NTS Kapitel 7: Thermische Systeme

Werbung
Kapitel 7
Thermische Systeme
Wärme und Kälte begegnen uns vom Anfang unseres Lebens an, sie spielen von
Technik über Biologie bis zum Universum eine fundamental wichtige Rolle. Unsere
Erfahrung mit Wärme und Kälte ist direkt und trotzdem nicht einfach wissenschaftlich zu fassen. Wie Elektrizität ist Wärme unsichtbar. So ist es nicht erstaunlich,
dass die ersten Wissenschaftler, die sich mit thermischen Phänomenen ausführlicher
auseinandergesetzt haben (Accademia del Cimento: zweite Hälfte 17. Jahrhundert;
Joseph Black: 2. Hälfte 18. Jahrhundert; Sadi Carnot: 1824), bildhafte Erklärungen
benutzten, die ähnlich sind wie die für Elektrizität, die ihrerseits aus der Welt der
Fluide geborgt sind. Man nennt die damals entstandene Theorie Wärmestoff-Theorie
(Wärmestoff auf Lateinisch: Caloricum). Wärmestoff ist in Materialien drin, kann
zu- oder abgeführt werden, macht die Stoffe warm oder schmilzt oder verdampft sie,
lässt Luft expandieren und macht auch sonst noch ein paar interessante Dinge.
Um 1850 wurde diese Vorstellungswelt plötzlich auf den Kopf gestellt. Rudolf Clausius hat eine Entwicklung auf den Punkt gebracht, an deren Ende gesagt wurde,
Wärme sei Energie. Zwischen 1800 und 1850 wurde der Energiebegriff langsam in der
Physik Mode und seine Anwendung kam gerade recht. (Seither steht in fast jedem
Kapitel, das je über Wärme geschrieben wurde, dass die Wärmestoff-Vorstellung
falsch sei – was aber Unsinn ist).
Energie wird dazu missbraucht, alles, was wir nicht sehen, als Energie zu bezeichnen.
In Populärdarstellungen der Wissenschaften und in Science Fiction Filmen hört man
genau das. Man teilt die Welt in Materie und Energie ein, so wie wir in Philosophie
und Religion einen Menschen in Körper und Geist unterteilen – was aber letzten
Endes nicht funktioniert. Menschen geben den Kräften der Natur drei Grundeigenschaften: Menge, Intensität und Macht (Kraft oder Energie). Wenn man die Menge
mit ihrer Macht verwechselt – und das hat Clausius in seiner Thermodynamik getan – dann fehlt der “Akteur” oder “Agent” in unseren Erklärungen, und die formale
Theorie wird plötzlich surreal. Auf die thermischen Phänomene gemünzt heisst das,
wenn man den Wärmestoff nicht hat, kann man die Welt nicht mehr verständlich
und bildhaft erklären. [Dieses Problem haben wir mit der Elektrizität im Alltag, obwohl die gängige Elektrizitätslehre zwischen Menge, Intensität und Macht (Energie)
sauber unterscheidet.]
Wenn wir wie bisher systemisch und phänomenologisch denken und einfach mal
schauen, wie uns die Wärme begegnet, so sehen wir viel Ähnlichkeit im Verhalten
fluider, elektrischer und thermischer Phänomene. Die Modelle thermischer dynamischer Vorgänge können darum mit Strukturen analog zu Hydraulik und Elektrizität
aufgebaut werden. Zu den hydraulischen oder elektrischen Grundgrössen gibt es
entsprechende thermische Konzepte, mit denen wir Thermodynamik relativ einfach
verstehen können. Das werden wir in diesem Kapitel ausnutzen und dynamische
214
Thermische Systeme
Modelle einfacher thermischer Vorgänge bauen. Im zweiten Teil des Kurses werden
dann die Anwendungen thermischer und chemischer Prozesse vertieft – sowohl für
Umweltwissenschaften als auch Energietechnik.
Es gibt allerdings einen wichtigen Unterschied zwischen Wärmestoff und Fluiden
oder elektrischer Ladung: Wärmestoff kann erschaffen werden. Das muss man erst
mal verdauen, dafür wird man aber mit einer bildhaften Erklärung einer Grundeigenschaft der Welt belohnt: Vorgänge laufen teilweise nur in eine Richtung, was
man das Phänomen der Irreversibilität nennt. Die Erzeugbarkeit von Wärmestoff
hat genau damit zu tun.
7.1
Phänomene und Wortmodelle
Wir wollen hier einige Phänomene besprechen, die zwar nur einen kleinen Ausschnitt
aus der Welt der Wärme (und Kälte) zeigen, aber sehr wichtig und prototypisch sind.
Sie werden uns zeigen, wie wir mit wenigen Grundbegriffen thermische Phänomene
beschreiben können.
7.1.1
Körper im Wärmekontakt
Nach drei Beispielen von Systemen, in denen sich Spannungen ausgleichen und Niveaus anpassen (Löhne in einer Firma, Druckdifferenzen in kommunizierenden Gefässen und Spannungen über kommunizierenden Kondensatoren) sehen wir hier das
vierte Beispiel mit analogem Verhalten (Abb.7.1). Bringt man zwei Körper, die verschieden warm sind, in Kontakt, so gleichen sich nach mehr oder weniger langer Zeit
ihre Temperaturen aneinander an.
Temperature / °C
100
80
60
40
20
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
0
500
1000
1500
Time / s
2000
Temperature / °C
100
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
80
60
40
20
0
50
100
150
Time / s
200
Abbildung 7.1: Ein Gefäss mit zwei durch eine dünne Blechwand getrennten Kammern
(oben links). Füllt man verschieden warmes Wasser in die Kammern und verschliesst dann
das Gefäss auf allen Seiten gut wärmeisolierend, so ändern sich die Temperaturen wie im
Diagramm oben rechts gezeigt. Wenn ein kaltes Stück Kupfer in heisses Wasser in einem
isolierten Gefäss getaucht wird (unten links), so gleicht sich die Temperatur des Kupfers
an die des Wassers an (Diagramm unten rechts).
Ein Wortmodell für diesen Typ Vorgang ist sehr simpel. Die Sache passiert, weil
vom wärmerem Körper Wärmestoff zum kälteren fliesst und zwar als Folge des
7.1 Phänomene und Wortmodelle
215
Temperaturunterschieds. Der Vorgang läuft so lange, bis der Temperaturunterschied
Null geworden ist, bis wir also thermisches Gleichgewicht haben. Ganz klar laufen
die Vorgänge des Angleichs schneller, wenn der Temperaturunterschied höher ist
und langsamer, wenn er tiefer ist.
Sie sehen, dass zwei Begriffe und zwei weitere damit zusammenhängende verwendet
werden, um über den Vorgang zu sprechen: Wärme in einem Körper (WärmestoffMenge), fliessende Wärme (also Wärmestrom), Temperatur und Temperaturunterschied. Diese Grössen haben in Hydraulik und Elektrizität ihre Entsprechungen
(Tabelle 7.1).
Tabelle 7.1: Analogie zwischen Hydraulik, Elektrizität und Thermodynamik
Hydraulik
Elektrizität
Thermodynamik
Menge
(Fluid-)Volumen
Ladung
Wärme(stoff)
Transport
Volumen-Strom
Ladungs-Strom
Wärme(stoff)strom
Produktion
—
—
Produktionsrate des
Wärmestoffs
Druck
el. Potential
Temperatur
Druckunterschied
Spannung
Temperaturunterschied
Speicher
Gefäss
Kondensator
Material
Leitung
Schlauch, Rohr
Leiter
Wärmeleiter
Pumpe
Pumpe
Generator
Wärmepumpe
Niveau
-unterschied
Ein ganz wichtiger Schritt für das Verständnis thermischer Vorgänge ist die Unterscheidung zwischen Wärme(stoff)menge und Temperatur. Offensichtlich sagt uns
die Temperatur eines Körpers, wie warm er ist, während die Wärmestoffmenge sagt,
wie viel Wärme drin ist. Die folgenden zwei Beispiele machen diesen Unterschied
überdeutlich.
7.1.2
Gefrieren von Wasser
Mischt man in einem Behälter zerstossenes Eis mit viel Salz, so wird die Mischung
sehr kalt (etwas, was wir aus dem Alltag kennen und was man versteht, wenn man ein
paar chemische Konzepte kennt; siehe Teil II des Kurses). Stellt man ein Reagenzglas
mit etwas warmem Wasser in diese Mischung, so zeigt ein Thermometer im Wasser,
dass dieses zuerst kalt wird, dann längere Zeit nicht kälter wird und schliesslich
dann aber doch noch kälter wird (und zwar so kalt wie die Eis-Salz Mischung; siehe
Abb.7.2). Wenn man in das Reagenzglas schaut, sieht man, dass das Wasser während
der Phase, in der die Temperatur nicht ändert und gerade 0°C beträgt, zu Eis wird.
Was mit dem Wasser im Reagenzglas passiert, versteht man so. Da sich das warme
Wasser in einer sehr kalten Umgebung befindet, gibt es Wärmestoff ab (man sagt,
das Wasser werde gekühlt). Dadurch verliert das Wasser einen Teil seines Wärmestoffs, und weil Wasser mit weniger Wärmestoff drin kälter ist, ist die Temperatur
tiefer. Der Wärmestoff fliesst, weil es einen Temperaturunterschied gibt.
Wenn das Wasser 0°C kühl geworden ist, passiert etwas Interessantes. Der Temperaturunterschied zur Eis-Salz Mischung im Gefäss ist immer noch da, also fliesst
216
Thermische Systeme
weiter Wärmestoff aus dem Wasser im Reagenzglas in das kalte Eis-Salz Gemisch.
Das Wasser wird dabei aber nicht mehr kälter: Obwohl die Wärmestoffmenge im
Wasser abnimmt, fällt die Temperatur nicht weiter (also können Wärmestoffmenge und Temperatur nicht das selbe Konzept sein!). Dafür passiert etwas Anderes:
das Wasser im Reagenzglas wird zu Eis. Am Schluss dieser Phase (Plateau im Diagramm in Abb.7.2) haben wir Eis bei 0°C. Dieses Eis ist gleich warm (oder kalt)
wie das Wasser am Anfang der Phasenumwandlung, aber es hat viel weniger Wärmestoff. Man kann den Vorgang umdrehen: wenn man Eis von 0°C heizt, d.h. ihm
Wärmestoff zuführt, so schmilzt es, ohne dabei wärmer zu werden. Am Schluss des
Vorgangs haben wir Wasser von 0°C.
Temperature / K
300
280
260
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
240
0
1000
2000
3000
Time / s
Abbildung 7.2: Temperatur von Wasser in einem Reagenzglas, das in eine – 20°C kalte Eis-Salz Mischung gestellt wird. Horizontale Datenlinie: Temperatur der Eis-Salz Mischung. Sinkende Temperaturlinie: Temperatur des Wassers im Reagenzglas. Horizontales
Plateau bei 0°C = 273 K: Wasser wird zu Eis.
Das Experiment in Abb.7.2 geht noch etwas weiter. Wir haben inzwischen einen
festen Stoff (Eis im Reagenzglas) in Kontakt mit einem immer noch kälteren Stoff
(Eis-Salz Gemisch im Behälter), also zwei verschieden warme Stoffe in Wärmekontakt. Wärmestoff fliesst weiter aus dem Eis im Reagenzglas in das Gemisch, wodurch
die Temperatur des Eises weiter sinkt. Die Form der Kurve ist wie die am Anfang
und hat grosse Ähnlichkeit mit den Messkurven des Entleerens von Gefässen oder
dem Entladen von Kondensatoren.
Fragen &
Übungen
1. Warum zeigt mindestens das zweite Beispiel in Abb.7.1, dass die Temperatur nicht
das Mass für Wärmemenge sein kann? Welche Rolle spielt die Temperatur?
2. Was passiert mit der Wärmestoffmenge des Gemisches aus Wasser und Eis im Vor-
gang in Abb.7.2 zwischen ungefähr 250 s und 1400 s? Sollte da die Temperatur nicht
zu- oder abnehmen?
7.1.3
Komprimieren von Luft
Sperrt man Luft in einen Zylinder mit Kolben, so kann man die Luft im Gefäss komprimieren. Wir wissen aus Erfahrung mit Fahrradpumpen, dass die Luft dabei sehr
heiss wird. Das passiert schon nach einem einzigen schnellen Kompressionsvorgang,
wie man zeigen kann, wenn man etwas Zunder in den Zylinder gibt: der Zunder
entzündet sich spontan. Das passiert auch in Dieselmotoren, wo Dieselbrennstoff in
die komprimierte heisse Luft gespritzt wird und sich entzündet.
Warum wird die Luft durch Kompression heiss? Eine erste recht einleuchtende Idee
ist die, dass wir durch Reibung Wärmestoff erzeugen, dass also mehr Wärmestoff in
der komprimierten Luft ist, und diese darum wärmer ist. [Die Idee ist klar: Wärme
macht warm, also hat ein wärmerer Stoff mehr Wärme drin. Das stimmt natürlich bei
7.1 Phänomene und Wortmodelle
217
Wasser oder einem Stück Eisen.] Wärmestoff musste erzeugt werden, da er sicher
nicht von Aussen zufliessen konnte: die Luft ist ja während des ganzen Vorgangs
wärmer als die Umgebung.
Die Sache hat nur einen Haken: die Reibung beim Vorgang ist sehr gering. Luft
reibt in sich fast nicht, sie ist – wie wir vom Spielen mit Fahrradpumpen wissen –
sehr elastisch, und in einem elastischen Material gibt es keine Reibung. Die Reibung
zwischen Kolben und Zylinderwand reicht auch nirgendwo hin; man kann sie durch
Schmieren auch beliebig klein machen, wenn man will.
Also ist die Wärmestoffmenge in der Luft am Ende der Kompressionsphase gleich
wie am Anfang. Warum ist die Luft dann wärmer? Ganz einfach, weil die gleiche
Wärmestoffmenge in einem kleineren Volumen drin ist.
Diese Art der bildhaften Erklärung stammt von den Forschern aus der Zeit Ende
18. Jahrhundert. Wir wissen ja auch, dass Wärmezufuhr zur Ausdehnung von Luft
führt. Wärme macht also nicht nur warm, sie macht im Allgemeinen auch gross.
Wenn man Luft komprimiert, ohne Wärmestoff abzulassen, so wird der Wärmestoff,
der die Luft ursprünglich “gross” gemacht hat, diese nun warm machen. Das bedeutet
natürlich auch, dass man Luft komprimieren kann, ohne dass sie (wesentlich) wärmer
wird: man muss sie nur mit der richtigen Rate kühlen (Wärmestoff abfliessen lassen).
Wieder ist klar, dass Wärmestoffmenge und Temperatur nicht das selbe Konzept sein
können (anders gesagt, die selbe Grösse messen). Der Wärmestoff in der Luft bleibt
bei der Kompression ohne Kühlung konstant, die Temperatur steigt. Die beiden
Grössen und ihre Werte haben nichts miteinander zu tun. Gegen Ende des 19.
Jahrhunderts hat man sogenannte Temperatur-Wärmestoff Diagramme eingeführt,
mit denen man einige wichtige thermische Vorgänge leicht versteht (siehe Abb.7.3).
Abbildung 7.3: Temperatur-Wärmestoff Diagramme für verschiedene Vorgänge. Links:
Heizen oder Kühlen eines festen oder Flüssigen Materials, das sein Volumen nicht ändert
und auch sonst nichts durchmacht; das Diagramm gilt auch für Luft, die sie sich erwärmt
und ausdehnt. Mitte: Isotherme Expansion oder Kompression von Luft (konstante Temperatur; die Luft muss gleichzeitig geheizt oder gekühlt werden). Rechts: Kompression oder
Expansion von Luft ohne Kühlen oder Heizen (Vorgänge ohne Kühlen oder Heizen – ohne
Abfuhr oder Zufuhr von Wärmestoff – nennt man adiabatische Vorgänge). T ist das Symbol
für die (absolute) Temperatur, S nehmen wir für Wärmestoffmenge.
3. Warum zeigen einzelne der Vorgänge bei denen Luft geheizt oder gekühlt und kom-
primiert oder expandiert wird, dass Wärmestoffmenge und Temperatur nicht die
selbe Grösse sein können?
4. Wie kann man das Volumen von Luft ändern, ohne dass sich dabei die Temperatur
ändert (isotherme Vorgänge)?
5. Könnte man bei isothermem Expandieren/Komprimieren von Luft von aufsaugen
oder ausquetschen von Wärmestoff sprechen?
Fragen &
Übungen
218
Thermische Systeme
6. Was passiert, wenn man Luft in einem Gefäss mit festem Volumen heizt (oder kühlt)?
Ändert sich die Temperatur von Luft anders, wenn das Heizen/Kühlen nicht in einem
festen Gefäss sondern bei konstantem Druck stattfindet (zum Beispiel, wenn man
eine Menge Luft in der Atmosphäre betrachtet)?
7.1.4
Peltier-Element als Wärmepumpe
Wenn man wie in Abb.7.4 ein Peltier-Element (eine Art thermoelektrisches Element)
zwischen zwei gleich warme Körper bringt und das Element dann an einen elektrischen Generator anschliesst (es also elektrisch antreibt), so wird der eine Körper
wärmer und der andere kälter.
Temperature / C
35
30
25
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
[
20
0
2500
5000 7500 10000
Time / s
Abbildung 7.4: In einem (isolierten) Gefäss hat es zwei Kammern mit gleich warmem
Wasser. Ein thermoelektrisches Peltier-Element spielt die Trennwand zwischen den beiden
Wassermengen. Deckt man das Gefäss isolierend ab und stellt den elektrischen Generator für das Peltier-Element an, dann wird die eine Wassermenge kälter und die andere
wärmer. Allerdings is das nur am Anfang so – ab einem bestimmten Punkt wird die kältere Wassermenge auch wärmer. Man sieht auch, dass die mittlere Temperatur der beiden
Wassermengen steigt (es wird also wärmer im Gefäss).
Diesen Vorgang erklärt man so. Wird Wasser wärmer, so nimmt seine Wärmestoffmenge zu, es muss also Wärmestoff von aussen kriegen. Da das ganze Gefäss
wärmeisoliert ist, die zweite Wassermenge aber kälter wird, ist es einleuchtend anzunehmen, dass der Wärmestoff aus der zweiten Wassermenge kommt. Da Wärme sicher nicht von selbst vom kälteren in das wärmere Wasser fliesst, muss das
Peltier-Element den Wärmestoff “bergauf zwingen”, also pumpen. Dazu muss man
das Peltier-Element antreiben. Man sieht wieder, dass Wärmestoff wie ein “Stoff”
angeschaut wird, den man auch pumpen kann, und dass die Temperatur die Rolle
eines Niveaus spielt – wie das elektrische Potential bei elektrischen oder der Druck
bei hydraulischen Phänomenen.
Warum steigt die mittlere Temperatur im Gefäss? Da sich dort alles feste oder
flüssige Stoffe befinden, heisst das, dass die gesamte Wärmestoffmenge im Gefäss
zunimmt. Da das Gefäss gut nach aussen isoliert ist, Wärmestoff also nicht von
aussen kommen kann, und da das wärmer werdende Wasser Wärmestoff dem kälter
werdenden Wasser entzieht (dort die Bilanz also ausgeglichen ist), muss im Gefäss
Wärmestoff entstehen. Im Peltier-Element laufen wärmeproduzierende (irreversible)
Vorgänge ab, insbesondere durch das Fliessen von elektrischer Ladung durch das
Leitermaterial des Peltier-Elementes (elektrische Heizung!).
Fragen &
Übungen
7. Wieso müssen wir aus den Temperaturänderungen der beiden Wassermengen in
Abb.7.4 schliessen, dass Wärmestoff vom kälter werdenden Wasserkörper auf den
anderen übertragen wird? Könnte sich die Temperatur des Wassers nicht auch durch
andere Vorgänge geändert haben?
7.1 Phänomene und Wortmodelle
219
8. Wärme fliesst doch von selber vom wärmeren zum kälteren Körper (Abb.7.1)? Wie
ist denn der Vorgang in Abb.7.4 möglich?
9. Warum deutet das Ansteigen der mittleren Temperatur des Systems in Abb.7.4 an,
dass Wärmestoff erzeugt worden sein muss?
7.1.5
Wärmestoff, Temperatur und thermische Leistung
Wir haben schon ganz am Anfang des Kapitels darauf hingewiesen, dass wir zwar mit
einer weitgehenden Analogie zwischen thermischen und hydraulischen oder elektrischen Phänomenen arbeiten können, dass diese Analogie aber in einem ganz wichtigen Punkt nicht funktioniert. In der Hydraulik hat man es mit Vorgängen zu tun, bei
denen die Flüssigkeitsmengen (ihre Volumina) gesamthaft konstant bleiben: wenn
Wasser aus einem Gefäss fliesst, so ist es woanders angelangt. Die selbe Vorstellung
macht man sich von elektrischer Ladung: es ist unmöglich, Ladung zu erschaffen oder
zu vernichten. Wenn wir sagen, wir “erzeugen Elektrizität”, so trennen wir (positive
und negative) Ladung oder wir zwingen Ladung mit Hilfe von Generatoren zum
Fliessen. In jedem Fall “erzeugen” wir nur einen elektrischen Potentialunterschied.
Wärmestoffproduktion. Beim Wärmestoff versagt diese Annahme: Wärmestoff kann
erzeugt aber nicht vernichtet werden. Wie schon gesagt, diese Vorstellung muss man
sich erarbeiten. Die Forscher, die vor zwei- bis dreihundert Jahren mit der Wärmestofftheorie gearbeitet haben, wollten so eine Vorstellung nicht annehmen. Das war
ein Grund dafür, dass die Forscher nach etwa 1840 die Wärmestofftheorie nicht weiter benutzen wollten: mit der alten Form kann man Irreversibilität nicht erklären.
Wenn man wie wir weiter mit den Grundbildern, die Menschen auch zur Beschreibung des Alltags verwenden, weiter machen will, muss man die alte Wärmestofftheorie in diesem Punkt erweitern. Hier ist ein Phänomen, das erklärt, warum man
sich vorstellen muss, Wärmestoff könne erzeugt aber nicht vernichtet werden.
Begriffe und Elemente
Begriffe: Wärmestoffmenge (technischer Begriff: Entropie), Strom des Wärmestoffs, Temperatur = thermisches Potential, Temperaturunterschied = thermische
Spannung, und direkt davon abhängende Begriffe wie geflossene Menge des Wärmestoffs.
Kälte kommt als formaler Begriff nicht mehr vor. Wir können Kälte als Abwesenheit von Wärme oder wie “negative Wärme” auffassen. Bei der Beschreibung
thermischer Phänomene reicht der Begriff der Wärme.
Elemente: Materialien als Wärmestoffspeicher, Materialien als Wärmestoff-Leiter
oder Widerstände, Wärmepumpen und Wärmekraftmaschinen.
Eigenschaften der Elemente: In einer Theorie thermischer Systeme kommen
natürlich noch Grössen vor, mit denen man die Eigenschaften der Elemente quantifiziert (Beispiel: bei einem Wärmespeicher die Kapazität, bei einem Leiter der
Leitwert oder Widerstandswert).
Ein Buch liegt auf einem Tisch, und man versetzt ihm einen Stoss. Es gleitet eine
Strecke über den Tisch, wobei es langsamer wird und schliesslich zum Stehen kommt.
Wir machen Reibung für das Phänomen verantwortlich, und wir wissen, dass dabei
Wärme produziert wurde.
Konzepte
220
Thermische Systeme
Jetzt kann man den mechanischen Aspekt des Vorgangs umkehren, was aber nicht
von selber geschieht. Man kann das Buch im Prinzip mit der Hand so führen, dass
es sich genau rückwärts über den Tisch bewegt. Bahn und Geschwindigkeit können
umgedreht werden. Ein Aspekt des Vorgangs lässt sich aber nicht umkehren: Wärme
verschwindet nicht, sie wird nicht zerstört. Vielmehr wird wieder Wärme erzeugt.
Wie man es auch dreht und wendet, es gibt einen Aspekt der Natur, den man nicht
umkehren kann. Man kann Bewegung umkehren. Man kann Elektrizität, die von selber von höheren zu tieferen Potentialen fliesst, in die umgekehrte Richtung pumpen.
Man kann chemische Reaktionen, die in eine Richtung laufen, in die andere Richtung
zwingen. Man kann Wärmestoff pumpen statt sie wie von selbst “bergab” fliessen lassen. Aber man kann die normalerweise immer auftretende Wärmeproduktion nicht
umdrehen. Kehrt man Vorgänge um, so wird (noch mehr) Wärmestoff erzeugt. Man
sagt in technischer Sprache, dass Wärmestoff – anders als elektrische Ladung – keine
erhalte Grösse ist, keinem Erhaltungsgesetz folgt (oder nur einem halben: er kann
nicht zerstört werden).
Konzepte
Irreversibilität
Wenn bei einem Vorgang Wärmestoff erzeugt wurde, so sagt man, der Vorgang
sei irreversibel gewesen.
Bilanz des Wärmestoffs: In der Bilanzgleichung für Wärmestoff muss man
neben Strömen auch noch Produktionsraten für Wärmestoff berücksichtigen. Die
Änderungsrate des Wärmestoffs eines Elementes ergibt sich also durch die Summe
aller Ströme und Produktionsraten.
Irreversible Vorgänge: Mechanische Reibung, Reibung beim Fliessen von Fluiden, Feuer (und viele andere chemische Prozesse), Leitung von elektrischer Ladung, Diffusion von Stoffen, Absorption von (Sonnen)Strahlung, radioaktiver Zerfall, Wärmetransport.
Temperatur. Nicht nur der Wärmestoff ist in diesem wichtigen Punkt der Erzeugbarkeit nur beschränkt zur Elektrizitätsmenge analog, auch die Temperatur hat als
Gegenstück zum elektrischen Potential eine interessante abweichende Eigenschaft:
sie hat einen absoluten Nullpunkt. Tieftemperaturphysik ist eine auch technisch
sehr wichtige Domäne, die seit mehr als hundert Jahren auf hohem Niveau betrieben wird. Man findet bei aller Anstrengung nur Temperaturwerte, die bis – 273°C
gehen. Aus diesem Grund – verbunden mit einigen Überlegungen – sagt man, die
Temperatur sei nach unten beschränkt, und man macht den tiefsten möglichen Temperaturpunkt zum Nullpunkt der Kelvinskala. Die Kelvin-Temperaturen sind also
um 273 K höher als die entsprechenden Celsius-Temperaturwerte.
Das elektrische Potential ist demhingegen nicht absolut. Man muss einen frei wählbaren Bezugspunkt nehmen, wenn man Werte des Potentials angeben will. Mit anderen
Worten, nur die Potentialdifferenz (die Spannung) ist von Bezugspunkten unabhängig. Das selbe Phänomen haben wir beim Gravitationspotential, dem Äquivalent
zum elektrischen Potential in Schwerefeldern. Der Potentialnullpunkt zum Beispiel
im Schwerefeld der Erde kann frei gewählt werden – wir nehmen dazu of die Meereshöhe. In der Elektrizität nimmt man dazu oft die “Erde”, d.h., Schaltungen können
“geerdet” werden, und so ist dann der Potentialwert Null für den geerdeten Punkt.
Es gibt eine Überlegung, die uns davon überzeugen kann, dass es für die Temperatur
einen festen Nullpunkt geben sollte. Es scheint einleuchtend, dass die Erzeugung
7.1 Phänomene und Wortmodelle
221
von Wärmestoff eine bestimmte Energiemenge braucht (der erzeugende Vorgang
muss so und so viel Energie freisetzen), die von der Temperatur abhängt. Im Wasserfallbild der Vorgänge (siehe Kapitel 6) sieht das so aus: Wärmestoff erzeugen
heisst, ihn bildhaft von Null Kelvin auf die im Material, wo der Wärmestoff erzeugt
wird, herrschende Temperatur zu pumpen. Das braucht natürlich eine wohldefinierte
Energiemenge. Dynamisch gesprochen heisst das, dass die Leistung des Wärmestoff
erzeugenden Vorgangs so berechnet werden muss:
(7.1)
Pdiss = T ΠS
Diese Beziehung ist in Abb.7.5 bildlich dargestellt. Das Symbol Pdiss steht für die
Rate, mit der Energie für die Erzeugung von Wärmestoff benutzt wird. Man nennt
sie auch Dissipationsleistung oder einfach Dissipationsrate. ΠS steht für die Rate,
mit der Wärmestoff erzeugt wird.
Immersion
heater
IQ
Pel
ΠS
Heat
Pdiss
ϕ1
ϕ2
T
Abbildung 7.5: Wärmestofferzeugung mit einem Tauchsieder. Im elektrischen Vorgang
wird Energie mit wohldefinierter Rate (elektrische Leistung) freigesetzt. Die so zur Verfügung gestellte Energie wird benutzt, um den erzeugten Wärmestoff von 0 K auf die gewünschte Temperatur zu pumpen.
Nun können wir argumentieren, dass die Temperatur absolut festgelegt sein muss.
Wäre das nicht der Fall, dann wäre nicht definiert, wie viel ein Prozess tun muss (wie
viel Energie er zur Verfügung stellen muss), damit eine bestimmte Menge Entropie
erzeugt werden kann. Dieses Problem haben wir in der Elektrizität und der Gravitation nicht: elektrische Ladung und Masse (die “Schwereladung”) können weder
erzeugt noch vernichtet werden. Darum können diese beiden Potentiale willkürlich
gewählt werden.
Warum ist denn der Druck absolut? Die Antwort ist einfach: Volumen ist keine
erhaltene Grösse, obwohl wir das in der Hydraulik inkompressibler Flüssigkeiten
annehmen. Volumen kann man erschaffen oder vernichten (ein Fluid kann man expandieren oder komprimieren). Das Selbe gilt übrigens für das Potential chemischer
Prozesse (das chemische Potential, d.h. die Intensität von Stoffen). Das chemische
Potential ist absolut, da Stoffe erzeugt und vernichtet werden können.
Die Kraft der Wärme. Im Jahr 1824 erschien Sadi Carnot’s Buch mit dem Titel
Reflexion sur la puissance motrice du feu. Wir borgen von ihm das Bild, was Energie
mit Prozessen zu tun hat (siehe schon Kapitel 4). Seine puissance (englisch: power)
bedeutet Kraft oder Macht, es geht also um die Kraft der Wärme, die er sich als
Wärmestoff vorstellte. Bei Carnot taucht zum ersten mal vollkommen klar differenziert der Zusammenhang zwischen Menge, Intensität und Macht eines Phänomens
auf (und ist in dieser expliziten Form so gut wie das einzige Beispiel für diese Denkweise in der Physik geblieben, bis es Ende des 20. Jahrhunderts als allgemeine Form
wieder aufgegriffen wurde):
222
Thermische Systeme
D’après les notions établies jusqu’à présent, on peut comparer avec assez
de justesse la puissance motrice de la chaleur à celle d’une chute d’eau
[. . . ]. La puissance motrice d’une chute d’eau dépend de sa hauteur et
de la quantité du liquide; la puissance motrice de la chaleur dépend aussi
de la quantité de calorique employé, et de ce qu’on pourrait nommer, de
ce que nous appellerons en effet la hauteur de sa chute, c’est-à-dire de
la différence de température des corps entre lesquels se fait l’échange du
calorique.
Mit Hilfe unserer Prozessdiagramme (Kapitel 6) können wir seine Worte in eine
visuelle Metapher und diese dann in eine Gleichung überführen (Abb.7.6):
(7.2)
Pth = (T1 − T2 ) IS
Wir sagen in moderner Sprache, dass ein Wärmestoffstrom IS , der durch eine Wärmekraftmaschinen von einer Temperatur T1 (Ofen) auf eine Temperatur T2 (Kühler)
fällt, Energie mit der Rate Pth freisetzt. Diese Rate nennen wir thermische Leistung: sie ist Carnot’s Kraft der Wärme. Das ist analog zur Rate, mit der Energie
durch fallendes Wasser freigesetzt wird (siehe Tabelle 6.2). Die Beziehung für Wärmestoffproduktion Gl.(7.1) folgt also aus diesem Bild. Das Selbe gilt auch für die
Energie, die zum Pumpen von Wärmestoff (z.B. im Peltier-Element, Abb.7.4) gebraucht wird. Diese Zusammenhänge zwischen Entropie, Temperatur und Energie
werden ausführlicher in Kapitel 8 behandelt.
Heat engine
Pmech
Heat flow
Angular
momentum
Pth
IS
T2
IS
T1
Abbildung 7.6: Eine Wärmekraftmaschine (im Bild eine Stirling Maschine) setzt Energie
mit einer Rate frei, die proportional zum Wärmestoffstrom und zum Gefälle der Temperatur
zwischen Eingang und Ausgang der Maschine ist. Das Prozessdiagramm erinnert an ein
Wasserfallbild, so wie es Carnot’s Worte suggerieren.
Entropie. In der nach 1850 entwickelten Form der Thermodynamik ist die Wärmestoffvorstellung beiseite geschoben worden. Obwohl Wärmephänomene einen Mengenaspekt haben (so will es die menschliche Vorstellung), hat Clausius diesen Aspekt
nicht weiter in die immer formaler werdende Theorie übernommen. William Thomson (Lord Kelvin) und Clausius entwickelten eine Form der Theorie, in der ein
Aspekt der Wärme (Wärmetransport) mit Energie(transport) gleich gesetzt wurde.
In salopper aber falscher Form sagen wir heute, Wärme sei Energie. (Nur fliessende Wärme ist in der Standard-Theorie Energie; Wärmeinhalt gibt es darum in der
traditionellen Thermodynamik nicht.) Wenn man das macht, dann vermischt man
den Mengencharakter der Wärme mit ihrem Kraftcharakter. Die so geformte Theorie ist nur noch formal, sie hat keinen bildhaft verständlichen oder grundlegend
menschlichen Charakter mehr.
Natürlich rächt sich die Wärme an uns für diese Verzerrung menschlicher Vorstellungen und zwingt uns, eine neue formale Grösse einzuführen, damit die Theorie
7.1 Phänomene und Wortmodelle
223
doch vollständig wird. Clausius hat das getan und das Konzept der Entropie eingeführt, das als rein mathematisches Konstrukt aufgefasst wird und als nicht wirklich
verständlich gilt. Kurz nach 1900 hat der Thermodynamiker H. L. Callendar darauf hingewiesen, dass Clausius’ Entropie im Wesentlichen dem Caloricum von Sadi
Carnot entspricht, und dass man darum die Entropie sehr leicht durch die bildhafte Vorstellung der Funktionsweise von Wärmekraftmaschinen von Carnot verstehen
kann. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurden dann Darstellungen der Thermodynamik erarbeitet, wo die Entropie in Analogie zum Wärmestoff von Sadi Carnot und
seinen Vorgängern erscheint (natürlich mit der Erweiterung, dass der Wärmestoff
erzeugbar sein muss). Auf diesen Darstellungen bauen wir die Theorie der Dynamik
der Wärme in unserem Kurs auf. Wir verwenden von nun an öfter das formale Wort
Entropie für Wärmestoff.
Box 7.1: Wärmestoff und Entropie
Bilder sind mächtig, besonders weil wir sie oft für die Realität oder die Wahrheit
halten, statt für das, was sie sind: mächtige Vorstellungen, mit denen wir gut
arbeiten können, wenn die Bilder stimmig sind.
Wenn man Clausius’ “Wärme ist Energie” für wahr nimmt, dann muss Carnot
natürlich Unrecht haben. Dass Wärmestoff und Entropie im Wesentlichen die selbe
Bedeutung haben, ist dann kaum mehr zu erkennen. Der Weg zu einer einfachen
bildhaften Darstellung thermischer Vorgänge ist ein für alle mal verbaut.
Dass Clausius die Wärme direkt als Energiegrösse eingeführt hat, hat allerdings
nicht nur mit der damals aufkommenden Vorstellung von Energie zu tun. Es ist
noch etwas anderes um diese Zeit in die Physik übernommen worden: die Vorstellung, dass die Welt aus kleinen Teilchen bestehe, die im leeren Raum rumsausen
und so durch die Theorie der Mechanik die Erklärung für alles in der Welt liefern.
Clausius (1850):
Dazu kommt noch, dass in neuerer Zeit immer noch mehr Thatsachen
bekannt werden, die dafür sprechen, dass die Wärme nicht ein Stoff sei,
sondern in einer Bewegung der kleinsten Theile der Körper bestehe.
Für Clausius war das Mass der “Bewegung”, von der er spricht, die Energie der
Bewegung, und daraus folgt schliesslich die heute übliche Interpretation der Wärme. Das macht dann eine umständliche und indirekte Einführung der Entropie
notwendig. Man versteht so ihre grundlegende und einfache Bedeutung nicht.
Nach Clausius wurde auf der Vorstellung der Bewegung kleiner Teilchen die statistische Interpretation der Entropie entwickelt. Dort entspricht die Entropie der Zahl
möglicher “Anordnungen” oder Zustände einer Ansammlung von Teilchen. Diese
Interpretation wird populär (wenn auch unbrauchbar) als “Entropie ist (ein Mass
für) Unordnung” dargestellt. Interessant ist, dass man ja in Clausius’ Satz das
Wort “Bewegung” als “Mass für die Regellosigkeit der Bewegung” nehmen könnte.
Dann wäre Wärme eben dieses Mass und würde mit der Entropie und nicht mit
der Energie in Verbindung gebracht.
Das ist in der Geschichte aber nicht passiert. Die Vorstellung von der Energie
war zu mächtig und, wie der Mathematiker C.A. Truesdell bemerkte, Clausius’
mathematische Künste zu gering, etwas anderes zu denken.
224
Thermische Systeme
7.1.6
Heizen von Wasser und Glykol
Wenn man Flüssigkeiten in einem so gut wie möglich thermisch isolierten Gefäss
elektrisch heizt, so kann man indirekt die Beziehung zwischen (Änderung der) Wärmestoffmenge in der Flüssigkeit und (Änderung der) Temperatur beobachten und so
experimentell das Temperatur-Wärmestoff-Diagramm für einen Stoff wie in Abb.7.3
bestimmen. Die Temperatur kann man messen, und da die elektrische Leistung eines
Tauchsieders auch sehr leicht messbar ist, lässt sich nach Gl.(7.1) die Produktionsrate der Entropie bestimmen. Wenn wir annehmen, es gehe keine Entropie wegen
Wärmeverlust an die Umwelt verloren, so bedeutet das, dass wir die Zunahme der
Entropie mit der Erhöhung der Temperatur in Verbindung bringen können.
Wenn wir reale Daten für Wasser und Glykol betrachten (Abb.7.7), sehen wir folgende Erscheinungen. Wie erwartet steigt die Temperatur mit der gespeicherten
Wärmestoffmenge – wenn das Material keine anderen Prozesse wie Volumenänderung, Phasenänderung (oder generell chemische Änderungen) durchmachen kann,
dann macht Wärmestoff warm.
Zweitens stellen wir fest, dass Einheitsmengen verschiedener Stoffe verschieden stark
auf Entropie reagieren: Glykol lässt sich leichter erwärmen – hat eine höhere Erwärmbarkeit – als Wasser (der Unterschied ist grob ein Faktor 2). Anders gesagt,
Wasser braucht mehr Entropie, um sich gleich stark zu erwärmen. Das ist wie ein
dickerer Tank, der mehr Flüssigkeit als ein dünnerer braucht, um sich zu füllen. Also
hat Wasser die grössere Wärmestoffkapazität (Entropiekapazität) als Glykol.
X
XX
XX
X
X
X
X
X
X
X
X
X
350
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
XX
WaterX
X
330
X
XX
X
X
XX
XX
X
X XGlycol
X
X
X
310
0
1000
1
Pressure / mbar
Temperature / K
370
995
BB
B
B
H
2
H
H
H
990
B
H J
J
B H
J
J
H
3
B
J
H
J
B
H J
J
985
980
975
0
1
1
2
2
3
4
Volume / L
5
3
200 400 600 800
Specific Entropy / J/(K·kg)
Abbildung 7.7: Experimentelle Daten zum Zusammenhang zwischen Temperatur und spezifischer Entropie (Entropie pro Masse) von zwei Flüssigkeiten: Wasser und Glykol. Die
Interpolationskurve für Glykol ist eine Gerade, die für Wasser eine wachsende Exponentialfunktion. Im Vergleich zur Hydraulik handelt es sich beim beim TS-Diagramm um das
Druck-Volumen Diagramm, d.h., die kapazitive Charakteristik (Abb.3.5).
Eine dritte Beobachtung betrifft die Form der charakteristischen Kurve. Die Daten
für Glykol passen fast perfekt auf eine Gerade. Das bedeutet, dass Glykol eine
konstante Entropiekapazität haben sollte. Schaut man bei Wasser genau hin, so sieht
man, dass die Kurve mit steigender Entropie oder Temperatur stärker ansteigt –
die Erwärmbarkeit von Wasser nimmt mit der Temperatur zu, die Entropiekapazität
nimmt ab – sie ist also nicht konstant. Präzise Messungen zeigen, dass eine steigende
Exponentialfunktion die Daten sehr gut annähert.
7.1 Phänomene und Wortmodelle
225
10. Welche Einheit muss laut Gl.(7.1) die Produktionsrate des Wärmestoffs haben? Welche Einheit hat demnach der Wärmestoff (Entropie)? Denken Sie daran, dass die
Einheit der Temperatur das Kelvin (K) ist.
Fragen &
Übungen
11. Sie betreiben einen elektrischen Tauchsieder mit einer elektrischen Leistung von 300
W. Nehmen Sie an, er heize Wasser bei gerade 27°C. Wie gross ist in dem Moment die
Entropieproduktionsrate (Produktionsrate des Wärmestoffs)? Nimmt die Entropie
des Wassers darum gerade mit dieser Rate zu?
12. Bei einem grossen thermischen Kraftwerk sei die elektrische Leistung 1.0 GW. Die
Energie wird durch das Herunterfallen des Wärmestoffs vom Reaktor (Temperatur
600 K) zum Kühler (Temperatur 300 K) freigesetzt (zur Verfügung gestellt). Wie
gross ist demnach der Wärmestoffstrom (Entropiestrom) durch die Wärmekraftmaschine?
13. Welcher Stoff ist – auf die Masse bezogen – leichter erwärmbar: Wasser oder Glykol?
Was heisst das für die Entropiekapazität? Wie sieht man in einem TS -Diagramm,
dass die Entropiekapazität eines Stoffs konstant ist?
14. Wie gross ist die Erwärmbarkeit eines Gemisches von Eis und Wasser (Eis beim
Schmelzen oder Wasser beim Gefrieren, Abb.7.2)? Warum kann man den Phasenübergang nicht mit einer Entropiekapazität (Wärmestoffkapazität) beschreiben?
Phänomene in thermischen Systemen
Quellen
Lectures and books
· Fuchs H. U. (2010): The Dynamics of Heat. A Unified Approach to Thermodynamics and Heat Transfer. Springer, New York. Chapter 4, pp. 99-107.
· Fuchs H. U. (2006-2010): Lecture Notes for NTS. Course Website. Chapter
3, pp. 1-9. Chapter 1 (Long version), pp. 1-7.
· Borer T., Frommenwiler P., Fuchs H. U., et al. (2010): Physik, ein systemdynamischer Zugang. h.e.p. verlag, Bern. pp. 116-117, 120-121.
Wärme, Temperatur, Energie
Lectures and books
· Fuchs H. U. (2010): The Dynamics of Heat. A Unified Approach to Thermodynamics and Heat Transfer. Springer, New York. Chapter 4, pp. 131-141.
· Fuchs H. U. (2006-2010): Lecture Notes for NTS. Course Website. Chapter
3, pp. 1-9. Chapter 1 (Long version), p. 9.
· Borer T., Frommenwiler P., Fuchs H. U., et al. (2010): Physik, ein systemdynamischer Zugang. h.e.p. verlag, Bern. pp. 122-123.
Quellen
226
Thermische Systeme
7.2
Modelle dynamischer Systeme
Wir werden uns in diesem Kapitel auf konkrete Modelle des Heizens und Kühlens
von Materialien beschränken, deren einzige Reaktion auf Wärmestoff eine Temperaturänderung ist (wir vernachlässigen mögliche Volumenänderungen, Phasenänderungen oder sonstige Änderungen von Eigenschaften).
7.2.1
Angleich von Temperaturen
Mit einem Modell, das analog zu den für Lohnangleich (Abb.2.3), Niveauausgleich
(Abb.2.10) und Spannungsausgleich bei Kondensatoren (Abb.4.3) ist, kann für die
beiden in Abb.7.1 dargestellten Phänomene mit ihren Messungen angewendet werden (Abb.7.8 rechts). Wir ersetzen entsprechend den Vorstellungen in Tabelle 7.1 Ladung durch Wärmestoff (Entropie), Ladungsstrom durch Wärmestoffstrom (Entropiestrom), Spannungen der Kondensatoren durch Temperatur der beiden Körper,
Spannung über dem Widerstandselement durch Temperaturdifferenz, Leitwert durch
Entropieleitwert GS und elektrische Kapazitäten durch Entropiekapazitäten (für die
wir das Symbol K oder KS verwenden).
G
Q1
GS
S1
Q2
IQ
IS
C1
C2
UR
U C1
S2
U C2
K1
K2
delta T
T1
T2
Abbildung 7.8: Diagramm eines systemdynamischen Modells für den Angleich der Temperaturen von zwei in Wärmekontakt stehenden Körpern (rechts). Das Diagramm ist vollkommen analog zu dem für den Angleich von Spannungen von Kondensatoren (links) aus
Abb.4.3 (und natürlich auch dem von Füllniveaus in Abb.2.10).
Um zu sehen, wie weit die Modellvorstellungen schon reichen, wenden wir das Modell
in Abb.7.8 (rechts) auf das konkrete Experiment, das in Abschnitt 7.1.1 besprochen
und in Abb.7.1 (oben) dargestellt ist. Dabei handelt es sich um den Angleich von
Temperaturen von zwei Wassermengen in zwei gleich grossen Kammern. Das ganze
Gefäss ist nach aussen recht gut thermisch isoliert. Man sieht, dass sich die gemessenen Temperaturen so verhalten, wie wir das von analogen hydraulischen und
elektrischen Systemen erwarten würden (siehe Abb.7.9, rechts).
Macht man eine Simulation mit gleichen konstanten Kapazitäts-Werten für die beiden Wassermengen, so erhält man die Kurven, die sich erwartungsgemäss genau
in der Mitte zwischen den beiden Anfangstemperaturen treffen. Die gemessenen
Temperaturen treffen sich allerdings leicht unter dem Mittelwert de beiden Anfangstemperaturen. Da das Gefäss nicht perfekt thermisch isoliert werden kann, ist es
möglich, dass der Unterschied zwischen unserem ersten Modell und den Daten durch
Entropieverlust an die Umgebung erklärbar ist. Tatsächlich kann man das Modell
durch eine einfache Darstellung dieses Effekts (Kühlen eines Körpers in kühlerer
Umgebung, siehe Abschnitt 7.2.2) ergänzen und erhält dann eine Simulation, die
kaum mehr von den Messungen unterschieden werden kann.
Obwohl das Modell gut funktioniert, sollten wir vorsichtig sein. Wir wissen aus
Beobachtungen, dass der Zusammenhang zwischen Temperatur und gespeicherter
Wärmestoffmenge (Entropie) bei Wasser nicht linear ist – und damit ändern sich
7.2 Modelle dynamischer Systeme
227
360
Temperature / K
350
340
Simulation
330
320
Experiment
310
300
290
0
500
1000 1500
Time / s
2000
2500
Abbildung 7.9: Diagramm eines systemdynamischen Modells für den Angleich der Temperaturen von zwei in Wärmekontakt stehenden Körpern (links). Im Diagramm rechts sind
eine Simulation und Daten zu sehen – die Daten stammen aus dem in Abb.7.1 oben gezeigten Experiment.
die Voraussetzungen für die konstitutiven Beziehungen und, wie wir sehen werden,
auch für die Prozesse. Man hat auf jeden Fall man drei Probleme zu lösen.
· (1) Das erste kennen wir von den RC-Systemen, wie sie in den Kapiteln 3
und 4 schon besprochen wurden: Mann kann mit Hilfe des Modells und einer
Messung die beiden Parameter – Kapazität und Leitwert – nicht unabhängig voneinander bestimmen (siehe die Diskussion in Abschnitt 4.5). Nur ihr
Produkt ist durch die Dynamik festgelegt. Man braucht also unabhängige
Messungen (am einfachsten einen der beiden Parameter separat), um beide
Grössen zahlenmässig festzulegen.
· (2) Das zweite Problem, das sich hier auftut, hat damit zu tun, dass die Entro-
piekapazität von Wasser nicht konstant ist, sondern von der Temperatur des
Körpers abhängt. Aus der Theorie und Praxis der Thermodynamik, von der
wir hier ein klein wenig etwas sehen werden, weiss man, dass die Entropiekapazität von 1 kg Wasser bei 20°C ungefähr 14.3 J/K2 beträgt und invers mit der
(Kelvin-)Temperatur variiert. Obwohl die Variabilität im Bereich der Temperaturen im Experiment nicht sehr hoch ist, sollte man das Modell verbessern
lernen.
· (3) Das dritte Problem betrifft einen grundsätzlichen Fehler, den wir gemacht
haben. Etwas weniger drastisch ausgedrückt, wir haben einen Prozess vernachlässigt, der hier noch dazu kommt, allerdings auch wieder keinen allzu grossen
Einfluss hat: Wenn Wärmestoff (Entropie) von Orten mit höherer zu solchen
mit tieferer Temperatur fliesst, entsteht Wärmestoff (Entropie). Das macht
sich bei hohen Temperaturunterschieden deutlich bemerkbar, in unserem Experiment allerdings noch nicht so stark.
Wir werden an dieser Stelle das Modell noch nicht verbessern, sondern mit konstanter Kapazität von 13 J/K2 für ein Kilogramm Wasser arbeiten (im ersten Experiment in Abb.7.1 waren je 0.95 kg Wasser in jeder Kammer) und so durch Anpassen
des verbleibenden Parameters GS dessen unbekannten Wert bestimmen. Wir wollen
aber kurz diskutieren, warum wir annehmen sollten, dass bei der Wärmeübertragung mehr Wärmestoff entsteht.
Wenn man im Experiment die beiden Wassermengen nach aussen perfekt isoliert,
treffen sich die beiden Temperaturen fast genau in der Mitte zwischen den beiden
228
Thermische Systeme
Anfangstemperaturen (Abb.7.1, oben rechts). Wenn die beiden Entropiekapazitäten
konstant wären, dann wäre auch das Modell perfekt und es gäbe keine Entropieproduktion zu berücksichtigen. Die Kapazitäten variieren aber umgekehrt mit der
Temperatur, was heisst, dass die mittlere Kapazität des wärmeren Wassers kleiner
als die des kühleren Wassers ist. Wenn man das im Modell berücksichtigt, dann wird
die Gleichgewichtstemperatur am Schluss im Modell etwas unter dem Mittelwert der
Anfangstemperaturen zu liegen kommen – im Gegensatz zum Experiment. Da das
Wasser real am Ende wärmer als im Modell ist, muss etwas mehr Wärmestoff am
Ende als am Anfang da sein: Entropie muss entstanden sein.
Das muss man sich noch anders überlegen. Laut Gl.(7.1) muss Energie freigesetzt
werden, damit Wärmestoff entstehen kann. Das ist laut GL.(7.2) der Fall: Wärmestoff fliesst bergab vom wärmeren zum kühleren Körper, setzt also Energie frei – das
müsste aus Analogie mit bisherigen Prozessen der Fall sein, auch wenn wir davon
scheinbar nichts merken. Mit dieser Energie kann man was anfangen, nur ist hier die
einzige Möglichkeit, dass Entropie entsteht. Würde etwas anderes passieren, wenn
man die Trennwand im Gefäss im Experiment durch ein Peltier-Element ersetzen
würde (wie im Bild in Abb.7.4)? Das ist genau der Fall! Das Peltier-Element arbeitet dann als Wärmekraftmaschine, das heisst, es benutzt freigesetzte Energie, um
elektrische Ladung zu pumpen (das Element arbeitet dann als elektrischer Generator).
Fragen &
Übungen
15. Warum sollte man im Modell in Abb.7.9 erwarten, dass die Gleichgewichtstemperatur in der Simulation genau in der Mitte zwischen den beiden Anfangstemperaturen
liegt?
16. Warum liegt die Gleichgewichtstemperatur in einem Modell wie in Abb.7.8 (rechts)
bei gleichen Wassermengen unterhalb der mittleren Temperatur, wenn man Entropieproduktion vernachlässigt?
17. Welche Einheit muss die Entropiekapazität haben? Die Entropiekapazität pro Kilo-
gramm (man spricht von der spezifischen Entropiekapazität, Entropiekapazität pro
Masse)?
18. Welche Einheit muss der Entropieleitwert haben?
19. Wie hoch sind die Anfangstemperaturen der beiden Wassermengen im Experiment
in Abb.7.1 in der absoluten (Kelvin) Skala?
20. Thermische Landschaft. Im Experiment in Abb.7.4 werden die beiden Wassermengen
gerührt, was bedeutet, dass die Temperaturen im Wasser räumlich homogen sind.
Allerdings geht die Temperatur in einer dünnen Übergangsschicht im Wasser zum
Peltier-Element hinunter (damit der Wärmestoff fliesst), geht im Peltier-Element
hinauf (der Wärmestoff wird gepumpt) und fällt wieder in einer dünnen Schicht im
Wasser auf der anderen Seite. Denken Sie sich eine gerade Linie vom einen Wasserkörper zum anderen. Definieren Sie entlang der Linie ein paar wichtige Punkte.
Zeichnen Sie dann ein Diagramm, in dem die Temperatur als Funktion der Position
entlang dieser Linie skizziert wird. Denken Sie sich einen geschlossenen Pfad vom
Anfang der Linie, entlang der Linie und zurück durch die “Unterwelt” bei 0 K zum
Anfang. Ist die Summe aller Temperaturunterschiede gleich Null?
7.2.2
Heizen und Kühlen von Wasser
In diesem Beispiel werden wir ein Modell eines thermischen RC-Systems machen, das
uns erlaubt, Kapazität und Entropieleitwert unabhängig voneinander zu bestimmen.
7.2 Modelle dynamischer Systeme
229
Wir betrachten das gleichzeitige Heizen und Kühlen von Wasser in einem Gefäss
mit einem Tauchsieder. Damit werden wir einen Wert für die Entropiekapazität von
Wasser erhalten.
Eine bestimmte Menge Wasser wird in einem geschlossenen dünnwandigen Metallgefäss mit Hilfe einer regelbaren elektrischen Heizung erwärmt (Abb.7.10). Wir verstehen das System und seine Prozesse durch folgendes Modell. Wir haben einen
einzigen Körper (die vorgegebene Menge Wasser) in einer Umwelt konstanter Temperatur; im Modell gehört dazu ein Reservoir, das den momentanen Entropieinhalt
des Wassers repräsentiert.
Wenn das Wasser die selbe Temperatur hat und nicht geheizt oder gekühlt wird,
passiert nichts. Wir haben aber einen elektrischen Heizdraht im Wasser und lassen diese Heizung laufen. Es wird Entropie erzeugt (der elektrische Vorgang stellt
Energie zur Verfügung), die im Wasser gesammelt wird. In typischer Software für
systemdynamische Modelle werden alle Prozesse – auch solche von Erzeugung oder
Vernichtung – durch Flows dargestellt, also gibt es im Modell einen Zufluss zum
Reservoir, der durch die Beziehung entsprechend Gl.(7.1) festgelegt wird:
ΠS =
1
Pdiss
T
(7.3)
Natürlich ist die Dissipationsrate gleich der elektrischen Leistung: alle Energie, die
die elektrische Heizung zur Verfügung stellt, wird im Prozess der Entropieerzeugung genutzt (in der Technik sagt man, eine elektrische Heizung sei vollkommen
dissipativ).
Temperature / K
320
310
300
EE EEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE
EEEEEEEEEEE EE
EEEEEEEE E
EEEEEEE
EEEEE
EEEE
EEEE
E
E
E
E
EEE
EE
EE
E
E
EE
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
290
0
2000 4000 6000 8000 10000
Time / s
Abbildung 7.10: Daten des elektrischen Heizens von Wasser (210 g) bei einer elektrischen
Leistung von 10 W in einem geschlossenen dünnwandigen Metallgefäss (links). Das Gefäss
befindet sich in einer Umgebung bei konstant 293 K. Rechts: Diagramm eines dynamischen
Modells für das thermische System.
Aufgrund der Vermehrung der Entropie im Wasser wird dieses wärmer. Nun setzt
ein zweiter Vorgang ein: das wärmer werdende Wasser kühlt sich in der Umgebung
ab, das es jetzt einen Temperaturunterschied als Antrieb für einen Wärmestoffstrom
gibt. Diesen machen wir proportional zum Temperaturunterschied zwischen Wasser
und Umwelt, wobei wir einen noch unbekannten Leitwert für die Entropie benützen:
IS = GS (T − Ta )
(7.4)
Das Symbol Ta steht für die Umgebungstemperatur, die hier 20°C beträgt. Die in
der Gleichung ausgedrückte Idee entspringt der selben Annahme, die wir schon öfter
getroffen haben: ein Transport ist proportional zu seinem Antrieb (Temperaturunterschied als thermische Spannung). Ob diese Idee gut ist, kann nur der Vergleich
mit Messungen zeigen.
230
Thermische Systeme
Der letzte fehlende Aspekt im Modell betrifft die Bestimmung der Temperatur des
Wassers. Obwohl wir schon gehört haben, dass die Entropie-Kapazität von Wasser
nicht konstant ist, werden wir uns mit diesem Ansatz begnügen und daher Folgendes
annehmen:
1
T = S
(7.5)
K
Der Vollständigkeit halber schreiben wir noch die Entropiebilanzgleichung (Wärmestoffbilanz) für das Wasser auf. Der Wärmestoff im Wasser ändert seine Menge
aufgrund der Erzeugung und des Abflusses:
(7.6)
Ṡ = −IS + ΠS
Diese Beziehung sehen wir in der grafischen Darstellung des Modelldiagramms (siehe
die Konstruktion aus Reservoir und zwei Flows, Abb.7.10, rechts).
Konzepte
Wärmestoffbilanz (Entropiebilanz)
Bilanzen stellen den Zusammenhang zwischen Speicherung von anhäufbaren Grössen und ihren Transporten und oder ihrer Erzeugung dar. Für Volumen und elektrische Ladung haben wir Bilanzgleichungen mit Änderungsraten der gespeicherten
Menge und den zugehörigen Strömen gesehen.
Entropie (Wärmestoff) ist wie Ladung oder das Volumen einer Flüssigkeitsmenge
eine bilanzierbare Grösse, wobei hier nun zum ersten Mal ein Produktionsprozess
gleichzeitig mit Transportprozessen auftreten kann. Aus diesem Grund muss in der
Bilanzgleichung ein Term für die Erzeugung der Entropie mit eingeführt werden:
X
dS
=
IS,i + ΠS ,
dt
X
4S =
Se,i + Sprod ,
ΠS ≥ 0
(7.7)
Sprod ≥ 0
(7.8)
Die zweite Gleichung ist die integrierte Version für eine Zeitspanne. Der Index e
bedeutet ausgetauscht oder transportiert (e: exchanged). prod steht für produziert.
Das Zeichen ≥ sagt uns, dass eine Entropieproduktionsrate nicht negativ sein kann
(sie darf Null sein; wenn das eintritt, heisst der Prozess reversibel ).
Simulation und Bestimmung der Parameter. Wenn man versucht, Simulationsergebnisse dieses Modells an die gemessenen Daten anzupassen, so geht das sehr
gut. Insbesondere hat man keine Freiheit mehr. Die beiden noch unbekannten Parameter – Entropiekapazität und Entropieleitwert – können beide separat bestimmt
werden, nicht nur in Kombination wie zum Beispiel beim Entladen oder Laden eines
Kondensators.
Den Grund kann man sich so überlegen. Da wir die Entropieproduktionsrate kennen – sie ist durch die Leistung des elektrischen Prozesses und die Temperatur des
Wassers festgelegt – und die erzeugte Entropie im stationären Zustand aus dem
Wasser hinaus fliessen muss, kann man den Entropieleitwert zuerst unabhängig bestimmen. Im stationären Zustand (Abschnitt 3.2.3) gilt dS/dt = 0, und daher muss
der Entropiestrom gleich der Erzeugungsrate der Entropie sein:
IS = ΠS
7.2 Modelle dynamischer Systeme
231
Wenn man die beiden Beziehungen Gl.(7.3) und Gl.(7.4) einsetzt, so ergibt sich
GS (T − TA ) =
1
Pel ,
T
woraus man GS mit Hilfe der Daten aus dem Experiment bestimmen kann. In
unserem Fall (Abb.7.10) ergibt sich ein Wert von ungefähr 1.5 · 10−3 W/K2 . Die
Entropiekapazität des Wassers lässt sich jetzt mit der Entropiebilanz Gl.(7.6) und
der dynamischen Form von Gl.(7.5), nämlich
(7.9)
Ṡ = K Ṫ
bestimmen. Das geht besonders einfach für den Anfangszeitpunkt des Experimentes,
in dem in unserem Fall IS = 0 W/K gilt. Die Änderungsrate der Temperatur zu
diesem Anfangszeitpunkt liest man aus den Daten des Experiments. So erhält man
in unserem Fall K = 3.1 J/K2 . Da die Masse des Wassers im kleinen Behälter 0.210
kg beträgt, ist die spezifische Entropiekapazität von Wasser ungefähr
k=
3.1
J
J
K
≈
= 14.8 2
m
0.210 K2 kg
K kg
k ist das Symbol für die spezifische Entropiekapazität. Der Wert ist höher als genauere Messungen ergeben. Eine Simulation des Modells mit Parameteranpassung
liefert leicht bessere Werte als die hier von Hand aus dem Diagramm gelesenen.
1900 s
Temperature / K
320
310
300
EE EEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE
EE EEEEEEEEE EE
EEEEEEEE E
EEEEEEE
EEEEE
EEEE
EEEE
E
EEE
EEE
EE
EE
E
E
EE
EE
E
E
E
E
E
E
E
E
E
dT
21 K
K
≈
= 0.011
dt 1900 s
s
314 K
306 K
= 293 K + 0.63·21 K
293 K
290
0
2000
4000
6000
Time / s
8000
10000
Abbildung 7.11: Bestimmung der Temperatur des stationären Zustands und der Änderungsrate der Temperatur gerade am Anfang.
21. Wie gross ist die Entropiekapazität von 10 kg Wasser?
22. Wie gross wäre der Entropieleitwert des im Experiment verwendeten Systems, wenn
die Oberfläche zwei mal so gross (und alles Andere exakt gleich) wäre?
23. Warum ist der Wärmestoffstrom (Entropiestrom) aus dem Gefäss bei t = 0 s gleich
Null?
24. Bestimmen Sie die Änderungsrate der Entropie des Wassers bei t = 0 s aus den
experimentellen Daten.
25. Warum folgt die dynamische Form des Zusammenhangs zwischen gespeichertem
Wärmestoff (Entropie) und der Temperatur des Materials in Gl.(7.9) nicht direkt
aus unserer bisherigen Definition in Gl.(7.5)? Welche zusätzliche Annahme muss
man treffen? Folgt umgekehrt Gl.(7.5) aus Gl.(7.9)? Ist eine der beiden Formen
allgemeiner als die andere?
Fragen &
Übungen
232
Thermische Systeme
26. Welche Beziehung zwischen den im System in Abb.7.10 auftretenden Prozessen gilt
im stationären Zustand?
27. Kann man die beiden Materialparameter (Entropiekapazität des Wassers und Entro-
pieleitwert der Oberfläche des Systems) auch dann unabhängig voneinander bestimmen, wenn die Temperatur des Wassers am Anfang nicht gleich der der Umgebung
ist?
28. Eiskaltes Wasser wird in eine Flasche gegossen, eine Magnetstab zum Rühren wird
dazugegeben, die Flasche wird verschlossen und in einem warmen Raum auf einen
Magnetrührer gestellt. Das Wasser in der Flasche wird also laufend gerührt. Wir sich
die Wassertemperatur nach längerer Zeit auf die Umgebungstemperatur einstellen?
Wird sie tiefer oder höher sein?
7.2.3
Dynamisches Verhalten von Thermometern
In Abb.7.12 sieht man die Temperaturangabe eines Thermometers, das zuerst in
heisses Wasser gesteckt und dann herausgenommen, schnell abgetrocknet und an
die Luft gelegt wurde. Man sieht, dass der Sensor nicht sofort sondern verzögert auf
die sprunghafte Änderung der Temperatur seiner Umgebung reagiert – im Wasser
noch halbwegs schnell, an der Luft aber äusserst langsam. Es scheint unmöglich, so
ein Thermometer für die Messung von relativ schnell variierender Lufttemperatur
zu gebrauchen.
Ein dynamisches Modell für das Thermometer ist strukturell äusserst einfach. Der
Sensor speichert Entropie, und es gibt Entropietransfer zwischen ihm und seiner
Umwelt. Speicherung und Transfer können wie in den bisherigen Modellen konzeptualisiert werden. Die einzige Schwierigkeit beim Modell ist eine praktische. Umwelttemperatur und Entropieleitwert hängen von den jeweiligen Umständen ab, die
man mit IF. . . THEN. . . ELSE. . . Konstrukten in den Griff kriegt. In Tabelle 7.2
sind Werte für die verschiedenen Phasen angegeben, die ein fast perfektes Simulationsergebnis liefern.
Temperature / K
330
320
310
300
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
290
0
100
200
300
Time / s
400
500
Abbildung 7.12: Temperatur eines Thermometer, das zuerst in heisses Wasser gesteckt
und danach (getrocknet) an die Luft gelegt wird. Das Modell (rechts) bildet das Verhalten
des Thermometers als thermisches System ab.
Das Modell funktioniert äusserst gut, es hat aber einen Haken: wir kennen die Entropiekapazität des Thermometers nicht, und deshalb können wir die Leitwerte auch
nicht absolut sondern nur relativ zueinander bestimmen (die Wärmeübertragung im
Wasser geht zwanzig mal besser als in der Luft). Wir haben das klassische Problem
eines einfachen RC-Systems, bei dem durch die Dynamik alleine nur die Zeitkonstante, nicht aber die Kapazitäts- und Leitwerte (oder Widerstandswerte) bestimmt
sind.
7.2 Modelle dynamischer Systeme
233
Tabelle 7.2: Parameter für das Modell in Abb.7.12.
Ta / K
K S / J/(K2 kg)
G S / W/K
298.4
1.0 · 10−3
1.0 · 10−5
39 s – 108 s
322
1.0 · 10−3
2.0 · 10−4
108 s – 500 s
298.4
1.0 · 10−3
1.0 · 10−5
Phase
0 s – 39 s
Die Kapazität (oder den Leitwert) durch andere Versuche separat auszumessen, ist
praktisch fast nicht möglich. Stellen Sie sich vor, wir wollten unser Thermometer
trotzdem für die Messung relativ schnell sich ändernder Lufttemperatur einsetzen,
was bedeutet, dass wir seine Dynamik in einem Modell mit einbeziehen müssen.
Die Idee ist folgende. Mit dem Thermometer erhalten wir Daten. Das Modell eines
Systems sagt Temperaturen im System voraus, die aber nicht mit den gemessenen
übereinstimmen können, weil das Thermometer auf jede Änderung der Temperatur
verzögert reagiert. Wenn wir die Daten mit dem Modell vergleichen wollen, müssen
wir das Thermometer als Element im System behandeln. Das macht man folgendermassen.
Die Form des zeitlichen Verhaltens der Temperatur nennt man eine Verzögerung
erster Ordnung mit einer bestimmten Zeitkonstante (Abb.7.13; die beiden Zeitkonstanten kann man grafisch ungefähr ausmessen, und man erhält etwa 5 s für die
erste und etwas weniger als 100 s für die zweite). Sie entspricht den Formen, die wir
vom Füllen und Entleeren von einfachen Behältern kennen.
Temperature / K
330
320
310
300
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
E
313 K
307 K
290
0
100
200
300
Time / s
400
500
Abbildung 7.13: Bestimmung der Zeitkonstanten des Thermometers in Wasser (Anstieg
der Temperatur) und in der Luft (Sinken der Temperatur). Die erste Zeitkonstante entsprich der Dauer, bis die Temperatur vom Anfangswert um 63% der Differenz zum Endwert
erhöht wurde. Die zweite Zeitkonstante entspricht der Dauer, in der die Temperatur vom
Anfangswert um 63% der Differenz zum Endwert gefallen ist (also noch 37% der Differenz
höher als der Endwert liegt).
Man kann diese Form von Kurven in einem einfachen mathematischen Modell ähnlich wie in Abb.7.12 nachbilden. Man deutet die bisherigen Ideen von Inhalt und
Strom, der den Inhalt ändert, rein mathematisch. Dann steht ein Reservoirsymbol
für eine veränderliche Grösse, und ein einziges Flowsymbol (als Zufluss gezeichnet),
wird als Änderungsrate dieser Grösse interpretiert (Abb.7.14).
Damit sich die Temperatur des modellierten Thermometers (TT h ) so verhält, wie wir
es vom materiellen Thermometer aus dem Experiment kennen, muss man die Änderungsrate seiner Temperatur proportional zur Differenz zwischen ThermometerTemperatur und Temperatur des Mediums (T ), in das man das Thermometer steckt,
234
Thermische Systeme
360
Temperature / K
EEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE
dTTh/dt
340
320
EEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE
300
EEEEEE
280
0
500
1000
Time / s
1500
Abbildung 7.14: Links: Diagramm eines dynamischen Modells der Verzögerung erster
Ordnung der Temperatur eines Thermometers. Ein Reservoir wird als Grösse uminterpretiert (TT h ), die sich ändern soll. Der einzige Flow repräsentiert ihre Änderungsrate
(dTT h /dt). Diese Änderungsrate wird von der Differenz zwischen Aussentemperatur T und
Temperatur des Thermometers (TT h ) gemacht. Die Inverse der Zeitkonstante ist die Proportionalitätskonstante der Änderungsrate. Rechts: Simulation eines Vorgangs, bei dem das
Thermometer, das in Luft eine Zeitkonstante von 100 s hat, zuerst in heisse Luft von 350
K und dann in kühlere Luft von 310 K gesteckt wird (die Temperatur der Umgebung des
Thermometers ändert also sprunghaft).
machen. Die Proportionalitätskonstante muss die Inverse der Zeitkonstante τ sein:
1
dTT h
= (T − TT h )
dt
τ
(7.10)
Wie die Simulation (Abb.7.14, rechts) zeigt, verhält sich das Modell-Thermometer
tatsächlich wie erwartet. Der einzige Parameter, den man für diese Problemstellung
braucht, ist also die Zeitkonstante des Thermometers und nicht seine Kapazität und
sein Leitwert (oder Widerstandswert) separat.
Fragen &
Übungen
29. Warum wurde das Thermometer, nachdem es aus dem Wasser genommen wurde,
abgetrocknet, bevor man es in der Luft ruhen liess?
30. Was könnte man tun, damit ein Thermometer in gegebenem Medium schneller auf
Temperaturänderungen reagiert?
31. Bestimmen Sie die Zeitkonstanten des Thermometers in Wasser und in Luft. Die
Daten findet man in PSS_VLE, Chapter 3, Qucik Access, Page 5.
7.2.4
Temperatur eines Gebäudes regeln
Ein ganz einfaches Modell des Heizens und Kühlens eines Gebäudes kann der Untersuchung einer Temperaturregelung dienen. Wir stellen uns ein Gebäude als ein
einziges homogenes Element mit einer bestimmten Entropiekapazität vor. Die Gebäudehülle hat einen Entropieleitwert, der zusammen mit dem Unterschied der Temperaturen (innen und aussen) den Wärmestoffverlust festlegt (Abb.7.15, Gl.(7.4)).
Wärmestoff wird vom Ofen mit einer Rate nachgeliefert, die von der (chemischen)
Leistung des Verbrennungsprozesses und der Raumtemperatur (Gl.(7.1)) festgelegt
wird.
Der Ofen wird dadurch geregelt, dass man die Innentemperatur (T ) mit einer gewünschten Thermostattemperatur (Tset ) vergleicht. Man kann sich beliebig viele
mehr oder weniger verschiedene Regelstrategien vorstellen (einfaches An- und Abstellen, Verbrennungsleistung proportional zum Unterschied der Raumtemperatur
von der Thermostattemperatur, etc.). In diesem Modell wählen wir eine Methode,
7.2 Modelle dynamischer Systeme
Building
Pheater
ΠS
235
Insulation
T
IS,loss
S
T
Ta
Abbildung 7.15: Modell des Heizens und Kühlens eines Gebäudes. Das Gebäude wird als
ein einziges (homogenes) Element aufgefasst, in dem Wärmestoff im Ofen erzeugt wird,
und bei dem Wärmestoff an die (kältere) Umgebung abfliesst. Temperaturen (Temperaturunterschiede) bestimmen die Prozesse.
bei der der Ofen mit zum Temperaturunterschied proportionaler Leistung bis zu
einem Maximalwert arbeitet (PH,max ):
PiS = IF (T < Tset ) THEN MIN(PH,max /T , PH,max /T ∗ (Tset − T)) ELSE 0
Damit das Modell noch gewisse Flexibilität hat, legen wir die Aussentemperatur
durch eine Sinusfunktion mit einer Amplitude von ein paar Grad um einen konstanten tiefen Mittelwert und einer Periode von einem Tag fest:
2π
t
Ta = Ta,0 + 4TAmp sin
tp
Hier ist tp = 86400 s die Periode der Schwankung, und 4TAmp stellt die Amplitude
dar. Ta,0 steht für die mittlere (feste) Aussentemperatur.
Damit das Modell einigermassen praktisch ist, muss man die Parameter sinnvoll
schätzen: Entropiekapazität, Entropieleitwert für die Verluste und (maximale) Heizleistung. Man kann mit der Entropiekapazität anfangen. Man schätzt die Masse des
Gebäudes und nimmt an, dass die Materialien eine spezifische Entropiekapazität
von etwas weniger als der Hälfte von Wasser haben (also etwa 5 J/(K2 kg)). Dann
kann man das Modell in einer Simulation mit abgestellter Heizung verwenden und
GS,loss so einstellen, dass ein warmes Gebäude etwa in 10 Tagen sehr kalt wird.
Alternativ schätzt man so die Zeitkonstante und bestimmt GS,loss durch seinen
Zusammenhang mit der Zeitkonstante und der Kapazität.
Bleibt noch die maximal mögliche Heizleistung. Hier können wir das Gebäude in
einer Simulation mit einer tiefen Temperatur starten und schauen, wie gross PH,max
gemacht werden muss, dass das Gebäude innerhalb nützlicher Frist einigermassen
warm ist.
32. Die hier gewählte Regelstrategie führt dazu, dass die Innentemperatur immer unter
der gewünschten Temperatur Tset bleibt. Warum ist das so?
33. Wie sieht eine elektrische Schaltung aus, die zu wesentlichen Aspekten des Systems
analog ist?
34. Wenn die Masse des Gebäudes 200 Tonnen beträgt, wie gross ist dann die Entropiekapazität in etwa? Wie gross muss man den Entropieleitwert machen, damit die
Zeitkonstante des Gebäudes etwa 5 Tage beträgt?
Fragen &
Übungen
236
Thermische Systeme
35. Wenn der Entropieleitwert des Gebäudes 2 W/K2 beträgt, wie gross ist dann der
Entropiestrom an die Umwelt, wenn der Temperaturunterschied 20 K beträgt? Wie
gross muss man die Entropieproduktionsrate machen, damit man bei konstanter
Aussentemperatur diesen Temperaturunterschied halten kann? Wie gross ist die dazugehörige Heizleistung?
36. Vernachlässigen Sie den Entropieverlust an die Umwelt und schätzen Sie ab, wie
gross die Heizleistung gemacht werden muss, damit das Gebäude in einem Tag 5
Grad wärmer wird.
Box 7.2: Beweis von Gleichung (7.10)
Der Beweis, dass das rein mathematische Modell für die Temperatur in Abb.7.14
mit der Änderungsrate der Temperatur nach Gl.(7.10) zum selben Resultat wie
das physische Modell des Thermometers in Abb.7.12 führt, geht folgendermassen.
Das Modell des physischen Thermometers besteht aus folgenden Ideen. Am Anfang
steht die Entropiebilanz des Elementes:
dST h
= IS
dt
,
ST h (0) = ST h,0
Der zweite Ausdruck ist die Anfangsbedingung für die Entropie. Die Entropie des
Elementes hängt mit seiner Temperatur zusammen:
ST h = K TT h
und der Entropiestrom von Umgebung zum Element (oder umgekehrt) wird als
proportional zur Temperaturdifferenz angenommen:
IS = GS (T − TT h )
Man kann die beiden konstitutiven Beziehungen in die Bilanzgleichung einsetzen:
d
(K TT h ) = GS (T − TT h )
dt
Kist konstant. Darum erhalten wir:
GS
d
TT h =
(T − TT h )
dt
K
Da die Zeitkonstante durch τ = K/GS gegeben ist, erhalten wir Gl.(7.10).
7.2.5
Erstarren von Wasser
...
7.2.6
...
Wärmespeicher mit PCM
7.3 Konzepte und Beziehungen
7.3
237
Konzepte und Beziehungen
Theorie: Konzepte und Beziehungen
Lectures and books
· Fuchs H. U. (2010): The Dynamics of Heat. A Unified Approach to Thermo-
dynamics and Heat Transfer. Springer, New York. Chapter 4, pp. 120-141,
146-152, 156-163.
· Fuchs H. U. (2006-2010): Lecture Notes for NTS. Course Website. Chapter
3, pp. 7-13.
· Borer T., Frommenwiler P., Fuchs H. U., et al. (2010): Physik, ein systemdynamischer Zugang. h.e.p. verlag, Bern. pp. 118-127.
7.3.1
Bilanzieren des Wärmestoffs
...
7.3.2
Temperatur und thermische Spannung
...
7.3.3
Wärmequellen
...
7.3.4
Transportbeziehungen
...
7.3.5
Speicherbeziehungen
...
7.3.6
Schmelzen und Erstarren
...
...
7.4
Verhalten thermischer Systeme
...
7.5
...
Kräfte der Natur und Analogiedenken
Quellen
238
Thermische Systeme
Aufgaben
Antworten zu Fragen und Übungen
1. Warum zeigt mindestens das zweite Beispiel in Abb.7.1, dass die Temperatur nicht
das Mass für Wärmemenge sein kann? Welche Rolle spielt die Temperatur?
Antwort: Temperatur ist das thermische Niveau, das sich angleicht. Im zweiten Beispiel liegt das Schlussniveau nicht in der Mitte der beiden Anfangsniveaus, was sagt,
dass sich die beiden Körper trotz gleicher Temperatur irgendwie thermisch unterscheiden müssen (der Unterschied wird als Unterschied der gespeicherten Wärmestoffmenge, die sich nicht anglleicht, interpretiert).
2. Was passiert mit der Wärmestoffmenge des Gemisches aus Wasser und Eis im Vor-
gang in Abb.7.2 zwischen ungefähr 250 s und 1400 s? Sollte da die Temperatur nicht
zu- oder abnehmen?
Antwort: Wärmestoffmenge nimmt zu, Temperatur bleibt trotzdem konstant bei
Phasenübergängen.
3. Warum zeigen einzelne der Vorgänge bei denen Luft geheizt oder gekühlt und kom-
primiert oder expandiert wird, dass Wärmestoffmenge und Temperatur nicht die
selbe Grösse sein können?
Antwort: Zum Beispiel bei adiabatischer Kompression (Kompression ohne heizen/kühlen):
Wärmestoffmenge bleibt konstant, Temperatur steigt.
4. Wie kann man das Volumen von Luft ändern, ohne dass sich dabei die Temperatur
ändert (isotherme Vorgänge)?
Antwort: Volumen während heizen/kühlen ändern.
5. Könnte man bei isothermem Expandieren/Komprimieren von Luft von aufsaugen
oder ausquetschen von Wärmestoff sprechen?
Antwort: Ja.
6. Was passiert, wenn man Luft in einem Gefäss mit festem Volumen heizt (oder kühlt)?
Ändert sich die Temperatur von Luft anders, wenn das Heizen/Kühlen nicht in einem
festen Gefäss sondern bei konstantem Druck stattfindet (zum Beispiel, wenn man
eine Menge Luft in der Atmosphäre betrachtet)?
Antwort: Temperatur steigt (sinkt). Ja, weniger schnelle Änderung.
7. Wieso müssen wir aus den Temperaturänderungen der beiden Wassermengen in
Abb.7.4 schliessen, dass Wärmestoff vom kälter werdenden Wasserkörper auf den
anderen übertragen wird? Könnte sich die Temperatur des Wassers nicht auch durch
andere Vorgänge geändert haben?
Antwort: Wasser ändert seine Temperatur nur, wenn es gekühlt oder geheizt wird.
8. Wärme fliesst doch von selber vom wärmeren zum kälteren Körper (Abb.7.1)? Wie
ist denn der Vorgang in Abb.7.4 möglich?
Antwort: Man pumpt: Energie, die elektrisch zur Verfügung gestellt wird, wird genutzt.
9. Warum deutet das Ansteigen der mittleren Temperatur des Systems in Abb.7.4 an,
dass Wärmestoff erzeugt worden sein muss?
Antwort: Wasser wird nur durch Heizen wärmer. Von aussen wird kein Wärmestoff
zugeführt.
7.5 Kräfte der Natur und Analogiedenken
239
10. Welche Einheit muss laut Gl.(7.1) die Produktionsrate des Wärmestoffs haben? Welche Einheit hat demnach der Wärmestoff (Entropie)? Denken Sie daran, dass die
Einheit der Temperatur das Kelvin (K) ist.
Antwort: W/K. J/K.
11. Sie betreiben einen elektrischen Tauchsieder mit einer elektrischen Leistung von 300
W. Nehmen Sie an, er heize Wasser bei gerade 27°C. Wie gross ist in dem Moment die
Entropieproduktionsrate (Produktionsrate des Wärmestoffs)? Nimmt die Entropie
des Wassers darum gerade mit dieser Rate zu?
Antwort: 1.0 W/K (ja, wenn keine nach aussen abgegeben wird).
12. Bei einem grossen thermischen Kraftwerk sei die elektrische Leistung 1.0 GW. Die
Energie wird durch das Herunterfallen des Wärmestoffs vom Reaktor (Temperatur
600 K) zum Kühler (Temperatur 300 K) freigesetzt (zur Verfügung gestellt). Wie
gross ist demnach der Wärmestoffstrom (Entropiestrom) durch die Wärmekraftmaschine?
Antwort: (Muss grösser sein als) 3.33 MW/K (Ergebnis gilt nur für ideale Wärmekraftmaschine).
13. Welcher Stoff ist – auf die Masse bezogen – leichter erwärmbar: Wasser oder Glykol?
Was heisst das für die Entropiekapazität? Wie sieht man in einem TS -Diagramm,
dass die Entropiekapazität eines Stoffs konstant ist?
Antwort: Glykol ist leichter erwärmbar – seine Entropiekapazität ist kleiner. Gerade
TS -Beziehung heisst konstante Entropiekapazität.
14. Wie gross ist die Erwärmbarkeit eines Gemisches von Eis und Wasser (Eis beim
Schmelzen oder Wasser beim Gefrieren, Abb.7.2)? Warum kann man den Phasenübergang nicht mit einer Entropiekapazität (Wärmestoffkapazität) beschreiben?
Antwort: Da die Temperatur trotz Wärmezufuhr oder -abfuhr nicht ändert, ist die
Erwärmbarkeit Null. Das gäbe eine unendlich hohe Kapazität.
15. Warum sollte man im Modell in Abb.7.9 erwarten, dass die Gleichgewichtstempera-
tur in der Simulation genau in der Mitte zwischen den beiden Anfangstemperaturen
liegt?
Antwort: Bei gleichen und konstanten Kapazitäten der beiden beteiligten Speicher
(und ohne Abfluss nach aussen), muss das Gleichgewichtsniveau so liegen – das ist
bei kommunizierenden Wassergefässen in der Hydraulik und bei elektrischen Kondensatoren auch so.
16. Warum liegt die Gleichgewichtstemperatur in einem Modell wie in Abb.7.8 (rechts)
bei gleichen Wassermengen unterhalb der mittleren Temperatur, wenn man Entropieproduktion vernachlässigt?
Antwort: K2 > K1 (um also auf die bei Experimenten gemessene mittlere Temperatur zu kommen, muss zusätzlich Wärmestoff im System “erscheinen”).
17. Welche Einheit muss die Entropiekapazität haben? Die Entropiekapazität pro Kilo-
gramm (man spricht von der spezifischen Entropiekapazität, Entropiekapazität pro
Masse)?
Antwort: J/K2 . J/(K2 ·kg).
18. Welche Einheit muss der Entropieleitwert haben?
Antwort: W/K2 .
19. Wie hoch sind die Anfangstemperaturen der beiden Wassermengen im Experiment
in Abb.7.1 in der absoluten (Kelvin) Skala?
Antwort: 292 K, 360 K.
20. Thermische Landschaft. Im Experiment in Abb.7.4 werden die beiden Wassermengen
gerührt, was bedeutet, dass die Temperaturen im Wasser räumlich homogen sind.
Allerdings geht die Temperatur in einer dünnen Übergangsschicht im Wasser zum
240
Thermische Systeme
Peltier-Element hinunter (damit der Wärmestoff fliesst), geht im Peltier-Element
hinauf (der Wärmestoff wird gepumpt) und fällt wieder in einer dünnen Schicht im
Wasser auf der anderen Seite. Denken Sie sich eine gerade Linie vom einen Wasserkörper zum anderen. Definieren Sie entlang der Linie ein paar wichtige Punkte.
Zeichnen Sie dann ein Diagramm, in dem die Temperatur als Funktion der Position
entlang dieser Linie skizziert wird. Denken Sie sich einen geschlossenen Pfad vom
Anfang der Linie, entlang der Linie und zurück durch die “Unterwelt” bei 0 K zum
Anfang. Ist die Summe aller Temperaturunterschiede gleich Null?
Antwort: Ja.
21. Wie gross ist die Entropiekapazität von 10 kg Wasser?
Antwort: 140 J/K2 bei 300 K.
22. Wie gross wäre der Entropieleitwert des im Experiment verwendeten Systems, wenn
die Oberfläche zwei mal so gross (und alles Andere exakt gleich) wäre?
Antwort: Zwei mal so gross.
23. Warum ist der Wärmestoffstrom (Entropiestrom) aus dem Gefäss bei t = 0 s gleich
Null?
Antwort: T_Wasser = T_Umwelt.
24. Bestimmen Sie die Änderungsrate der Entropie des Wassers bei t = 0 s aus den
experimentellen Daten.
Antwort: dS/dt = K_S·dT/dt = 3.1·0.011 W/K = 0.034 W/K.
25. Warum folgt die dynamische Form des Zusammenhangs zwischen gespeichertem
Wärmestoff (Entropie) und der Temperatur des Materials in Gl.(7.9) nicht direkt
aus unserer bisherigen Definition in Gl.(7.5)? Welche zusätzliche Annahme muss man
treffen? Folgt umgekehrt Gl.(7.5) aus Gl.(7.9)? Ist eine der beiden Formen allgemeiner als die andere?
Antwort: Gl.(7.5) folgt aus Gl.(7.9), wenn K = const. Gl.(7.9) ist allgemeiner.
26. Welche Beziehung zwischen den im System in Abb.7.10 auftretenden Prozessen gilt
im stationären Zustand?
Antwort: IS = Pi_S.
27. Kann man die beiden Materialparameter (Entropiekapazität des Wassers und Entro-
pieleitwert der Oberfläche des Systems) auch dann unabhängig voneinander bestimmen, wenn die Temperatur des Wassers am Anfang nicht gleich der der Umgebung
ist?
Antwort: Ja.
28. Eiskaltes Wasser wird in eine Flasche gegossen, eine Magnetstab zum Rühren wird
dazugegeben, die Flasche wird verschlossen und in einem warmen Raum auf einen
Magnetrührer gestellt. Das Wasser in der Flasche wird also laufend gerührt. Wir sich
die Wassertemperatur nach längerer Zeit auf die Umgebungstemperatur einstellen?
Wird sie tiefer oder höher sein?
Antwort: Temperatur wird höher als Umgebungstemperatur werden.
29. Warum wurde das Thermometer, nachdem es aus dem Wasser genommen wurde,
abgetrocknet, bevor man es in der Luft ruhen liess?
Antwort: Weil Verdunstung von Wasser das Thermometer schneller kühlt.
30. Was könnte man tun, damit ein Thermometer in gegebenem Medium schneller auf
Temperaturänderungen reagiert?
Antwort: Es muss eine kleinere Entropiekapaziät haben, oder der Wärmeübergang
zum Medium muss besser sein (Thermometer in Luft heftig bewegen!).
31. Bestimmen Sie die Zeitkonstanten des Thermometers in Wasser und in Luft. Die
Daten findet man in PSS_VLE, Chapter 3, Qucik Access, Page 5.
Antwort: Ungefähr 5 s und 90 s.
7.5 Kräfte der Natur und Analogiedenken
241
32. Die hier gewählte Regelstrategie führt dazu, dass die Innentemperatur immer unter
der gewünschten Temperatur Tset bleibt. Warum ist das so?
Antwort: Wegen des ständigen Wärmeverlustes muss ständig geheizt werden.
33. Wie sieht eine elektrische Schaltung aus, die zu wesentlichen Aspekten des Systems
analog ist?
Antwort:
34. Wenn die Masse des Gebäudes 200 Tonnen beträgt, wie gross ist dann die Entropiekapazität in etwa? Wie gross muss man den Entropieleitwert machen, damit die
Zeitkonstante des Gebäudes etwa 5 Tage beträgt?
Antwort: 7·105 J/K2 . 1.6 W/K2 .
35. Wenn der Entropieleitwert des Gebäudes 2 W/K2 beträgt, wie gross ist dann der
Entropiestrom an die Umwelt, wenn der Temperaturunterschied 20 K beträgt? Wie
gross muss man die Entropieproduktionsrate machen, damit man bei konstanter
Aussentemperatur diesen Temperaturunterschied halten kann? Wie gross ist die dazugehörige Heizleistung?
Antwort: 40 W/K. 40 W/K. 12 kW.
36. Vernachlässigen Sie den Entropieverlust an die Umwelt und schätzen Sie ab, wie
gross die Heizleistung gemacht werden muss, damit das Gebäude in einem Tag 5
Grad wärmer wird.
Antwort: 12 kW.
242
Thermische Systeme
Herunterladen