Kapitel 1 Thermodynamische Grundlagen

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Kapitel 1
Thermodynamische Grundlagen
1.1
Einige thermodynamische Relationen
Die statistische Mechanik beschreibt die Eigenschaften und das Verhalten physikalischer
Systeme, die aus einer großen Anzahl von Teilchen bestehen. Aus der statistischen Mechanik klassischer Systeme im Gleichgewicht läßt sich die makroskopische Thermodynamik
ableiten. Eine knappe Rekapitulation dieser Vorgehensweise findet man etwa im Kapitel 5
des Buchs Theoretical Astrophysics, Vol I von T. Padmanabhan (siehe Literaturangaben).
Eine ausführlichere Darstellung geben entsprechende Lehrbücher.
Im Folgenden werden lediglich die wichtigsten Ergebnisse zusammengefaßt.
• Wir betrachten ein abgeschlossenes System mit einer großen Anzahl von Teilchen,
dessen äußere makroskopischen Parameter sich zeitlich nicht ändern sollen. Dann
gilt, daß die Mittelwerte von Observablen des Systems nach genügend langer Zeit
zeitunabhängige Werte annehmen.
• Solche physikalischen Systeme besitzen eine charakteristische Zeitskala (ihre Relaxationszeitskala) τR , sodaß für Zeiten t τR die folgenden Aussagen mit großer
Genauigkeit gelten:
– Die Mittelwerte hf (t)i makroskopischer Variablen werden für t τR zeitunabhängig.
Diese näherungsweise Konstanz von hf (t)i beruht unter anderem darauf, daß
eine große Anzahl von Teilchen den Wert der Observable f (t) bestimmen.
– Die Fluktuationen der Mittelwerte makroskopischer Variablen sind klein für
Zeiten t τR .
Je größer die Teilchenzahl, um so kleiner die Fluktuationen der Mittelwerte.
• Unter Verwendung der Ergodenhypothese (zeitliche Mittelwerte und EnsembleMittelwerte sind äquivalent) und für ein relaxiertes System (t τR ) ist der Mittel-
8
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
wert einer makroskopischen Variablen f (q, p) zur Zeit t durch
Z
hf i = dp dq f (q, p) ρ(q, p)
9
(1.1)
gegeben, wobei ρ(q, p) dpdq der Anteil aller möglichen Anfangszustände des Systems
ist (d.h. ρ(q, p) ist die entsprechende Wahrscheinlichkeitsverteilung), bei dem die
dynamischen Variablen und Impulse des System zur Zeit t im Bereich (q, q +dq; p, p+
dp) liegen.
• Mit Hilfe der Hamiltonschen Gleichungen und des Liouville-Theorems kann man
zeigen, daß ρ(q, p) durch
ρ(q, p) = C(E) δD [E − H(p, q)]
(1.2)
gegeben ist, wobei E die (konstante) Energie des Systems, H(q, p) die Hamiltonfunktion des Systems und δD die Dirac’sche Deltafunktion sind. Die Konstante C(E) ist
durch die Normierungsbedingung
Z
−1
C ≡ g(E) = dp dq δD [E − H(p, q)]
(1.3)
bestimmt.
• Für den Mittelwert einer beliebigen Observablen des Systems gilt dann nach (1.1)
Z
1
hf i =
dp dq δD [E − H(p, q)] f (q, p) .
(1.4)
g(E)
Diese Beziehung besitzt eine einfache physikalische Interpretation. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung (1.2) zeigt, daß (1) die Bewegung des Systems im Phasenraum auf
eine Hyperfläche konstanter Energie E beschränkt ist und daß (2) das System sich
mit gleicher Wahrscheinlichkeit in jedem infinitesimalen Phasenraumvolumen dp dq
innerhalb der Energiehyperfläche aufhält.
Da nach (1.3) die Größe g(E) das Volumen der Energiehyperfläche ist, beträgt die
Wahrscheinlichkeit das System in einem kleinen Teilvolumen ∆V der Energiehyperfläche zu finden ∆V /g(E). Demnach kann man jedes Teilvolumen ∆V der Energiehyperfläche als ein Mikrozustand betrachten, der mit den makroskopischen Parametern
des Systems konsistent ist.
Gleichung (1.2) besagt demnach, daß alle Mikrozustände gleich wahrscheinlich sind.
Daher heißt die Wahrscheinlichkeitsverteilung (1.2) mikrokanonische Verteilung.
• Die Größe g(E) kann man auch als Zustandsdichte im Phasenraum interpretieren. Sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entropie S(E) des Systems
über S(E) ≡ ln g(E).
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
10
• Historisch bezeichnete man bereits vor der Entwicklung der statistischen Mechanik mit der Kombination T dS die Änderung δQ des Wärmeinhalts eines Systems.
T bedeutete dabei seine Temperatur und S seine Entropie. Identifiziert man
T d ln g = T dS, so erhalten wir daraus folgende Zuordnungen, wie in der Statistischen Mechanik gezeigt wird:
T =T =
∂ ln g
∂E
−1
dS = dS = d ln g =
V
dg
.
g
(1.5)
Mit Hilfe dieser Identifikation von Entropie und Temperatur ist es auch möglich,
eine einfache Einheitenänderung vorzunehmen, z.B. T = kB T und S = kB ln g mit
der Konstanten kB . Da diese Skalenänderung aber keine fundamentale Bedeutung
hat, setzt man oft kB = 1. Wählt man aber die historische Einheit Kelvin für die
Temperatur, hat die Konstante kB die Dimension [erg/Kelvin] und ihr Wert beträgt
kB ≈ 1.38 × 10−16 erg/K.
• Ist die mikroskopische Hamiltonfunktion für ein System mit der Gesamtenergie E,
dem Volumen V und der Teilchenzahl N gegeben, erlaubt es die statistische Mechanik, die Funktion S(E, V, N ) zu konstruieren. Daraus können dann sämtliche makroskopischen Variablen des Systems bestimmt werden.
Nach Invertierung der Funktion S(E, V, N ) kann die Energie als Funktion der übrigen
Variablen geschrieben werden: E = E(N, V, S) = N f1 (V /N, S/N ). Die 2. Relation
folgt, weil Energie, Volumen und die als kB ln g definierte (Gibbs-Boltzmann) Entropie extensive Größen sind. Daher ist die Energiedichte ε ≡ E/V offensichtlich nur
eine Funktion der Anzahldichte der Teilchen n ≡ N/V und der Entropie pro
Teilchen s ≡ S/N , d.h. ε = ε(n, s).
• Es gibt also nur zwei unabhängige Variablen in der thermodynamischen Beschreibung. Betrachten wir dazu das vollständige Differential von E(N, V, S), für das
dE =
∂E
∂E
∂E
dS +
dV +
dN ≡ T dS − P dV + µdN
∂S
∂V
∂N
(1.6)
gilt, wobei µ ≡ (∂E/∂N )S,V das chemische Potential und P ≡ −(∂E/∂V )S,N der
Druck ist. Daß die so definierte Größe P mit der üblichen makroskopischen Definition
als Kraft, die ein Gas auf die Wände eines Behälters pro Flächeneinheit ausübt,
übereinstimmt, kann direkt aus der Statistischen Mechanik hergeleitet werden (siehe
z.B. die oben angegebene Referenz).
• Da es nur zwei unabhängige Variablen gibt, können nicht alle drei partielle Ableitungen in (1.6) unabhängig sein. Die entsprechende Beziehung zwischen den Differentialen folgt aus dem vollständigen Differential von ε(n, s), indem man die Größen ε, n, s
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
11
durch die Größen E, N, V, S ausdrückt ∗ :
V
dE =
N
∂ε
∂s
E N
dS +
−
V
V
n
∂ε
∂n
dV +
s
∂ε
∂n
−
s
∂ε
∂s
n
VS
dN . (1.7)
N2
• Ein Vergleich von (1.6) und (1.7) ergibt
1
T =
n
∂ε
∂s
,
P =n
n
∂ε
∂n
− ε,
µ=
s
∂ε
∂n
−
s
∂ε
∂s
n
s
n
(1.8)
und damit für das chemische Potential
µ=
P +ε
1
− T s = (E + P V − T S) ,
n
N
(1.9)
welches daher nicht als thermodynamisch unabhängige Größe behandelt werden muß.
Dies ist eine direkte Konsequenz der extensiven Eigenschaft der Energie.
• Zwei makroskopische Größen, die häufig in der Thermodynamik Verwendung finden,
sind die spezifische Wärme bei konstantem Volumen
CV ≡ T
∂S
∂T
=
V
∂E
∂T
= CV (T, V )
(1.10)
V
und bei konstantem Druck
∂S
CP ≡ T
= CP (T, P )
∂T P
(1.11)
• Zur Beschreibung der Thermodynamik von Sternen werden weiters mehrere dimensionslose Exponenten recht häufig verwendet. Die ersten beiden dieser Exponenten,
χρ und χT , sind durch die Zustandsgleichung gegeben (Beziehung zwischen Druck
P , Dichte ρ und Temperatur T , basierend darauf, daß lediglich zwei unabhängige
thermodynamische Variable existieren)
P = P0 ρχρ T χT
(1.12)
und wie folgt definiert:
χT =
∗
∂ ln P
∂ ln T
,
ρ
χρ =
∂ ln P
∂ ln ρ
.
(1.13)
T
∂ε
∂ε
∂ε
S
1
E
Aus dε = ∂n
dn + ∂ε
ds folgt d VE = ∂n
d N
∂s
V + ∂s n d N und damit V dE − V 2 dV =
s
n
s
1
N
∂ε
1
S
∂n s V dN − V 2 dV + ∂s n N dS − N 2 dN woraus nach Multiplikation mit V und Zusammenfassung
der Terme die Behauptung folgt.
∂ε
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
12
• Zwischen den spezifischen Wärmen CV , CP und den Exponenten χρ , χT gilt die Relation
CP − CV =
P χ2T
.
ρT χρ
(1.14)
• Wir betrachten nun adiabatische Prozesse, für die dS = 0 gilt, d.h. für die sich die
Zustandsdichte T dS (im Phasenraum) nicht ändert. Daher sind adiabatische Prozesse
reversibel (umkehrbar) und beinhalten, konventionell gesprochen, keinen Wärmeaustausch mit der Umgebung des Systems.
• Um adiabtische Prozesse zu studieren, ist es üblich, logarithmische Ableitungen physikalischer Variablen bei konstanter Entropie zu definieren. Diese adiabatischen
Exponenten Γ1 , Γ2 und Γ3 sind durch die Relationen
∂ ln P
Γ2
∂ ln P
1
∂ ln T
Γ1 =
,
=
≡
,
Γ3 −1 =
(1.15)
∂ ln ρ S
Γ2 − 1
∂ ln T S
∇ad
∂ ln ρ S
gegeben, wobei die Größe ∇ad durch Γ2 definiert ist.
• Zwischen den adiabatischen Exponenten bestehen die Relationen
Γ2 − 1
Γ3 − 1
=
= ∇ad .
Γ1
Γ2
(1.16)
Jeder der Exponenten enthält nützliche Informationen über die Thermodynamik des
Systems, besonders wenn es sich nicht um ein ideales Gas handelt:
– Γ3 beschreibt, wie sich der Wärmeinhalt des Gases bei Kompression verhält.
– Γ1 ist von Bedeutung für die dynamischen Eigenschaften eines Gases, wie z.B.
für die Schallgeschwindigkeit, die gemäß
s
s dP
P
cs ≡
= Γ1
(1.17)
dρ S
ρ
definiert ist.
– Γ2 schließlich spielt eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob Konvektion auftritt oder nicht.
• Zwischen den spezifischen Wärmen und den adiabatischen Exponenten gelten die
Beziehungen
γ≡
CP
Γ1
χT
Γ3 − 1 Γ2
=
=1+
(Γ3 − 1) =
.
CV
χρ
χρ
χρ Γ2 − 1
(1.18)
Man beachte, daß im allgemeinen Fall keiner der adiabatischen Exponenten gleich
dem Verhältnis der spezifischen Wärmen γ ist.
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
13
• Betrachten wir nun ein ideales Gas mit der Zustandsgleichung
P = nkB T =
N mu
Vρ
kB
mu
ρT =
R
ρT
µ̃
(1.19)
wobei µ̃ das mittlere Molekulargewicht (nicht verwechseln mit dem chemischen
Potential!) und R ≡ kB /mu ≡ NA kB die allgemeine Gaskonstante sind. NA =
m−1
u ist die Avogadrozahl, die gleich der inversen atomaren Masseneinheit ist.
Das inverse mittlere Molekulargewicht ist die effektive Anzahl der Teilchen pro Masseneinheit im Gas. Der Wert von µ hängt davon ab, wieviel Teilchen jedes Gasatom
beiträgt, d.h. ob das Atom nicht, teilweise oder vollständig ionisiert ist (sowohl freie
Elektronen als auch Ionen tragen zum Druck bei, aber die Masse und damit die
Dichte wird von den Ionen dominiert). Daraus folgt mit (1.19):
1
Gesamtzahl aller Teilchen
=
µ̃mu
Gesamtmasse
X Anzahl der Teilchen der Spezies j Masse der Teilchen der Spezies j =
×
Masse der Teilchen der Spezies j
Gesamtmasse
j
X Nj (1 + Zj )
1 X 1 + Zj
≡
× Xj =
Xj ,
(1.20)
N
A
m
m
A
j
j
u
u
j
j
j
wobei Aj und Xj das Atomgewicht bzw. der Massenanteil der Teilchen der Spezies j
sind. Zj ist die effektive Anzahl der Elektronen, die ein Atom der Spezies j beiträgt
(für ein nicht-ionisiertes Atom gilt Zj = 0 und für ein vollionisiertes Atom ist Zj die
Ladungszahl des Atoms).
Für ein ideales Gas gilt
γ = Γ1 = Γ2 = Γ3 = (1 − ∇ad )−1
(1.21)
und damit ∇ad = (γ − 1)/γ. Für ein ideales einatomiges Gas gilt außerdem
γ = 5/3.
Für die Entropie eines idealen Gases findet man
S = CV ln[T V γ−1 ] ∝ ln[P V γ ] ∝ ln[P 1−γ T γ ] ,
(1.22)
d.h. für adiabatische Prozesse sind die Ausdrücke in den eckigen Klammer konstant und daher gilt in diesem Fall z.B. P ∝ ργ .
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
1.2
14
Ideales Fermigas, Maxwell-Boltzmann Grenzfall
Die Impulsverteilung (Fermi–Dirac–Verteilung) von N idealen Fermionen der Masse
m, Spin s und Energie
p 2 1/2
2 4
2 2 1/2
2
(1.23)
E = (m c + p c ) = mc 1 +
mc
in einem Volumen V bei einer Temperatur T ist gegeben durch
dN
g
g
1
= 3 V 4πp2 fF D (E) ≡ 3 V 4πp2
dp
h
h
exp[(E − µ)/kB T ] + 1
(1.24)
mit
g:
statistisches Gewicht; für Teilchen g = 2s + 1,
für Neutrinos: g = 1
V /h3 4πp2 :
Zahl der Phasenraumzellen vom Volumen h3 im
Impulsintervall p, . . . , p + dp (Isotropieannahme!)
fF D (E):
Auffüllfaktor [0, 1], d.h. Wahrscheinlichkeit dafür, daß
eine Phasenraumzelle bei der Energie E besetzt ist
Statt des chemischen Potentials µ verwendet man oft auch die Größe
η≡
µ
,
kB T
(1.25)
die Entartungsparameter genannt wird. Aus der Fermi–Verteilung ergeben sich
• Anzahldichte:
g
n = 3 4π
h
∞
Z
p2 dp
,
exp[(E − µ)/kB T ] + 1
0
(1.26)
• Energiedichte (inkl. Ruhemassenergie!)
g
ε = 3 4π
h
Z
∞
E
0
p2 dp
,
exp[(E − µ)/kB T ] + 1
(1.27)
• isotroper Druck (Impulsfluss)
1 g
P =
4π
3 h3
Z
0
∞
p2 dp
pv
,
exp[(E − µ)/kB T ] + 1
(1.28)
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
15
wobei der Faktor 1/3 von der Integration über den Ortsraum herrührt und v = pc2 /E
die Geschwindigkeit der Fermionen ist. Für hinreichend niedrige Teilchendichten und hohe
Temperaturen gilt
µ−E
lim fF D (E) = fM B (E) = exp
,
(1.29)
η→−∞
kB T
d.h. die Fermi–Dirac–Verteilung fF D (E) geht in die Maxwell–Boltzmann–Verteilung
fM B (E) über. In diesem nicht entarteten Fall gilt fM B (E) 1 ( dünnes“ Gas) und
”
man findet
hni
µ
h3
n
= ln
≡ ln ∗ ,
(1.30)
kB T
(2πmkB T )3/2 g
n
d.h. η = µ/kB T < 0, falls die Teilchendichte n kleiner als die kritische Teilchendichte
n∗ ≡
g
(2πmkB T )3/2
h3
(1.31)
ist. Mit m = Amu und n = %/Amu folgt aus (1.30)
h3
1 1
%
µ
= ln
,
kB T
(2πAmu kB )3/2 g Amu T 3/2
bzw.
3.2 103 %
µ
= ln
.
kB T
gA5/2 T 3/2
Für Luft (A = 30,
Im Grenzfall T
1
fF D (E) =
0
(1.32)
ρ = 1.29 10−3 g/cm3 ) bei T = 273 K ergibt sich µ/kB T ≈ −16.
→ 0 (mit n > n∗ ) strebt η ≡ µ/kB T → ∞ und der Auffüllfaktor gegen
falls E ≤ EF = µ
,
falls E > EF = µ
(1.33)
d.h. die Fermi–Verteilung entartet vollständig (zu einer Kastenfunktion).
(i) Nicht–relativistischer Grenzfall (NR)
Im nicht–relativistischen Grenzfall (p/mc 1) gilt für die Teilchenenergie (1.23)
1 p 2
E ≈ mc 1 +
...
2 mc
2
bzw. für die nicht–relativistische Teilchenenergie (ohne Ruhemasse!)
EN R = E − mc2 ≈
p2
2m
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
16
Die Teilchenanzahldichte ergibt sich zu
nN R
g
= 3 4π
h
∞
Z
0
p2 dp
exp
h
p2
2m kB T
,
i
−η +1
bzw. nach Einführung der Hilfsgröße
x≡
p2
2m kB T
mit mkB T dx = pdp zu
nN R
g
= 3 2π (2mkB T )3/2
h
Z
∞
0
√
x
dx .
exp(x − η) + 1
Definiert man als Fermi-Integral
∞
xn dx
exp(x − η) + 1
(1.34)
g
2π (2mkB T )3/2 F1/2 (η)
h3
(1.35)
Z
Fn (η) ≡
0
so erhält man
nN R =
Dies ist eine implizite Definitionsgleichung für den Entartungsparameter η bei gegebener Temperatur T und Teilchenanzahldichte nN R . Die Gleichung zeigt, daß die
Entartung mit zunehmender Dichte und sinkender Temperatur wächst. Weiter gilt
mit (1.27)
εN R
g
= 3 4π
h
Z
0
∞
p2
p2 dp
h 2
i
,
p
2m exp
−η +1
2m kB T
bzw.
εN R =
g
2π (2mkB T )3/2 kB T F3/2 (η) .
h3
(1.36)
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
17
Unter Verwendung von (1.35) gilt daher
F3/2 (η)
F1/2 (η)
εN R = n N R kB T
(1.37)
Für den Druck erhält man aus (1.28) den Ausdruck
PN R
1 g
=
4π
3 h3
Z
∞
0
p2
p2 dp
h 2
i
.
p
m exp
−η +1
2m kB T
Ein Vergleich dieses Ausdrucks mit dem für εN R (1.36) ergibt
2
PN R = ε N R
3
(1.38)
(a) Im Grenzfall vollständiger Entartung (D; η → +∞ ) gilt
Z
lim Fn (η) =
η→∞
η
xn dx =
o
1
η n+1
n+1
(1.39)
und damit
nD
NR =
g
3/2 2 3/2
2π
(2mk
T
)
η
B
h3
3
(1.40)
g
2
2π (2mkB T )3/2 kB T η 5/2 .
3
h
5
(1.41)
und
εD
NR =
Löst man (1.40) nach η auf und setzt den Ausdruck in (1.41) ein, folgt
εD
NR
3h2
=
10m
3
4πg
2/3
nD
NR
5/3
und daher
PNDR ∼ nD
NR
5/3
∼ (YF ρ)5/3 ,
wobei YF die Anzahl der Fermionen pro Barion ist.
(1.42)
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
18
(b) Im Grenzfall nicht–entarteter Fermionen (ND; η → −∞ ) gilt
η
Z
∞
lim Fn (η) = e
η→−∞
xn e−x dx = eη Γ(n + 1) ,
(1.43)
o
wobei Γ(n+1) die Gammafunktion ist. Für
√positive ganzzahlige n√gilt Γ(n+1) =
n! (Fakultät). Weiterhin gilt Γ(3/2) = π/2 und Γ(5/2) = 3 π/4. Für die
Teilchenanzahldichte folgt damit aus (1.35)
g
(2πmkB T )3/2 eη
h3
D
nN
NR =
(1.44)
und für die Energiedichte (1.37)
3 ND
n kB T
2 NR
D
εN
NR =
(1.45)
(ii) Extrem–relativistischer Grenzfall (ER)
Im extrem–relativistischen Grenzfall gilt p/mc 1 und damit wegen (1.23) E ≈ pc,
d.h. die Teilchenanzahldichte ist durch
nER
Z∞
g
= 3 4π
h
exp
0
p2 dp
h
i
pc−µ
kB T
+1
gegeben. Mit x ≡ pc/kB T folgt
nER = 4πg
kB T
hc
3 Z∞
x2
dx ,
exp(x − η) + 1
0
bzw.
nER = 4πg
kB T
hc
3
F2 (η)
(1.46)
Analog folgt aus (1.27)
εER
g
= 3 4π
h
Z∞
pc
0
exp
p2 dp
i
h
pc−µ
kB T
(1.47)
+1
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
19
und damit unter Verwendung von (1.34) und (1.46)
εER = nER kB T
F3 (η)
F2 (η)
(1.48)
Für den Druck ergibt sich
PER
1 g
=
4π
3 h3
Z∞
pc
exp
0
p2 dp
h
i
pc−µ
kB T
+1
und durch Vergleich mit (1.47)
1
PER = εER
3
(1.49)
(a) Im Grenzfall vollständiger Entartung (η → +∞) gilt
3
kB T
1 3
D
nER = 4πg
η
hc
3
und
εD
ER
= 4πg
kB T
hc
3
1
kB T η 4
4
bzw.
εD
ER
3
=
4
3
4πg
1/3
hc nD
ER
4/3
und
D
PER
∼ nD
ER
4/3
∼ (YF ρ)4/3 .
(b) Im Grenzfall nicht–entarteter Fermionen (η → −∞) gilt
3
kB T
ND
nER = 8πg
eη
hc
und
D
εN
ER
= 24πg
kB T
hc
bzw.
D
ND
εN
ER = 3 nER kB T
3
kB T eη
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
20
(iii) Zusammenfassung
Grenzfall
Zustandsgleichung
ND
D
NR
P = 23 ε
P = nkB T
P ∼ (YF ρ)5/3
ER
P = 13 ε
P = nkB T
P ∼ (YF ρ)4/3
(Jüttner 1915)
• Für nicht–entartete (ND) Fermionen gilt die ideale Gas Zustandsgleichung sowohl im
nicht–relativistischen (NR) als auch im extrem relativistischen (ER) Fall.
Im Falle vollständiger Entartung (D) hängt der Druck nicht von der Temperatur ab.
Im nicht–entarteten, nicht–relativistischen Fall ist der Gasdruck unter Umständen
kleiner als der Strahlungsdruck (siehe nächstes Unterkapitel).
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
1.3
21
Bosegas, Strahlungsdruck und Planck-Verteilung
Die statistische Mechanik und Thermodynamik von Fermionen spielt in der Astrophysik
eine wichtige Rolle, z.B. für das Verständnis von Weißen Zwergen und der Spätstadien der
Sternentwicklung (siehe Kap. 2 und 4). Für Bosonen gilt dies nur im Falle von Photonen
(Strahlung).
• Die Impulsverteilung (Bose–Einstein–Verteilung) von N idealen Bosonen der
Masse m, Spin s und Energie E (1.23) in einem Volumen V bei einer Temperatur T
ist durch
dN
g
g
1
= 3 V 4πp2 fBE ≡ 3 V 4πp2
dp
h
h
exp[(E − µ)/kB T ] − 1
(1.50)
gegeben.
• Vergleicht man die Bose–Einstein–Verteilung mit der Fermi–Dirac–Verteilung (1.24),
so besteht der einzige Unterschied darin, daß der Auffüllfaktor (Wahrscheinlichkeit
daß eine Phasenraumzelle bei der Energie E besetzt) fBE (E) im Nenner ein Minuszeichen anstelle des Pluszeichens in fF D (E) aufweist.
Daher kann fBE (E) beliebig groß werden, während (wegen des Pauli-Prinzips) 0 ≤
fF D (E) ≤ 1 gilt.
• Im Falle von Photonen, d.h. masselosen Bosonen mit Spin s = 1 und statistischem Gewicht g = 2 (nur zwei transversale Freiheitsgrade) im thermischen Gleichgewicht, ist das chemische Potential µ = 0 (Teilchenzahl nicht konstant), und die
Bose–Einstein–Verteilung fBE (E) geht in die Planck–Verteilung
fP lanck (E) =
1
exp(E/kB T ) − 1
(1.51)
über.
• Die Energiedichte der Photonen der Frequenz ω = E/~ bei der Temperatur T
ist dann mit x ≡ (~ω)/(kB T ) durch
~
ε(ω, T ) = 2 3
π c
kB T
~
4
x3
exp(x) − 1
(1.52)
gegeben.
Die Energiedichteverteilung besitzt ein Maximum (der Emission), das sich mit wachsender Temperatur zu höheren (kürzeren) Frequenzen (Wellenlängen) verschiebt
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
22
(Abb. 1.1). Bezeichnet man die Wellenlänge, die zum Maximum gehört mit λmax ,
so gilt das Wien’sche Verschiebungsgesetz
λmax · T = konst. = 0.2898 [cm Grad] .
(1.53)
Bei T = 6000 K liegt das Maximum damit bei λmax = 480 nm (im Grünen).
• Für die Gesamt–Energiedichte der Photonen folgt (analog zu (1.27); extrem
relativistischer Grenzfall mit E = pc = ~ω, da mγ = 0)
εγ = 8π
kB T
hc
Z∞
3
kB T
x3 dx
ex − 1
(1.54)
0
Das Integral hat den Wert π 4 /15. Damit folgt
εγ = aT 4
(1.55)
bzw.
1
1
Pγ = εγ = aT 4
3
3
(1.56)
mit der Strahlungskonstanten
a≡
h erg i
4
8π 5 kB
−15
=
7.56464
10
.
15 (hc)3
cm3 K4
(1.57)
Für T = 1010 K ist Pγ ≈ 2 1025 [erg/cm3 ] und PGas ≈ 10−6 n [erg/cm3 ], wobei n
die Anzahldichte der Boltzmann-Gasteilchen ist. Demnach ist Pγ P falls n 2 1031 [cm−3 ].
KAPITEL 1. THERMODYNAMISCHE GRUNDLAGEN
23
Abbildung 1.1: Energiedichteverteilung von Photonen gemäß der Planck–Verteilung bei
verschiedenen Temperaturen.
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