12 Externe Effekte 12.1 Konsumexternalitäten

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12 Externe Effekte
Das Problem der Umweltverschmutzung ist in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt.
Wie wir sehen werden, ist der tiefere Grund dafür, daß ein solches Problem in einem
Marktsystem entsteht, gerade darin zu sehen, daß es nicht für alle Güter einen als natürlich
empfundenen Markt gibt. Das bedeutet nicht, daß man grundsätzlich das Problem nicht mit
den Mitteln einer Marktwirtschaft lösen kann. Fast immer müssen wir dazu jedoch irgendeine
zusätzliche Institution in Anspruch nehmen. Um dies zu erläutern, werden wir zunächst das
Problem der Externalitäten an den beiden Beispielen Konsum und Produktion erläutern und
dann einige Auswege aus dem dabei offengelegten Problem diskutieren.
Zuvor soll jedoch noch eine allgemeine Definition für das Vorliegen eines externen Effektes
gegeben werden: Ein externer Effekt (oder Externalität) liegt vor, wenn die Aktivität eines
Akteurs (Konsum oder Produktion) einen direkten Einfluß auf den Nutzen eines anderen
Akteurs oder seiner Produktionsmöglichkeiten hat.
12.1 Konsumexternalitäten
Als Beipiel betrachten wird eine Gesellschaft aus zwei Personen, die sich ein Büro teilen. Die
eine Person ist ein starker Raucher, die andere ist zwar nicht fanatischer Nichtraucher, fühlt
sich jedoch durch den Rauch gestört. Stellen wir uns vor, daß der Reinheitsgrad der Luft 1 ist
und umso mehr abnimmt, wie die erste Person A raucht. Naheliegenderweise nehmen wir an,
daß der Nutzen der Person A steigt, je mehr sie raucht. Für die Person B gilt das Umgekehrte.
Ihr Nutzen steigt, wenn der Reinheitsgrad der Luft steigt. Der Einfachheit halber werden wir
annehmen, daß der Reinheitsgrad 1 - x1A beträgt, wenn Person A x1A Einheiten Rauch
erzeugt. Daneben gibt es noch ein zweites Gut. Der Nutzen der Person kann daher durch den
Ausdruck
u A ( x1A , x 2A )
und der Nutzen der Person B durch den Ausdruck
u B (1 − x1A , x 2B )
abgebildet werden. Vor irgendwelchen Aktivitäten der beiden Personen sei der Reinheitsgrad
der Luft 1 und von dem zweiten Gut steht eine Gesamtmenge x2 für beide Personen zur
Verfügung.
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Wir werden nun zunächst darüber nachdenken, welche Aktivitäten Pareto-optimal sind, und
dann darüber, welche Aktivitäten in einem Marktsystem gewählt würden. Wie wir inzwischen
wissen, läßt sich jede Pareto-optimale Allokation durch das folgende Maximierungsproblem
finden:
max u A ( x1A , x 2A ) u. d . N . u B (1 − x1A , x 2 − x 2A ) ≥ u B
x1A , x 2A
Um die Lösung dieses Problems zu charakterisieren, benutzen wir die Lagrange'sche
Methode. Die Lagrangefunktion zu diesem Problem lautet
u A ( x1A , x2A ) + λ (u B (1 − x1A , x 2 − x 2A ) − u B )
Unter den üblichen Annahmen muß die Lösung des obigen Maximierungsproblems die
Bedingung erfüllen, daß die partiellen Ableitungen dieser Lagrangefunktion gleich Null ist:
∂u A
∂x1A
∂u A
∂x 2A
−λ
−λ
∂u B
∂x1B
∂u B
∂x2B
=0
=0
Aus diesen beiden Gleichungen können wir den Lagrangemultiplikator elimimieren und
kommen dann zu der Form
∂u A
∂u B
∂x1A
∂x B
= 1 .
∂u A
∂u B
∂x 2A
∂x 2B
Damit erhalten wir wiederum die bekannte Forderung für eine Pareto-optimale Allokation:
Die Grenzraten der Substitution der beiden Personen muß gleich sein. Bevor wir nun
untersuchen, wie die Allokation aussieht, die sich in einem Marktsystem einstellen würde,
betrachten wir dieselbe Fragestellung nochmals graphisch in einer Edgeworth-Box:
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Gut 2
1 Rauch
An der horizontalen Achse ist der Rauchgehalt der Luft abgetragen, auf der vertikalen Achse
die Menge des zweiten Gutes. Der linke untere Punkt entspricht dem Koordinatenursprung für
die Person A und der rechte obere Eckpunkt dem Koordinatenursprung der Person B. Neben
zwei Indifferenzkurven für die beiden Personen ist eine Kurve zwischen den beiden Eckpunkten eingezeichnet, die die Kontraktkurve wiedergeben soll. Wie wir es gewohnt sind, gibt
es eine Vielzahl von Pareto-optimalen Allokationen. Es ist sowohl Pareto-optimal, wenn
Person A gar nicht raucht (der untere linke Eckpunkt), als auch, wenn sie bis zur Kapazität
raucht (rechter oberer Eckpunkt). Es ist jedoch nicht Pareto-optimal, einen anderen Punkt auf
der Achse für Gut 2 zu wählen, z.B. den, in dem die eingezeichnete Indifferenzkurve für die
Person B diese Achse schneidet. Hier raucht Person A nicht und beide teilen sich das zweite
Gut in einem bestimmten Verhältnis. Offenbar ist Person A dort bereit, mehr für eine Einheit
Rauch an Gut 2 aufzugeben, als Person B als Entschädigung für diese Einheit haben will.
Beide stellen sich besser, wenn Person A diese Einheit Rauch konsumieren kann und dafür
der Person etwas von Gut B gibt.
Wie sieht nun die Lösung im Markt aus. Nehmen wir an, das zweite Gut hat einen Preis von 1
und Rauch (Tabakwaren) haben einen Preis von p. Dann läßt sich die Nachfrage der Person A
als Lösung des Nutzenmaximierungsproblems darstellen:
max u A ( x1A , x 2A ) u. d . N . px1A + x 2A ≤ m A ,
x1A , x 2B
wobei mA das Einkommen der Person A ist. Wie wir wissen, muß die Lösung dieses Problems
die Eigenschaft haben, daß die Grenzrate der Substitution gleich dem relativen Preis ist:
∂u A
∂x1A
=p
∂u A
∂x2A
Sei die entsprechende Konsumentscheidung
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x1A (1, p, m A ), x 2A (1, p, m A ) .
Betrachten wir nun die Konsumentscheidung von Person B. Sie sieht ganz anders aus: Über
den Konsum von guter Luft entscheidet nämlich nicht sie, sondern Person A durch ihre
Entscheidung zu Tabakkonsum. Die einzige Entscheidung, die sie treffen kann, betrifft den
Konsum des zweiten Gutes. Da es nur ein Gut gibt, wird diese Person ihr gesamtes
Einkommen mB für das zweite Gut ausgeben. (Wir nehmen an, daß die aggregierte Nachfrage
der beiden Personen gerade der Ausstattung der Gesellschaft mit dem zweiten Gut entspricht.)
Die Nachfrage nach diesem Gut ist deshalb vollkommen festgelegt und braucht in überhaupt
keiner bestimmten Beziehung zu den Grenzraten der Substitution stehen. Folglich ist es
typischerweise in diesem Kontext keine Eigenschaft einer Gleichgewichtsallokation, daß die
Grenzraten der Subsitution der beiden Personen gleich sind. Wenn sie nicht gleich sind, kann
die Allokation aber nicht Pareto-optimal sein.
Um diesen Punkt klarer herauszuarbeiten, nehmen wir nun quasilineare Präferenzen an:
ui ( x1 , x 2 ) = vi ( x1 ) + x 2
Wie wir beispielsweise in einer Übungsaufgabe überprüft haben, sind Pareto-optimale
Allokationen, in denen beide Person positive Mengen des zweiten Gutes erhalten, durch ein
eindeutiges Niveau von x1 gekennzeichnet. Die Grenzraten der Substitution sind dann nämlich
gleich, wenn
v A ′ ( x1A ) = v B ′ (1 − x1A ) .
Falls beide Nutzenfunktionen z.B. gleich sind, ergibt sich daraus das eindeutige Paretooptimale Niveau x1A = 1 / 2 . Wenn wir uns nun aber einen beliebigen Preis p für Rauch
(Tabakwaren) vorgeben, so ist die Nachfrage nach Rauch durch
v A ′ ( x1A ) = p
gegeben. Wenn
v A ′ (1 / 2) ≠ p ,
fragt die Person nicht die Pareto-optimale Menge von Rauch nach. Wenn die bei diesem Preis
nachgefragte Menge aber gerade dem Angebot entspricht und wenn die Nachfrage von A nach
dem zweiten Gut mA - px1A ( p,1, m A ) und die Nachfrage der Person B nach diesem Gut mB
gerade x2 entspricht, dann ist p ein Gleichgewichtspreis. Damit haben wir nachgewiesen, daß
in dem hier diskutierten Beispiel, eine Gleichgewichtsallokation nicht Pareto-optimal sein
muß. Mehr soll mit diesem Beispiel zunächst auch nicht erreicht werden.
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Woran liegt es nun, daß die Gleichgewichtsallokation nicht Pareto-optimal ist? Zunächst ist
Rauch im Grunde ein Beiprodukt (in den Wirtschaftswissenschaften nennt man dies
Kuppelprodukt) des Tabakkonsums. Es gibt keinen Markt für mehr oder weniger Rauch in der
Luft. Es gibt nur einen Markt für Tabakwaren. Wenn Person A nun das private Gut Tabak
konsumiert, ändert sie gleichzeitig den Reinheitsgrad der Luft, was zu einer Nutzenminderung
der Person B führt. Person A übt durch den Konsum von Tabak einen negativen externen
Effekt auf die Person B aus. Solche Effekte haben wir bisher vollkommen vernachlässigt. In
einem Marktsystem wird aber dieser externe Effekt nicht berücksichtigt. Die
Konsumentscheidung für Tabakkonsum stellt nicht in Rechnung, daß einer anderen Person
dadurch Kosten aufgebürdet werden. Die einzig ausschlaggebende Determinante ist der Preis
von Tabak. Wenn dieser niedrig ist, wird Person A mehr Rauch produzieren als es Paretooptimal ist. Bei einem Gut, das nicht mit irgendwelchen externen Effekten verbunden ist,
könnte der Preis für das Gut, das über dem Pareto-optimalen Niveau verbraucht wird, steigen:
In einer solchen nicht Pareto-optimalen Allokation ist i.d.R. die Grenzrate der Substitution der
Person A geringer als die der Person B (machen Sie sich dies in einer Edgeworth-Box mit
quasilinearen Präferenzen klar!). Person B würde für eine Einheit des betrachteten Gutes
bereit sein, mehr von dem anderen Gut aufzugeben, als es dem Preis entspricht. Daher wird er
einen Anreiz haben, einen höheren Preis zu zahlen. Dadurch steigt der Preis. Dieser Prozeß
setzt sich solange fort, bis der Preis so weit gestiegen ist, daß die Situation wieder Paretooptimal ist. Das Problem bei externen Effekten ist, daß die benachteiligte Person nicht in
einem Markt ihre Nachfrage nach reiner Luft äußern und damit den Preis für Rauch nach oben
treiben kann.
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