Tabuthema Prostata

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Tabuthema Prostata
Stand 17. März 2011 – Sendung im MDR
Wenn es im Bett nicht rund läuft, der Toilettengang zur Qual wird oder der Unterleib schmerzt,
dann haben Männer möglicherweise ein Problem mit der Prostata. Dazu die unterschwellige
Angst vor einem Tumor, dem "Männerkrebs" schlechthin. Frust statt Lust !
Die Prostata liegt am Ausgang der Harnblase und umhüllt die Harnröhre. Sie produziert ein
mineralstoffreiches Sekret, das die Samenzellen ernährt und schwimmfähig macht. Dafür verdünnt es
die zähe samenhaltige Flüssigkeit, die aus Samenleitern und -blasen kommt. Ein Bestandteil dieser
Verdünnung ist das Protein PSA (Prostata-Spezifisches Antigen), das für die Früherkennung von
Krebs genutzt werden kann. Bevor es beim Sex zum Samenerguss kommt, sorgt die muskulöse
Prostata für Lustgefühle, indem sie gemeinsam mit Harnleiter und Beckenboden pulsiert. Manche
verstärken diesen Effekt durch gezielte Massage.
Im Normalzustand ist die Drüse so groß wie eine Kastanie, vergrößert sie sich, drückt sie den
Blasenhals regelrecht ab, es entstehen Probleme beim Wasserlassen. Der Harn tröpfelt, Restharn
bleibt in der Blase. Es entsteht das Gefühl ständig "müssen" zu müssen. Meistens sind solche
Probleme harmlos und vor allem eine reine Alterserscheinung: bei 80-Jährigen gibt es kaum
jemanden ohne vergrößerte Prostata. Das Gewebewachstum in der Prostata kann aber auch Krebs
bedeuten, der häufigste Tumor des Mannes. Jährlich erkranken rund 64.000 Männer daran. Und eine
weitere, eher seltene, Erkrankung hängt mit der Geschlechtsdrüse zusammen, die Prostatitis, eine
chronische Entzündung.
Prostatitis – der Fall Heiner G.
Entzündet sich die Prostata, führt das zu unbestimmten Schmerzen im Unterleib und wird häufig mit
einer Harnblasenentzündung verwechselt. Betroffen sind vor allem jüngere Männer. Wird die
Prostatitis chronisch, führt sie zu Problemen mit der Potenz. Heiner G., 52 Jahre, leidet darunter und
sprach deshalb mit „Hauptsache Gesund“.
Das Gesprächsprotokoll:
"Meine Frau wollte unbedingt, dass ich zum Urologen gehe, weil ich nachts öfter raus musste auf
Toilette und weil ich keine Lust auf Sex hatte. Sie fand, dass unsere Beziehung daran kaputt geht.
Dann hat sie einfach einen Termin gemacht. Mir war gar nicht wohl dabei. Man weiß ja: Es könnte
auch Krebs sein.“
Ich erzählte dem Urologen, dass ich schon vor vielen Jahren Schmerzen am After- und Genitalbereich
hatte, dazu hohes Fieber. Mit einem Antibiotikum vom Hausarzt ging es wieder weg. Seit damals habe
ich einen Druck am Damm und auch ein Ziehen in der Harnröhre. Ich habe dann alle Untersuchungen
mitgemacht. Der Arzt sagte mir: kein Krebs, sondern eine chronische wiederkehrende Entzündung,
Prostatitis."
Heiner G.:
Typisch dafür ist eine vorausgegangene akute bakterielle Infektion, die nicht entsprechend behandelt
wurde und dann chronisch wird. Die ständige Anwesenheit von Symptomen im Bereich dieses
wichtigen Sexualorgans berührt auch die Identität vieler Männer. Deshalb läuft die Behandlung oft
zweigleisig: Die bakterielle Entzündung wird mit Antibiotika behandelt. Begleitsymptome lassen sich
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mit Schmerzmitteln, Antidepressiva und Potenzmitteln lindern. Außerdem empfiehlt es sich,
Entspannungstechniken zu erlernen.
Tipps von Dr. Anke Görgner
Mit Dampf entspannen
Prostatitis führt die Betroffenen häufig in einen Teufelskreis: Weil der Unterleib schmerzt, fühlen sie
sich angeschlagen und kraftlos, fürchten um ihre Potenz. Diese Fokussierung auf die Schmerzen
schlägt sich wiederum auf die Prostata nieder, der Unterleib "verkrampft" sinnbildlich. Ausgiebige
Dampfbäder mit anschließenden Leibwickeln entspannen und können Entzündungen kurieren.
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Für das Dampfbad
Eine handvoll Kamillenblüten mit
zwei Litern kochendem Wasser überbrühen
Topf in das Toilettenbecken stellen
Achtung: vorher Tuch oder Schwamm unterlegen, damit das Porzellan nicht springt
Auf der Toilette Platz nehmen und Dampf 20 min wirken lassen
Der Dampf sorgt für eine tiefe Durchblutung des Gewebes, entkrampft die Muskulatur und hemmt
Entzündungen. Außerdem wirken die ätherischen Öle der Kamille entzündungshemmend. Sie sind
dampflöslich und dringen durch Haut und Darmöffnung zumindest in die Nähe der Prostata vor.
Abschließend empfiehlt sich das Ruhen mit einem Leibwickel.
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Für den Leibwickel
Ein großes Leinentuch durch eiskaltes Wasser ziehen und auswringen
Das kalte nasse Tuch um den Leib wickeln
Eine zweite trockene Lage Leinen als Trenner anlegen
Mit warmem Tuch oder Decke abschließen
eine Stunde ruhen
Durch langsame Erwärmung des Körpers entspannt auch das Prostatagewebe. Der Wickel wirkt
schmerzlindernd. Um auch den Damm, also die Verbindung zwischen After und Harnleiter, tief zu
erwärmen, gibt es speziell geformte T-Wickel, die mit Windeln zu vergleichen sind.
Vergrößert aber gutartig
Ungefähr ab dem 45. Lebensjahr vergrößert sich die Prostata und verursacht typische Beschwerden.
Im Alter von 80 Jahren hat jeder Zweite eine solche Benigne Prostata-Hyperplasie, BPH, die sich in 3
Stadien einteilen lässt:
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Stadium 1: die vergrößerte Prostata engt die Harnröhre leicht ein. Der Urinabfluss ist möglich,
aber verlangsamt sich.
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Stadium 2: die vergrößerte Prostata engt die Harnröhre so weit ein, dass der Urin verzögert
und nicht mehr vollständig aus der Blase abläuft.

Stadium 3: die vergrößerte Prostata verschließt die Harnröhre fast vollständig. Es entsteht ein
gefährlicher Rückstau in der Blase. Schlimmstenfalls droht der komplette Harnröhrenverschluss.
Außerdem leiden die Nieren. Bei einer fortgeschrittenen Prostatavergrößerung reichen
Medikamente nicht mehr aus, eine Operation ist notwendig.
Medikamentöse Hilfe
Apotheker Friedemann Schmidt empfiehlt pflanzliche Mittel zur Linderung von Prostatabeschwerden.
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Vergrößert, aber beschwerdefrei muss die Prostata nicht behandelt werden. Ratsam sind jedoch
regelmäßige Kontrollen beim Urologen. Kommen Beschwerden hinzu, gibt es verschiedene
medikamentöse Möglichkeiten, mittels zweier Wirkstoffgruppen. Alpha-Blocker entspannen die
Muskeln in Harnröhre und Prostata und lindern dadurch Beschwerden. 5-Alpha-Reduktasehemmer
greifen in Wachstumsprozesse der Drüse ein, können sie sogar verkleinern. Auch pflanzliche Mittel
eignen sich zur Behandlung der BPH.
Tipps von Apotheker Friedemann Schmidt: Pflanzliche Wirkstoffe
Sie werden von vielen Patienten nachgefragt, obwohl sie selbst bezahlt werden müssen. Und sie
eignen sich insbesondere dann, wenn chemische Wirkstoffe wegen der erheblichen
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten von den oft älteren Patienten nicht gewünscht werden.
Gute Wirkungsnachweise liegen für drei in Deutschland verfügbare pflanzliche Mittel vor: Extrakte aus
Sägepalmenfrüchten, aus Roggenpollen, sowie ein Stoffgemisch aus der Hypoxiswurzel, einer
spargelartigen Pflanze, welches als Phytosterol, früher auch als Sitosterin, bezeichnet wird.
Man nimmt an, dass zumindest ein Teil der Wirkung auf die hormonähnlichen Strukturen der
Pflanzenbestandteile zurückzuführen ist. Eine Verkleinerung der vergrößerten Prostata tritt übrigens
nicht ein, trotzdem bessern sich die Beschwerden. Hinzu kommt ihre extrem gute Verträglichkeit auch
bei langer Anwendungsdauer.
Krebsvorsorge fürs Überleben
Risikofaktoren für die Ausbildung eines Prostatakrebses sind:
Krebsfälle in der Familie, besonders Prostatakrebs bei den männlichen oder Brustkrebs bei
den weiblichen Vorfahren

Schwarze Hautfarbe

Generell empfehlen Krebsexperten jedem – auch ohne diese Risikomerkmale – regelmäßige
Früherkennungsuntersuchungen ab dem 40. Lebensjahr. Denn auch dieser Tumor schmerzt, wie alle
anderen Krebsarten, anfangs nicht. Die Krebs-Beschwerden gleichen denen, die eine gutartige
Vergrößerung verursacht und nur selten gibt es deutliche Anzeichen wie Blut im Samenerguss. Wird
Prostatakrebs früh erkannt, gibt es meistens gute und erfolgreiche Möglichkeiten ihn zu bekämpfen
und das Leben zu verlängern.
Reizwort: Tastuntersuchung
Sie ist vielen peinlich, aber sie ist die klassische Methode. Dabei fährt der Arzt mit seinem Finger in
den Enddarm und ertastet durch die Darmwand das kleine Drüsenorgan. Er fühlt, wie weich und
nachgiebig das Gewebe ist oder ob es sich hart anfasst, was auf Tumorwachstum schließen lässt.
Aber diese Untersuchung ist unzuverlässig. Denn erstens lässt sich nur eine Hälfte der Prostata
kontrollieren, nämlich die dem Darm zugewandte und zweitens deuten Gewebeveränderungen auf
einen bereits fortgeschrittenen Tumor hin.
Wer profitiert vom PSA-Test?
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen jedem ab 45 Jahren eine jährliche Untersuchung der Prostata
per Tastuntersuchung. Viel feiner ist jedoch ein PSA-Test. Die Höhe der gemessenen Konzentration
bestimmt, ob weitere Untersuchungen, zum Beispiel eine Gewebeprobe, nötig sind.
Der PSA-Test ist umstritten, weil das Hormon natürlicherweise schwankt. Normales und altersbedingtes Wachstum erhöhen die Konzentration, aber auch Entzündungen oder Bewegung wie Fahrradfahren. Es kann durch den Test also zu falschen Krebswarnungen kommen – aber auch zu falscher Entwarnung. Dennoch halten Krebs-Experten diesen Test für das derzeit beste diagnostische
Mittel.
Die Leitlinie zur Behandlung von Prostatakrebs empfiehlt eine differenzierte, individualisierte Strategie
für die Früherkennung:

Bei 40-Jährigen sollte der Wert einmalig kontrolliert werden

Ausgehend von dieser Basismessung folgen weitere jährliche Messungen

Steigt der Wert um mehr als 0,5 ng/ml jährlich an, wird eine Gewebeprobe empfohlen

Männer mit oben genannten Risikofaktoren werden häufiger untersucht

Eine Ausnahme bilden die Über-70-Jährigen, denn wenn sich ein Krebs in ihrem Alter noch
nicht bemerkbar gemacht hat, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Mann daran stirbt.
Früherkennung erscheint da also nicht sinnvoll.
Ein Tipp: Um die Werte aus verschiedenen Messungen sinnvoll vergleichen zu können, sollten sie am
Besten mit stets derselben Methode im Labor bestimmt worden sein. Es gibt nämlich über 80 ver-
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schiedene Messvarianten dafür. Also vom Arzt nicht nur den PSA-Wert abfragen, sondern auch, wie
dieser zustande gekommen ist. Der PSA-Test ist selbst zu bezahlen und kostet rund 25 Euro.
Prostatakrebs behandeln
Steht die Diagnose Prostatakrebs zweifelsfrei fest, geht es um die richtige Behandlung. Etliche
Methoden stehen zur Verfügung: Kältetherapie, spezieller Ultraschall oder eine Strahlentherapie.
Auch Beobachten und Abwarten ist eine Option, solange der Krebs nicht aggressiv ist. Eine klassische
Methode der Krebstherapie ist das vollständige Entfernen des Tumors, am besten, wenn er noch
scharf abgegrenzt ist und nicht gestreut hat. Dabei bewegen sich die Operateure in einem heiklen
Gebiet, denn die Drüse ist von Nerven und Muskeln umgeben. Werden sie oder die Harnröhre
verletzt, kann die OP Inkontinenz verursachen oder auch Impotenz. Zum Glück verbessern sich die
OP-Verfahren und ermöglichen heute auch schonende Behandlung.
Leben mit Prostatakrebs: Der Fall Rüdiger B.
Sieben Jahre ist es inzwischen her, dass Rüdiger B. die Prostata wegen eines Karzinoms entfernt
werden musste. "Als man mir die Diagnose mitteilte, hatte ich erst mal das Gefühl, mir wird der Boden
unter den Füßen weggezogen und ich falle in ein tiefes Loch." Wenige Monate nach der Entfernung
seiner Prostata wurde festgestellt, dass der Krebs bereits gestreut hatte. Mit einer Hormontherapie
wird seitdem versucht, das Wachstum der Krebszellen aufzuhalten – mit entsprechenden
Nebenwirkungen, die Knochendichte wird weniger, der Hormonhaushalt gerät aus dem Tritt.
Die Prostataentfernung wirkt sich auch auf die Sexualität aus. Die Zeugungsunfähigkeit wegen der
fehlenden Samenblasen belaste ihn in seinem Alter weniger, sagt der 65-Jährige, aber auch mit dem
Sex ist nach der OP alles anders.
"Sie haben noch eine Erektion, es gibt ja heutzutage Hilfsmittel, Viagra, Spritzen in den Penis oder
eine Pumpe … Aber es ist eben nicht der Sex, den Sie immer hatten. Wenn man seine Partnerin mal
streichelt oder in den Arm nimmt, das ist auch Sexualität – eine andere als vorher – aber man kann
Sexualität erleben und Freude daran haben."
Rüdiger B.
Den offenen Umgang mit seiner Krankheit hat Rüdiger B. in der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs Halle/
Saale gelernt. Jetzt gibt er dort seine Erfahrungen weiter.
"Mir macht das Leben Spaß. Ich will mindestens noch 20 Jahre leben. Und die sind trotz dem
Prostatakrebs lebenswert. Nicht die Krankheit bestimmt mein Leben, sondern mein Leben bestimme
ich selber."
Das Aus für guten Sex ?
Sexualität anders erleben
Prostataprobleme können das Sexualleben grundlegend ändern. Die Männer erleben Potenzprobleme
und Erektionsstörungen, denn nach Drüsenentfernung können sie nicht mehr ejakulieren. All das kann
Beziehungen belasten, bietet aber auch die Chance, eingefahrene Gewohnheiten zu ändern und die
sexuelle Spielbreite zu erweitern. Dafür können betroffene Männer sich gemeinsam mit ihrer Frau
beraten lassen. Selbsthilfegruppen aber auch Sexualtherapeuten bieten sich dafür an.
Aber wie kann der Sex wieder gut werden? Zum einen eignen sich Partnerübungen, um sich neu
kennenzulernen. Dabei streichelt sich das Paar, ohne sich auf eine Erektion zu konzentrieren. In
mehreren Schritten vertiefen sich die Zärtlichkeiten, bis auch Erektion, Geschlechtsverkehr und
Orgasmus wieder einbezogen werden. Dadurch ändert sich der Genuss am Sex, wird weg vom
leistungsorientierten und erfolgsfixierten Ablauf hin zur spielerischen Erfüllung verschoben. Das hilft
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vor allem Männern, die mit hoher Erwartungsangst leben, an ihrer Männlichkeit zweifeln, sich auf ihren
Unterleib fixieren.
Für die Behandlung von körperlichen Problemen wie bei Krebstherapie oder nach Prostataentfernung
bieten sich weitere Möglichkeiten an.
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Kleines Glossar der Potenzmittel
PDE-Hemmer (Phosphodiesterase-Hemmer): klassische Pillen, unterstützen die natürlich
ausgelöste Erektion. Herzkranke sollten vorher ihre Belastbarkeit testen lassen!

SKAT (Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie): per Spritze verabreichter Wirkstoff Alprostadil,
wirkt direkt am Penis, unabhängig von Erektion. Wenn PDE-Hemmer nicht wirken oder sie aus
gesundheitlichen Gründen nicht eingenommen werden dürfen.
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MUSE (medikamentöses urethrales System zur Erektion): Wirkweise wie SKAT, aber durch
ein Mini-Zäpfchen ausgelöst, das in die Harnröhre eingeführt wird.
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Vakuumpumpe: Plexiglaszylinder mit mechanischer oder motorgetriebener Pumpe, der Penis
wird durch Unterdruck im Zylinder steif, ein Gummiring verhindert, dass Blut aus den
Schwellkörpern wieder abfließt.
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Penisimplantat: ein geschlossenes hydraulisches System aus Flüssigkeitsspeichern und
Schläuchen, das operativ in Penis, Unterbauch und Hodensack implantiert wird. Die künstlichen
Schwellkörper füllen sich auf Knopfdruck. Implantation erst dann ratsam, wenn andere
Möglichkeiten versagen.
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