Mit geschickter Hand gegen den Schmerz

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Praxisporträt
Mit geschickter Hand gegen den Schmerz
Schmerzen in Rücken, Armen oder Beinen ohne klare Befunde – bei solchen Patienten kann
der Nervenarzt Dr. Joachim Reichwein das Problem oft mit einer osteopathischen Behandlung lösen.
Das hat sich herumgesprochen: Viele seiner Patienten werden von Orthopäden geschickt.
S
o manch ein Patient, der den Weg
zu Dr. Joachim Reichwein nach
Kronach findet, hat einen weiten
Weg hinter sich – und das nicht nur, weil
die Praxis im ländlichen Oberfranken
liegt. Denn oft kommen die Patienten
nach einer langen Odyssee zu ihm, waren
beim Orthopäden, beim Psychiater oder
Psychotherapeuten, haben unzählige
Röntgen- oder MRT-Aufnahmen machen
lassen, aber die Schmerzen sind geblieben. „An solche Menschen gehe ich mit
einem anderen medizinischen Modell
heran, das reversible Faszienverformungen als wesentlich ansieht. In diesem
Modell hat der Patient eine bestimmte
Störung, aus der sich eine spezifische
Behandlung ableiten lässt. Ist diese nicht
erfolgreich, so prüfe ich, welchen Fehler
habe ich in diesem Fasziendistorsionsmodell gemacht? Muss ich es anders sehen? Und wenn es keine Alternative gibt,
stimmt das Modell überhaupt noch?“ Genau diese Denkweise sei in der Medizin
selten. „Oft glauben Ärzte, sie lernen die
,Wahrheit‘. Dabei sind es immer nur Modelle, oft gute, manchmal eben auch
schlechte. Die Welt und die Landkarte
sind immer verschieden.“
Manualtherapie als gute Ergänzung
Bei Patienten mit unklaren Muskelschmerzen schaut Reichwein zunächst,
ob ein neurologisches Problem vorliegt.
Wenn er nichts findet oder wenn jemand
mit Befunden kommt, die nahe legen,
dass nicht strukturelle Schäden die
Schmerzen verursachen, wechselt der
Nervenarzt das Denkmodell und versucht eine osteopathische Diagnose und
Therapie. Oft mit Erfolg: Besonders freut
es ihn, wenn er Patienten, die alles versucht haben und dann als psychosomatisch abgestempelt wurden, mit Manualtherapie von den Schmerzen befreien
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Praxis-Steckbrief
Das Praxisteam (v.l.n.r.): Karin Limmer, Simone
Elsel, Dr. Joachim Reichwein, Isabel Jung,
Stefanie Sünkel
konnte. Eigentlich, so Reichwein, ist die
Manualtherapie eine gute Ergänzung zur
Neurologie. „Wir Neurologen gehören ja
zu den wenigen Ärzten, die Patienten
noch anfassen. Wir haben bereits einen
manuellen Zugang und sind daher dafür
prädisponiert.“
Inspirieren ließ sich Reichwein von
Ärzten aus Ostdeutschland. „In der DDR
wurde Manualtherapie vor allem von
Neurologen gemacht, Orthopäden hatten
damit nicht viel zu tun.“ Nach der Wiedervereinigung lernte er osteopathisch
tätige Neurologen kennen und dachte,
was die tun, sieht sehr vernünftig aus. Inzwischen hat sich im Landkreis Kronach
und darüber hinaus herumgesprochen,
dass hier ein Arzt tätig ist, der auch
Schmerzpatienten ernst nimmt, die keine
Befunde vorlegen können. Gerade Orthopäden nutzen dies und schicken ihm
häufig solche Patienten zur Diagnostik.
Nicht immer resultiert daraus jedoch eine
osteopathische Behandlung, denn viele
der Patienten, die vom Orthopäden kom
Inhaber: Dr. Joachim Reichwein,
Nervenarzt
Praxistyp: Einzelpraxis
Ort: 96317 Kronach, Bayern
Regionale Struktur: ländlicher
Raum
Anteil Privatpatienten: etwa 5 %
Nächste Klinik: 50 km (Neurologie
und Psychiatrie)
Mitarbeiterinnen: 4
Schwerpunkte: Periphere Neurologie, myofasziale Schmerzen,
Parkinson, Depression
Besonderheiten: Manualtherapie,
Osteopathie
men, haben tatsächlich ein neurologisch
behandelbares Problem. Erscheint dem
Nervenarzt jedoch eine Manualtherapie
sinnvoll, dann wendet er diese oft noch
in der Sprechstunde an. Für eine ausführliche Behandlung, die er als IGeL anbietet,
müssen die Patienten jedoch an einem
von zwei Nachmittagen in der Woche
kommen, die er sich dafür freihält.
Termine nur sechs Wochen im Voraus
Neben Schmerzpatienten betreut Reichwein zudem viele Parkinson- und Demenzkranke, aber auch Depressive. Insgesamt verbringt er mehr als zwei Drittel
der Zeit mit neurologischen Patienten.
Termine macht er nur sechs Wochen im
Voraus aus. Er reserviert jedoch für Ärzte,
die viele Patienten an ihn überweisen,
fixe Zeiten während der Sprechstunden.
Trotz aller Bürokratie schätzt Reichwein die Freiheiten als niedergelassener
Arzt – und die sinnvolle Arbeit: „Wir machen vielen Menschen das Leben schöner.
Das ist doch eine gute Sache.“ mut
NeuroTransmitter 12 · 2012
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