UMW12023 Umwelt 12/1999, S.23-26

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Erfolgreiches
Sonderabfallmanagement
Management und Technik – Einsatz von Know-how
Kaum ein anderer Markt hat sich
in den letzten Jahren so radikal
und rapide gewandelt wie der der
Sonderabfallentsorgung. Waren in
den siebziger und achtziger Jahren
Sonderabfallentsorger und somit
auch Betreiber von thermischen
Behandlungsanlagen monopolähnliche Unternehmen, deren größte
Herausforderung die Disposition
von großen Abfallmengen war, so
stellt sich die Situation heute genau umgekehrt dar.
Die Sonderabfallentsorger konkurrieren mit größer gewordenen Kapazitäten und sinkenden Mengen
von Abfällen, die – dieser Marktkonstellation gehorchend – einem
starken Preisdruck unterliegen.
Durch die Umkehr vom Verkäufermarkt mit Kapazitätsmängeln zum
Käufermarkt mit Überkapazitäten,
ergaben sich vollkommen neue Paradigmen für kaufmännisches und
technisches Management. Ziel war,
im Zuge der Marktbereinigung zu
den Verdrängern und nicht zu den
Verdrängten zu gehören.
Gesetzliche Entwicklungen
Im Jahr 1972 trat das Abfallbeseitigungsgesetz der Bundesrepublik
Deutschland in Kraft, mit dem die
Abfallbeseitigung zu einer öffentlichen Aufgabe des Umweltschutzes erklärt und die Länder zu
einer überörtlichen Abfallbeseitigungsplanung verpflichtet wurden.
Zeitgleich wurde die Hessische Industriemüll GmbH (HIM) gegründet. 1975 wurde die HIM vom
Land Hessen mit der landesweiten
Organisation der Entsorgung sowie
mit der Planung, dem Bau und
dem Betrieb der dafür benötigten
Anlagen betraut. Neben der Sonderabfallverbrennungsanlage Biebesheim betreibt die HIM in Kassel
und Frankfurt chemisch-physikalische Behandlungsanlagen.
In das Abfallgesetz von 1986
wurde das Gebot der Verwertung
aufgenommen. Mit dem seit Oktober 1996 geltenden Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz hat
die Verwertung generell Vorrang
vor der Beseitigung erhalten, solange die Beseitigung nicht die
umweltverträglichere Lösung dar-
AUTOREN
Dr. rer. nat. Horst
Suchomel, Jahrgang
1951, studierte Chemie an der Universität
Köln und war von
1982 bis 1999 in verschiedenen Funktionen bei der Hessischen Industriemüll
GmbH in Biebesheim
tätig. Anfang Juli 1999
übernahm er bei der
HIMTECH, Hessische
Industriemüll GmbH,
Wiesbaden, die Aufgaben Unternehmensentwicklung und Internationalisierung.
Dipl.-KfM. Jochen König,
Jahrgang 1962, war nach
dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an
der Universität Mannheim
als Kundenberater und
Konzeptioner in Werbeagenturen sowie als
Leiter Marketing–Service
bei NET Nachtexpress –
Termindienst GmbH,
Mannheim, tätig. Seit
1997 ist er Marketing Referent der Hessischen
Industriemüll GmbH in
Biebesheim.
Umwelt Bd. 29 (1999), Nr. 11/12 - November/Dezember 23
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Bild 1 Höchstwerte
nach 17. BImSchV und
gemessene Emissionen
in der SAV Biebesheim,
Stand Ende 1998.
stellt. Das Gesetz ist seit Inkrafttreten unter anderem wegen seiner
unbestimmten Rechtsbegriffe
(Produkt, Verwertung, Beseitigung) bei allen Betroffenen in der
Kritik. So resümiert der Präsident
des BVSE, Hans-Jürgen Cierzon
[1]: „Auch nach mehr als zwei
Jahren Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetz haben sich die großen Hoffnungen auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft leider
nicht erfüllt.“ Verheyen und Spangenberg fokussieren in einem Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stif tung [2] auch den Sonderabfallbereich. So „sinken die Mengen, die
den öffentlichen Anlagen zur Beseitigung angeliefert werden. Dies
bedeutet aber keinen tatsächlichen Rückgang, sondern daß sich
FA ZI T
Der Markt der Sonderabfallentsorgung
unterlag einem dramatischen Wandel
vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Besonders Betreiber von Sonderabfallverbrennungsanlagen haben mit sinkenden Mengen und Preisen sowie hohen
Kosten durch die gesetzlichen Auflagen
zu kämpfen. Um wirtschaftlich erfolgreich bestehen zu können, ist ein konsequentes Kostenmanagement im Anlagenbetrieb ebenso unabdingbar wie
eine effiziente Marketing-, Vertriebsund Kundenservice-Arbeit.
24 Umwelt Bd. 29 (1999), Nr. 11/12 - November/Dezember
die Abfallentsorgung neuer Wege
bedient. Daß diese Wege zu einer
nachhaltigen Umweltpolitik oder
einer wirklichen Kreislaufwirtschaft führen, darf füglich bezweifelt werden.“
Die unklare Rechtslage zur Abgrenzung zwischen Beseitigung
und Verwertung, die Verlagerung
der Sonderabfallentsorgung zu
Hausmüllverbrennungsanlagen und
Deponien zu niedrigeren Preisen
und die Mitverbrennung in Zementwerken sind viel diskutierte
Aspekte der neuen Gesetzes- und
Vollzugslage.
Sie stellen die für Betreiber von
Sonderabfallverbrennungsanlagen
Wettbewerbsnachteile dar, denen
es zu begegnen gilt.
Technische Entwicklungen
Analog zur Entwicklung der gesetzlichen Regelungen zur Abfallwirtschaft sind die organisatorischen und vor allem technischen
Anforderungen an die klassischen
Abfallentsorgungsanlagen wie Deponien, chemisch-physikalischen
Behandlungsanlagen und Verbrennungsanlagen stetig gestiegen. Dabei sind besonders die
TA Abfall sowie wasser- und immissionsschutzrechtliche Verordnungen – für Abfallverbrennungsanlagen die 17. BImSchV – zu
nennen.
Der Stand der Technik bei
Abfallentsorgungsanlagen wurde
parallel zu den gesetzlichen Anforderungen weiterentwickelt. Für
das Beispiel der Sonderabfallverbrennungsanlage Biebesheim ist in
Bild 1 dargestellt, daß die heutige
hochentwickelte Technik in der
Lage ist, vorgegebene Grenzwerte
sicher einzuhalten und sogar deutlich zu unterschreiten.
Der Anstieg der technischen
Anforderungen erforderte erhebliche Investitionen. Bei bestehenden Entsorgungsanlagen waren die
Investitionen für die erforderlich-
en Nachrüstungen häufig höher als
die für den ursprünglichen Betrieb.
Um die Anlagen weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können,
mußten die Entsorgungspreise entsprechend erhöht werden. In der
Folge führten diese Preissteiger ungen unter anderem zu einem Abfluß großer Abfallströme in andere, billigere und teilweise auch
zweifelhafte Entsorgungswege,
was als Öko-Dumping bezeichnet
wird [3, 4] – vor allem in solche
Anlagen, die nicht den hohen
technischen Anforderungen für
Abfallentsorgungseinrichtungen
entsprechen. Diese schwierige Situation, die etwa seit dem Beginn
der neunziger Jahre besteht,
zwingt die Anlagenbetreiber zu
Maßnahmen, die die Wirtschaftlichkeit erhöhen.
Herausforderungen
für den Anlagenbetrieb
Die beschriebenen Entwicklungen
vollzogen sich auch bei der Sonderabfallverbrennungsanlage der
HIM in Biebesheim, die Ende 1981
in Betrieb ging. Die erforderlichen
technischen Umrüstungen – beispielsweise für Emissionsminderung, Sicherheitstechnik, Grundwasserschutz, Abfallbeschickung –
führten zu Investitionen, die die
der ursprünglichen Anlage überstiegen, und so zunächst eine Erhöhung der Entsorgungspreise mit
sich brachten. Dem nachfolgenden
Rückgang der Anlieferungsmengen
(Bild 2) und damit der Erlöse
mußte zwangsläufig zur Sicherung
der Wirtschaftlichkeit mit verschiedenen Maßnahmen begegnet
werden. Die Hauptaufgabe bestand
in der Effizienzsteigerung des Betriebes, um höhere Durchsatzmengen zu erreichen und Kosten zu
minimieren. Nur so besteht die
Möglichkeit, die Preisen zu senken
und in Folge vom Markt größere
Mengen zu erhalten. Die betrieblichen Ziele konnten in den letzten
Jahren ohne Verminderung der
Umweltverträglichkeit (Bild 2) erreicht werden durch
7 Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit durch Anpassung der Fahrweise, optimierte Wartung und Instandhaltung,
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7 Steigerung der Durchsatzleistung, besonders an festen Abfällen, durch geeignete Abfallvorbehandlung, Optimierung der Beschickungseinrichtungen und der
Zusammenstellung der Verbrennungsmenüs aus festen, pastösen,
flüssigen, gasförmigen und in Gebinden verpackten Sonderabfällen
und
7 Anpassung der Betriebsorganisation durch Ausrichtung auf effizientere Abläufe.
Herausforderungen
für Marketing und Vertrieb
Kostenmanagement und Effizienzsteigerungen im Betrieb der Anlagen sind somit zentrale Bausteine
eines erfolgreichen Sonderabfallmanagements. Ebenso wichtig sind
Maßnahmen, die den Kunden erkennen lassen, daß alle Unternehmensaktivitäten an seinen Bedürfnissen ausgerichtet werden. Für
einen Sonderabfallentsorger, der
den Weg vom Monopolisten zum
wettbewerbsfähigen Marktpartner
beschreitet, bedeutet dieser Anspruch organisatorische und strategische Änderungen.
Die HIM hat 1996 eine Beratungs- und Betreuungsstruktur geschaffen, die an den Problemen
und Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet ist. Sechs Kundenteams
sind so organisiert, daß sie Branchen mit ähnlichen Entsorgungsaufgaben betreuen. Jeder Kunde
hat einen festen Ansprechpartner,
der mit den Besonderheiten seiner
Branche und seines Unternehmens
bestens vertraut ist.
„Alles aus einer Hand“ ist ein
oft verwendeter Slogan vieler
Dienstleister. Die HIM dementsprechend bietet neben der Abfallbeseitigung auch Verwertung an.
Ist dies nicht in eigenen Anlagen
möglich, werden Drittpartner herangezogen, deren Qualifikation
vom Produktmanagement der HIM
überprüft und bewertet wird. Das
Angebot von zusätzlichen, der Entsorgung vor- und nachgelagerten
Dienstleistungen unterstreichen
den Anspruch, für den Kunden für
alle Fragen rund um die Entsorgung Ansprechpartner zu sein.
Sinnvolle Diversifizierungen (Altlastensanierung, Ingenieurleistungen) komplettieren das Dienstleistungsangebot und sind Bausteine
eines Risiko-Mixes.
Ebenso zentral ist die Herausforderung, die Abfallannahme zu
verbessern. Hier entwickeln Pro-
duktmanagement und die Verantwortlichen der Anlagen gemeinsam
Lösungen, um dem Kunden zu
lange Wartezeiten zu ersparen.
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Bild 2 Jährliche Mengen von verbrannten Abfällen in der SAV in Biebesheim.
LI T E R AT U R
[1] Umwelt 29 (1999), Nr. 1/2, S. 24.
[2] Verheyen, R.; Spangenberg, J .H.:
Die Praxis der Kreislaufwirtschaft – Ergebnisse des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes (Gutachten im Auftrag
der Friedrich-Ebert-Stiftung), Bonn,
1998.
[3] Deutsche Projekt Union GmbH:
Öko-Dumping auf dem Vormarsch?
Verwertungs- und Beseitigungswege
von besonders überwachungsbe dürftigen Abfällen und überwachungsbedürftigen Reststoffen aus Deutschland – Heute und Morgen. Essen,
1996.
[4] Deutsche Projekt Union GmbH:
Öko-Dumping auf dem Vormarsch?
Mitverbrennung von Sonderabfällen in
MVA. Essen, 1998.
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