Schäden durch Nikotin in der Schwangerschaft

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Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 6924
15. Wahlperiode
26. 05. 2015
Antrag
der Abg. Dr. Marianne Engeser u. a. CDU
und
Stellungnahme
des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie,
Frauen und Senioren
Schäden durch Nikotin in der Schwangerschaft – Prävention
und Maßnahmen
Antrag
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen,
I. zu berichten,
1. welche Gefahren für das ungeborene Kind durch den Konsum von Nikotin
durch die Mutter während der Schwangerschaft ausgehen;
2. wie viele Kinder in Baden-Württemberg jährlich mit entsprechenden Gesundheitsschäden zur Welt kommen;
3 wie sich diese Zahlen seit der Jahrtausendwende entwickelt haben;
4. welche zusätzlichen Kosten die Betreuung von Neugeborenen verursacht, deren Mütter während der Schwangerschaft Nikotin konsumiert haben;
5. ob sie sich dafür einsetzen wird, dass diese Kosten – anders als bisher – von
den Krankenkassen übernommen werden;
6. welche Informations- und Unterstützungsangebote es zum Thema Nikotin
in der Schwangerschaft für werdende Mütter in Baden-Württemberg bereits
gibt;
7. wie sie die Vernetzung der Akteure in diesem Bereich verbessern will, damit
Schwangere besser erreicht werden und aufgeklärt werden können;
8. welchen Stellenwert die Aufklärung über die schädigende Wirkung von Nikotin in der Schwangerschaft in der Sexualerziehung im Schulunterricht einnimmt;
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Eingegangen: 26. 05. 2015 / Ausgegeben: 06. 07. 2015
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 15 / 6924
9. welche Maßnahmen sie plant, um die Zahl an nikotingeschädigten Neugeborenen zu reduzieren;
II. ein Konzept vorzulegen, wie durch Maßnahmen der Prävention und Aufklärung
die Zahl der Frauen, die in der Schwangerschaft Nikotin konsumieren, gesenkt
werden kann.
21. 05. 2015
Dr. Engeser, Kunzmann, Teufel, Raab, Meier-Augenstein CDU
Begründung
Nikotinkonsum in der Schwangerschaft kann zu schweren Folgen für den Embryo
führen. Trotzdem können oder wollen zahlreiche Frauen in der Schwangerschaft
nicht auf das Rauchen verzichten. Ziel dieses Antrags ist es, die entsprechenden
Zahlen für Baden-Württemberg sowie die Maßnahmen der Landesregierung zur
Prävention von Nikotingenuss in der Schwangerschaft zu erfragen. Zudem soll die
Landesregierung aufgefordert werden, ein Konzept vorzulegen, wie Frauen und
Mädchen frühzeitig, flächendeckend und wirkungsvoll über die hohen Risiken von
Nikotingenuss in der Schwangerschaft aufgeklärt werden können.
Stellungnahme*)
Mit Schreiben vom 29. Juni 2015 Nr. 5-0141.5/15/6924 nimmt das Ministerium
für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren zu dem Antrag wie
folgt Stellung:
Der Landtag wolle beschließen,
die Landesregierung zu ersuchen,
I. zu berichten,
1. welche Gefahren für das ungeborene Kind durch den Konsum von Nikotin durch
die Mutter während der Schwangerschaft ausgehen;
Durch den Tabakkonsum der schwangeren Mutter wird das Ungeborene nur
schlecht mit Sauerstoff und den Nährstoffen versorgt, die es für eine gesunde Entwicklung bis zur Geburt benötigt. Nikotin bewirkt eine Verengung der Gefäße, sodass die Gebärmutter weniger durchblutet und der Transport von wichtigen Nährstoffen und Sauerstoff zum Embryo beeinträchtigt wird. Beim Rauchen gelangen
große Mengen Kohlenmonoxid in das Blut, die den Sauerstoff im Blut verdrängen.
Ein großer Teil der im Tabakrauch enthaltenen giftigen Substanzen gelangt über
die Plazenta direkt in den Blutkreislauf des Embryos. Plazenten von Raucherinnen
sind häufig kleiner als bei Nichtraucherinnen. Das Risiko von Schwangerschaftsund Geburtskomplikationen wird erhöht.
Infolgedessen sind Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft rauchten,
nach Ausführungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung häufiger
kleiner und haben ein ca. 150 bis 200 Gramm geringeres Geburtsgewicht und einen kleineren Kopfumfang als Neugeborene von Nichtraucherinnen. Zudem ist bei
ihnen das Risiko für eine Reihe von Gesundheitsschäden deutlich erhöht.
Es besteht ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen und Fehl-, Tot- und Frühgeburten. Da die Organe des ungeborenen Kindes zum Giftstoffabbau noch nicht vorhanden oder noch nicht vollständig entwickelt sind, wird das Kind weitreichenden
*) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt.
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Schädigungen ausgesetzt. (Marquardt, Schäfer [Hrsg.]: Lehrbuch der Toxikologie
[2. Auflage] 2004, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart).
Der mütterliche Tabakkonsum in der Schwangerschaft beeinträchtigt zudem die
vorgeburtliche Entwicklung der Lunge. Dies führt zu einer verminderten Lungenfunktion, die nachgewiesenermaßen über die ersten Lebensjahre fortbesteht und
sich potenziell über die gesamte Lebensspanne negativ auswirkt.
Das Risiko für den plötzlichen Säuglingstod (SIDS – sudden infant death syndrome) erhöht sich, wenn die Mutter während der Schwangerschaft durch Rauchen
Nikotin und andere Giftstoffe konsumiert. (Deutsches Krebsforschungszentrum
[dkfz.]: „Passivrauchende Kinder in Deutschland – Frühe Schädigungen für ein
ganzes Leben“ Band 2, Heidelberg 2003).
Neben der Gefahr durch Tabakkonsum der Mutter während der Schwangerschaft
besteht aber auch die Gefahr einer Schädigung durch Passivrauchen der Mutter
während der Schwangerschaft. Passivrauchen erhöht auch im weiteren Lebensverlauf die Gesundheitsrisiken für Kinder und Jugendliche. Laut der KIGGs-Studie
lebt fast die Hälfte aller Minderjährigen in einem Haushalt mit mindestens einem
rauchenden Elternteil.
2. wie viele Kinder in Baden-Württemberg jährlich mit entsprechenden Gesundheitsschäden zur Welt kommen;
3. wie sich diese Zahlen seit der Jahrtausendwende entwickelt haben;
Das Statistische Landesamt teilte hierzu Folgendes mit: Schädigungen des Embryos durch Tabakkonsum der Mutter in der Schwangerschaft sollen in der Krankenhausstatistik explizit erfasst werden durch die Diagnose „Schädigung des Feten
und Neugeborenen durch Tabakkonsum der Mutter (P04.2)“.
Diese unter dieser Diagnose nachgewiesenen Fälle (2000: 1 Fall, 2013: 18 Fälle)
sind jedoch nicht aussagekräftig, da in der Krankenhausstatistik die sogenannte
Hauptdiagnose erfasst wird. Diese wird nach Analyse als diejenige festgestellt,
die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Aufenthalts des Patienten
verantwortlich ist. Hierbei stehen offenbar die Symptome des Neugeborenen im
Vordergrund. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass bei zahlreichen Schädigungen des Embryos, die unter anderem auf Tabakkonsum zurückgeführt werden
können, die genaue Ursache nicht bekannt ist und daher nicht statistisch erfasst
wird.
Es liegen hierzu daher keine spezifischen Zahlen für Baden-Württemberg vor.
Deutschlandweit wird davon ausgegangen, dass Rauchen während der Schwangerschaft verantwortlich für 15 % aller Frühgeburten ist. Ebenfalls ist Rauchen
verantwortlich für 20 bis 30 % aller Fälle von geringerem Geburtsgewicht.
In den Industrieländern ist der plötzliche Säuglingstod im ersten Lebensjahr die
häufigste Todesursache. In Deutschland treten jährlich 500 bis 600 Todesfälle
durch SIDS auf. Davon sind bis zur Hälfte aller SIDS-Fälle Säuglinge betroffen,
deren Mutter während der Schwangerschaft geraucht hat.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt an, dass circa 13 % der
werdenden Mütter zu Beginn einer Schwangerschaft rauchen. Von diesen hört etwa
ein Viertel während der Schwangerschaft auf zu rauchen. Ein großer Teil diese
Frauen fängt allerdings innerhalb eines Jahres wieder an zu rauchen.
4. welche zusätzlichen Kosten die Betreuung von Neugeborenen verursacht, deren
Mütter während der Schwangerschaft Nikotin konsumiert haben;
Soweit die angefragten gesetzlichen Krankenkassen eine Antwort gegeben haben,
teilen diese übereinstimmend mit, dass diese grundsätzlich keine Informationen
darüber haben, ob eine Schwangere während der Schwangerschaft Nikotin konsumiert hat. Somit können die Krankenkassen auch keine zusätzlichen Kosten ermitteln, die hierdurch bei der Betreuung betroffener Neugeborener verursacht werden.
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Grundsätzlich können durch die verschiedenen erhöhten gesundheitlichen Schädigungsrisiken, die durch Tabakkonsum während der Schwangerschaft bestehen,
Kosten durch Therapiebehandlungen o. Ä. entstehen. Beispielsweise können bei
einer Frühgeburt die Motorik und die sprachliche und allgemeine Entwicklung des
Kindes noch nicht ausreichend entwickelt sein, sodass Behandlungskosten für deren Therapien entstehen, um die fehlende Entwicklung auszugleichen.
5. ob sie sich dafür einsetzen wird, dass diese Kosten – anders als bisher – von den
Krankenkassen übernommen werden;
Alle Neugeborenen sind bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach dem Sozialgesetzbuch V vollumfänglich in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, sodass hier keine Versorgungslücke besteht. Sofern es sich
bei den entstehenden Kosten der Betreuung der Neugeborenen um Leistungen der
gesetzlichen Krankenkasse handelt, werden diese daher von den Kassen übernommen. Diese Kostenübernahme ist unabhängig von der Frage, ob ein Nikotinkonsum der Mutter während der Schwangerschaft ursächlich für die Behandlung gewesen sein könnte.
6. welche Informations- und Unterstützungsangebote es zum Thema Nikotin in der
Schwangerschaft für werdende Mütter in Baden-Württemberg bereits gibt;
Bundesweit steht Schwangeren eine Vielzahl von meist kostenfreien Broschüren
zur Verfügung. Dazu gehört beispielsweise die Broschüre der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA) „Ich bekomme ein Kind – rauchfrei in der
Schwangerschaft“, die auch den Partner in den Blick nimmt. Nach der Schwangerschaft gibt die Broschüre „Das Baby ist da!“ der BZgA hilfreiche Tipps zum
Rauchverzicht. Auch in der Broschüre der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen
(dhs) „Frau – Sucht – Gesundheit: Informationen, Tipps und Hilfen für Frauen.
Alkohol, Medikamente, Tabak“ findet das Thema Beachtung.
Die BZgA bietet zudem ein bundesweites Beratungstelefon zum Nichtrauchen, das
kostenpflichtig zur Verfügung gestellt wird. Die Beraterinnen und Berater dieser
Hotline geben gezielt Informationen zum Rauchverzicht in der Schwangerschaft
und bieten individuelle Beratung. Weitergehende Informationen gibt es auch unter
folgendem Link: http://www.rauchfrei-info.de/informieren/rauchen-gesundheit/
schwangerschaft/
Die Suchtberatungsstellen bieten Raucherentwöhnungsprogramme je nach Bedarf
und Nachfrage an – oft in Kooperation mit Krankenkassen. Alle Raucherentwöhnungsprogramme sind selbstverständlich offen für schwangere Frauen und werdende Eltern. Ein flächendeckendes Rauchstopp-Programm explizit für schwangere Frauen ist nicht zuletzt aufgrund der kleinen Zielgruppe im Rahmen der
Suchtberatungsstellen nicht etabliert. Die Jahresauswertung 2014 der Landesstelle
zur Suchtprävention ergibt, dass für 944 Präventionsmaßnahmen (entspricht 36 %
der substanzbezogenen Maßnahmen) auch die Kategorie „Tabakprävention“ angegeben wurde. Hierbei dürfte es sich allerdings in der Regel um Präventionsangebote handeln, die sich nicht gezielt an Schwangere richten.
Beispielhaft sind folgende spezifische Angebote aufgeführt:
Im Rahmen des Förderprogramms der Baden-Württemberg Stiftung „Alkoholund Nikotinprävention bei Kindern und Jugendlichen mit familienorientiertem
Präventionsansatz“ von 2007 bis 2009 führte der BWLV in Kooperation mit dem
Hebammenverband das Projekt „Rauchfrei für werdende und junge Eltern“ an den
Standorten Freiburg und Emmendingen durch. Aus dem Projekt ging ein Handbuch für Multiplikatoren hervor, das Fachkräften bei der Umsetzung eigener Maßnahmen helfen kann.
Die EVA Stuttgart bietet in Kooperation zwischen Suchtberatung und Schwangerenberatung das „Projekt zur Veränderung des Rauchverhaltens in der Schwangerschaft und nach der Geburt“ an.
Der Drogenverein Mannheim bietet laut dot.sys Dokumentation gezielt Suchtpräventionsinformationen für Schwangere an, dazu zählt auch die Risikoinformation
zum Rauchen in der Schwangerschaft.
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Das Universitätsklinikum Tübingen hat das Projekt IRIS gestartet, ein OnlineProgramm für Schwangere. Dabei handelt es sich um eine internetbasierte Intervention zur Verringerung des Alkohol- und Tabakkonsums in der Schwangerschaft
(http://www.iris-plattform.de).
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat 2010 im Auftrag der damaligen Drogenbeauftragten der Bundesregierung einen Infoflyer für Schwangere
in knapper und plakativer Form herausgegeben. Dieser motiviert die Schwangeren,
das Gespräch mit ihrem Arzt und Apotheker zu suchen, bevor sie ein Medikament
einnehmen oder wenn sie Hilfe benötigen, um rauchfrei und ohne Alkohol durch
die Schwangerschaft zu kommen. Darüber hinaus gibt er Hinweise auf Telefonhotlines der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und Internetadressen mit
weitergehenden Informationen. Der Flyer soll in den Apotheken gezielt an Kundinnen weitergegeben werden, die einen Schwangerschaftstest oder andere Präparate
für Schwangere wie z. B. Folsäuretabletten erwerben. (http://www.abda.de/pressemitteilung/artikel/praevention-fuer-schwangere-neuer-infoflyer-in-apotheken/).
Außerdem bietet der Landesapothekerverband seinen Mitgliedsapotheken und
deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen
zum Thema „Raucherberatung in der Apotheke“ an, bei denen auch der schädliche
Einfluss des Nikotins in der Schwangerschaft thematisiert wird.
7. wie sie die Vernetzung der Akteure in diesem Bereich verbessern will, damit
Schwangere besser erreicht werden und aufgeklärt werden können;
Aktuell bearbeiten das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren und das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg intensiv das
Thema „Alkoholfrei in der Schwangerschaft“. Hierzu wurde im Juni 2015 ein
Expertenworkshop durchgeführt, zu dem unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Landesstelle für Suchtfragen, der Kommunalen Suchtbeauftragten, der
Psychosozialen Beratungsstellen, der Schwangerschaftskonfliktberatungen, des
Berufsverbandes der Frauenärzte e. V., der Landesärztekammer, der Landesvernetzungsstelle Baden-Württemberg für Familienhebammen und vergleichbaren
Berufsgruppen eingeladen wurden. Die durch den Workshop entstandene Kooperation soll beibehalten und intensiviert werden.
Auf dieser Kooperation aller Akteure und Berufsgruppen kann aufgebaut werden,
um in einem weiteren Schritt auch das Thema „Rauchfreie Schwangerschaft“ vertieft zu bearbeiten. Ziel hierbei soll sein, Schwangere für das Thema zu sensibilisieren, den Informationsstand bei Schwangeren und ihrem Umfeld zu erhöhen
und sie zum Rauchstopp zu motivieren. Entsprechende Maßnahmen sollten sich
methodisch an Konzepten der Frühintervention und motivierenden Kurzberatung
orientieren.
Auch der Landeshebammenverband betrachtet die Vernetzung aller Akteure und
Berufsgruppen in der Betreuung von Schwangeren als zentrale Voraussetzung,
um die Schwangeren auch tatsächlich zu erreichen. Hierzu können insbesondere
gemeinsame Fortbildungen der verschiedenen Professionen dienen. Der Landeshebammenverband betont die Schlüsselposition der Hebammen auch beim Thema
Raucher-Entwöhnung, da sie im engmaschigen Kontakt mit der Schwangeren und
deren familiären Umfeld stehen und so auch bei Familienangehörigen für die erforderliche Unterstützung der Raucherentwöhnung werben können.
8. welchen Stellenwert die Aufklärung über die schädigende Wirkung von Nikotin
in der Schwangerschaft in der Sexualerziehung im Schulunterricht einnimmt;
Das Land Baden-Württemberg setzt in der Präventionsarbeit an Schulen einen großen Schwerpunkt. Dazu gehören die Bereiche Gewaltprävention, Suchtprävention
und Gesundheitsförderung. Gemäß der Verwaltungsvorschrift vom 10. Dezember
2014 „Prävention und Gesundheitsförderung in der Schule“ gehört die Auseinandersetzung mit diesen Themen zu den Aufgaben jeder Lehrkraft. Mit dem landesweiten Präventionskonzept stark.stärker.WIR. erhält schulische Prävention einen
einheitlichen Rahmen, durch den die Arbeit in der Prävention und Gesundheitsförderung an Schulen verbindlicher und nachhaltiger gestaltet wird.
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In den Bildungsplänen der verschiedenen Schularten finden sich in unterschiedlichen Fächern zahlreiche Anknüpfungspunkte zur Aufklärung über die schädigende
Wirkung von Nikotin in der Schwangerschaft, was im Folgenden am Beispiel der
weiterführenden Schulen dargestellt werden soll.
Der Bildungsplan 2004 des Gymnasiums weist im Biologieunterricht (Klassenstufe 7/8) folgenden Inhalt auf:
Die Schülerinnen und Schüler können gesundheitliche Gefahren, die mit Drogenkonsum verbunden sind, an Beispielen beschreiben und erklären.
• Sie erkennen Liebe und Sexualität als besondere menschliche Verhaltensweisen,
die der Partnerbindung dienen.
• Sie können ihr eigenes Verhalten verstehen, das in dieser Altersstufe durch die
Pubertät geprägt ist.
• Sie werden sich bewusst, dass Neugier, Gruppenzwang, mangelnde Ich-Stärke
oder geringe Frustrationstoleranz zu Missbrauch und Abhängigkeit von Suchtmitteln führen kann.
Im Bildungsplan 2012 der Werkrealschule finden sich viele Beispiele von Verankerungen inhaltsbezogener Standards/Themen, die die Bereiche Sucht/Drogen und
deren Auswirkungen sowie Sexualerziehung in der Schule aufzeigen. Im Fächerverbund Wirtschaft – Arbeit – Gesundheit (Klassenstufen 7 bis 9) werden dazu
folgende Standards aufgeführt:
Schülerinnen und Schüler
• kennen verschiedene Süchte und ihre Risiken, Wege in die Sucht und Möglichkeiten der Prävention;
• kennen den Einfluss unterschiedlicher Faktoren auf Gesundheit und Krankheit
und wissen um Möglichkeiten und Bedeutung präventiven Verhaltens.
• Die Schülerinnen und Schüler setzen sich hier u. a. mit folgenden Inhalten auseinander: Zusammenhang zwischen Gesundheit und Lebensführung.
• Überblick und Austausch über verschiedene gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen, Erörterung von krankheitsauslösenden Faktoren.
Im Fächerverbund: Materie – Natur und Technik (Klassenstufen 7, 8 und 9) sind
es folgende Standards:
Schülerinnen und Schüler
• wissen, wie ein Kind entsteht und sich entwickelt;
• erkunden und erkennen, was Kinder in ihrer Entwicklung fördert.
Im Wahlpflichtfach Gesundheit und Soziales (ab Klasse 8) wird das Wissen über
eine gesundheitsbewusste Lebensführung vertieft. Schülerinnen und Schüler lernen Methoden zur Förderung der Gesundheit und Steigerung des körperlichen
Wohlbefindens kennen.
Im Bildungsplan 2004 der Realschule ist diese Thematik in den Bildungsstandards
für den Fächerverbund „Naturwissenschaftliches Arbeiten“ (NWA) in den Klassen
5 bis 7 unter dem Thema „Den eigenen Körper verstehen“ verankert:
Durch Kenntnisse von Bau und Funktion wichtiger Organsysteme können die
Schülerinnen und Schüler den eigenen Körper als komplexes System begreifen.
Das Wahrnehmen-Können des eigenen Körpers in seiner Gesamtheit, seinen Gefühlen und seiner Sexualität bildet die Grundlage für eine aufgeklärte und gesunde
Lebensführung.
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Die Schülerinnen und Schüler können:
• Bau und Funktion der Atmungsorgane, auch Blut und Blutkreislauf durch Messungen und Experimente erfassen und mithilfe von Modellen beschreiben und
erklären;
• die Leistungen eines Sinnesorgans im Zusammenwirken mit dem Gehirn mithilfe
von Experimenten nachvollziehen;
• Bau und Funktion der menschlichen Fortpflanzungsorgane erklären, wissen über
Zeugung, Embryonalentwicklung, Schwangerschaft und Geburt Bescheid und
kennen Möglichkeiten der Geburtenregelung (Empfängnisregelung, Reproduktionsmedizin).
In den Bildungsplänen 2016 für die Sekundarstufe I und das Gymnasium ist im
Fach Biologie (Klassenstufe 7/8) an allen allgemein bildenden Schulen vorgesehen, der schädigenden Wirkung von Nikotin und den Folgen äußerer Einflüsse auf
die Entwicklungsschritte der Schwangerschaft Rechnung zu tragen.
Die schädigende Wirkung von Nikotin in der Schwangerschaft wird in den Lehrplänen beruflicher Bildungsgänge nicht explizit ausgewiesen. Das Thema wird
vielmehr an geeigneter Stelle im Rahmen eines übergeordneten Themas in den
Lehrplänen beruflicher Bildungsgänge thematisiert. So sieht zum Beispiel der
Lehrplan des Faches Biologie an der zweijährigen zur Prüfung der Fachschulreife
führenden Berufsfachschule die Lehrplaneinheit 9 „Fortpflanzung und Entwicklung“ vor. Darin heißt es: „Der Umgang mit Sexualität setzt die Kenntnis von Bau
und Funktion der Geschlechtsorgane voraus. Die Schülerinnen und Schüler verstehen den Ablauf der Keimesentwicklung und erkennen die Schutzbedürftigkeit des
werdenden Menschen …“ Auf ein verantwortungsvolles Verhalten in der Schwangerschaft wird im Lehrplan ausdrücklich hingewiesen.
Im Rahmen des Faches Berufsfachliche und Berufspraktische Kompetenz an der
zweijährigen zur Prüfung der Fachschulreife führenden Berufsfachschule Profil
Gesundheit und Pflege weist das Lernfeld 3 „Schwangere und Säuglinge betreuen“
insgesamt 79 Stunden als Zeitrichtwert aus.
Auch hier wird unter anderem als Ziel formuliert:
„Die Schülerinnen und Schüler definieren die Zelle als Grundbaustein des Lebens
und übertragen die Bedeutung der Zellteilung auf die Entwicklung neuen Lebens.
Sie beschreiben die Vorgänge in der Schwangerschaft und während der Geburt.
Aus diesen Erkenntnissen leiten sie Vorsorge- und Verhaltensmaßnahmen ab …..“.
Der Lehrplan weist das Thema „Verhalten während der Schwangerschaft; Ernährung, Aktivitäten, gefährdendes Verhalten“ als berufsfachlichen Inhalt dieses Lernfeldes aus.
9. welche Maßnahmen sie plant, um die Zahl an nikotingeschädigten Neugeborenen zu reduzieren;
Im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsförderung und Prävention wird darauf
hingewirkt, den Zigarettenkonsum zu vermindern. Insbesondere die Kombination
von verhältnispräventiven Maßnahmen wie das Landesnichtraucherschutzgesetz
zusammen mit verhaltenspräventiven Maßnahmen vor allem für Jugendliche, wie
zum Beispiel dem Nichtraucherwettbewerb „Be smart, don’t start“ hat bewirkt,
dass die Zahl der nichtrauchenden Jugendlichen ganz erheblich gestiegen ist. So ist
die Zahl der Nierauchenden 12- bis 17-Jährigen laut der BZgA von 40,5 % im Jahr
2001 auf 75,3 % im Jahr 2014 gestiegen (somit vom niedrigsten Wert des ganzen
Beobachtungszeitraums zum höchsten Wert).
(Quelle: Orth, B., Töppich, J. [2015] Rauchen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland 2014. Ergebnisse einer aktuellen Repräsentativbefragung und Trends. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln).
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Im Rahmen selektiver Präventionsmaßnahmen ist ein besonderes Augenmerk zu
richten auf junge Frauen unter 25 Jahren mit niedrigem oder fehlendem Schulabschluss und schlechter Einkommenssituation. Diese stellen nach einer Studie der
Universität Greifswald seltener als ältere Schwangere das Rauchen während der
Schwangerschaft ein. Sie sollten daher insbesondere von den betreuenden Gynäkologinnen und Gynäkologen sowie den Hebammen gezielt zu einem Rauchstopp
motiviert werden. Eine weitere wichtige Rolle kommt hierbei auch den Schwangerschaftsberatungsstellen zu, welche häufig Kontakt zu dieser Zielgruppe haben
und diese daher gezielt an Suchtberatungsstellen und andere Hilfeangebote weitervermitteln können.
Zumindest bei starken Raucherinnen ist auch ein Einsatz von Nikotinersatzprodukten angezeigt, wenn ein Rauchstopp ohne diese nicht zu erreichen ist. Insofern
wäre es hilfreich, wenn Tabakabhängigkeit als behandlungsbedürftige Krankheit
anerkannt wird, damit Entwöhnungstherapien sowie ggf. erforderliche Nikotinersatzprodukte als Regelleistungen der Krankenversicherung gewährt werden können.
II. ein Konzept vorzulegen, wie durch Maßnahmen der Prävention und Aufklärung
die Zahl der Frauen, die in der Schwangerschaft Nikotin konsumieren, gesenkt
werden kann.
Beim System der Suchtprävention und Suchthilfe in Baden-Württemberg handelt
es sich um ein hinsichtlich sämtlicher Suchtmittel tragfähiges und gut funktionierendes System. Auf bestehende Kooperationen und Netzwerke insbesondere
zum Thema „Alkoholfrei in der Schwangerschaft“ kann und soll daher aufgebaut
werden, um Prävention und Aufklärung bei Mädchen und Frauen sowie deren familiären Umfeld zur Schädlichkeit des Rauchens in der Schwangerschaft weiter zu
verbessern. Der Vorlage eines gesonderten Konzeptes bedarf es somit nicht.
Altpeter
Ministerin für Arbeit und Sozialordnung,
Familie, Frauen und Senioren
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