ARTENSCHUTZBLATT - 1/6 Ophiogomphus cecilia (Fourcroy, 1785) - Gomphidae Grüne Keiljungfer Beschreibung Bei beiden Geschlechtern sind Kopf, Augen, Thorax und die Abdomensegmente 1 und 2 hellgrün mit schmaler schwarzer Zeichnung. Das Abdomen ist gelbschwarz gemustert, auf der Oberseite in Form gelber Keilflecken. Beim Männchen ist das Abdomenende stark keulenförmig verbreitert. Beim Weibchen ist das Abdomen dicker und am Ende nicht verbreitert. Ausgewachsene Larven und Exuvien sind ca. 3 cm lang und tragen auf den Segmenten 2-9 deutliche Rückendornen. An den Segmenten 6-9 sind schwach ausgebildete Seitendornen vorhanden. Die Fühler sind gleichmässig abgeflacht. Allgemeine Verbreitung und internationaler Status Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Mitteleuropa und Skandinavien bis nach Zentralasien. In West- und Südeuropa bestehen einige isolierte Vorkommen. Der europäische Verbreitungsschwerpunkt liegt in Osteuropa. In Mitteleuropa ist die Art heute nur noch lokal verbreitet. Die Art ist weltweit gefährdet, in Mitteleuropa stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Internationaler Status: Art, die in den Habitatsrichtlinien und der Berner Konvention erwähnt wird. Gerhard Vonwil, Oberdorfweg 3, CH-6043 Dietwil ARTENSCHUTZBLATT - Ophiogomphus cecilia (Fourcroy, 1785) - 2/6 Verbreitung und Status in der Schweiz O. cecilia war an den Flüssen im Mittelland vermutlich weit verbreitet. Aktuell sind nur noch Vorkommen an Reuss, Aare, Rhein, Limmat und den kleinen Flüssen, Lorze, Sarner Aa und Suhre bekannt. Die Vorkommen liegen in Tieflagen. Einzelne Beobachtungen abseits vom Wasser, aus mittleren Höhen bis 1300 Meter, betreffen wahrscheinlich Tiere während der Reifezeit. Eine intensive Exuviensuche an den 4 grossen Flüssen im Aargau ergab in den 1990-er Jahren, dass die Art noch an vielen Strecken vorkommt, wenn auch meistens nur in geringer Zahl. Mit Ausnahme der Reuss, die fast überall gut besiedelt ist, gibt es an den andern Flüssen nur lokal grössere Vorkommen. Eine gezielte Nachsuche an Flüssen im Mittelland, zur Hauptflugzeit im August oder während der Hauptschlupfzeit Ende Juni, würde zweifellos zur Entdeckung weiterer Vorkommen führen. Status in der Roten Liste: stark gefährdet. Gerhard Vonwil, Oberdorfweg 3, CH-6043 Dietwil ARTENSCHUTZBLATT - Ophiogomphus cecilia (Fourcroy, 1785) - 3/6 Ökologie und Verhalten Die Larvenentwicklung dauert 3-4 Jahre, vielleicht teilweise auch nur 2 Jahre. Die Larven leben überwiegend in grobsandigem Substrat vergraben. Als Lauerjäger bewegen sie sich wenig. O. cecilia schlüpft ab Juni bis Anfang August mit einer Spitze Ende Juni/Anfang Juli. Der Schlupf erfolgt direkt am Ufer, 3-30 cm über dem Wasser, seltener auch höher, bis etwa 100 cm. Die Exuvien sind an Pflanzen jeglicher Art, an bemoosten Steinen, im Feinwurzelgeflecht von Silberweiden und an anthropogenen Strukturen wie Brückenpfeilen zu finden. Nach der Reifezeit erscheinen die ersten Imagines ab Mitte Juli am Wasser. Die Hauptflugzeit liegt im August. Je nach Wassertemperaturen können sich diese Zeiten um mehrere Wochen verschieben. Die letzten Imagines werden noch bis Mitte Schlüpfenperiode Flugperiode Gerhard Vonwil, Oberdorfweg 3, CH-6043 Dietwil ARTENSCHUTZBLATT - Ophiogomphus cecilia (Fourcroy, 1785) - 4/6 Die adulten Männchen sitzen gerne auf besonnten kiesigen Ufern, Steinen oder liegenden Baumstämmen wie auch auf belaubten Zweigen, die über das Wasser ragen. Mit Blocksteinen oder gar Uferplatten hart verbaute Ufer können wohl als Sonnenplätze sehr attraktiv sein, bieten jedoch den Larven aufgrund der Strukturarmut und reissenden Strömung kaum Lebensraum. Die Weibchen verhalten sich offensichtlich heimlich und werden selten am Wasser beobachtet. Sie sind eher etwas abseits, z.B. auf Kieswegen oder Brachflächen zu finden. Die Eiablage wird selten beobachtet, sie erfolgt exophytisch über flach überströmten, sandigen oder kiesigen Stellen. Als Zusatzlebensraum sind für Imagines Bäume und Wald mit Lichtungen vermutlich wichtig. Hier verbringen sie vielleicht auch ihre Reifezeit in Baumkronen und hier finden möglicherweise Paarungen statt. Als typische Begleitart ist meistens Calopteryx splendens vorhanden. Daneben teilt O. cecilia ihren Lebensraum oft mit andern Gomphiden. O. cecilia besiedelt in der Schweiz die Mittelläufe grosser und kleiner Tieflandflüsse in der Barben- oder Aeschenregion. Typisch ist, dass alle besiedelten Flussstrecken unterhalb eines Sees liegen, was vermutlich auf Wasserführung und Temperatur eine ausgleichende Wirkung hat. Im Vergleich zu andern Gomphiden bevorzugt O. cecilia höhere Fliessgeschwindigkeiten und grobsandigeren Flussgrund. Exuvien werden jedoch konzentriert auch in den strömungsberuhigten Staustrecken von Flusskraftwerken gefunden, was vermutlich als Folge von Drift zu werten ist. Vorkommen am wenige Meter breiten Wiesenbächen, wie sie heute noch aus Deutschland bekannt sind, sind aus der Schweiz nur von früher gemeldet und gegenwartig erloschen. Die Ufer müssen sonnige Partien aufweisen. Gerhard Vonwil, Oberdorfweg 3, CH-6043 Dietwil ARTENSCHUTZBLATT - Ophiogomphus cecilia (Fourcroy, 1785) - 5/6 Oktober beobachtet. Gefährdung • • • • • • • Begradigung, Kanalisierung, harte Uferverbauungen. Flusskraftwerke, Herabsetzung der Fliessgeschwindigkeit. Reduktion des natürlichen Geschiebetransportes durch Kiesabsetzbecken, Ausbaggerung von Kiesbänken. Eutrophierung, Verschlammung des Gewässergrundes. Verwaldung der Ufer, Schattenwurf, Laubfall. Wellenschlag durch Boote während der Schlüpfperiode. Geschlüpfte Tiere werden ins Wasser gerissen. Badebetrieb an Stellen, die als Larvenlebensraum dienen. Massnahmen • • • • • • • • Renaturierung von Ufern, Beseitigung von Hartverbau, Förderung der Struktur- und Strömungsvielfalt. Schaffung besonnter Uferpartien, abschnittweise Uferbestockung pflegen und auslichten. Raum schaffen für breiteres Flussbett. Zulassen einer natürlichen Auendynamik mit Ufererosion, Ablagerung von Kiesbänken, umgestürzten Bäumen im Wasser. Reaktivierung des Geschiebetransportes, z.B. durch Aufheben von Kiesabsetzbecken, dosiertes Öffnen von Schleusen bei Stauwehren. Weitere Verbesserung der Wasserqualität, Schaffung von Pufferzonen längs der Ufer. Einschränkung der Schifffahrt während der Schlüpfperiode. Einschränkung des Badebetriebes an bevorzugten Larvenlebensräumen. Literatur BINOT-HAFKE, M., R. BUCHWALD, H.-J. CLAUSNITZER, H. DONATH, H. HUNGER, J. KUHN, J. OTT, W. PIPER, F.-J. SCHIEL & M. WINTERHOLLER (2000): Ermittlung der Gefährdungursachen von Tierarten der Roten Liste am Beispiel der gefährdeten Libellen Deutschlands - Projektkonzeption und Ergebnisse. Nartur und Landschaft 75 (9/10): 393-401. GRIMMER, F. & J. WERZINGER (1998): Grüne Keiljungfer Ophiogomphus cecilia (Fourcroy 1785). In: KUHN, K. & K. BURBACH (Hrsg.). Libellen in Bayern. Ulmer, Stuttgart: S. 114-115. Gerhard Vonwil, Oberdorfweg 3, CH-6043 Dietwil ARTENSCHUTZBLATT - Ophiogomphus cecilia (Fourcroy, 1785) - 6/6 LINIGER, E. (1881): Die Odonaten des bernischen Mittellandes. Mitteilungen der Schweizerischen EntomologischenGesellschaft 6: 215-230. MAIBACH, A. & C. MEIER (1987): Verbreitungsatlas der Libellen der Schweiz (Odonata) mit roter Liste. Documenta Faunistica Helvetiae 4. CSCF, Neuchatel, 229 S. MÜLLER O. (1995): Ökologische Untersuchungen an Gomphiden (Odonata: Gomphidae) unter besonderer Berücksichtigung ihrer Larvenstadien. Cuvillier, Göttingen: 234 S. MÜNCHBERG P. (1932): Beiträge zur Kenntnis der Biologie der Odonatenfamilie der Gomphidae. Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere 24: 704-735. SCHORR M. (1990): Ophiogomphus cecilia (Fourcroy, 1785) – Grüne Keiljungfer. In: SCHORR M. Grundlagen zu einem Artenhilfsprogramm Libellen der Bundesrepublik Deutschland. Ursus Scientific Publishers, Bilthoven: S. 196-201. STERNBERG, K., B. HÖPPNER, A. HEITZ, S. HEITZ (2000): Ophiogomphus cecilia (Fourcroy, 1785). In: STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (Hrsg.): Die Libellen Baden-Würtembergs, Band 2. Ulmer, Stuttgart, S. 391-403. SUHLING, F. & O. MÜLLER (1996): Die Flussjungfern Europas. Die Neue Brehm-Bücherei 628. Westarp Wissenschaften, Magdeburg: 237 S. VONWIL, G. & R. OSTERWALDER (1994): Kontrollprogramm NLS / Libellenfauna Reusstal 19881992. Grundlagen und Berichte zum Naturschutz 7. Baudepartement Aargau, Aarau: 82 S. Gerhard Vonwil, Oberdorfweg 3, CH-6043 Dietwil