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HELICOBACTER PYLORI
CME
Helicobacter pylori
Joachim Labenz, Christian Labenz
Die Wiederentdeckung von Helicobacter pylori (H. pylori, HP) 1983
führte zu einem der größten Paradigmenwechsel in der Medizin: Die
genuine Ulkuskrankheit, bis dahin
als Säurekrankheit eingeschätzt
und oftmals mit verstümmelnden
Operationen behandelt, wird zu einer heilbaren Infektionskrankheit.
Zurecht erhielten die beiden australischen Forscher Robin Warren (Pathologe) und Barry Marshall (Internist) dafür im Jahr 2015 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.
Epidemiologie
Helicobacter pylori ist nach Karies
vermutlich die häufigste Infektionskrankheit der Welt. Etwa die Hälfte
der Weltbevölkerung ist mit HP infiziert. Die Infektionsrate ist in Entwicklungsländern deutlich höher
als in Ländern der westlichen Welt.
Auch wenn die Durchseuchung
durch Verbesserung der hygienischen und sozioökonomischen Verhältnisse in den entwickelten Ländern abgenommen hat, so sind aber
auch hier noch 20–30 % der Erwachsenen infiziert [1]. Die Durchseuchungsrate nimmt mit dem Lebensalter zu. Dies bedeutet aber
nicht, dass das Infektionsrisiko mit
zunehmendem Alter steigt, vielmehr handelt es sich um einen Kohorteneffekt: Die heute älteren Personen hatten in ihrer Kindheit ein
erhöhtes Infektionsrisiko. Die Übertragung der Infektion erfolgt im
Vorschulalter. In entwickelten Ländern dominiert vermutlich der oralorale Übertragungsweg. Hauptinfektionsquelle sind infizierte Personen im familiären Umfeld. Die Frage, warum die Übertragung bevorzugt im Kindesalter erfolgt, lässt
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© Dr Kateryna – Fotolia
sich am besten durch die in dieser
Lebensphase deutlich geringere
Azidität des Magens erklären. Diese
These wird unterstützt durch die
Beobachtung, dass Selbstinfektionen Erwachsener zur Prüfung der
Koch´schen Postulate erst nach Einnahme eines Säurehemmers gelangen und dass bei Patienten unter
kontinuierlicher Einnahme von H2Rezeptorantagonisten ein etwas erhöhtes Reinfektionsrisiko beobachtet wurde.
Pathogenese
HP ist keine invasive Infektion. Gelingt dem Keim das Überleben im
sauren Magenmilieu und das
Durchdringen der schützenden
Schleimschicht, tritt er in engen
Kontakt mit den Magenepithelien.
Andere Schleimhauttypen können
von dem Keim nicht besiedelt werden. Durch die Interaktion des Bakteriums mit der Zielzelle wird eine
komplexe Immunreaktion ausgelöst, die phänotypisch zum Bild der
chronischen aktiven Gastritis (Typ B)
führt, einem Nebeneinander von
Zeichen der unspezifischen Immunantwort mit neutrophilen Granulozyten und der spezifischen Reaktion
mit Lymphozyten und Plasmazellen. Darüber hinaus greift der Keim
über eigene Produkte und die induzierte Immunreaktion in die Magenphyisologie ein. Handelt es sich z. B.
um eine antrumdominante Gastritis,
wird die Säureproduktion gesteigert, ist die Entzündungsreaktion im
Corpus dagegen stärker ausgeprägt,
kommt es zu einer Säurehemmung,
z. B. durch Interleukin-1ß.
Nach der Erstinfektion entwickelt
sich bei allen Personen mit persistierender Infektion eine chronische
Gastritis Typ B (E Abb. 1). Etwa
80 % der chronisch Infizierten
bleibt zeitlebens asymptomatisch
oder hat evtl. gelegentlich dyspeptische Beschwerden (HP-Träger), jeder fünfte wird dagegen krank.
Wirtsfaktoren (z. B. Säuresekreti-
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onskapazität, Interleukin-Polymorphismen), das Verteilungsmuster
und die Intensität der Gastritis, die
Virulenz des Erregers, Umweltfaktoren (z. B. Rauchen, Medikamente) und möglicherweise auch Koinfektionen wie z. B. durch EbsteinBarr-Virus haben Einfluss auf die Infektion und ihre klinischen Folgen.
Im Einzelfall ist es heute aber nicht
zuverlässig möglich, vorherzusagen, ob ein (noch) gesunder Patient
eine gravierende Komplikation der
HP-Infektion erleiden wird.
Helicobacter pylori
oral-oral
Asymptomatisch,
Dyspepsie
fäkal-oral
Niedrig-malignes
MALT-Lymphom
Chronische Gastritis
80 %
UD
Atrophie
UV
Lebensbedrohliche
Komplikationen
Säuresekretion
Gastritismuster
HP-Virulenz
Umweltfaktoren
Co-Infektion?
Magenkarzinom
Abb. 1: Klinische Folgen einer Helicobacter-pylori-Infektion
Abkürzungen: (UV = Ulcus ventriculi, UD = Ulcus duodeni)
Folgekrankheiten
Ulkuskrankheit
HP spielt in der Pathogenese der genuinen duodenalen und gastralen
Ulkuskrankheit unter Benutzung
von Begriffen der konditionalen Logik eine notwendige, für sich allein
aber nicht hinreichende Bedingung. Mit anderen Worten: „Ohne
HP kein Ulkus“. Der alte Lehrsatz
„Ohne Säure kein Ulkus“, der seit
1910 gilt, ist dadurch nicht außer
Kraft gesetzt, sondern zum „Ohne
Säure und ohne HP kein Ulkus“ erweitert worden. Da beide Faktoren
notwendig sind, genügt die Wegnahme eines Faktors, damit kein
(genuines) Ulkus entsteht. Auch
wenn nicht alle Mechanismen der
Ulkusentstehung und alle klinischen Phänomene der Ulkuskrankheit (z. B. topische Manifestation,
rezidivierender Verlauf, keine enge
Korrelation zwischen Ulkus und
Symptomen) abschließend geklärt
sind, bestehen heute keine Zweifel
mehr an der überragenden Bedeutung der Infektion in der Ulkuspathogenese [2]. Dies stützt sich in erster Linie auf Ergebnisse aus Interventionsstudien. So konnte gezeigt
werden, dass:
– Antibiotika alleine Ulzera heilen
– Antibiotika als Zusatz zu Säurehemmern die Ulkusheilung beschleunigen
– Ulkusrezidive und Ulkuskompli-
kationen zuverlässig verhindert
werden
Darüber hinaus ist das Risiko für Ulzera unter ASS und NSAR bei HP-Infizierten erhöht und kann durch eine Sanierung der Infektion reduziert werden. Diese Beobachtung ist
für Präventionsstrategien von Bedeutung.
Magenkarzinom
Patienten mit HP-Infektion haben
ein 2–3-fach erhöhtes Risiko für ein
Magenkarzinom. Histologische Risikomarker sind insbesondere eine
stärkere Ausprägung der Corpusgastritis, die intestinale Metaplasie
und die Atrophie. In asiatischen Studien konnte gezeigt werden, dass eine Eradikation der Infektion das Magenkarzinomrisiko um etwa ein Drittel senkt [3]. Es ist unklar, ob dies
auch für Länder der westlichen Welt
gilt. Dementsprechend kann eine allgemeine Karzinomprophylaxe durch
HP-Eradikation bei uns derzeit nicht
empfohlen werden. In einer weiteren, randomisierten und kontrollierten Studie konnte gezeigt werden,
dass das Rezidivrisiko nach endoskopischer Resektion eines Magenfrühkarzinoms durch eine HP-Eradikation halbiert werden kann [4].
MALT-Lymphom
HP erhöht das Risiko, an einem niedrig-malignen MALT-Lymphom (Mu-
cosa Associated Lymphoid Tissue)
des Magens zu erkranken. Der
nicht-infizierte Magen weist kein
lymphatisches Gewebe auf, d. h.
HP bringt das Lymphgewebe erst in
den Magen als Reaktion auf die Infektion. Es konnte gezeigt werden,
dass das Lymphomwachstum von
HP als antigenem Stimulus abhängt.
Dies war die Rationale für eine HPEradikation zur Behandlung dieses
seltenen Magentumors. Heute ist
die HP-Eradikation die Therapie der
Wahl bei frühen Stadien, in denen
das Lymphom noch auf die Magenwand begrenzt ist [5]. In einzelnen
Fällen beobachtet man auch noch
komplette Remissionen bei wandüberschreitendem Wachstum und
bei hochmalignen diffusen B-Zell
Lymphomen des Magens. Etwa
80 % der Patienten mit niedrigmalignem MALT-Lymphom und Sanierung der Infektion bleiben langfristig in kompletter Remission. Allerdings haben diese Patienten ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinome
und für Lymphome außerhalb des
Magens, so dass sie dauerhaft überwacht werden müssen [6].
Funktionelle Dyspepsie
(Reizmagen)
Patienten mit HP-Infektion haben
ein erhöhtes Risiko, an einem Reizmagen zu erkranken. Die Sanierung
der Infektion bei HP-positivem Reiz-
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magen führt in Einzelfällen (Number needed to treat: 13) zur langfristigen Remission (Heilung) [7]. Es
gibt allerdings keine zuverlässigen
Prädiktoren für diesen Therapieerfolg, so dass die Differenzierung in
HP-assoziierte Dyspepsie und funktionelle Dyspepsie erst nach einer
Eradikation der Infektion getroffen
werden kann [8]. Der Reizmagen ist
sicher keine zwingende Indikation
für eine HP-Therapie. Unterstützende Argumente für eine Behandlung
sind die Aspekte, dass es keine andere kausale Therapie für den Reizmagen gibt und durch die HP-Eradikation auch eine Schutzwirkung gegen Ulzera und evtl. auch Malignome des Magens erzielt wird.
Seltene gastrale Manifestationen
Kasuistische Beobachtungen erga-
ben positive Therapieeffekte bei M.
Menetrier (Riesenfaltengastritis mit
Eiweißverlust) und in einer randomisierten, kontrollierten Studie auch
bei der seltenen lymphozytären Gastritis [5].
Extragastrale Manifestationen
Die idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP, M. Werlhoff) ist
eine gesicherte Indikation zur HPDiagnostik und -Therapie. Bei etwa
der Hälfte der Patienten kann mit
einem Anstieg der Thrombozyten
nach HP-Eradikation gerechnet
werden [5]. Auch bei einer chronischen Eisenmangelanämie kann
nach sorgfältigem Ausschluss einer
anderen Ursache eine HP-Eradikation erfolgen, da randomisierte und
kontrollierte Studien einen Therapieeffekt belegt haben.
Invasive Methoden
Kultur
Histologie
Urease-Schnelltest
PCR
Nicht invasive Methoden Harnstoff-Atemtest
Stuhl-Antigentest
(monoklonale Antikörper)
IgG-Antikörper im Serum
Sensitivität (%)
70–90
80–98
90–95
90–95
85–95
85–95
Spezifität (%)
100
90–98
90–95
90–95
85–95
85–95
70–90
70–90
Tab. 1: Sensitivitäten und Spezifitäten invasiver und nicht-invasiver Testverfahren zum
Nachweis einer HP-Infektion (nach 5)
Indikation zur HP-Diagnostik
Wird bei positivem Test therapiert?
NEIN
JA
Keine HP-Diagnostik
Indikation zur Endoskopie?
JA
Negativ und Störfaktor
(z.B. Vorbehandlung, Blutung)
Validierte (Europa)
IgG-Serologie
Maastricht IV
Urease-Test
Histologie
NEIN
13
C-Harnstoff-Atemtest
oder Monoklonaler
Stuhl-Antigen-Test
Resistenztestung erforderlich
(Therapieversager, Kinder):
Kultur oder PCR
Abb. 2: Algorithmus zur Diagnostik einer Helicobacter-pylori-Infektion (nach 5)
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Gibt es auch einen guten
Helicobacter?
In manchen Regionen der Erde sind
weit mehr als 50 % der Bevölkerung
mit HP infiziert. Nur die Minderheit
der Infizierten wird ernsthaft krank.
Manche Erkrankungen wie beispielsweise die gastroösophageale
Refluxkrankheit (GERD) und allergische Krankheiten zeigen in Ländern
der westlichen Welt bei abnehmender Durchsuchung mit HP eine zunehmende Prävalenz. Diese Feststellungen führten zu der Frage, ob
eine HP-Infektion eventuell auch
Vorteile für seinen Wirt haben
könnte.
In einer Langzeitstudie nach HPTherapie bei Ulcus duodeni zeigte
sich, dass Patienten mit Eradikation
im Follow-up häufiger eine Refluxösophagitis entwickelten als Patienten mit persistierender Infektion
[9]. Risikofaktoren für eine Refluxösophagitis waren Gewichtszunahme und höherer Schweregrad der
Corpusgastritis. Im weiteren Verlauf fanden sich konsistent inverse
Korrelationen zwischen der HP-Infektion und dem Barrett-Ösophagus sowie dem Barrett-Karzinom.
Die aktuelle Datenlage zu diesem
Thema lässt sich wie folgt zusammenfassen: Nach einer HP-Eradikation kann es zu einer Gewichtszunahme kommen. Dies wird neben
einzelnen
Beobachtungsstudien
auch durch eine Metaanalyse gestützt, die eine inverse Korrelation
zwischen Adipositas und HP-Infektion zeigte [10]. Bindeglied kann eine
fehlende Hemmung der postprandialen Ghrelin-Freisetzung sein
[11]. Die resultierende Gewichtszunahme ist ein etablierter Risikofaktor für die GERD. Darüber hinaus
kann HP durch Säurepufferung (infolge Urease-Aktivität) und Hemmung der Säuresekretion durch
z. B. Zytokine die Azidität des Ma-
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CME
Indikation
Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni (aktuell oder
früher)
Niedrigmalignes MALT-Lymphom des Magens
Diffuse großzellige B-Zell-Lymphome des
Magens
Magenkarzinom-Prophylaxe
Funktionelle Dyspepsie
Asymptomatische HP-Infektion
Extragastrale Erkrankungen
Vor Langzeit-NSAR
Unter NSAR
EHPSG 2012
SOLL
DGVS 2016
SOLL
SOLL
SOLL
KANN
SOLL
Bei Risikopatienten:
Wie DGVS, zusätzlich
>1 J Säurehemmung
Zusätzliche Risikofaktoren
Karzinomangst
SOLL
Test-and-Treat geeignet bei HP-Prävalenz
>20%
SOLLTE
Bei Risikopatienten:
Verwandte 10 mit Magenkarzinom
Frühere Magenneoplasie
Risikogastritis
SOLL
Idiopathische Thrombozytopenie
Eisenmangel (ohne nachweisbare Ursache)
Vitamin-B12-Mangel
SOLL
(bei Ulkusanamnese)
KANN
(plus PPI)
Obere GIT Blutung unter NSAR
Vor ASS
SOLL
(bei Ulkusanamnese)
Obere GIT-Blutung unter ASS
KANN
Kein Test-and-Treat
KANN
SOLL
Idiopathische Thrombozytopenie
KANN
Eisenmangel (ohne nachweisbare Ursache)
SOLL
(bei Ulkusanamnese)
SOLL
(plus PPI)
SOLL
(bei Ulkusanamnese)
SOLL
Tab. 2: Indikationen zur Helicobacter-pylori-Eradikation gemäß der Leitlinie der DGVS [5] und des Konsensus der EHPSG [14]
(Graduierung des Empfehlungsgrades: soll – sollte – kann)
gens senken und damit vor Säurereflux schützen oder eine latent
vorhandene GERD effektiv „behandeln“. Eine Metaanalyse aus sieben
randomisierten, kontrollierten Studien und fünf Observationsstudien
ergab einen nicht signifikanten
Trend zur Zunahme der GERD nach
HP-Eradikation [12]. In einem systematischen Review mit Metaanalyse
wurde die Beziehung von HP zu allergischen Erkrankungen und Atopien untersucht [13]. Fallkontrollstudien zeigten eine inverse Assoziation zwischen HP und Atopien,
nicht aber allergischen Erkrankungen, dagegen war in Querschnittsstudien eine inverse Assoziation der
Infektion mit allergischen Erkrankungen zu erkennen. Nach Einschätzung der Autoren reicht die
Datenlage aber nicht aus, sichere
Schlüsse zu ziehen.
Diagnostik
Zur Diagnose einer HP-Infektion
stehen invasive (Endoskopie erforderlich) und nicht-invasive Methoden zur Verfügung, die unterschiedliche Sensitivitäten und Spezifitäten aufweisen (E Tab. 1) [5].
Festzuhalten bleibt, dass es keinen
diagnostischen Goldstandard gibt.
Die Kultur ist spezifisch, ein Verfahren mit 100 %iger Sensitivität gibt
es allerdings nicht. Für die tägliche
Praxis ist es von Bedeutung Vor- und
Nachteile der einzelnen Verfahren
zu kennen. Die Kultur ist aufwendig
und gelingt im Alltag häufiger
nicht, da im Regelfall die Proben in
einem speziellen Transportmedium
mit der Post transportiert werden
müssen und mit zunehmender Zeit
zwischen Endoskopie und mikrobiologischer Verarbeitung die Anzuchtrate sinkt. Aus diesem Grund
erfolgt eine kulturelle Diagnostik
nur, wenn eine Resistenzbestimmung angezeigt ist. Die Histologie,
ggf. mit Spezialfärbungen (z. B.
Whartin-Starry-Versilberung oder
modifizierte GIEMSA-Färbung) ist
bei entsprechend geschulten Pathologen ein zuverlässiges Verfahren. Zusätzlich erlaubt diese Methode noch die Beurteilung der HP-Gastritis. Der Urease-Test ist bei korrekter Durchführung sensitiv. Im Einzelfall können auch andere Urease
bildende Keime im Magen vorkommen (z. B. bei Hypoazidität). Der
13C-Harnstoff-Atemtest
beruht
ebenso auf dem Urease-Nachweis
und hat daher die gleichen Limitationen. Eine dem Atemtest vergleichbare diagnostische Güte besitzen Stuhlantigen-Tests auf der
Basis monoklonaler Antikörper. Die
Serologie ist hinsichtlich Sensitivität
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Name
Standard-Tripel-Therapie
(italienisch)
Linie
Erstlinie
Schema
PPI1
Clarithromycin 250 – 500 mg
Metronidazol 400 – 500 mg
Standard-Tripel-Therapie
Erstlinie
PPI1
Clarithromycin 500 mg
(französisch)
Amoxicillin 1000 mg
Bismut-Quadrupel-Therapie
Erstlinie oder
PPI2
Bismut-Kalium-Salz 140 mg
Zweitlinie
Tetrazyklin 125 mg
(nach Standard-TT)
Metronidazol 125 mg
Konkomittierende
Erstlinie
PPI1
Clarithromycin 500 mg
Quadrupel-Therapie
Amoxicillin 1000 mg
Metronidazol 400 – 500 mg
Fluorchinolon-Tripel-Therapie
Zweitlinie
PPI1
Levofloxacin 500 mg oder
Moxifloxacin 400 mg
Amoxicillin 1000 mg3
1
Omeprazol 20 mg, Esomeprazol 20 mg, Lansoprazol 30 mg Pantoprazol 40 mg, Rabeprazol 20 mg
2
Fixe Kombination zugelassen in Kombination mit Omeprazol 20 mg
3
Bei Penicillinunverträglichkeit Rifabutin 150 mg 1 – 0 – 1
Dosierung
1–0–1
1–0–1
1–0–1
1–0–1
1–0–1
1–0–1
1–0–1
1–1–1–1
1–1–1–1
1–1–1–1
1–0–1
1–0–1
1–0–1
1–0–1
1–0–1
1–0–1
Dauer
7 – 14 Tage
7 – 14 Tage
10 Tage
7 Tage
10 Tage
1–0–1
Tab. 3: Geeignete Protokolle zur Therapie der HP-Infektion im Erwachsenenalter
und Spezifität den anderen Testverfahren unterlegen. Zudem weist sie
als einziges Testverfahren nicht eine aktuelle Infektion nach. Aus diesem Grund wird sie in der neuen
deutschen Leitlinie nicht mehr empfohlen [5]. Eine Ausnahmeindikation für die Serologie kann bei Patienten mit Ulkusblutung vorliegen,
da in dieser Situation die Sensitivität
aller
anderen
Testverfahren
schlecht und die Frage nach der Infektion von besonderer klinischer
Relevanz ist [13].
Vorbehandlungen mit Antibiotika
und
Protonenpumpenhemmern
(PPI) können zu einer Suppression
der HP-Besiedlung im Magen führen und damit falsch-negative Testergebnisse hervorrufen. Aus diesem
Grund empfiehlt sich ein zweiwöchiges Intervall zwischen Einnahme
dieser Medikamente und HP-Diagnostik. Falsch positive Ergebnisse
gibt es - mit Ausnahme der Kultur
und den monoklonalen Stuhlantigen-Tests - bei bakterieller Überwucherung des Magens mit Urease bildenden Keimen [5]. Vor jeder HPTherapie soll der Keimnachweis geführt werden. Es ist kontrovers, ob
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man zum sicheren Nachweis zwei
übereinstimmende Tests haben
sollte. Aufgrund mathematisch-statistischer Überlegungen ist das Risiko für ein falsch-positives Testergebnis bei niedriger a priori Wahrscheinlichkeit für eine HP-Infektion
(z. B. junge Patienten mit Reizmagen) hoch mit der Konsequenz fehlindizierter antibiotischer Behandlungen (z. B. Test mit 90 % Sensitivität und 90 % Spezifität führt zu einer Rate falsch-positiver Tests von
>50 %, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine HP-Infektion ≤10 % ist).
Bei deutlich höherer Prätest-Wahrscheinlichkeit entfällt dieses Risiko.
Vor Diagnose einer HP-Infektion
sollte die Frage gestellt werden, ob
man im Falle eines positiven Testergebnisses auch behandeln würde.
Wird diese Frage verneint, sollte gemäß der aktuellen Leitlinie auf eine
Diagnostik
verzichtet
werden
(EAbb. 2, Seite 24) [5]. Wird diese
Frage mit einem JA beantwortet, ist
zu klären, ob eine Endoskopie erforderlich ist oder nicht. Falls keine
Endoskopie notwendig erscheint,
kommen der 13C-Harnstoff-Atemtest und ein Stuhlantigen-Test in
Betracht. Ist eine Endoskopie erforderlich, ist eine Kombination aus
Urease-Test und Histologie sinnvoll.
Bei Therapieversagern und Kindern
erfolgt zusätzlich eine Resistenzbestimmung. Diese kann mittels E-Test
kulturell erfolgen. Eine gute Alternative ist auch der molekulargenetische Nachweis (PCR) von Resistenzen gegen Clarithromycin und Chinolone aus den Biopsien für die Histologie [5]. Nur in wenigen Ausnahmefällen wird man heutzutage
noch eine Serologie durchführen,
zumal die aktuelle Leitlinie als Voraussetzung für eine Therapie den
Nachweis einer aktuell vorliegenden Infektion fordert [5].
Indikationen zur Therapie der
Helicobacter-pylori-Infektion
Es gibt keine gesicherten Kontraindikationen gegen eine HP-Therapie. Dementsprechend kann man
eine nachgewiesene Infektion auch
behandeln. Die spezifischen Indikationen zur Behandlung haben sich
im Laufe der Jahre auf der Basis entsprechender Studiendaten entwickelt. E Tab. 2, Seite 25, zeigt eine
Übersicht der Indikationen, wie sie
in der aktuellen Leitlinie der DGVS
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(Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten) und dem
Konsensus der Europäischen Helicobacter
pylori
Studiengruppe
(EHPSG) beschrieben werden [5,14].
Helicobacter pylori
Risikofaktoren:
Herkunftsland (Süd-/Osteuropa)
Vorbehandlung mit Makrolid
Erste Linie
Therapie
Voraussetzung für eine Therapie ist
der Nachweis der aktuellen HP-Infektion, d. h. ein Antikörper-Nachweis in der Serologie genügt nicht
[5]. Über viele Jahre waren die französische (PPI - Amoxicillin - Clarithromycin) oder italienische TripelTherapie (PPI - Metronidazol - Clarithromycin) gegeben über mindestens eine Woche der Goldstandard
der Behandlung.
Heilungsraten über 80 % wurden in
den Anfangszeiten dieser Behandlungsformen konsistent berichtet.
Entsprechend erfolgten behördliche Zulassungen. In den letzten Jahren wurde vielfach eine sinkende
Eradikationsrate mit diesen Schemata berichtet bzw. beobachtet. Einer der wesentlichen Gründe hierfür ist sicherlich die zunehmende
Resistenzentwicklung von HP [15].
Dies führte zu zahlreichen Studien
mit dem Ziel, die Behandlungserfolge zu verbessern. Dabei kristallisierte sicher heraus, dass Vierfach-Therapien signifikant wirksamer sind
als Schemata bestehend aus einem
PPI und zwei Antibiotika. Dies gilt
auch dann, wenn die Tripel-Therapie hinsichtlich Intensität der Säurehemmung und Dauer der Therapie
optimal gestaltet wird [16].
In der aktuellen Leitlinie der DGVS
wird daher ein Paradigmenwechsel
in der Therapie vollzogen [5]. Es sollten nur Schemata angewendet werden, die in Studien konstant bei Intention-to-treat Analyse Eradikationsraten von 80 % oder mehr gezeigt haben. In einer großen Netzwerk-Metaanalyse, die mehr als
15.000 Studien einschloss, wird die-
Kein Risikofaktor für
Clarithromycin-Resistenz
Risikofaktor für
Clarithromycin-Resistenz
KANN
PPI-C-A/M (2 Wo > 1 Wo)
oder
Bismut-Quadrupel
SOLL
Bismut-Quadrupel
oder (wenn nicht verfügbar)
Non-Bismut-Quadrupel
SOLL
Zweite Linie
Bismut-Quadrupel
oder
PPI-Levo-Amox
Dritte Linie
PPI-Levo-Amox
Therapie basierend auf
Resistenztestung
Abb. 3: Algorithmus zur Therapie der Helicobacter-pylori-Infektion (nach 5)
ses Kriterium für die Standard-Tripel-Therapie über eine Woche mit
durchschnittlich 73 % nicht erfüllt
[17]. Etwas besser schneidet diese
Therapieform bei Verlängerung der
Therapiedauer auf 14 Tage ab
(81 %). Vierfachtherapien erzielen
dagegen zuverlässig Eradikationsraten im geforderten Bereich.
Wesentlicher Risikofaktor für das
Versagen der Standard-Tripel-Therapie ist die Resistenz von HP gegen
Clarithromycin. Klinische Prädiktoren für eine solche Resistenz sind
Herkunft aus Süd- bzw. Osteuropa
und die Vorbehandlung mit einem
Makrolid-Antibiotikum. In einer
solchen Situation sollte a priori eine
Vierfachtherapie erfolgen (E Abb.
3) [5]. In Betracht kommen eine Bismut-Quadrupel-Therapie (PPI + Bismut + Tetrazyklin + Metronidazol)
oder die Gabe eines PPI mit den drei
Antibiotika Amoxicillin, Clarithromycin und Metronidazol (konkomittierende Quadrupel-Therapie).
Die Zugabe von Bismut reduziert
das Therapieversagen bei vorhandenen Resistenzen [18]. Komplizierte Schemata, wie eine initiale Dualtherapie gefolgt von einer italienischen Tripel-Therapie (Sequentialtherapie) oder einer konkomittier-
enden Quadrupel-Therapie (Hybridtherapie) haben gegenüber den
anderen beiden Behandlungsregimen keine erkennbaren Vorteile.
Liegt keiner dieser beiden Risikofaktoren vor, kann als Primärtherapie noch die klassische PPI-TripelTherapie gewählt werden. Allerdings wird eine Verlängerung der
Therapiedauer auf 14 Tage empfohlen. Bei Therapieversagern
kommt, sofern nicht primär eingesetzt, eine Bismut-Quadrupel-Therapie in Betracht. Eine Alternative
ist eine Tripel-Therapie bestehend
aus PPI, Amoxicillin und Fluorchinolon (Levofloxacin, Moxifloxacin).
Führt auch diese empirische Strategie nicht zur Eradikation der Infektion, erfolgt eine individualisierte
Therapie auf der Basis einer Resistenztestung [5]. E Tab. 3 führt geeignete Protokolle zur Behandlung
der HP-Infektion im Erwachsenenalter auf. Im Kindesalter sind Resistenzen von HP häufiger und die medikamentösen Optionen begrenzt.
Aus diesem Grund sollte eine Therapie nur nach vorheriger Resistenzbestimmung erfolgen. PPI und die
Antibiotika Amoxicillin, Clarithromycin und Metronidazol werden
nach Körpergewicht dosiert [5].
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Therapiekontrolle
Prävention
Der Erfolg einer HP-Eradikationstherapie soll überprüft werden.
Zwischen Ende der Antibiotikatherapie und erneuter Testung sollen
mindestens vier Wochen liegen,
auch eine PPI-Therapie soll mindestens zwei Wochen beendet sein.
Grund für diese Empfehlungen ist,
dass bei ungenügendem Zeitabstand zu einer Vorbehandlung die
Wahrscheinlichkeit für falsch-negative Testergebnisse steigt. Die Reevaluation soll bei kompliziertem
Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi und
MALT-Lymphom endoskopisch erfolgen, in anderen klinischen Situationen sind ein 13C-Harnstoff-Atemtest oder ein monoklonaler StuhlAntigentest genügend [5].
Es gibt bisher keine gesicherten
Maßnahmen zur wirksamen Prävention der HP-Infektion. Im Tierversuch gelingt sowohl eine präventive als auch eine therapeutische
Immunisierung. In einer randomisierten, doppelblinden und plazebokontrollierten Studie mit über
4.000 Kindern konnte eine über
50 %ige Wirksamkeit der oralen
Vakzine über einen Zeitraum von
drei Jahren nachgewiesen werden
[19].
Das Reinfektionsrisiko ist in Ländern der westlichen Welt gering
(<1 % pro Jahr), sofern eine empfohlene Therapie adäquat durchgeführt und vier Wochen oder mehr
nach Beendigung der Therapie mit
geeigneten Methoden nach einer
Persistenz der Infektion gesucht
wurde. Dementsprechend wird eine routinemäßige Suche nach Reinfektionen auch nicht empfohlen.
Ausnahmen können Risikofaktoren
für eine Keimsuppression zum Zeitpunkt der Reevaluation (z. B. laufende PPI-Therapie) oder eine HPTherapie aus „vitaler“ Indikation
(z. B. kompliziertes Ulkus, MALTLymphom) sein [5].
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Fazit
Die HP-Infektion ist auch heute noch
in Deutschland ein relevantes Gesundheitsproblem. Es ist von ca. fünf
Millionen HP-Kranken und 20 Millionen HP-Trägern auszugehen. Die
2016 aktualisierte Leitlinie der Fachgesellschaften empfiehlt:
– eine Suche nach HP nur dann,
wenn auch eine Therapie im Falle
eines Keimnachweises erfolgt,
– als neue Option der Resistenzbestimmung die PCR aus Routinebiopsien,
– eine Therapie nur bei Nachweis einer aktuellen Infektion (Antikörpernachweis nicht genügend!),
– einen Paradigmenwechsel in der
Therapie: Quadrupel-Therapieschemata sind der neue Standard,
die bisherigen Tripel-Therapien
kommen bei Verlängerung der
Therapiedauer nur noch unter be-
stimmten Voraussetzungen in Betracht,
– eine obligate Überprüfung des
Therapieeffektes.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Joachim Labenz
Medizinische Klinik
Diakonie Klinikum
Jung-Stilling Krankenhaus
Wichernstr. 40
57074 Siegen
Email: [email protected]
Dr. med. Christian Labenz
1. Medizinische Klinik
Universitätsmedizin Mainz
Die Literaturstellen finden Sie auf:
www.cmextra.info
Prof. Dr. med.
Joachim Labenz
Dr. med.
Christian Labenz
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