Patienten werden schneller gesund, wenn Ärzte den Placebo

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Panorama
Der Landbote
Freitag, 10. Februar 2017
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Patienten werden schneller gesund, wenn
Ärzte den Placebo-Effekt gezielt einsetzen
gen: Du erhältst jetzt ein Zaubermittel und reist auf einem fliegenden Teppich ins Traumland.
Oft ist der Einsatz von Placebos
aber ethisch fragwürdig. Das wäre
zum Beispiel dann der Fall, wenn
ein Arzt seinem Patienten Pillen
ohne Wirkstoff verabreichen würde, ihn aber glauben macht, es
handle sich um ein richtiges Medikament. «Man sollte die Patienten
nicht täuschen, ihnen falsche
Hoffnungen machen oder eine
wirksame Behandlung vorenthalten», warnt Krummenacher. Gemäss einer Umfrage der Universität Zürich behelfen sich viele
Hausärzte deswegen mit sogenannten Pseudoplacebos: Sie verschreiben harmlose Mittel wie etwa Vitaminpräparate oder Salben.
Damit kommen sie dem Wunsch
vieler Patienten nach einem Medikament nach. Gleichzeitig erzielen sie in der Regel einen therapeutischen Erfolg. Denn auch
wenn bei den jeweiligen Beschwerden des Patienten die Wirkung des Mittels nicht nachgewiesen ist, tritt der Placebo-Effekt ein
und kann so den Heilungsverlauf
günstig beeinflussen.
MEDIZIN Wie Ärzte mit
ihren Patienten sprechen, hat
grossen Einfluss auf den
Behandlungserfolg. Das lässt
sich gezielt nutzen, um Nebenwirkungen zu vermeiden und
Therapiekosten zu senken.
Um ihren Haarausfall zu behandeln, wünschte sich die Patientin
ein bestimmtes Aufbaupräparat
auf natürlicher Basis. Bei ihrer
Schwester habe das Mittel gut gewirkt. Für die behandelnde Ärztin
Kai Berger war das eine schwierige
Situation: Die Wirksamkeit des
Produkts ist wissenschaftlich
nicht erwiesen. «Ich musste versuchen, meine Meinung zurückzuhalten», sagt Berger. Denn ihr
ist bewusst: Je mehr jemand an ein
Mittel glaubt, desto besser wirkt
es. Diesen Placebo-Effekt wollte
Berger unterstützen. Da die Frau
nicht wegen einer ernsthaften Erkrankung Haare verlor, hielt die
Ärztin es für verantwortbar, ihrem
Wunsch zu entsprechen. «Wenn
das Ihrer Schwester geholfen hat,
finde ich es eine gute Idee», beschied sie ihr und stellte ein Rezept aus. Nun versuchte es die Frau
zunächst mit diesem Präparat.
Placebo­Effekt ist Teil
jeder Behandlung
«Erwartungen und Befürchtungen der Patienten spielen eine
wichtige Rolle dabei, wie gut eine
Behandlung wirkt», sagt der Zürcher Neurowissenschaftler Peter
Krummenacher. Er befasst sich
seit langem mit dem Placebo-Effekt. Dabei handelt es sich um
körperliche Reaktionen auf Mittel, die keinen Wirkstoff enthalten. Zahlreiche Studien haben
gezeigt, wie stark Menschen auf
Suggestion ansprechen. So konnten Forscher etwa nachweisen,
dass teilweise dieselben Hirnareale aktiv sind, wenn jemandem statt eines starken Schmerzmittels ein Scheinmedikament
ohne Wirkstoff verabreicht wird.
Doch nicht nur Tabletten, sondern auch Scheinbehandlungen
und sogar die Art und Weise, wie
Ärzte kommunizieren, können
eine Placebo-Reaktion auslösen.
Einfühlsam kommunizieren: Geschichten helfen, um Kindern die Angst vor der Behandlung zu nehmen.
Das spielt auch in der Praxis
eine Rolle: «Der Placebo-Effekt ist
auch bei den meisten wissenschaftlich erprobten Behandlungen stets Teil der Wirkung», sagt
Neurowissenschaftler Krummenacher. Bereits die Erwartung, dass
ein Mittel heilt, führe zur Ausschüttung körpereigener Stoffe
wie etwa schmerzlindernder Endorphine. «Wenn Fachleute diese
Vorgänge geschickt nutzen, müssen sie weniger Medikamente verabreichen. Das senkt sowohl die
Nebenwirkungen als auch die
Therapiekosten.»
Um die Erkenntnisse aus der
Wissenschaft in die Praxis umzu-
setzen, hat Krummenacher die
Firma Brainability gegründet. Mit
dieser bietet er Workshops für
Fachleute wie Ärzte, Pflegende
und Apotheker an. Sie lernen, wie
sich mit geeigneter Kommunikation die Genesung fördern lässt.
«Viele Ärzte können ihre Behandlung verbessern, indem sie empathisch sind, auf Befürchtungen
der Patienten eingehen sowie
Worte, Mimik und Gestik bewusst
einsetzen», sagt Krummenacher.
Insbesondere bei Kindern
spielt es eine grosse Rolle, wie ihnen eine bestimmte Behandlung
erklärt wird. Krummenacher hat
kürzlich die weltweit erste Place-
bo-Studie an gesunden Kindern
abgeschlossen. Gemeinsam mit
Kollegen konnte er zeigen, dass
Sechs- bis Neunjährige weniger
hitzeempfindlich sind, wenn man
ihnen eine blaue Salbe ohne
Wirkstoff auf den Arm streicht.
Ein Gerät auf dem Unterarm der
49 Probanden wurde stetig wärmer. Die Kinder konnten einen
Stoppknopf drücken, sobald es
ihnen zu heiss wurde.
Suggestion senkt das
Schmerzempfinden
Der einen Gruppe sagten die Forscher, die blaue Salbe sei nötig,
um die Hitzeempfindlichkeit ge-
iStock
nauer zu messen. Den Kindern
der zweiten Gruppe suggerierten
sie hingegen eine stark schmerzstillende Wirkung. Daraufhin
hielten diese höhere Temperaturen aus. «Die Ergebnisse waren
eindrücklich», sagt Krummenacher. Der Effekt sei zudem klarer ausgefallen als bei ähnlichen
Studien mit Erwachsenen. «Kinder haben viel Fantasie und sind
empfänglich für Geschichten.»
Dies könnten sich etwa Anästhesisten zunutze machen, um kleinen Patienten die Angst vor einer
Operation zu nehmen. Zum Beispiel, indem sie ihnen beim Verabreichen des Narkosemittels sa-
Angst vor Nebenwirkungen
kann krank machen
Neben dem positiven Placebo-Effekt kann es durch Fehler in der
Kommunikation aber auch zu
schädlichen Effekten kommen.
Wenn Ärzte beispielsweise sämtliche mögliche Nebenwirkungen
eines Medikaments aufzählen,
verunsichern sie ihre Patienten.
Dennoch sind sie zu einer sorgfältigen Aufklärung über Risiken verpflichtet. Ein Dilemma, das Ärztin
Kai Berger gut kennt. Etwa, wenn
sie Frauen über mögliche Komplikationen der Verhütungspille informieren muss. Dann versucht sie
ihnen die Angst zu nehmen, indem
sie erklärt, wie selten Thrombosen
bei gesunden, jungen Nichtraucherinnen ohne familiäre Vorbelastung sind. Trotz hoher Arbeitsbelastung will sich die Ärztin dafür
Zeit nehmen. Denn sie weiss: «Für
den Behandlungserfolg ist eine
sorgfältige Kommunikation entscheidend.»
Andrea Söldi
Pflanzen erkennen Kleiner
exotische Feinde
Raubfisch
mit grosser
Klappe
ÖKOLOGIE Indem sie Duftstoffe absondern, wehren sich
Pflanzen gegen schädliche
Insekten und Schnecken.
Dabei können sie sogar
zwischen einheimischen
und exotischen Angreifern
unterscheiden.
Pflanzen werden von vielen verschiedenen Schädlingen befallen,
beispielsweise von Läusen oder
Raupen. Um sich zu verteidigen,
wenden die Pflanzen einen Trick
an: Sie senden bestimmte Duftstoffe aus. Diese locken weitere
Tiere an, welche den Schädling
bekämpfen sollen. Fressen beispielsweise Schmetterlingsraupen an ihren Blättern, lockt die
Pflanze gezielt Schlupfwespen
an. Diese legen ihre Eier in die
Raupen und töten sie dadurch.
-
hoden,
rscher
.
PRODUKTION
Scitec-Media GmbH,
Agentur für Wissenschatsjournalismus
Leitung: Beat Glogger
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Twitter: @scitec_media, Facebook: @wissen.news
Welche Duftstoffe Pflanzen
genau ausstossen, haben nun
deutsche und niederländische
Wissenschaftler untersucht. Sie
liessen zehn verschiedene
Schädlinge, darunter Raupen,
Blattläuse und Schnecken, auf
Testpflanzen los. Dabei verwendeten sie verschiedene Arten von
Schädlingen: Einige waren einheimisch, andere stammten aus
exotischen Ländern. Anschliessend analysierten die Forscher,
bei welchem Schädling die Pflanze welchen Duft verströmte.
Individuell abgestimmt
Das Ergebnis: Je nach Schädling
waren die Düfte verschieden. Die
Pflanzen waren demnach in
der Lage, die Angreifer auseinanderzuhalten. Ausserdem sonderten sie bei den exotischen Schädlingen andere Düfte ab als bei
den einheimischen. Die Pflanzen
erkannten also selbst solche
Arten, mit denen sie normalerweise nicht in Kontakt kommen.
Wie ihnen das gelingt, ist bisher
noch nicht bekannt.
Sheila Eggmann
Der Barten­Drachenfisch kann Beutetiere verspeisen, die so gross sind
wie er selbst. Dafür muss er sein Maul ganz weit aufsperren können. Wie
er das schafft, haben französische und amerikanische Forscher nun entdeckt. Indem sie wie bei diesem Exemplar das Skelett einfärbten, fanden
sie eine anatomische Besonderheit: Im Gegensatz zu anderen Fischarten
sind bei einigen Barten-Drachenfischarten Kopf und Wirbelsäule nicht
direkt miteinander verbunden. Stattdessen verfügen sie über eine Art
zusätzliches Gelenk, dank dem sie ihr Maul bis zu 120 Grad weit aufreissen können. Zusammen mit den scharfen Zähnen macht das die
Raubfische äusserst erfolgreich. ahe / Nalani Schnell, mnhn
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