. Dieser gibt den
Winkel zwischen der Nordrichtung und der in die Horizontale projezierten Fall-Linie an.
Das „Fallen“ ist der Winkel β (0 ≤ β ≤ 90°), den die Fall-Linie mit der Horizontalen bildet.
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Abb. 7.11: Definition von Streichen und Fallen sowie Einmessen einer Trennfläche mit dem Gefügekompaß
(Quelle [8])
Der Geologe (Ingenieurgeologe)mißt mit dem Gefügekompaß (nach Clar) in natürlichen oder künstlichen
(Baggerschurf) Aufschlüssen, d. h. dort wo die Felsoberfläche sichtbar und zugänglich ist, an möglichst vielen Stellen das Streichen und Fallen und wertet die Meßergebnisse statistisch aus (z. B. mit dem Schmidtschen Netz, das hier nicht behandelt wird).
Aus der geologischen Karte kann das Streichen und Fallen der wichtigsten Trennflächen entnommen werden, weil an einigen Stellen die in den Grundriß projizierte Höhen- und Fall-Linie eingezeichnet ist, wobei
der Fallwinkel β angegeben ist.
7.7 Literatur
[1]
DIN 4020 - Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke.
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[2]
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76
DIN 4022 - Benennen und Beschreiben von Boden und Fels.
Teil 1: Schichtenverzeichnis für Bohrungen ohne durchgehende Gewinnung von gekernten Proben
im Boden und im Fels;
Teil 2: Schichtenverzeichnis für Bohrungen im Fels (Festgestein);
Teil 3: Schichtenverzeichnis für Bohrungen mit durchgehender Gewinnung von gekernten Proben
im Boden (Lockergestein);
[3]
DIN 4021 - Aufschluß durch Schürfe und Bohrungen sowie Entnahme von Proben.
[4]
Simmer: Grundbau 1. B. G. Teubner Verlag, Stuttgart.
[5]
DIN 4023 - Baugrund und Wasserbohrungen. Zeichnerische Darstellung der Ergebnisse.
[6]
DIN 4030 - Beurteilung betonangreifender Wässer, Böden und Gase
Teil 1: Grundlagen und Grenzwerte
Teil 2: Entnahme und Analyse von Wasser- und Bodenproben.
[7]
Schlutze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. 2. Auflage. Springer Verlag.
[8]
Wittke, W. (1984): Felsmechanik. Springer Verlag, Berlin,Heidelberg, New York.
[9]
Möller, G. (1998): Geotechnik – Teil 1: Bodenmechanik. Werner Verlag, Düsseldorf.
[10]
Beuth-Kommentare (2001): Erkundung und Untersuchung des Baugrundes. Beuth Verlag GmbH,
Berlin.
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Bodenmechanik 1 77
8 Indirekte Aufschlüsse
8.1 Allgemeines
Indirekte Aufschlüsse ermöglichen durch Korrelation zwischen physikalischen Meßgrößen und boden- bzw.
felsmechanischen Kenngrößen Rückschlüsse auf den Baugrund. Hierunter fallen vor allem Sondierungen
und geophysikalische Untersuchungen (letztere werden in der LV „Messen in der Geotechnik“ behandelt).
Ramm- und Drucksondierungen geben Hinweise auf qualitative Eigenschaften wie Schichtgrenzen, Hindernisse und Hohlräume. Sondierergebnisse lassen andererseits Schlüsse auf die Lagerungsdichte nichtbindiger
Böden und auf die Zustandsform bindiger Böden sowie in gewissem Umfang auf die Scherfestigkeit und die
Zusammendrückbarkeit der Böden zu. Sondierungen, insbesondere Drucksondierungen, liefern Daten für die
Abschätzung der Tragfähigkeit von Pfählen und von Flachgründungen.
Sondierungen sind ausführlich in der DIN 4049, Teile 1 bis 4 ([2] bis [5]) geregelt.
8.2 Drucksondierungen (CPT = Cone Penetration Test)
Bei der Drucksondierung wird eine Sonde mit definierter Spitze (siehe DIN 4094 – Teil 1) mit gleichbleibender Geschwindigkeit in den Boden gedrückt, wobei der Spitzenwiderstand qc am Kegel der Meßspitze,
die lokale Mantelreibung fs an einer Reibungshülse am Schaft der Meßspitze, die Abweichung der Spitze
von der Lotrechten und die Sondiergeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Sondiertiefe gemessen wird.
Das Drucksondiergerät besteht aus einer Sondenspitze (Abb. 8.1), dem Gestänge, einer Eindrückvorrichtung
und dem Meß- und Registriergerät. Mit der Sondierspitze kann ggf. auch der Porenwasserdruck u gemessen
werden.
Die Ergebnisse können zur Feststellung der Schichtenfolge im Vergleich mit einer Schlüsselbohrung (Bohrung in unmittelbarer Nähe einer Sondierung), zur Beurteilung der anstehenden Bodenarten, zur Verdichtungskontrolle usw. verwendet werden.
Folgende geotechnische Kenngrößen können aus einer Drucksondierung abgeleitet werden:
•
Lagerungdichte D bzw. ID;
•
Reibungswinkel ϕ nichtbindiger Böden;
•
Steifemodul Es;
•
undränierte Scherfestigkeit cu.
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Im Anhang der DIN 4094-1 sind derartige Korrelationen als vorsichtig geschätzte Beziehungen angegeben;
Beispiel siehe Abb. 8.2.
Abb. 8.1: Schema einer Sondenspitze mit Porenwasserdruckmessung; Tabelle der Sondenarten (Quelle [2])
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Abb. 8.2: Zusammenhang zwischen dem Spitzenwiderstand der Drucksonde und dem Reibungswinkel für
enggestufte Sande (Quelle [2])
8.3 Bohrlochrammsondierungen – BDP (Borehole dynamik probing)
Es handelt sich um eine Sondierung im Bohrloch, die von der (momentan erreichten) Bohrlochsohle aus über eine definierte Eindringtiefe rammend durchgeführt wird. Dabei befindet sich die Schlagvorrichtung
unmittelbar über der Sonde im Bohrloch (Abb. 8.3). Meßwert ist die Anzahl der Schläge N30, die erforderlich sind, um die Sonde von 15 cm Eindringtiefe auf 45 cm Eindringtiefe zu bringen.
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Abb. 8.3: Gerät für die Bohrlochrammsondierung (Quelle [3])
Nach dem Reinigen der Bohrlochsohle wird die Sonde auf der Bohrlochsohle aufgesetzt. Es wird die Anzahl
der Schläge gezählt für eine Eindringung von 0 auf 15 cm, von 15 cm auf 30 cm und von 30 cm auf 45 cm.
Die Summe der beiden letzten Schlagzahlen (d. h. für die Eindringung von 15 cm auf 45 cm) ist der Meßwert N30. Die Bohrlochrammsondierung dient einerseits zur Beurteilung der Gleichmäßigkeit bzw. Ungleichmäßigkeit des in der entsprechenden oder in anderen Bohrung angetroffenen Baugrundes. Andererseits können aus den Ergebnissen der Bohrlochrammsondierung geotechnische Kenngrößen als Berechnungsparameter für bautechnische Zwecke ( z. B. Gründungsbemessung) abgeleitet werden (wie bei der
Drucksondierung). In der DIN 4094-2 [3] sind Korrelationsbeziehungen zwischen dem Ergebnis einer Bohrlochrammsondierung und einer Drucksondierung oder einer Rammsondierung angegeben.
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8.4 Rammsondierung
Eine Rammsonde mit definierter Spitze wird senkrecht in den Boden mit einem Rammbären bei gleich bleibender Fallhöhe eingerammt, wobei die Schlagzahl N10 für eine definierte Eindringtiefe (je 10 cm) ermittelt
wird.
Es werden unterschieden:
•
Leichte Rammsonde (Abb. 8.4) (DPL = Dynamik Probing Light):
Spitzenquerschnitt 10 cm2
•
Schwere Rammsonde (DPH = Dynamik Probing Heavy): Spitzenquerschnitt 15 cm2
•
Überschwere Rammsonde (DPG = Dynamic Probing Giant): Spitzenquerschnitt 20 cm2.
Eine qualitative Auswertung einer Rammsondierung gestattet
•
die Beurteilung der Gleichmäßigkeit bzw. Ungleichmäßigkeit des
Baugrundes oder einer Schüttung;
•
die Erkundung besonders lockerer oder fester Zonen oder Schichten,
z. B. Auffüllungsbereiche oder Felshorizonte;
•
die Beurteilung des Verdichtungserfolges durch Vergleich der Eindringwiderstände „vorher“ zu „nachher“ oder mit Vorgabe eines
Sollwertes.
Abb. 8.4: Leichte Rammsonde
(Quelle [6])
In kohäsionslosen Böden können geotechnische Kenngrößen als Berechnungsparameter für bautechnische
Zwecke (z. B. Gründungsbemessung) aus den Ergebnissen von Rammsondierungen hergeleitet werden. Im
Anhang zur DIN 4094-3 sind derartige Beziehungen, z. B. in der Form der Abb. 8.2, angegeben.
8.5 Flügelsondierung (Flügelversuche)
Das Flügelschergerät besteht aus dem Flügel (Abb. 8.5), dem Gestänge, einer Drehvorrichtung und aus einer
Meßeinrichtung zur Erfassung des Drehmomentes und eventuell zusätzlich des Drehwinkels.
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Bodenmechanik 1 82
Abb. 8.5: Flügel (Quelle [5])
Ausgehend von der Bohrlochsonde ist der Flügel bis zur vorgesehenen Untersuchungstiefe mit gleichmäßiger Geschwindigkeit (bis 2 cm/sec) in den Boden einzudrücken. Wegen möglicher Störungen muß die Oberkante des Flügels mindestens 0,3 m unter der Bohrlochsohle liegen. Der Flügel wird mit konstanter Drehgeschwindigkeit (ca. 0,1°/sec bis 0,5°/sec) bis zum Abscheren des zylindrischen Bodenkörpers gedreht. Das
Drehmoment und ggf. der Drehwinkel werden gemessen. Danach wird der Flügel mit einer Geschwindigkeit
von mindestens 10°/sec mindestens zehnmal gedreht. Dann wird in einer erneuten Messung die Restscherfestigkeit gemessen. Aus dem maximalen Drehmoment Mmax [kN . m] wird der maximale Scherwiderstand c
[kN/m2] gerechnet:
(
c = M max ⋅ 6 / 7 ⋅ π ⋅ D 3
)
(für H/D = 2 nach Abb. 8.5).
Gegebenenfalls sind an die Scherfestigkeit c noch Korrekturfaktoren anzubringen (siehe DIN 4094-4).
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Bodenmechanik 1 83
8.6 Literatur
[1]
Simmer: Grundbau 1. B. G. Teubner Verlag, Stuttgart.
[2]
DIN 4094-1: Felduntersuchungen; Teil 1: Drucksondierungen.
[3]
DIN 4094-2: Felduntersuchungen; Teil 2: Bohrlochrammsondierung.
[4]
DIN 4094-3: Felduntersuchungen; Teil 3: Rammsondierungen.
[5]
DIN 4094-4: Felduntersuchungen; Teil 4: Flügelscherversuche.
[6]
Möller, G. (1998): Geotechnik – Teil 1: Bodenmechanik. Werner Verlag Düsseldorf.
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84
9 Laborversuche zur Klassifizierung des Bodens
9.1 Der Boden als Dreiphasengemisch
Nachfolgende Überlegungen gelten nur für anorganische (mineralische) Böden und nicht für organische Böden (Faulschlamm und Torf), ebenso nicht für Fels. Es werden einige physikalische Eigenschaften des Bodens behandelt, die seiner Beschreibung dienen und die Rückschlüsse auf sein Verhalten zulassen, wenn in
den Baugrund Lasten aus einem Bauwerk eingeleitet werden.
Die für die Verwendung des Bodens als Baustoff (für Dämme, Abdichtungen usw.) maßgebenden
Eigenschaften und die Versuche zur Bestimmung der zugehörigen Kennwerte werden in der
Lehrveranstaltung „Erdbau“ behandelt.
Ein Bodenvolumen V (Abb. 9.1) enthält feste Bestandteile und mit Luft und/oder mit Wasser gefüllte Poren.
Der Boden ist ein „Dreiphasengemisch“. Zur besseren Beschreibung wird ein „Bodenmodell“ geschaffen
(Abb. 9.1) in dem die einzelnen „Phasen“ gedanklich getrennt werden („Einschmelzen“ der festen Bestandteile zu Vk).
Abb. 9.1: Modell des Dreiphasengemisches „Boden“
Anhand der Abbildung 9.1 werden folgende Kennwerte definiert:
•
Porenanteil n = Vo/V (n = Porenvolumen/Gesamtvolumen) (0 ≤ n ≤ 1; Anhaltswert: 0,2 < n < 0,4) oder
Porenzahl e = Vo/Vk (e = Porenvolumen/Kornvolumen) (0 ≤ e ≤ ∞; Anhaltswert 0,25 < e < 0,67)
aus n ⋅ V = e ⋅ Vk folgt n = e/(1+e) oder e = n/(1-n)
•
Wassergehalt: w = mw/mk
Anmerkung: In der Bodenmechanik ist der Wassergehalt das Verhältnis von Wassermasse zu Feststoffmasse. In anderen Wissensgebieten (z. B. Agrartechnik) wird der Wassergehalt auch als Volumenverhältnis definiert.
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•
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Sättigung (Sättigungsgrad): Sr = Vw/Vo = nw/n = w/wmax
Die spezifische Wichte bzw. die spezifische Dichte der am Dreiphasengemisch beteiligten Stoffe werden
wie folgt angesetzt:
•
Wasser:
γw = 10 kN/m3; ρw = 1 g/cm3
•
Luft:
γL = 0 kN/m3; ρL = 0 g/cm3
•
Korn:
26,0 ≤ γs ≤ 27,0 kN/m3; 2,6 ≤ ρs ≤ 2,7 g/cm3
Für die Gewichtskraft Gk bzw. die Masse mk des Korns wird auch Gd bzw. md geschrieben (d = dry). Mit obigen Definitionen und spezifischen Wichten bzw. spezifischen Dichten läßt sich die Wichte [kN/m3] bzw.
die Dichte [g/cm3] des Bodens angeben (siehe Tabelle).
Symbol
Bezeichnung
Formel
Anhaltswerte
γd
Trockenwichte
γ s ⋅ (1 − n )
15 ÷ 18 kN/m3
ρd
Trockenwichte
ρ s ⋅ (1 − n )
1,5 ÷ 1,8 g/cm3
γ
Wichte oder Feuchtwichte
γ s ⋅ (1 − n ) ⋅ (1 + w )
18 ÷ 22 kN/m3
ρ
Dichte oder Feuchtdichte
ρ s ⋅ (1 − n ) ⋅ (1 + w )
1,8 ÷ 2,2 g/cm3
γr
Sättigungswichte
γ s ⋅ ( 1 − n) + n ⋅ γ w
22 ÷ 23 kN/m3
ρr
Sättigungsdichte
ρ s ⋅ (1 − n ) + n ⋅ γ w
2,2 ÷ 2,3 g/cm3
γ′
Wichte unter Auftrieb
(γ s − γ w ) ⋅ (1 − n )
10 ÷ 12 kN/m3
ρ′
Dichte unter Auftrieb
(ρ s − ρ w ) ⋅ (1 − n )
1,0 ÷ 1,2 g/cm3
Der maximale Wassergehalt des Bodens berechnet sich zu:
w max = G w max / G k = Vo ⋅ γ w / (γ s ⋅ Vk ) = e ⋅ γ w / γ s
9.2 Bestimmung der Korndichte ρs
Die Korndichte ρs ist die Rohdichte der festen Einzelbestandteile (Körner) des Bodens. Sie wird bestimmt
als das Verhältnis
ρ s = m d / Vk
[g/cm3]
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md = Trockenmasse der festen Einzelbestandteile des Bodens nach Trocknung bei 105°C
Vk = Volumen der festen Einzelbestandteile
Die Korndichte wird in der Regel mit dem Kapillarpyknometer bestimmt (siehe [2]).
9.3 Bestimmung des Wassergehaltes
Der Wassergehalt w einer Bodenprobe ist das Verhältnis der Masse des im Boden vorhandenen Wasser mw,
das bei einer Temperatur von 105°C verdampft, zur Masse md der trockenen Probe: w = mw/md.
w = (m f − m d ) / m d
mit
mf = Masse des feuchten Bodens.
Die Bestimmung des Wassergehaltes erfolgt im Labor durch Ofentrocknung bei 105°C (DIN 18121-1) oder
durch Schnellverfahren (Infrarotstrahler oder Mikrowelle oder Luftpyknometer usw. nach DIN 18121-2).
Aus obiger Gleichung folgt md bei bekanntem Wassergehalt w zu
m d = m f / (1 + w ) .
9.4 Beschreibung der festen Bestandteile
9.4.1 Allgemeines
Die festen Bodenbestandteile sind entweder organischer (meist faserig) oder anorganischer (rund oder plättchenförmig) Natur. Nachfolgend werden nur anorganische Böden betrachtet. Die Benennung eines
(anorganischen) Bodens erfolgt nach der „Korngrößenverteilung“ seiner festen Bestandteile.
Bodenteilchen mit 0,002 mm ≤ d ≤ 60 mm werden als Körner angesprochen. Die Form und die Größe der
Körner wird bestimmt durch den Mineraltyp und die geologische Geschichte. Für bodenmechanische Zwecke erfolgt zunächst eine Klassifikation nach der Korngröße.
Vor allem die festen Bestandteile von Ton (d ≤ 0,002 mm; d ≤ 2 µm) haben plättchenförmige Struktur. Die
Feldspäte zerfallen bei der Verwitterung in winzig kleine, polygonal berandete Scheiben. Typische Tonminerale sind Kaolinit, Montmorillonit und Illit.
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9.4.2 Korngrößenverteilung und deren Bedeutung
a) Definition der Korngrößenverteilung
Ein Punkt der Körnungslinie bzw. Sieblinie (Abb. 9.2) gibt an:
•
wieviel Gewichtsprozent der festen Bestandteile eines Bodens so groß sind, daß sie nicht durch ein
Sieb bestimmter Maschenweite bzw. mit bestimmtem Lochdurchmesser hindurchgehen (% Siebrückstand) bzw.
•
wieviel Gewichtsprozent der festen Bestandteile eines Bodens so klein sind, daß sie durch ein Sieb
bestimmter Maschenweite bzw. mit bestimmtem Lochdurchmesser hindurchfallen (% Siebdurchgang).
Abb. 9.2: Kornverteilung
Die betreffende Maschenweite bzw. der Lochdurchmesser wird dem Korndurchmesser (Korngröße d
[mm]) der festen Bestandteile gleichgesetzt.
b) Einteilung der Lockergesteine
Die nachfolgend verwendete Einteilung der Lockergesteine in nichtbindige (rollige) und bindige Böden
dient der einfachen Unterscheidung in der Baupraxis. Soweit eine genauere Einteilung erforderlich ist, z.
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88
B. bei der Festlegung von Bodenkenngrößen, ist die Bodenklassifikation nach DIN 18196 [5] (siehe LV
„Erdbau“) in Verbindung mit den Angaben in DIN 4022 [4] maßgebend.
•
Böden wie Sand, Kies und Steine und ihre Mischungen werden als nichtbindig (rollig) bezeichnet,
wenn der Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm weniger als 5 % beträgt. Dem
entsprechen die grobkörnigen Böden nach DIN 18196.
•
Zu den nichtbindigen Böden zählen in der Regel auch gemischtkörnige Böden mit einem
Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm von 5% bis 15 %. Die gemischtkörnigen
Böden werden den nichtbindigen Böden zugeordnet, wenn der Feinkorn-Massenanteil das plastische
Verhalten des Bodens (siehe Kap. 9.6) nicht bestimmt.
•
Tone, tonige Schluffe und Schluffe sowie ihre Mischungen mit nichtbindigen Böden werden als
bindig bezeichnet, wenn der Massenanteil der Bestandteile mit Korngrößen < 0,06 mm größer ist als
40 %. Dem entsprechen die feinkörnigen Böden nach DIN 18196.
•
Zu den bindigen Böden zählen in der Regel auch gemischtkörnige Böden mit einem Massenanteil
der Bestandteile mit Korngrößen unter 0,06 mm von 15 % bis 40 %. Die gemischtkörnigen Böden
werden den bindigen Böden zugeordnet, wenn der Feinkorn-Massenanteil das plastische Verhalten
des Bodens (siehe Kap. 9.6) bestimmt.
c) Bezeichnung des Bodens in Bohrprofilen
Die meisten grobkörnigen Böden sind ein Gemisch verschiedener Korngrößenbereiche. Dann wird der
Hauptbestandteil mit einem Hauptwort bzw. mit einem der Bodenart entsprechenden Großbuchstaben
bezeichnet. Nebenbestandteile werden durch nachgestellte Eigenschaftswörter, z. B. „Feinkies, mittelsandig, schwach grobsandig“ bzw. entsprechenden Kleinbuchstaben: fG, ms, gs gekennzeichnet.
Die Einteilung der Böden nach den Gesichtspunkten der Lösbarkeit und Verarbeitbarkeit wird in der LV
„Erdbau“ besprochen.
d) Kennzahlen der Korngrößenverteilung:
Ungleichförmigkeitsgrad U = d60/d10:
U < 5:
gleichförmiger Boden
5 ≤ U ≤ 15:
ungleichförmiger Boden
U > 15:
sehr ungleichförmiger Boden
Der Ungleichförmigkeitsgrad beschreibt die Steilheit der Kornverteilungskurve.
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•
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Sieblinienkrümmung Cc = d230/(d60 . d10): Die Sieblinienkrümmung wird in DIN 18196 als Krümmungszahl Cc bezeichnet. Mit U1 und Cc werden die grobkörnigen Böden nach DIN 18196 weiter
unterteilt (siehe nachfolgende Tabelle):
Benennung
•
Kurzzeichen
U
Cc
eng gestuft
E
<6
beliebig
weit gestuft
W
≥6
1 bis 3
intermittierend gestuft
I
≥6
< 1 oder > 3
Wirksame oder maßgebende Korngröße: Einige Eigenschaften des Bodens (z. B. Durchlässigkeit,
Filterfestigkeit usw.) lassen sich mit einem kennzeichnenden (wirksamen) Korndurchmesser in Verbindung bringen, z. B. d10 = Korndurchmesser bei 10 Gew. % Siebdurchgang ist für die Durchlässigkeit des Bodens maßgebend.
e) Zweck der Korngrößenverteilung:
1. Benennung der Bodenarten, um die Identität oder Verschiedenartigkeit von Böden festzustellen
(Übertragung von Erfahrungen).
2. Häufig ist ein Rückschluß aus der Kornverteilung auf verschiedene Eigenschaften des Bodens möglich, z. B.: auf die Wasserdurchlässigkeit, die Filterfestigkeit, die Frostgefährdung, die Verdichtbarkeit, die Injektionsfähigkeit, die Scherfestigkeit, die Zusammendrückbarkeit usw.
9.4.3 Ermittlung der Korngrößenverteilung
a) Für Böden mit d ≥ 0,063 mm: Siebanalyse einer bei 105o C getrockneten Bodenprobe (siehe DIN 18123
[6]). Enthält der Boden auch Anteile von Korngrößen d < 0,063 mm, wird die Korngrößenverteilung der
groben Bestandteile durch Siebung nach nassem Abtrennen der Feinteile ermittelt.
b) Für Böden mit 0,001 < d < 0,125 mm: Bestimmung der Korngrößenverteilung durch Sedimentation
(Schlämmanalyse) (siehe DIN 18123 [6]). Die Grundlagen der Schlämmanalyse sind:
•
das Stokesche Gesetz, das angibt, mit welcher Geschwindigkeit Kugeln mit der Wichte γs und dem
Durchmesser d in einer Flüssigkeit mit der Viskosität η absinken (γw = Wichte der Flüssigkeit):
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v=
•
(γ
s
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90
− γ w ) ⋅ d2
;
18 ⋅ η
die Gleichung zur Ermittlung der Wichte einer Suspension: eine Flüssigkeit, in der feste Partikel der
Wichte γs mit dem Gesamtgewicht Gk aufgeschlämmt werden (Suspension) hat die Wichte:
γ sus =
•
G k + G w G k + (V − G k / γ s ) ⋅ γ w
=
V
V
→
Gk =
V ⋅ (γ sus − γ w )
1− γw / γs
die Wichte der Suspension kann mit einem Aräometer über den von der Suspension bewirkten Auftrieb gemessen werden. Der Meßwert des Aräometers wird der Wichte der Suspension an der Stelle
des Auftriebsschwerpunktes des Aräometers zugeordnet;
•
die Voraussetzung, daß die festen Bestandteile (Bodenkörner) im Ausgangszustand, d. h. zu Beginn
der Aräometeranalyse, völlig gleichmäßig in der Suspension verteilt sind.
c) Die Bodenprobe wird mit Wasser zu einer gleichmäßigen Suspension aufgerührt und diese in einem
Standzylinder sich selbst überlassen. Je nach Korngröße sinken die Körper unterschiedlich schnell ab.
Hierdurch verändert sich im Laufe der Zeit die Verteilung der Korngröße in der Suspension und damit
auch deren Wichte über die Höhe des Standzylinders. Die Wichte wird nach festgelegten Zeiten mit dem
Aräometer gemessen und hieraus auf die Massenanteile der verschiedenen Korngrößen geschlossen.
Durchführung der Schlämmanalyse und Auswertung siehe [6].
9.5 Porenraum
9.5.1 Allgemeines
Die Größe des Porenraumes eines nichtbindigen Bodens hat maßgeblichen Einfluß auf einige Eigenschaften
des Bodens. Je größer der Porenraum des Bodens, um so
− größer ist die Zusammendrückbarkeit (kleine Steifeziffer) des Bodens,
− kleiner ist die Scherfestigkeit (kleiner Reibungswinkel) des Bodens,
− größer ist der Verschiebungsweg zur Erzeugung des Erdwiderstandes,
− größer ist die Durchlässigkeit des Bodens gegenüber Wasser.
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91
9.5.2 Lagerungsdichte D, bezogene Lagerungsdichte ID
Nach DIN 18126 [7] wird der Porenanteil n eines nichtbindigen Bodens in Beziehung zu den Porenanteilen
max n bei lockerster und min n bei dichtester Versuchslagerung dieses Bodens gesetzt:
D=
Lagerungsdichte:
max n − n
max n − min n
Wird mit der Porenzahl e gearbeitet, gilt entsprechend:
bezogene Lagerungsdichte:
ID =
max e − e
max e − min e
Die Zahlenwerte von D und ID stimmen nur für die Grenzwerte 0 und 1 überein.
Verdichtungsfähigkeit: If = (max e - min e)/min e
D < 0,15:
sehr lockere Lagerung
0,15 < D < 0,30:
lockere Lagerung
0,30 < D < 0,50:
mitteldichte Lagerung
D > 0,50:
dichte Lagerung.
9.5.3 Lockerste und dichteste Versuchslagerung
Die Zustände der sog. lockersten und dichtesten Versuchslagerung sind keine physikalisch definierten
Zustände. Sie werden vielmehr durch eine genormte Vorgehensweise nach DIN 18126 [7] erhalten. Die
Dichte (Porenanteil min n) bei dichtester (Versuchs-) Lagerung wird in einem Versuchszylinder bestimmt,
in dem die ofentrockene Probe unter festgelegter Belastung auf einem Rütteltisch bei einer bestimmten
Frequenz und Amplitude eingerüttelt wird. Das Einrütteln kann bei reinem, nicht zu feinkörnigem Sand auch
mit einer Schlaggabel vorgenommen werden, mit der durch Schlagen an der Außenwand eines
Versuchszylinders die lagenweise eingebaute Probe unter Wasser verdichtet wird. Für die Bestimmung der
Dichte (Porenanteil max n) bei lockerster (Versuchs-) Lagerung wird die ofentrockene Probe bei
feinkörnigem Boden mit einem Trichter, bei gröberen Körnungen mit einer Kelle oder Handschaufel so
locker wie möglich in einen Versuchszylinder eingebaut.
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92
9.5.4 Messung des Porenanteils n
Zur Berechnung der Lagerungsdichte muß neben max n und min n auch der im nichtbindigen Boden am betrachteten Untersuchungspunkt vorhandene Porenanteil n bekannt sein. Hierzu wird am Untersuchungspunkt
eine Probe entnommen. Bestimmt werden hierbei:
•
Volumen der Probe (Ausstechzylinder oder Ersatzmethoden (siehe LV „Erdbau“)),
•
Feuchtmasse der Probe mf,
•
Trockenmasse der Probe md nach Ofentrocknung.
Bekannt ist das Volumen der Bodenprobe V (z. B. das Volumen des Entnahmezylinders). Hieraus ergibt
sich:
n=
V0 V− Vk V − m d / ρ s
=
=
V
V
V
ρs = Korndichte
Die Ermittlung der Lagerungsdichte ist auch mit indirekten Aufschlüssen (Sondierungen) möglich.
9.6 Die plastischen Eigenschaften feinkörniger Böden
9.6.1 Zustandsgrenzen nach Atterberg
a) Definition
Wird einer festen Probe bindigen Erdstoffes (geringer Wassergehalt) Wasser zugegeben, das durch
Knetarbeit in den Boden eingearbeitet wird, so geht die Probe mit steigendem Wassergehalt vom festen
in den halbfesten, dann in den plastischen und schließlich in den flüssigen Zustand („Konsistenz“) über.
Es werden Grenzen zwischen den Zuständen („Konsistenzgrenzen“) definiert, wobei als Maßzahl für
diese Grenzen der Wassergehalt dient, bei dem die Bodenprobe eine ganz bestimmte (definierte) Eigenschaft hat:
fest
halbfest
Schrumpfgrenze ws
Ausrollgrenze wp
plastisch (bildsam)
steif
weich
breiig
flüssig
Fließgrenze wL
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93
b) Bestimmung des Wassergehaltes an der Fließgrenze
Der Wassergehalt wL an der Fließgrenze wird meist mit dem Gerät nach A. Casagrande bestimmt (Abb.
9.3) (DIN 18122, Blatt 1 [8]):
Ein Boden befindet sich an der Fließgrenze, wenn sich die mit einem definierten Spatel (in dem in die
Schale eingebauten Boden) gezogene Furche nach 25maligem Fallenlassen der Schale aus 10 mm Höhe
auf einer Länge von 10 mm wieder geschlossen hat.
c) Bestimmung des Wassergehaltes an der Ausrollgrenze
Der Wassergehalt wp an der Ausrollgrenze ist erreicht, wenn der Boden beim Ausrollen zu 3 mm dicken
Walzen zu zerbröckeln beginnt. Der Boden ist dann nicht mehr plastisch (knetbar) (siehe DIN 18122,
Blatt 1).
d) Bestimmung der Schrumpfgrenze
Wird ein bindiger Boden mit hohem Wassergehalt getrocknet, so vermindert sich sein Volumen weitgehend linear mit dem Wassergehalt (der Boden schrumpft). Hat der Wassergehalt die Schrumpfgrenze
(ws) erreicht, hört die Volumenverminderung auf. An der Schrumpfgrenze tritt bei vielen Böden ein
Farbumschlag vom Dunklen zum Hellen auf (siehe DIN 18122, Blatt 2).
9.6.2 Abgeleitete Kennzahlen
Die Plastizitätszahl Ip ist der Unterschied zwischen Fließ- und Ausrollgrenze:
Ip = wL - wp
wL − w wL − w
=
wL − wp
Ip
Konsistenz-Zahl:
Ic =
Die Liquiditätszahl ist
I L = 1 − Ic = w − w p / I p
(
)
Der Bereich zwischen wL und wp wird unterteilt in:
Ic
von 0 bis 0,5
von 0,5 bis 0,75
von 0,75 bis 1,0
Zustandsform
breiig
weich
steif
IL
von 1,0 bis 0,5
von 0,5 bis 0,25
von 0,25 bis 0
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Abb. 9.3: Gerät zur Bestimmung der Fließgrenze (Quelle [7])
94
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95
In der DIN 1054 (Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau) ist für bindige Böden der aufnehmbare Sohldruck unter Streifenfundamenten in Abhängigkeit von der Gründungstiefe, der Fundamentbreite und der
Konsistenz (steif, halbfest und fest) des Bodens angegeben.
Als Orientierungswerte für die Größenordnung von wL und wp mögen folgende Angaben dienen:
Erdstoff
wL [%]
wp [%]
Ip [%]
Bereich von Ip [%]
Schluff/Löss
25
20
5
2 ÷ 10
Lehm/magerer Ton
40
25
15
10 ÷ 25
fetter Ton
80
30
50
25 ÷ 75
org. Böden
250
150
100
-
Bei der Bodenklassifikation feinkörniger Böden werden die „plastischen Eigenschaften“ anhand der Fließgrenze wL und der Plastitzitätszahl Ip = wL - wp mit der sog. „A-Linie“ des Plastizitätsdiagramms (Abb. 9.4)
beschrieben. Hiernach werden Tone und Schluffe unterschieden in:
Benennung
Kurzzeichen
wL [%]
leicht plastisch
L
kleiner 35 %
mittelplastisch
M
35 % bis 50 %
ausgeprägt plastisch
A
über 50 %
Abb. 9.4: Plastizitätsdiagramm zum Benennen von Bodenarten (Quelle [5])
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96
9.7 Bestimmung von Bodenbeimengungen
9.7.1 Glühverlust
Als Glühverlust wird der prozentuale Gewichtsverlust einer trockenen Probe beim Glühen bezeichnet. Der
Glühverlust gibt näherungsweise den Anteil an organischen Substanzen an. Ein Erdstoff mit einem Glühverlust, der die mechanischen Eigenschaften beeinflußt, heißt organisch. Organische Bodenarten sind z. B.:
− Torf:
Pflanzenreste mit Schluff bzw. Sand; Glühverlust > 20 %
− Faulschlamm: Rest von Tieren mit Schluff oder Sand; Glühverlust > 20 %
− Klei:
Ton oder Schluff und/oder Sand mit Pflanzen oder Tierresten; Glühverlust > 5 %.
Die Bestimmung der Glühverlust ist in der DIN 18128 [9] geregelt.
9.7.2 Kalkgehalt
Der Kalkgehalt ist das Gewicht des im Boden enthaltenen Kalziumcarbonats, bezogen auf das Feststoffgewicht der Bodenprobe. Man stellt den Kalkgehalt qualitativ durch Beträufeln der Probe mit verdünnter Salzsäure fest:
− kein Aufbrausen:
≤1%
− schwaches Aufbrausen:
ca. 1 % bis 2 %
− deutliches Aufbrausen:
ca. 2 % bis 4 %
− starkes Aufbrausen:
über ca. 5 %.
Eine quantitative Bestimmung des Kalkgehaltes kann mit dem Apparat von Scheibler (Gasometer) erfolgen.
Dieser Versuch wird hier nicht erläutert. Der Kalkgehalt erleichtert die geologische Zuordnung eines zu
untersuchenden Bodens. Die Bestimmung des Kalkgehaltes ist in der DIN 18129 [10] beschrieben.
9.8 Schlußbemerkung
Für die Verwendung eines Bodens als Baustoff ist der Proctorversuch bedeutsam. Er wird in der Lehrveranstaltung „Erdbau“ ausführlich erläutert. Ein weiterer wichtiger bodenmechanischer Kennwert ist der Was-
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97
serdurchlässigkeitskoeffizient. Auf seine Bestimmung in Labor- und Feldversuchen wird in der Lehrveranstaltung „Grundbau 2“ eingegangen.
9.9 Literaturhinweise
[1]
Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. Zweite Auflage. Springer Verlag.
[2]
DIN 18124: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Korndichte.
[3]
DIN 18121: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben.
Wassergehalt: Teil 1: Bestimmung durch Ofentrocknung.
Teil 2: Bestimmung durch Schnellverfahren.
[4]
DIN 4022: Benennung und Beschreibung von Boden und Fels.
[5]
DIN 18196: Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke.
[6]
DIN 18123: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Korngrößenverteilung.
[7]
DIN 18126: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Dichte nichtbindiger Böden bei lockerster und dichtester Lagerung.
[8]
DIN 18122: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben.
Zustandsgrenzen: Teil 1: Bestimmung der Fließ- und Ausrollgrenze.
Teil 2: Bestimmung der Schrumpfgrenze.
[9]
DIN 18128: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung des Glühverlustes.
[10]
DIN 18129: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Kalkgehaltsbestimmung.
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98
10 Druck- und Zeitsetzungsverhalten des Bodens
10.1 Allgemeines
Die ständigen und nicht ständigen Lasten eines neu errichteten Bauwerks belasten den Baugrund zusätzlich
gegenüber dem bisherigen Spannungszustand. Da der Boden je nach seiner Beschaffenheit mehr oder weniger zusammendrückbar ist, wird das Bauwerk Setzungen erfahren. Grundlage zur Berechnung (besser Schätzung) der voraussichtlichen Setzungen (Setzungs-Prognose) ist die Kenntnis des Drucksetzungsverhaltens
des Bodens.
10.2 Der eindimensionale Kompressionsversuch
10.2.1 Definition
Im eindimensionalen Kompressionsversuch (Oedometer-Versuch) wird eine zylindrische Probe in Richtung
ihrer Achse stufenweise belastet und entlastet. Die axialen Verformungen werden dabei beobachtet; radiale
Verformungen werden durch einen starren Ring verhindert.
10.2.2 Kompressionsapparat
Ein Bodenelement ist im Untergrund durch seine Nachbarelemente mehr oder weniger unnachgiebig gestützt. Um diese Verhältnisse im Laborversuch in etwa zu simulieren, wird eine seitliche Dehnung der Bodenprobe durch einen (starren) Stahlring (siehe Abb. 10.1) unterbunden (εx = εy = 0).
Ursache für die Zusammendrückbarkeit des Bodens ist eine Verminderung des Porenvolumens, da die festen
Bestandteile (Körner) durch die beim Versuch aufgebrachten Spannungen ihr Volumen nicht vermindern.
Luft bzw. Wasser, das in den Poren ist, muß in dem Umfang entweichen können, wie sich das Porenvolumen vermindert. Die Probe wird daher auf der oberen und unteren Fläche durch eine luft- und wasserdurchlässige „Filterplatte“ abgeschlossen (Filterstein). Zur Vermeidung einer Schrumpfung der Probe durch Austrocknung wird sie während des Versuches unter Wasser gesetzt.
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99
Abb. 10.1: Schematische Darstellung des Kompressionsapparaters(Quelle [3])
a) schwebend angeordneter Ring
b) feststehend angeordneter Ring
10.2.3 Versuchsdurchführung
Obwohl für die Druck-Setzungsversuche „ungestörte“ Bodenproben (Bodenprobe der Güteklasse 1) verwendet werden, wird hier zunächst der Versuchsablauf an einer durchgekneteten bindigen Bodenprobe erläutert, deren Wassergehalt eine weiche Konsistenz bewirkt. Nach dem Aufbringen einer ersten Laststufe
wird die Probe zusammengedrückt, wobei die Zusammendrückung zeitlich verzögert abläuft. Die Geschwindigkeit der Zusammendrückung nimmt ab, bis sie langsam gegen Null geht (Abb. 10.2), d. h. die Zusammendrückung (Setzung) erreicht einen Endwert unter dieser Laststufe. Die Endsetzung wird theoretisch
nach unendlich langer Zeit, im Labor praktisch nach etwa 24 Stunden, erreicht.
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100
Abb. 10.2: Zeit-Setzungs-Verlauf
Würde der gleiche Versuch mit einem nichtbindigen (rolligen) Boden durchgeführt, würden nach Abb. 10.3
folgende Unterschiede festgestellt:
nichtbindig
bindig
Endsetzungsmaß
kleine Setzung
große Setzung
Setzungsverlauf
Setzung tritt sofort bei Setzung tritt zeitlich verLastaufbringung ein
zögert ein
Abb. 10.3: Vergleich des Setzungsverhaltens eines nichtbindigen und eines bindigen Erdstoffes
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101
Nachfolgend wird nur noch das Last- und Zeitsetzungsverhalten bindiger Bodenarten behandelt. Nach Erreichen der Endsetzung (z. B. nach ca. 24 Stunden) wird eine neue Laststufe aufgebracht und wieder der zeitliche Verlauf der Setzung gemessen (Abb. 10.4).
Beobachtung: Wird die Last in konstanten Laststufen gesteigert, nimmt das Endsetzungsmaß pro Laststufe
mit größer werdender Last ab, der Boden wird mit steigender Last steifer (Abb. 10.4). Daher
werden die Laststufen nach einer geometrischen Reihe gewählt, z. B. 16,25 kN/m2 / 32,50 /
65,0 / 130,0 / 260,0 / 520,0 kN/m2.
Abb. 10.4: Zeitlicher Verlauf der Setzung bei mehreren konstanten Laststufen
10.2.4 Versuchsauswertung
Die bei einer bestimmten Belastung (z. B. bei σ3) insgesamt gemessene Endsetzung (z. B. s3) wird auf die
ursprüngliche Probenhöhe h bezogen: ε3 = s3/h und diese Stauchung in Form des DruckSetzungsdiagrammes in Abhängigkeit von der Belastung aufgetragen (Abb. 10.5).
Es wird ein Steifemodul Es definiert als Es = ∆σ/∆ε [kN/m2]. Dieser Steifemodul Es (an anderer Stelle auch
als Steifeziffer oder Steifezahl bezeichnet)wird mit steigender Normalspannung größer: Es = f (σ) (siehe
Abb. 10.5).
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102
Abb. 10.5: Drucksetzungs-Diagramm
Bei halblogarithmischer Auftragung [ε = f (ln σ/σ0)] ergibt die Druck-Setzungslinie bereichsweise eine Gerade, so daß aus Abb. 10.6 deutlich wird, daß für diesen Bereich der Steifemodul mit der wirkenden Normalspannung zunimmt.
Abb. 10.6: Drucksetzungs-Diagramm in halblogarithmischer Auftragung
Anmerkungen:
•
Im Entwurf der DIN 18135 [3] wird bei der Berechnung der Steifeziffer die Setzung ∆si-1.i, die bei der
Zunahme der Vertikalspannung von σi-1 auf σi entsteht, auf die bei der Spannung σi-1 (noch) vorhandene
Probenhöhe hi-1 bezogen:
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103
h i −1 = h − ε i −1 ⋅ h = h ⋅ (1 − ε i −1 )
∆ε ∗i −1,i =
∆s i −1,i
h i −1
=
∆s i −1,i
h
⋅
1
1
= ∆ε i −1,i ⋅
(1 − ε i −1 )
(1 − ε i−1 )
Mit ∆σ i −1,i = σ i − σ i −1 ergibt sich:
E s ,i −1,i =
•
∆σ i −1,i
∆ε
∗
i −1,i
=
∆σ i −1,i
∆ε i −1,i
⋅ (1 − ε i −1 )
Ferner wird das Druck-Stauchungs- (bzw. Druck-Setzungs-) diagramm im Entwurf der DIN 18135 auch
als Druck-Porenzifferdiagramm (σ-e-Diagramm) dargestellt. Dieses ist insbesondere bei der Formulierung von Stoffgesetzen für Finite-Elemente-Berechnungen und bei der Bestimmung von Stoffparametern für diese Stoffgesetze von Vorteil. Diese Darstellungsart wird hier nicht näher erläutert.
10.2.5 Entlastung und Wiederbelastung
Nach Erreichen einer bestimmten Laststufe wird die Probe wieder schrittweise entlastet. Es stellt sich eine
flach verlaufende Entlastungskurve (Abb. 10.7) ein, die auf der Stauchungsachse eine bleibende und eine
elastische Stauchung angibt.
Bei Wiederbelastung liegt die Setzungslinie fast auf der Entlastungslinie und schwenkt mit einem mehr oder
weniger ausgeprägten Knick in den ursprünglichen Erstbelastungs- (Weiterbelastungs-) ast ein, wenn die
Größe der Maximalbelastung des ersten Belastungszyklus überschritten wird. Der Boden hat ein „Gedächtnis“. Er „merkt“ sich seine Belastungsgeschichte solange er nicht zerstört wird. Der Steifemodul ist also davon abhängig, ob sich die Spannungen im Wiederbelastungsbereich (σ < σv; Es groß) oder im Erstbelastungsbereich (σ > σv; Es klein) befinden.
σv ist die sog. „Vorbelastung“. Für bindige Böden ist die Steifeziffer des Wiederbelastungsastes und der
Entlastung um ein Mehrfaches (4 bis 10 mal) größer als diejenige der Erstbelastung.
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104
Abb. 10.7: Drucksetzungsdiagramm mit Vorbelastungsknick
Gewöhnlich ist die Größe der Vorbelastung infolge
•
ehemaliger Bebauung (bereits beseitigt)
•
ehemaliger Überschüttung (beseitigt oder natürlich abgetragen)
•
eiszeitlicher Vorbelastung usw.
unbekannt. Soll die Zusammendrückbarkeit eines Bodens im Drucksetzungsversuch gemessen werden, wobei auch die (unbekannte) Vorbelastung mit erfaßt werden soll, muß eine ungestörte Bodenprobe gewonnen
werden (Beispiel Abb. 10.7). Zur Erläuterung möge beispielsweise folgende „Belastungsgeschichte“ einer
ungestörten Bodenprobe dienen:
Das Bodenelement wird in einem Flußlauf abgelagert und durch anderen Boden überschüttet (belastet) und
zusätzlich durch hohe Eisauflast zusammengepreßt. Es entsteht die Last-Setzungskurve im σ / ε Koordinatensystem bis zum Punkt C. Die Eisauflast verschwindet, die Überschüttung bleibt: Punkt A des
Entlastungsastes. Nun wird die Bodenprobe, z. B. bei einer Erkundungsbohrung, „ungestört“entnommen,
wobei sie in vertikaler Richtung völlig entlastet wird (Punkt B des Entlastungsastes). Nach Einbau der Probe
in das Drucksetzungsgerät wird sie erneut belastet. Da die Größe von εb1 unbekannt ist, wird die im Drucksetzungsversuch bei Belastung der Probe gemessene Stauchung in das σ1/ε1-Koordinatensystem eingetragen.
Der Knick gibt die Größe von σv an. Steifemoduln Es können für σ < σv und σ > σv getrennt aus dem Diagramm abgegriffen werden.
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105
10.2.6 Übertragung der Versuchsergebnisse
Eine Bodenschicht der Dicke H drückt sich bei Zuwachs der Spannungen von σ1 auf σ2 (siehe Abb. 10.8)
um den gleichen Prozentsatz zusammen wie ein Element dieses Bodens (Bodenprobe) von der Höhe h im
Drucksetzungsversuch, wenn dort die Vertikalspannung ebenfalls von σ1 auf σ2 gesteigert wird. Dies ist das
sog. 1. Modellgesetz der Bodenmechanik:
s
S
= ε Labor = = ε Natur
h
H
→
ε Labor = ε Natur
Abb. 10.8: 1. Modellgesetz der Bodenmechanik
10.2.7 Mögliche Versuchsfehler
•
Die (absolut) starre, seitliche Stützung der Probe durch den Stahlring im Laborversuch ist in der Natur
nicht vorhanden (siehe Abb. 10.8): Der Laborversuch ergibt zu große Steifigkeiten.
•
Die Probe wird bei Entnahme und Einbau ins Laborgerät mehr oder weniger stark gestört: Der Laborversuch ergibt zu kleine Steifigkeiten.
•
Die Filtersteine liegen bei Versuchsbeginn nicht satt auf. Bei der ersten Laststufe werden zu große
Setzungen (Anliegesetzungen) gemessen. Diese werden durch eine kleine Anfangsspannung, deren
Setzung nicht beachtet wird, eliminiert.
•
Man geht davon aus, daß in jedem horizontalen Schnitt durch die Probe die Spannung σz gleich der aufgebrachten Spannung ist. Durch die Zusammendrückung der Probe entstehen am feststehend angeordne-
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106
ten Ring (siehe Abb. 10.1) Schubspannungen, die vom Ring als Normalkraft in die Bodenplatte geleitet
werden, so daß die vertikalen Spannungen in der Bodenprobe etwas abgemindert werden. Der Boden
scheint hierdurch steifer zu sein. Dieser Fehler ist bei den üblichen Verhältnissen von Probendurchmesser zu Probenhöhe im Rahmen der übrigen Aussagekraft des Versuches vernachlässigbar klein.
10.2.8 Erfahrungswerte für den Steifemodul Es
Für überschlägliche Vorabschätzungen von Bauwerkssetzungen kann von folgenden Anhaltswerten für den
Steifemodul Es ausgegangen werden (aus „Empfehlungen des Arbeitsausschusses Ufereinfassungen EAU
1980“):
Bodenart
Es [MN/m2]
Bodenart
Sand, locker, rund
20 - 50
Ton, halbfest
Sand, locker, eckig
40 - 80
Ton, schwer knetbar, steif
Sand, mitteldicht, rund
50 - 100
Ton, leicht knetbar, weich
Sand, mitteldicht, eckig
80 - 150
Geschiebemergel, fest
Es [MN/m2]
5 - 10
2,5 - 5
1 - 2,5
30 - 100
Kies ohne Sand
100 - 200
Lehm, halbfest
5 - 20
Sand, dicht, eckig
150 - 250
Lehm, weich
4-8
Klei, org., tonarm, weich
2-5
Schluff
3 - 10
Torf
0,4 - 1
10.3 Das Zeitsetzungsverhalten
In den Abb. 10.2 bis 10.4 kommt zum Ausdruck, daß die Setzung bei (wassergesättigten) bindigen Böden
zeitlich verzögert eintritt. Nachfolgend wird dieses Verhalten mit dem sog. „grobmechanischen Topfmodell“
von Terzaghi veranschaulicht.
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107
10.3.1 Das Einkammersystem
Die Abb. 10.9 zeigt einen Zylinder der Grundrißfläche A, der bis zur Höhe h mit Wasser gefüllt ist. Auf dem
Wasserspiegel befindet sich ein Kolben. Hat der Kolben keine Löcher, entsteht bei Aufbringen der Last P
auf den Kolben ein Wasserdruck u und es gilt:
P / A = σ= u
mit σ = aufgebrachte Spannung.
Es tritt keine Bewegung des Kolbens auf, da Wasser als inkompressibel gilt. Hat der Kolben mehrere
Bohrungen größeren Durchmessers, so fließt das Wasser aus dem Zylinder nach dem Aufbringen von P
durch die Bohrungen ab, der Kolben sinkt mit konstanter, recht großer Geschwindigkeit nach unten, bis er
auf dem Boden des Zylinders aufliegt (Abb. 10.9c, Gerade 1). Haben die wenigen Bohrungen im Zylinder
nur einen kleinen Durchmesser, ist die Absinkgeschwindigkeit des Kolbens im Zylinder klein (Abb. 10.9c,
Gerade 2). Während des Absinkens des Kolbens gilt: σ = u.
Nach Abb. 10.9 befindet sich beim Federtopfmodell im Zylinder eine Feder der Steifigkeit c [kN/m]. Die
Last P erzeugt zunächst wieder die Wasserdruckspannung u = σ = P/A.
Abb. 10.9: Federtopfmodell nach Terzaghi, Einkammersystem
a) Zylinder mit Kolben ohne Feder
b) Federtopfmodell
c) Zeit-Weg-Diagramm
Durch das Abströmen von Wasser aus dem Zylinderraum bewegt sich der Kolben etwas nach unten, die Feder wird etwas zusammengedrückt und es gilt mit ΣV = 0:
P = F( t ) + u(t ) ⋅ A
mit F = Kraft in der Feder
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P / A = σ = σ' ( t ) + u(t )
mit σ‘ = F/A = „effektive“, in der Feder wirkender Spannungsteil (auf die Fläche A verschmierte Federkraft).
Da also bei konstanter Last P eine Umlagerung vom Wasserdruck auf die Feder stattfindet, wird der Wasserdruck im Laufe der Zeit kleiner, die Kraft in der Feder aber größer. Die Bewegung des Kolbens verläuft
verzögert (Kurve 3 der Abb. 10.9c) und kommt zum Stillstand, wenn die ganze aufgebrachte Last P voll von
der Feder getragen wird. Während in diesem Zustand der Wasserdruck Null ist, hat sich die Feder um den
Betrag ∆ = P/C (oder ∆ = σ/ C , wobei C [kN/m3] der sog. Bettungsmodul ist) zusammengedrückt.
10.3.2 Das Mehrkammersystem
Die Abb. 10.10 zeigt das Mehrkammer-Federtopfmodell. An den Standröhrchen kann man den Druck des
Wassers in den einzelnen Kammern ablesen. Wird eine Last P auf das Modell aufgebracht, steigt in allen
Kammern der Wasserdruck im Moment der Lastaufbringung auf u = P/A an.
Abb. 10.10:
Federtopfmodell nach Terzaghi, Mehrkammersystem
Aus der obersten Kammer fließt etwas Wasser ab, der Druck fällt dort etwas ab, da die Federn infolge Zusammendrückung einen Lastanteil tragen. Hierdurch besteht ein Druckunterschied zwischen der obersten
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109
und der zweiten Kammer, so daß auch in der zweiten Kammer der Vorgang des Abströmens von Wasser
einsetzt usw. In jeder einzelnen Kammer wiederholt sich also der Vorgang, der für das Einkammersystem
beschrieben wurde, wobei ein Gefälle im Wasserdruck von der untersten zur obersten Kammer zu beobachten ist.
Hinsichtlich der Aufteilung der aufgebrachten Spannung σ in Wasserdruck u und Federspannung σ‘ gilt
wieder: σ = σ‘(t) + u(t). Für eine beliebige Kammer ist diese Gleichung in Abb. 10.11 graphisch dargestellt.
Abb. 10.11: Totale Spannungen (σ), effektive Spannungen (σ‘) und neutrale (Porenwasserdruck-)
Spannungen (u) als Funktion der Konsolidierungszeit
Es gilt also:
t = 0:
σ = 0 + u(t)
t = ti:
σ = σ‘(ti) + u(ti)
t = ∞:
σ = σ‘(∞) + 0.
10.3.3 Analogie zum Verhalten eines wassergesättigten, bindigen Bodens
Gemäß nachstehender tabellarischer Gegenüberstellung ist der Federtopf nach Terzaghi ein mechanisches
Modell für den wassergesättigten, bindigen Boden, mit dem das Zeitsetzungsverhalten und Scherfestigkeitsverhalten des wassergesättigten bindigen Bodens veranschaulicht wird.
Dieses Modell gilt allerdings nur für die Belastung eines bindigen Bodens und nicht für die Entlastung, da
die Deformationen des mechanischen Topfmodelles voll zurückgehen (elastische Federn), nicht aber die des
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110
bindigen Bodens. Außerdem hat der Federtopf ein lineares Spannungs-Deformationsverhalten, der bindige
Boden aber ein nicht-lineares.
Federtopf-Modell
wassergesättigter, bindiger Boden
wassergefüllte Kammern
wassergefüllte Bodenporen
Bohrungen in den Kolbenplatten
große Bohrungen
kleine Bohrungen
Kräfte in den Federn
Durchlässigkeit k des Bodens
große Durchlässigkeit (Sand)
kleine Durchlässigkeit (Ton)
Kontaktkräfte zwischen den Bodenkörpern
Σ Federkräfte/Querschnittsfläche des Topfes
effektive (Korn- zu Korn-) Spannungen σ‘
Federsteifigkeit (= Zusammendrückbarkeit der Federn) Steifemodul Es des Korngerüstes (= Zusammendrückbarkeit des Korngerüstes)
Druck des Wasser in den Kammern u
Porenwasserdruck u
aufgebrachte Spannung σ
totale Spannung σ
Hiernach gilt auch für den bindigen Boden (Abb. 10.11):
σ = σ' ( t ) + u(t )
σ
= insgesamt auf das Bodenelement aufgebrachte Spannung (totale Spannung)
u
= Druck des Wassers in den Bodenproben
σ‘= σeff = vom Korngerüst aufgenommene, sog. „effektive“ Spannungen (auch Korn- oder Kontaktspannungen genannt)
σ‘ heißt „effektive Spannung“, da sie
− Scherfestigkeit im Boden durch Reibung bewirkt und
− Setzungen des Bodens durch Zusammendrückung des Korngerüstes hervorruft.
Der beschriebene Vorgang, d. h. die Umlagerung der Gesamtspannung vom Porenwasser auf das Korngerüst
und die dadurch hervorgerufene Zusammendrückung des Bodens (Setzung)
wird als Konsolidierung
bezeichnet, da hiermit gleichzeitig eine Erhöhung der Festigkeit des bindigen Bodens einhergeht. Die
Setzung des Bodens verläuft proportional zur Abnahme des Porenwasserdruckes im Porenraum. Die Setzung
verläuft um so weniger zeitlich verzögert, je durchlässiger und je weniger zusammendrückbar der Boden ist.
Die Setzung wird um so länger dauern (und um so größer sein), je höher der Federtopf, d. h. je dicker die
bindige, zusammendrückbare Schicht ist.
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10.3.4 Das zweite Modellgesetz der Bodenmechanik
Das für eine Laststufe (z. B. bei Steigerung der Last von σ1 auf σ2) erhaltene Zeitsetzungsdiagramm der
Abb. 10.4 wird auf die hierdurch hervorgerufene Endsetzung (s∞ = s2 - s1) bezogen. Hieraus ergibt sich Abb.
10.12, in der mit µ = st/s∞ der sog. „Konsolidierungsgrad“ oder „Verfestigungsgrad“ definiert ist.
Abb. 10.12:
Zeitsetzungsdiagramm für die auf st=∞ bezogene Setzung st für eine Laststufe
Zur Übertragung des zeitlichen Verlaufes der Setzung im Labor auf die geometrischen Verhältnisse in der
Natur wird das zweite Modellgesetz der Bodenmechanik herangezogen, das aus der (hier nicht erläuterten)
Konsolidierungstheorie von Terzaghi stammt und die Zeitachse des Laborversuches verzerrt:
Bei gleichem Verfestigungsgrad im Laborversuch (µL = st/s∞) und in der Natur (µN = ST/S∞), d. h. bei µL =
µN gilt:
T / t = ( D / d) .
n
Hierin bedeuten:
T = Setzungszeit in der Natur
t = Setzungszeit der Laborprobe
D = ungünstigster Entwässerungsweg in der Natur (siehe Abb. 10.13)
d = ungünstigster Entwässerungsweg der Laborprobe (siehe Abb. 10.13)
n = 2 bei bindigem Boden
n = 1 bei organischem Boden.
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112
Mit Hilfe eines im Labor gewonnenen Zeitsetzungsdiagrammes und des 2. Modellgesetzes ist es möglich,
die Setzungsdauer eines Bauwerkes grob abzuschätzen (siehe hierzu LV „Bodenmechanik 2“).
Abb. 10.13:
Entwässerungswege im Laborversuch und bei der Großausführung (Natur)
10.4 Schlußbemerkung
Die Abb. 10.14 zeigt in einer Gegenüberstellung das Spannungs-Deformations-Verhalten des „idealen“
Werkstoffes Stahl und des „Werkstoffes“ Boden. Die einzelnen Werkstoffeigenschaften sind in der Darstellung nur pauschal wiedergegeben.
10.5 Literatur
[1]
Simmer : Grundbau, Teil 1. Teubner Verlag, Stuttgart.
[2]
Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. Zweite Auflage. Springer Verlag.
[3]
DIN 18135: Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Eindimensionaler Kompressionsversuch.
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Abb. 10.14:
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113
Gegenüberstellung der Werkstoffe „Stahl“ und „Boden“ hinsichtlich ihres SpannungsVerformungsverhaltens
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Bodenmechanik 1 114
11 Die Scherfestigkeit des Bodens
11.1 Allgemeines
Wird ein auf dicht gelagertem Sand gegründetes Fundament von bekannten Abmessungen (Grundrißfläche
a/b, Gründungstiefe t) durch eine zunehmende Last P belastet, wird es bei einer bestimmten „Bruchlast“ im
Boden „versinken“, da der Boden unter dem und seitlich des Fundamentes „zu Bruch geht“ (Grundbruch,
Abb. 11.1).
Die Beobachtung dieses „Bruchvorganges“ im Boden zeigt das Entstehen einer in Abb. 11.1 qualitativ dargestellten „Scherfuge“, auf der ein mit dem Fundament verbundener, in sich nur gering verformter Bodenbereich gegenüber dem unterhalb der Scherfuge stehenbleibenden Bodenbereich „scherend“ verschoben wird.
Abb. 11.1: Scherfuge beim Grundbruch
Der scherenden Verschiebung des oberen Bodenbereiches (incl. eingebettetes Fundament) längs der Scherfuge wirkt die Scherfestigkeit des Bodens entgegen. Die Größe des Widerstandes des Bodens gegen das
Auftreten des „Grundbruches“ unter dem Fundament („Grundbruchwiderstand“) wird u. a. wesentlich von
der Größe der Scherfestigkeit des Bodens in der Scherfuge abhängig sein. (Der Widerstand eines Stabes
gegen eine Zugbeanspruchung ist von der Zugfestigkeit des Materials und von den Querschnittswerten des
Stabes abhängig.) Daher muß zur Berechnung des Widerstandes des Bodens gegen Grundbruch unter einem
Fundament die Scherfestigkeit des Bodens bekannt sein. Ein Fundament ist gegenüber dem denkbaren Versagen durch Grundbruch dann (rechnerisch) standsicher, wenn die mit einem Teilsicherheitsbeiwert vergrößerte, auf das Fundament einwirkende Last noch kleiner ist als der mit einem (anderen) Teilsicherheitsbeiwert verkleinerte Widerstand des Bodens gegen den Grundbruch (Grundbruchwiderstand).
Weitere Beispiele für ein „Scherbruchversagen“ des Bodens siehe Abb. 11.2.
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Bodenmechanik 1 115
Abb. 11.2: Beispiele für Scherbruchversagen im Boden
Die Scherfestigkeit zwischen zwei Körpern ist entweder eine innere Verklebung der Körper (Kohäsion) oder
eine Reibungsfestigkeit, die entsteht, wenn die Körper durch die Normalspannung σ aufeinander gepreßt
werden. Die Reibungsfestigkeit ist proportional zur Normalkraft (Normalspannung), wobei µ = Reibungsbeiwert der Proportionalitätsfaktor ist. In der Bodenmechanik wird statt µ der Tangens des Reibungswinkels
ϕ: tan ϕ verwendet.
11.2 Das Rahmenschergerät
Zur Messung der Scherfestigkeit wird eine Bodenprobe unter Einwirkung einer Normalspannung horizontal
bis zum Abscheren belastet. Hierzu dient das Rahmenschergerät (Abb. 11.3).
Abb. 11.3: Rahmenschergerät nach Krey
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11.3 Das Schergesetz für nichtbindigen Boden
11.3.1 Versuchsdurchführung bei rolligem Boden
Ein trockener, rolliger Boden wird mit vorgegebener Lagerungsdichte in das Rahmenschergerät eingebaut.
Nach Aufsetzen des Belastungsstempels wird eine Normalkraft N aufgebracht und anschließend die Scherkraft S langsam gesteigert, wobei die horizontale Verschiebung s und die vertikale Hebung bzw. Senkung
des Laststempels sv gemessen werden (lastgesteuerter Versuch). Der Versuch wird bei gleicher Lagerungsdichte mit anderen Normalkräften N wiederholt.
11.3.2 Das Scherwegdiagramm des rolligen Bodens
Für jeden Einzelversuch wird die aufgebrachte Schubspannung τ = S/A (A = Querschnittsfläche der Probe)
in Abhängigkeit von der gemessenen Horizontalverschiebung s aufgetragen (Abb. 11.4) (kraftgesteuerter
Versuch). Wird der horizontale Weg eingeprägt (Motor mit Spindeltrieb) und die hierzu erforderliche
Schubkraft S gemessen, spricht man von einem weggesteuerten Versuch. Die Schubspannung τ steigt gemäß Abb. 11.4 bei lockerer Einbau-Lagerungsdichte mit zunehmendem Weg s auf einen Maximalwert τf1 an.
Bei großer Einbau-Lagerungsdichte wird schon bei kleinem Weg ein höherer Wert τf2 erreicht, der dann
wieder abfällt und bei größerem s mit der Scherfestigkeit τf1 des lockeren Bodens nahezu übereinstimmt.
Abb. 11.4: Scher-Weg-Diagramm des Rahmenscherversuches
Aus der Vertikaldeformation der Kopfplatte sv (Abb. 11.4) läßt sich schließen, daß der ursprünglich locker
eingebaute Boden während des Abscherens verdichtet wird und der ursprünglich dicht eingebaute Boden
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Bodenmechanik 1 117
nach kleiner Zusatzverdichtung anschließend aufgelockert wird. Entsprechend nimmt beim ursprünglich locker eingebauten Boden der Porenanteil n während des Schervorganges ab und beim ursprünglich dicht eingebauten Boden zu. Im Bruchzustand (bei großen Scherwegen) wird sowohl beim ursprünglich dicht als
auch beim locker eingebauten Boden der gleiche Porenanteil erreicht, der als kritischer Porenanteil nkr bezeichnet wird. Der kritische Porenanteil nkr ist von der Normalspannung σ abhängig.
11.3.3 Das Schergesetz
Werden die für unterschiedliche Normalspannungen σ = N/A erreichten maximalen Schubspannungen, d. h.
die sog. Scherfestigkeit τf, gegen die Spannung σ aufgetragen, ergibt sich gemäß Abb. 11.5 eine Gerade, so
daß das Scherfestigkeitsgesetz (Schergesetz) für rolligen Boden lautet:
τ f = σ ⋅ tan ϕ .
Der Reibungswinkel ϕ eines rolligen, dicht gelagerten Bodens ist größer als der eines locker gelagerten.
Dies kann auf einen inneren Strukturwiderstand zurückgeführt werden: Weil die einzelnen Bodenkörper bei
dichter Lagerung während des Schervorganges übereinander wegbewegt werden, müssen sie aus ihrer dichten Lagerung erst „herausgehoben“ werden, was einen erhöhten Scherwiderstand infolge von Dilatanz bedeutet. Es gibt verschiedene Ansätze, die den Zusammenhang zwischen Reibungswinkel und Lagerungsdichte des Bodens beschreiben, die hier aber nicht wiedergegeben werden sollen.
Abb. 11.5: Scherfestigkeitsdiagramm für rolligen Boden
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11.3.4 Scheinbare Kohäsion bei Sand
Ein feuchter, rolliger Boden weist beim Scherversuch eine geringe Kohäsion auf. Diese wird durch Wasserhäutchen (Abb. 11.6) verursacht, die die Sandkörner wie mit einer unter Spannung stehenden Gummihaut
überziehen, da die Wasserhaut unter der Oberflächenspannung des Wassers steht. Die Oberflächenspannung bewirkt
eine Normalkraft N zwischen den Körnern (Abb. 11.6),
wodurch über die Rauhigkeit der Sandkörner eine Reibung
entsteht. Die scheinbare Kohäsion verschwindet bei Überfluten oder Austrocknen. Effekte der scheinbaren Kohäsion sind z. B.: Sandburgen bauen; im feuchten Sand sind
steile Böschungen möglich, die beim Austrocknen oder bei
Wassersättigung einstürzen.
Abb. 11.6: Erklärung der scheinbaren Kohäsion bei
Sand
11.4 Schergesetz bei bindigem Boden
11.4.1 Vorbemerkung
Die Ausführungen des Kap. 11.4 gelten unter der Voraussetzung, daß beim Abscheren der Bodenprobe kein
Porenwasserüberdruck oder -unterdruck vorhanden ist bzw. durch den Abschervorgang entsteht. Letztgenannte Voraussetzung hat zur Folge, daß das Abscheren bei wassergesättigtem, bindigen Boden langsam erfolgen muß.
11.4.2 Die Kohäsion
Bei bindigem Boden wirkt neben der Reibung zusätzlich eine Kohäsion. Unter Kohäsion ist formal zunächst
die Scherfestigkeit des Bodens bei der Normalspannung σ = 0 zu verstehen. Die Scherfestigkeit aus Kohäsion kann bei bindigen Böden größer sein als die Reibungsfestigkeit. Die Kohäsion kann wie eine „innere
Klebekraft“ zwischen den Bodenteilchen gedeutet werden.
Die Kohäsion beruht auf der Wirkung von (elektrostatischen) Oberflächenkräften der sehr feinen Tonbestandteile, die mit einer Wasserhülle umgeben sind. Im Grunde haften über diese Oberflächenkräfte die einzelnen Bodenteilchen um so mehr aneinander (Adhäsion), je kleiner der Abstand der Tonminerale ist. Die
Adhäsionskräfte machen sich für das Bodenelement als eine Kohäsion bemerkbar.
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Bodenmechanik 1 119
Die historisch älteste Formulierung eines Schergesetzes für bindigen Boden stammt von COULOMB:
τ f = c + σ ⋅ tan ϕ ,
worin c eine Konstante - die sog. Kohäsion - ist.
Nun ist aber die Kohäsion vor allem vom Wassergehalt w eines bindigen Bodens abhängig. In der breiigen
Zustandsform befindet sich zwischen den Tonteilchen so viel Wasser, daß die Oberflächenkräfte im baupraktischen Sinn vernachlässigbar klein sind, d. h. c = 0. Durch Aufbringen von Belastung und Konsolidieren des Bodens wird der Wassergehalt kleiner, der Abstand der Tonteilchen verringert sich, so daß die Kohäsion anwächst. Wird mit σv die konsolidierte Normalspannung bezeichnet, kann ein linearer Zusammenhang zwischen σv und c festgestellt werden, der durch die Beziehung
c = σ v ⋅ tan ϕ c
wiedergegeben wird (Abb. 11.7), worin tan ϕc eine bodenabhängige Proportionalitätskonstante ist. Da der
Boden bei Entlastung (fast) kein Wasser aufnimmt (siehe Entlastungsast des Drucksetzungsversuches) bleibt
die Kohäsion nach Belastung und Konsolidierung mit σv bei Entlastung (fast) konstant (Abb. 11.7).
Abb. 11.7: Kohäsion als Funktion der (konsolidierten) Normalspannung
Erst wenn durch erneute Belastung die Größe von σv überschritten wird und der Boden unter diesen größeren Spannungen konsolidiert ist, steigt die Kohäsion weiter an. Die Vorbelastung σv im Sinne des Schergesetzes ist also die höchste Normalspannung, die den betrachteten Boden bis zu seiner Konsolidierung belastet hat. Der Boden darf danach nicht wieder gestört worden sein (im Sinne von Durchkneten, weil da-
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Bodenmechanik 1 120
durch die Kohäsion verloren geht). Das so erweiterte, vollständige Schergesetz (von Krey-Tiedemann) lautet
also:
τ f = σv ⋅ tan ϕc + σ ⋅ tan ϕ .
11.4.3 Der normalkonsolidierte Versuch
Ein Scherversuch im Rahmenschergerät mit einer gestörten, bis zum breiigen Zustand aufbereiteten, bindigen Bodenprobe besteht aus zwei Versuchsabschnitten:
•
Aufbringen einer Normalspannung σv, unter der die Bodenprobe konsolidieren kann;
•
Aufbringen der Scherkraft T bei konstanter Normalspannung σ, die sich aber von der Spannung σv des
ersten Versuchsabschnittes unterscheiden kann.
Der Versuchsablauf für den sog. normalkonsolidierten Versuch, bei dem die Normalspannung in beiden
Versuchsabschnitten gleich ist (σ = σv), gestaltet sich wie folgt:
Eine völlig durchgearbeitete, bindige Bodenprobe von breiiger Konsistenz (c = 0) wird in das
Rahmenschergerät eingebaut und mit σ1 belastet. Nach der Konsolidation unter der Spannung σ1 beträgt σv
= σ1 (Konsolidierungsphase). Wird anschließend unter Beibehaltung von σ1 die Scherbeanspruchung
(Abscherphase) aufgebracht und langsam abgeschert (es soll dabei kein Porenwasserüberdruck oder unterdruck in der Probe entstehen), wird eine Scherfestigkeit gemessen von
τ f 1 = σ1 ⋅ tan ϕc + σ1 ⋅ tan ϕ = σ1 ⋅ ( tan ϕc + tan ϕ) = σ1 ⋅ tan ϕg .
Beim zweiten Versuch (und auch den folgenden) wird wieder die zunächst breiig aufbereitete Bodenprobe
(c = 0) in das Rahmenschergerät eingebaut, mit σ2 (σ3, σ4 usw.) belastet und der Versuch wie bei der Belastung mit σ1, d. h. unter Aufrechterhaltung von σ2 (σ3, σ4 usw.) bis zur Konsolidierung und während des Abscherens, durchgeführt. Es gilt also:
τ f 2 = σ2 ⋅ tan ϕc + σ2 ⋅ tan ϕ = σ2 ⋅ ( tan ϕc + tan ϕ)
oder allgemein
τ f = σ ⋅ ( tan ϕc + tan ϕ) = σ ⋅ tan ϕg .
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ϕg ist der Winkel der Gesamtscherfestigkeit (siehe Abb. 11.8). Dieses ist ein sog. normalkonsolidierter Versuch, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die Normalspannung σ während des Abscherens gleich der (die
Kohäsion bewirkenden) Vorbelastung σv während der Konsolidierungsphase ist.
Man mißt hierbei den Winkel der sog. Gesamtscherfestigkeit ϕg, für den gilt
tan ϕg = tan ϕc + tan ϕ.
Abb. 11.8: Scherfestigkeitsdiagramm für einen normalkonsolidierten Versuch mit bindigem Boden
11.4.4 Der überkonsolidierte Scherversuch
Der Versuchsablauf im sog. überkonsolidierten Versuch, bei dem die Spannung σ während des Abscherens
(2. Versuchsphase) kleiner ist als die Konsolidierungsspannung σv (1. Versuchsphase), gestaltet sich wie
folgt:
Eine bindige Bodenprobe mit breiiger Konsistenz wird in das Rahmenschergerät eingebaut und mit σv belastet. Nach der Konsolidation unter dieser Last hat die Probe eine Kohäsion von c = σv . tan ϕc. Die Auflastspannung wird dann auf σ1 vermindert und nach dem Ausgleich eines Porenwasserunterdruckes unter σ1
so langsam abgeschert, daß keine Änderung des Porenwasserdruckes eintritt. Die gemessene Scherfestigkeit
beträgt:
τ f 1 = σv ⋅ tan ϕc + σ1 ⋅ tan ϕ = c + σ1 ⋅ tan ϕ .
Die Scherfestigkeit aus Reibung (σ1 ⋅ tan ϕ) wird nur von der aktuellen, während des Abscherens vorhandenen Normalspannung bewirkt. Der Versuch wird in gleicher Weise mit einer ursprünglich breiigen Probe
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Bodenmechanik 1 122
wiederholt, wobei sie unter der gleichen Vorbelastung σv konsolidiert, aber vor dem Abscheren auf σ2 entlastet wird; hierdurch hat die Probe die gleiche Kohäsion c = σv . tan ϕc und die Scherfestigkeit:
τ f 2 = σ v ⋅ tan ϕ c + σ 2 ⋅ tan ϕ = c + σ 2 ⋅ tan ϕ .
Durch weitere Versuche mit den Spannungen σ3 und σ4 beim Abscheren erhält man das Scherfestigkeitsdiagramm der Abb. 11.9. Mit einem überkonsolidierten Scherversuch können die Scherparameter ϕ und c getrennt ermittelt werden. Ebenso gilt:
c = σ v ⋅ tan ϕ c ,
so daß mit c und bekanntem σv auch tan ϕc berechnet werden kann.
Der überkonsolidierte Versuch ist also dadurch gekennzeichnet, daß die Normalspannung beim Abscheren
immer kleiner ist als die Spannung σv, unter der die Probe konsolidiert ist und eine Kohäsion gewonnen hat.
An der Stelle σ = σv geht der überkonsolidierte in den normalkonsolidierten Versuch über (siehe Abb. 11.9).
Auf der σ-Achse des Normalspannungs-Scherfestigkeitsdiagrammes werden die Normalspannungen der Abscherphase (und nicht die der Konsolidierungsphase) des Versuches aufgetragen.
Abb. 11.9: Scherfestigkeitsdiagramm für einen überkonsolidierten Versuch mit bindigem Boden
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Bodenmechanik 1 123
11.4.5 Scherwegdiagramm bindiger Böden
Vorbelastete, bindige Böden haben ein Scher-Weg-Diagramm ähnlich dem von dichtgelagerten, rolligen
Böden. Weiche, bindige Böden entsprechen in ihrem Scher-Weg-Diagramm eher lockeren, rolligen Böden.
11.5 Einsatzbereich des Rahmenschergerätes
Im Rahmenschergerät können praktisch nur gestörte Bodenproben untersucht werden (keine ungestörte Proben). Das Rahmenschergerät ist gut geeignet zur Bestimmung der Scherfestigkeit rolliger Böden. Das
Verhältnis von
Einzelkorndurchmesser
zu Probenhöhe
soll
kleiner
als 1/10 sein, d. h. bei einer
Probenhöhe ca. 2 cm beträgt der maximale Korndurchmesser des zu untersuchenden Bodens 2 mm. Zur
Untersuchung der Scherfestigkeit von Kiesen sind normale Rahmenschergeräte wegen der Korngröße nicht
mehr geeignet. Hierfür gibt es Großrahmenschergeräte, bei denen die Rahmenabmessungen 30 cm x 30
cm oder sogar 50 cm x 50 cm betragen.
Im Rahmenschergerät wird eine Scherfuge erzwungen. Im Dreiaxialgerät (siehe Kap. 12) kann sich diese
dagegen (mehr oder weniger) frei ausbilden. Die Spannungen in der Probe des Rahmenschergerätes sind
nicht gleichmäßig verteilt, da die Scherkraft S nicht nur über die gezahnten Filterplatten, sondern auch über
die Rückwand des Rahmens eingeleitet wird. Es ist nicht möglich, undränierte Versuche zu fahren oder auch
einen über die Probenhöhe konstanten Porenwasserdruck zu erhalten. Ferner ist die Messung des Porenwasserdruckes problematisch, d.h. der Rahmenscherversuch ist vor allem für dränierte, langsam abgescherte
Versuche mit gestört eingebauten, rolligen und auch gestört eingebauten, bindigen Böden (dann mit besonders geringen Abschergeschwindigkeiten) geeignet.
11.6 Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit
In der E-DIN 1054 (November 2000) sind im Anhang Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit angegeben.
Der Index k deutet an, daß es sich um charakteristische Werte handelt. Die Tabellen werden in den Abb.
11.10 und 11.11 wiedergegeben, um hieraus eine gewisse Vorstellung der Größe von Reibungswinkel und
Kohäsion zu erhalten. Für konkrete Bauwerks-/Baugrundverhältnisse sind die Scherfestigkeitskennwerte für
die erforderlichen Standsicherheitsnachweise durch einen Sachverständigen für Geotechnik festzulegen.
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Abb. 11.10:
Abb. 11.11:
Grundbau, Bodenmechanik
und Felsmechanik
Bodenmechanik 1 124
Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit nichtbindiger Böden (Quelle [4])
Erfahrungswerte für die Scherfestigkeit bindiger Böden (Quelle [4])
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und Felsmechanik
Bodenmechanik 1 125
11.7 Literatur
[1]
DIN 18137:
Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Scherfestigkeit.
Teil 1: Begriffe und grundsätzliche Versuchsbedingungen.
[2]
Simmer: Grundbau, Teil 1. Teubner Verlag, Stuttgart.
[3]
Schultze/Muhs (1967): Bodenuntersuchungen für Ingenieurbauten. 2. Auflage. Springer Verlag.
[4]
E DIN 1054: Sicherheitsnachweis im Erd- und Grundbau.
[5]
DIN 18137:
Baugrund, Untersuchung von Bodenproben. Bestimmung der Scherfestigkeit.
Teil 3: Direkter Scherversuch.
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Bodenmechanik 1 126
12 Dreiaxiale Versuchstechnik
12.1 Allgemeines
Zum Verständnis des Triaxial- oder Dreiaxial-Versuches - insbesondere der unentwässerten Versuche - sind
folgende Kenntnisse erforderlich:
•
der Mohrsche Spannungskreis und seine Verbindung mit dem Coulombschen Schergesetz
τf = c + σ . tan ϕ,
•
das Verhalten wassergesättigten, bindigen Bodens hinsichtlich der totalen, effektiven und neutralen
Spannungen (siehe Kap. 10.3) und deren Rückwirkung auf die Scherfestigkeit,
•
praktische Auswirkungen des vorgenannten Zusammenhanges für Standsicherheitsuntersuchungen,
•
Aufbau des Dreiaxialgerätes und Versuchstypen.
12.2 Der Mohrsche Spannungskreis
12.2.1 Herleitung der Gleichungen
Die Herleitung des Mohrschen Spannungskreises für einen Nebenspannungszustand und die hierfür geltenden Regeln zum Zeichnen des Spannungskreises sind im Anhang zu finden. Nachfolgend wird ein
Hauptspannungszustand betrachtet, da dieser für den Dreiaxialversuch maßgebend ist.
Betrachtet wird ein Bodenelement, das durch die Hauptspannung σ1 und σ3 (siehe Abb. 12.1) beansprucht
wird (ebener Spannungszustand). Gesucht sind die Spannungen σ und τ auf einer Fläche, die unter dem
Winkel α das Element schneidet.
Σ Kräfte in Richtung von τ:
τ ⋅ dz / cos α = σ1 ⋅ cos α ⋅ dz ⋅ tan α − σ 3 ⋅ dz ⋅ sin α
τ = (σ1 − σ 3 ) ⋅ sin α ⋅ cos α
τ=
σ1 − σ 3
⋅ sin 2α
2
(1)
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und Felsmechanik
Bodenmechanik 1 127
Σ Kräfte in Richtung von σ:
σ ⋅ dz / cos α = σ1 ⋅ dz ⋅ tan α ⋅ sin α + σ 3 ⋅ dz ⋅ cos α
σ = σ1 ⋅ sin 2 α + σ 3 ⋅ cos 2 α
σ=
σ 1 + σ 3 σ1 − σ 3
−
⋅ cos 2α
2
2
(2)
Abb. 12.1: Element und Spannungen
12.2.2 Graphische Lösung mit Hilfe des Mohrschen Kreises
Aus den Gleichungen (1) und (2) wird der Winkel α dadurch eliminiert, daß beide Gleichungen für sich
quadriert und anschließend addiert werden:
 σ − σ3 
2
τ = 1
 ⋅ (sin 2α )
2 

2
2
σ + σ3 
 σ − σ3 

2
 ⋅ (cos 2α )
σ − 1
 = 1
2 
2 


2
2
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und Felsmechanik
σ + σ3 
 σ − σ3 

→ σ − 1

 + τ2 =  1
2 
2 


2
Bodenmechanik 1 128
2
Dies ist die Gleichung eines Kreises, dessen Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt:
(σ − σ ) + ( τ − τ )
2
M
σM =
M
σ1 + σ 3
;
2
2
= R2
τ M = 0;
R=
σ1 − σ 3
.
2
Abb. 12.2: Mohrscher Spannungskreis für die Hauptspannungen σ1 und σ3
Regeln für das Zeichen des Mohrschen Kreises:
a) Die auf eine Fläche des Elementes wirkende Normal- und Schubspannung (z. B. σx und τxz oder σ und τ
oder σz und τzx oder σ1 und τ1 = 0 bzw. σ3 und τ3 = 0) bilden gemeinsam einen Punkt des Spannungskreises (Abb. 12.2).
b) Normalspannungen werden als Druckspannungen nach rechts positiv gezeichnet.
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Bodenmechanik 1 129
c) Die am Element (Drehachse in der Mitte, senkrecht zur Zeichenebene) gegen den Uhrzeigersinn (links
herum) drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach oben aufgetragen. Die am Element
nach rechts drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach unten aufgetragen. (Nicht zu
verwechseln mit der Vorzeichendefinition der Schubspannungen.) Die Einhaltung der obigen Regelung
ist wichtig für die nachfolgende Polkonstruktion.
d) Mit der Kenntnis, daß der Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt, läßt sich der Spannungskreis aus zwei bekannten Punkten (z. B. σ1/0 und σ3/0, σx/τxz und σz/τzx) zeichnen (Abb. 12.2).
e) Zeichnet man durch einen beliebigen bekannten Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B.
σ1/0 oder allgemein σx/τxz) eine Gerade parallel zu der Richtung der Fläche auf der σ und τ wirken, erhält man im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Flächenpol (FP).
f) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B. σ1/0 oder allgemein σx, τxz) eine Gerade parallel zur Richtung der Normalspannung σ (z. B. parallel zu σ1), erhält
man im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Spannungspol (SP).
Ist der Mohrsche Spannungskreis aus den bekannten Spannungspunkten σ1/0 bzw. σx/τxz und σ3/0 bzw. σz/τzx
gezeichnet und der Flächenpol FP konstruiert, zieht man durch den Flächenpol eine Gerade parallel zu der
das Element unter dem Winkel α schneidenden Fläche und findet im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem
Kreis den gesuchten Spannungspunkt σ/τ (siehe Abb. 12.2).
12.2.3 Der Mohrsche Spannungskreis und das Schergesetz
Zu unterscheiden sind:
a) Diagramm zur Darstellung der Normal- und Schubspannungen in einem Element (Mohrscher Spannungskreis) (τ-σ-Koordinaten) (Abb. 12.3a). Der Spannungskreis stellt die Beanspruchung eines Bodenelementes durch Normal- und Schubspannungen dar.
b) Diagramm zur Darstellung der Abhängigkeit von Scherfestigkeit und Normalspannung: Coulombsches
Schergesetz (Abb. 12.3b; τf-σ-Koordinaten)
τ f = c + σ ⋅ tan ϕ
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Bodenmechanik 1 130
Werden beide Diagramme ineinander gezeichnet (Abb. 12.3c), kann leicht beurteilt werden, ob auf irgendeiner Fläche durch das Element die auftretenden Schubspannungen (Beanspruchung) größer, kleiner oder
gleich der vorhandenen Scherfestigkeit sind:
•
Die Schubspannungen auf allen Schnittflächen durch das Element sind kleiner als die Scherfestigkeit:
Der Schubspannungskreis liegt unterhalb der Scherfestigkeitsgeraden (Kreis A, Abb. 12.3c).
•
Die Schubspannung auf einer Fläche im Element ist gerade gleich der Scherfestigkeit: Der Spannungskreis berührt die Scherfestigkeitsgeraden: Grenzspannungszustand (Kreis B in Abb. 12.3c).
•
Die Schubspannungen auf mehreren Schnittflächen sind größer als die Scherfestigkeit: Der
Spannungszustand ist nicht mit der Materialfestigkeit (Scherfestigkeit des Bodens) verträglich (Kreis C
in Abb. 12.3c) und daher nicht möglich.
Abb. 12.3: Mohrscher Spannungskreis und Schergesetz
a) Mohrscher Spannungskreis aus Hauptspannungen
b) Graphische Darstellung des Coulombschen Schergesetzes
c) Spannungszustand im Vergleich zur Scherfestigkeit
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Bodenmechanik 1 131
12.2.4 Die Mohr-Coulombsche Fließbedingung
Wird gemäß Abb. 12.4 die Spannung σ3 (Hauptspannung) von einem Ausgangswert (Kreis A) verkleinert,
bläht sich der Kreis nach links auf, bis er die Scherfestigkeitsgeraden tangiert (Kreis C). Bei diesem „Grenzspannungszustand“ wird gerade auf einer Flächenrichtung die Schubspannung genau so groß wie die Scherfestigkeit.
Abb. 12.4: Mohrscher Spannungskreis im Grenzspannungszustand
•
Aus der Abb. 12.4 läßt sich die Bedingung für diesen Grenzspannungszustand (Mohr-Coulombsche
Fließbedingung) ablesen:
 σf + σ3f

σ1f − σ3f
= sin ϕ ⋅  1
+ σc 
2
 2

σc = c ⋅ cot ϕ
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Bodenmechanik 1 132
Index f = failure = Versagen
Hieraus durch Auflösen nach σf3:
σ 3f = σ1f ⋅
1 − sin ϕ
cos ϕ
− 2⋅c⋅
.
1 + sin ϕ
1 + sin ϕ
Nach Anwendung von Additionstheoremen ergibt sich hieraus:
(
)
(
σ 3f = σ 1f ⋅ tan 2 45 o − ϕ / 2 − 2 ⋅ c ⋅ tan 45 o − ϕ / 2
)
(4a)
oder mit tan2 (45o - ϕ/2) = Ka (Ka für α = β = δ = 0)
σ 3f = σ1f ⋅ K a − 2 ⋅ c ⋅ K a
(4b).
Ist der Spannungszustand durch die „Nebenspannungen“ σx, σz und τzx gegeben, lautet die Mohrsche
Fließbedingung:
σ +σ
σ −σ
(c ⋅ cot ϕ) + z x ⋅ sin ϕ =  z x  + τ zx
2
2


2
•
(4c)
Die Richtung der Fläche auf der τ = τf wird, läßt sich in Abb. 12.4 wie folgt konstruieren:
− Aufsuchen des Flächenpols (hier mit σ3 zusammenfallend);
− Verbinden von Flächenpol mit den Tangentenpunkten von Spannungskreis C mit der Scherfestigkeitsgeraden.
•
Ist die Fließbedingung erfüllt, findet in Richtung der Gleitflächen ein Abschervorgang statt. Denkt man
sich gemäß Abb. 12.5 durch das Element mehrere Schnitte parallel zur Gleitflächenrichtung α - α gelegt
und findet auf jeder dieser Flächen eine gleiche Scherdeformation statt, so erhält das Element nach Abschluß der Scherdeformation die Gestalt der Abb. 12.5a.
Findet der gleiche Vorgang parallel zur Richtung β - β statt, kommt das Element in die Gestalt der Abb.
12.5b.
Finden beide Scherdeformationen gleichzeitig statt, wird das Element gemäß Abb. 12.5c „plastisch
breitgedrückt“. (In Abb. 12.5c ist das Ergebnis beider Scherdeformationen vektoriell aufaddiert worden.)
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Bodenmechanik 1 133
Abb. 12.5: Deformation eines ursprünglich quadratischen Elementes infolge plastischen Fließens, wenn Volumenkonstanz vorausgesetzt wird
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•
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Bodenmechanik 1 134
Satz: Befindet sich ein Bodenelement im „Fließzustand“ (Zustand des plastischen Fließens), so
− tangiert der Spannungskreis, der den Spannungszustand dieses Elementes beschreibt, die Scherfestigkeitsgeraden. Dieser Zustand wird mathematisch durch die sog. Mohr-Coulombsche Fließbedingung
(Gleichungen 4a, 4b oder 4c) beschrieben.
− wird das Element „plastisch deformiert“, wobei sein Volumen unverändert bleibt, sofern vorausgesetzt wird, daß durch den Schervorgang selbst keine Volumenveränderung (Dilatation oder Kompression) des Bodens eintritt. Letztere Voraussetzung ist im allgemeinen nicht erfüllt, da sich ein dicht
gelagerter Boden beim Schervorgang auflockert und ein lockerer Boden verdichtet.
12.3 Auswirkung des Konsolidierungsverhaltens eines bindigen Bodens auf seine
Scherfestigkeit
Das Konsolidierungsverhalten eines wassergesättigten, bindigen Bodens wurde in Kap. 10.3 anhand des
grobmechanischen Modells von Terzaghi beschrieben. Da nur effektive Spannungen σ‘ (Kornspannungen)
Scherfestigkeit infolge Reibung bewirken können, muß das Schergesetz von Krey-Tiedemann (Kap. 11.4.2)
genauer geschrieben werden als:
τ f = σ v ⋅ tan ϕ c + σ' ⋅ tan ϕ = c + σ' ⋅ tan ϕ
σv
=
Vorbelastung: maximale, im Verlauf der Belastungsgeschichte konsolidierte Spannungen; danach darf die Probe nicht wieder gestört worden sein
σ‘
=
effektive Spannung
ϕ
=
Reibungswinkel des Bodens
tanϕc =
Proportionalitätsfaktor für die Kohäsion.
Im mechanischen Topfmodell des Mehrkammersystems kann hinsichtlich der Kohäsion noch folgende
Analogie aufgebaut werden: Je kleiner der Abstand der Kolbenplatten untereinander ist, um so größer ist die
Kohäsion (je stärker der Boden zusammengedrückt ist, um so größer ist die Kohäsion). Da die Kohäsion bei
Entlastung erhalten bleibt (und nur bei einer Störung infolge Durchknetens verschwindet) wird deutlich, daß
das Federtopf-Modell für die Entlastung nicht funktioniert, da die Federn unter Ansaugen von Wasser die
Kolbenplatte in die ursprüngliche Lage zurückdrücken werden.
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Bodenmechanik 1 135
Wird ein völlig gestörter (c = 0) wassergesättigter, bindiger Boden zum Zeitpunkt t = 0 plötzlich mit einer
Spannung σ1 belastet, so gilt mit
σ1 = σ' + u bei
t = 0:
σv = 0
σ‘ = 0
τf = 0
Im Laufe der Konsolidierungszeit wächst σv auf σ1 und auch σ‘ auf σ1 an:
τ f = σ1 ⋅ tan ϕ + σ1 ⋅ tan ϕ = σ1 ⋅ ( tan ϕc + tan ϕ)
( t = ∞)
(normalkonsolidierter Boden bzw. normalkonsolidierter Versuch siehe Kap. 11.4.3)
Werden in diesem Zustand beim Topfmodell die Bohrungen in der obersten Kolbenplatte verschlossen und
eine zusätzliche Spannung ∆σ aufgebracht, kann sich weder der Kohäsionsanteil noch der Reibungsanteil
erhöhen, da ein Abfließen von Porenwasser nicht auftreten kann. Bei einem derart „geschlossenen“ System
bleibt also die Scherfestigkeit unabhängig von der Größe der aufgebrachten Spannung ∆σ konstant. Die
Scherfestigkeitsgerade verläuft parallel zur σ-Achse (Abb. 12.6).
Abb. 12.6: Scherfestigkeitsgerade beim geschlossenen System für volle und für teilweise Wassersättigung
Da sich der Boden im geschlossenen System wie ein Stoff mit c ≠ 0 und ϕ = 0 verhält - real aber Kohäsion
und Reibung an der Scherfestigkeit beteiligt sind - nennt man diese Kohäsion „scheinbar“ und bezeichnet sie
mit cu (bei ϕu = 0). Der Wert cu wird als „Scherfestigkeit“ (Kohäsion) des undränierten Bodens bezeichnet.
Der Wert cu kann in wassergesättigten, bindigen Böden mit einer Flügelsondierung (siehe Kap. 8.5) bestimmt werden..
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und Felsmechanik
Bodenmechanik 1 136
Ist der Boden nicht wassergesättigt, können sich – auch beim geschlossenen System – die Luftporen infolge
der aufgebrachten Spannung etwas zusammendrücken, d. h. das Volumen wird etwas kleiner, die Kohäsion
und die Reibungsfestigkeit steigen an (cu bei ϕu > 0). Je größer ∆σ, um so mehr geht das geschlossene System zur vollen Sättigung über (da die Luftporen immer mehr zusammengedrückt werden), weswegen die
Scherfestigkeitskurve gekrümmt in Richtung auf eine horizontale Asymptote verläuft (Abb. 12.6).
Bei einem offenen System konsolidiert der Boden nach Aufbringen einer Belastung ∆σ, so daß sowohl Kohäsion als auch Reibungsfestigkeit ansteigen.
12.4 Beispiel für die Anwendung des ϕu = 0, cu-Falles
Wird gemäß Abb. 12.7 ein Tank oder ein Silo auf einem wassergesättigten, bindigen Boden errichtet, ergibt
sich folgende Situation:
Abb. 12.7: Beispiel für den ϕu = 0, cu-Fall
•
das Element A ist unter der Spannung σ1 aus dem überlagernden Boden konsolidiert:
τ f = σ 1 ⋅ tan ϕ c + σ1 ⋅ tan ϕ ≈ c u
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•
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Bodenmechanik 1 137
die Last aus dem leeren Bauwerk (Tank incl. Gründung) sei für das Element A unbedeutend, da das
Bauwerksgewicht gering ist;
•
die Füllung des Tanks bedeutet für das Element A eine „schnelle“ Lastaufbringung, wobei „schnell“ das
Verhältnis zwischen der Zeitdauer der Lastaufbringung und der Zeit zur Konsolidierung (abhängig von
der Länge des Entwässerungsweges für das Element, siehe Kap. 10.3.4) zum Ausdruck bringen soll;
•
weil also die Lastaufbringung (im Vergleich zur Konsolidierungszeit) „schlagartig“ erfolgt, gewinnt das
Element A aus der neuen Belastung infolge Tankfüllung keine Scherfestigkeit - das Element verhält sich
also wie ein Stoff mit konstanter Scherfestigkeit (cu ≠ 0; aber ϕu = 0); aber es wird von abscherenden
Schubspannungen aus der Tankfüllung beansprucht;
− der Nachweis der Sicherheit gegen das Auftreten eines Grundbruches wird für den schnell gefüllten Tank
für den (ungünstigen) Anfangszustand mit den Scherparametern ϕu = 0 und cu ≈ τf1 > 0 geführt; außerdem
ist auch der Endzustand nach Abschluß der Konsolidierung unter der Gesamtlast zu betrachten;
•
zur Ermittlung von cu dient der nachfolgend erläuterte Dreiaxialversuch;
•
cu kann auch im Feld mit der sog. Drehflügelsonde bestimmt werden.
12.5 Der Dreiaxialversuch
12.5.1 Versuchsgerät
Nach DIN 18137 - Teil 2 [1] ist „der Dreiaxialversuch ein zylinder- und axialsymmetrischer Druckversuch
an homogenen kreiszylinderischen Probekörpern. Im Regelfall ist die axiale Hauptspannung σ1 auch betragsmäßig größere Hauptspannung und die radialen Hauptspannungen σ2 und σ3 sind gleich“.
Das Kernstück eines Dreiaxialgerätes ist die Druckzelle (Abb. 12.8):
Die zylindrische Bodenprobe ist mit einer Gummihülle umgeben, die einerseits den Zelldruck (σ2 = σ3) auf
die Probe überträgt und andererseits einen wasserdichten Abschluß der Bodenprobe gewährleistet. Die Probe befindet sich in einer Zelle, deren Wandung meist aus Plexiglas, deren Boden und Deckel dagegen aus
Stahl gefertigt sind. Die Zellflüssigkeit (meist Wasser) kann über die Zuleitung (13) oder über einen besonderen Druckluftanschluß unter Druck (σ2 = σ3) gesetzt werden. Die Kopffläche der Probe wird durch einen
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und Felsmechanik
Bodenmechanik 1 138
Belastungsstempel abgeschlossen. Da dieser Stempel voll in der Zelle liegt, wirkt der Zelldruck bei der in
der Abb. 12.8 dargestellten Ausführung auch vertikal auf die Probe.
Abb. 12.8: Schema einer dreiaxialen Druckzelle (Quelle [1])
Die untere Probenfläche liegt auf einem Filterstein, der an die Entwässerungsleitung (14) (Abb. 12.8) angeschlossen ist. Ist der Hahn (15) an der Entwässerungsleitung während des Versuches geschlossen, befindet
sich die Probe in einem geschlossenen System, d. h. es kann während des Versuches kein Porenwasser aus
der Probe austreten (unentwässertes, undräniertes System).
Über den Stempel (2) (Abb. 12.8) wird während der zweiten Versuchsphase (siehe 12.5.2) eine zusätzliche
vertikale Last aufgebracht.
Zum Versuchsgerät gehören ferner diverse Meßgeräte (Weg- und Kraftmessung; Messung des Porenwasserdrucks bzw. der Menge des ausgepreßten Porenwasser usw.) und die Einrichtungen zur Erzeugung des Zelldruckes und der Vertikallast. Näheres hierzu siehe [1] und Spezialliteratur.
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Bodenmechanik 1 139
12.5.2 Versuchsphasen
Der Dreiaxialversuch hat zwei Versuchsphasen:
•
Konsolidierungsphase: Die Probe wird einem Zelldruck (σ2 = σ3 = σ1) ausgesetzt und kann bei offenem
Hahn (15) konsolidieren. Bei dem sog. UU-Versuch (siehe Kap. 12.5.3) werden ungestörte Proben verwendet, so daß die Konsolidierungsphase entfällt.
•
Belastungs- und Abscherphase: Durch eine mit konstanter Verformungsgeschwindigkeit erzeugte axiale
Stauchung der Probe wird der „Bruch“ herbeigeführt. Bei dieser Versuchsphase kann eine Entwässerung
der Probe zugelassen (offenes System) oder verhindert (geschlossenes System) werden.
12.5.3 Versuchstypen
a) Der unkonsolidierte, undränierte Versuch (UU-Versuch): Wird vor der Errichtung des Bauwerkes, z.
B. des Tanks, in Abb. 12.7 das Element A „ungestört“ entnommen und schnell in das Dreiaxialgerät
eingebaut, der Hahn (15) geschlossen und nach Aufbringen eines beliebig großen Zelldruckes (z. B. σ3I
in der Abb. 12.9) die Belastung σ1 gesteigert, so bläht sich der Spannungskreis in der Richtung der σAchse auf, bis er die cu-Gerade tangiert (Abb. 12.9). Hierbei ist cu die „scheinbare Kohäsion“ oder die
„Anfangsscherfestigkeit“, die die Probe im Boden infolge der Spannungen aus der Überlagerung erhalten hat (siehe Kap. 12.4).
Abb. 12.9: Spannungskreise beim UU-Versuch
Die Größe des aufgebrachten Zelldruckes ist beliebig (z. B. σ3II in der Abb. 12.9), da der Versuch im geschlossenen System durchgeführt wird und die Probe daher nicht entwässern kann, also nach den Überlegungen des Kap. 12.3 wegen der Wassersättigung und der verhinderten Wasserabgabe während der
Steigerung der Belastung keine Scherfestigkeit hinzugewinnen kann.
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und Felsmechanik
Bodenmechanik 1 140
Mit dem UU-Versuch kann also der cu-Wert ungestörter, wassergesättigter Proben bestimmt werden,
wobei allerdings die Versuchsfehler recht groß sind. Besser kann cu im Feld mit der Flügelsonde ermittelt werden.
b) Der konsolidierte, undränierte Versuch (CU-Versuch). Da es fast unmöglich ist, Proben im Sinne des
UU-Versuches „ungestört“ zu gewinnen und im Versuchsgerät einzubauen, arbeitet man im CU-Versuch
mit einer gestörten (gegebenenfalls wassergesättigten) Probe. Nach dem Einbau wird eine sog.
Konsolidierungsspannung, im Normalfall nur als Zelldruck (σ3 = σ2 = σ1), aufgebracht. Bei geöffnetem
Hahn (15) läßt man die Probe unter diesen Spannungen konsolidieren. Man versetzt also die gestörte
Probe hinsichtlich ihrer Scherfestigkeit in den „ungestörten Zustand“.
Anschließend wird der Hahn (15) geschlossen und nun wie bei UU-Versuch die Belastungs- und
Abscherphase durchgeführt. Das Versuchsergebnis sieht wie Abb. 12.9 aus. Man kann mit
verschiedenen Versuchen die Abhängigkeit des cu-Wertes von der Größe des Zelldruckes (der
Konsolidierungsspannung) während der Konsolidierungsphase feststellen.
c) Der konsolidierte, entwässerte Versuch (D-Versuch): Nach der Konsolidierungsphase, die wie beim
CU-Versuche abläuft, wird die Belastungs- und Abscherphase beim offenen System so langsam durchgeführt, daß die Probe bei jeder Belastung voll konsolidiert. Dieser Versuch entspricht dem langsamen
Rahmenscherversuch (siehe Kap. 11.4.3 und 11.4.4). Durch mehrere Versuche kann man die Scherparameter ϕ und c ermitteln. Hierfür sind zwei Darstellungsarten gebräuchlich:
•
Nach Abb. 12.10 werden die Spannungskreise beim Bruch der Proben in ein σ-τ-Koordinatensystem
gezeichnet und aus der gemeinsamen Tangente ϕ und c entnommen (das Beispiel der Abb. 12.10 ist
ein überkonsolidierter Versuch).
Abb. 12.10:
Spannungskreise beim D-Versuch (Quelle [1])
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Abb. 12.11:
•
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Bodenmechanik 1 141
Ergebnis eines Dreiaxialversuches, dargestellt im (σ1 - σ3)/2 - (σ1 + σ3)/2-Diagramm (p-qDiagramm) (Quelle [1])
Nach Abb. 12.11a) gilt in einem Bruchkreis für den Tangentenpunkt zwischen Spannungskreis und
Scherfestigkeitsgerade (überkonsolidierter Versuch)
c+
σ1 + σ3
σ −σ
1
⋅ tan ϕ = 1 3 ⋅
2
2
cos ϕ
σ1 − σ 3
σ + σ3
= c ⋅ cos ϕ + sin ϕ ⋅ 1
2
2
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Bodenmechanik 1 142
Mit den Abkürzungen
q=
σ1 − σ 3
;
2
n = c ⋅ cos ϕ ;
m = sin ϕ
und
p=
σ1 + σ 3
2
ergibt sich in der sog. p-q-Darstellung im Bruchzustand eine Geradengleichung:
q =n +m⋅p.
Im Bruchzustand erhält man also mit dem bekannten Zelldruck σ3 und der gemessenen vertikalen
Bruchspannung σ1, d. h. mit max σ1 : p = (max σ1 + σ3)/2 und q = (max σ1 - σ3)/2 einen Punkt dieser
Geraden. Durch mehrere Dreiaxialversuche werden mehrere Geradenpunkte ermittelt. Für die (ausgleichende) Gerade gelten weiter die Beziehungen der Abb. 12.11:
c = n/cos ϕ
und
sin ϕ = tan α = m.
Vor Beginn der Belastungsphase ist σ1 = σ3, d.h. der Belastungsbeginn wird dargestellt als ein Punkt
auf der (σ1 + σ3)/2 - Achse. Mit wachsender Vertikalspannung σ1 entwickeln sich die Spannungen
auf dem sog. Spannungspfad (Gbb. 12.11c), dessen Endpunkt der Bruchspannungszustand auf der
o. g. Grenzzustands-Geraden (Abb. 12.11b)) ist. Bei dieser Darstellungsart schrumpft jeder während
der Steigerung von σ1 entstehende Spannungskreis zu einem Punkt des Spannungspfades zusammen.
12.6 Schlußbemerkung
Der Dreiaxialversuch kann hier nur in den Grundzügen dargestellt werden. Die Durchführung des Versuches
erfordert eine intensive Beschäftigung mit der Theorie und auch mit der praktischen Gerätetechnik.
12.7 Literatur
[1]
DIN 18137:
Baugrund, Untersuchung von Bodenproben Bestimmung der Scherfestigkeit.
Teil 2: Triaxialversuch;
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Bodenmechanik 1 143
Anhang
Der Mohrsche Spannungskreis bei Vorgabe eines (ebenen) Nebenspannungszustandes
a) Herleitung der Gleichungen
Betrachtet wird ein Element im Boden, das durch die Spannungen σx, τxz = τzx und σz beansprucht ist.
Sind τzx = τxz = 0, sind σx und σz Hauptspannungen.
Gesucht sind die Spannungen σ und τ auf einer Fläche, die unter dem Winkel α das Element schneidet.
Gemäß Abb. A.1 werden die Kraftgleichgewichtsbedingungen am abgeschnittenen dreieckförmigen Elementteil erfüllt. Mit den in der Abbildung dargestellten, aus den Kraftgleichgewichtsbedingungen hergeleiteten Gleichungen (1) und (2) können die gesuchten Spannungen berechnet werden.
b) Graphische Lösung mit Hilfe des Mohrschen Kreises
Aus den Gleichungen (1) und (2) – siehe Abb. A.1 – wird der Winkel α dadurch eliminiert, daß beide
Gleichungen für sich quadriert werden. Anschließend werden die beiden Gleichungen addiert. Es ergibt
sich:
σ + σz 
 σ − σz 

 + τ 2xz
σ − x
 + τ2 =  x
2
2




2
2
Gleichung (3) ist die Gleichung eines Kreises im σ/τ-Koordinaten-System:
(σ − σ M )2 + (τ − τ M )2 = R 2
(3)
mit
σM
σ + σz
= x
;
2
 σ − σz 
R=  x
 + τ 2xz
2


2
τM = 0
und
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Abb. A.1: Berechnung der Normalspannungen σ und der Schubspannung τ, die auf der Fläche unter dem
Winkel α wirken
Regeln für das Zeichen des Mohrschen Kreises:
a) Die auf eine Fläche des Elementes wirkende Normal- und Schubspannung (z. B. σx und τxz oder σ und τ
oder σz und τzx) bilden gemeinsam einen Punkt des Spannungskreises (Abb. A.2).
b) Normalspannungen werden als Druckspannungen nach rechts positiv gezeichnet.
c) Die am Element (Drehachse in der Mitte, senkrecht zur Zeichenebene) gegen den Uhrzeigersinn (links
herum) drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach oben aufgetragen. Die das Element
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nach rechts drehenden Schubspannungen werden auf der τ-Achse nach unten aufgetragen. (Nicht zu
verwechseln mit der Vorzeichendefinition der Schubspannungen.) Die Einhaltung der obigen Regelung
ist wichtig für die nachfolgende Polkonstruktion.
Abb. A.2: Mohrscher Spannungskreis mit Nebenspannungszustand
d) Mit der Kenntnis, daß der Mittelpunkt auf der σ-Achse liegt, läßt sich der Spannungskreis aus zwei bekannten Punkten (z. B. σx/τxz und σz/τzx) zeichnen (Abb. A.2).
e) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Mohrschen Spannungskreises (z. B. σx/τxz) eine
Gerade parallel zu der Richtung der Fläche auf der σ und τ wirken, erhält man im Schnittpunkt dieser
Geraden mit dem Spannungskreis den Flächenpol (FP).
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f) Zeichnet man durch einen beliebigen Punkt (σ/τ) des Morhschen Spannungskreises (z. B. σx,τxz) eine
Gerade parallel zur Richtung der Normalspannung σ (z. B. parallel zu σx), erhält man im Schnittpunkt
dieser Geraden mit dem Spannungskreis den Spannungspol (SP).
Ist der Mohrsche Spannungskreis aus den bekannten Spannungspunkten σx/τxz und σz/τzx gezeichnet und der
Flächenpol FP konstruiert, zieht man durch den Flächenpol eine Gerade parallel zu der das Element unter
dem Winkel α schneidenden Fläche und findet im Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Kreis den gesuchten
Spannungspunkt σ/τ.
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