Erläuterungen

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Hinweiskarte der potentiellen Permafrostverbreitung
in der Schweiz
Erläuterungen
Erläuterungen zur Hinweiskarte der potentiellen Permafrostverbreitung in der Schweiz, 1:50’000
Herausgeber:
Bundesamt für Umwelt (BAFU)
Kartenerstellung:
Projektidee, Konzept, Modellierungen und Kartenerstellung
GEOTEST AG: Bernhard Krummenacher, Robert Pfeifer
Geo7 AG: Peter Mani, Gabi Hunziker
Academia Engiadina: Felix Keller
Projektleitung:
GEOTEST AG
Begleitteam:
Universität Zürich: Wilfried Haeberli, Stephan Gruber, Martin Hölzle
PERMOS: Daniel Vonder Mühll
NDR Consulting: Markus Zimmermann
GEOTEST AG: Hans-Rudolf Keusen
BAFU: Andreas Götz, Hugo Raetzo
Begleittext:
Stephan Gruber, Wilfried Haeberli, Bernhard Krummenacher,
Felix Keller, Peter Mani, Gabi Hunziker, Martin Hölzle,
Daniel Vonder Mühll, Markus Zimmermann,
Hans-Rudolf Keusen, Andreas Götz, Hugo Raetzo
Vertrieb:
Die Karten sind auf der Homepage des BAFU
www.bafu.admin.ch online einsehbar
Copyright:
Bundesamt für Umwelt (BAFU)
Ohne Einwilligung des BAFU dürfen die Karten nicht kopiert und an
Dritte abgegeben werden.
Die Rechte für die Methoden zur Erstellung der Hinweiskarten
liegen bei der ARGE GEOTEST, Geo7, Academia Engiadina
Datum:
Oktober 2005
Kurztitel:
Zitiervorschlag:
Hinweiskarte der potentiellen Permafrostverbreitung Schweiz
Bundesamt für Umwelt, 2005: Hinweiskarte der
potentiellen Permafrostverbreitung in der Schweiz
Titelbild:
Potentielle Permafrostverbreitung in 6 Klassen; Ausschnitt aus dem
Kartenblatt 268-Julierpass, (Darstellung unmassstäblich)
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1. Einleitung
Permafrost ist in den Alpen weit verbreitet und kann die Stabilität von Bauwerken
sowie Naturgefahrenprozesse massgeblich beeinflussen. Der derzeitige und prognostizierte Klimawandel sowie eine zunehmende Anzahl von Bauten im Hochgebirge werden deshalb verstärkt zu Problemen und Kosten führen, die im Zusammenhang mit Permafrost stehen. Eine frühzeitige Abschätzung dieser Probleme ermöglicht deren Berücksichtigung bei der Planung, beim Bau und beim Unterhalt von Infrastruktur im Gebirge und hilft damit, die resultierenden Kosten auf ein Minimum zu
reduzieren.
Das Ziel der Hinweiskarte ist die Bereitstellung einer einheitlichen Basis für die Beurteilung der Permafrostverbreitung im schweizerischen Alpenraum (siehe Abb. 1).
Auf dieser Basis können Entscheide über die Notwendigkeit von detaillierteren Untersuchungen gefällt und diese gezielter und effizienter ausführt werden. Ausgehend
von den Permafrostgebieten können auch die im Gebirge häufigen Naturprozesse
Felssturz und Murgang zu erheblichen Gefährdungen führen. Dazu wurden im
Rahmen der Erstellung der vorliegenden Hinweiskarten in zwei Testgebieten entsprechende Modellierungen durchgeführt (siehe Kap. 3).
Als Benutzer des Kartenwerks kommen vorwiegend Personen in Frage, die sich mit
der Thematik Permafrost und Naturgefahren aus beruflichen Gründen im Bereich
der verantwortlichen Behörden beim Bund, den Kantonen und Gemeinden befassen
oder Ingenieure und Naturwissenschaftlerinnen, die mit dem Bauen im Hochgebirge
oder mit der Beurteilung von Naturgefahren betraut sind. Studierenden dient das
Kartenwerk als Grundlage für verschiedene Detailstudien (© siehe Impressum).
Abb. 1:
Raster der Blatteinteilung der Landeskarten 1:50'000, rot hinterlegt sind die modellierten Hinweiskarten der potentiellen Permafrostverbreitung. Die Testgebiete mit den Prozessmodellierungen Sturz
und Murgang sind blau umrandet
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2. Definition und Verbreitung von Permafrost
Permafrost ist Untergrundmaterial wie Fels oder Schutt, dessen Temperatur ganzjährig unter null Grad Celsius liegt (Gletscher zählen demzufolge nicht zum Permafrost). Permafrost liegt unter einer im Sommer oft mehrere Meter mächtigen Auftauschicht, die im jahreszeitlichen Wechsel positive und negative Temperaturen
aufweist. Aufgrund seiner Lage unter dieser Auftauschicht ist Permafrost an der
Oberfläche direkt weder sicht- noch messbar. In den Alpen hat Permafrost unmittelbar unter der Auftauschicht mittlere Jahrestemperaturen von wenigen Grad unter
dem Gefrierpunkt und entsprechende Mächtigkeiten von zehn bis zu mehreren hundert Metern. Sein Vorkommen und seine Eigenschaften werden in erster Linie durch
Klima, Topographie und Untergrundeigenschaften bestimmt, was zu einer räumlich
sehr unterschiedlichen Verteilung führt. Schutthalden, Moränen und Felswände
können Permafrost enthalten. Aktive Blockgletscher sowie Eiswände und Hängegletscher sind sichtbare Indikatoren von Permafrost (Abb. 2). Oberhalb der Waldgrenze muss generell mit Permafrost gerechnet werden, eine detailliertere, flächenhafte Abschätzung der Permafrostverbreitung ist jedoch nur mit Hilfe von Computermodellen möglich. Dies wurde in der vorliegenden „Hinweiskarte der potentiellen
Permafrostverbreitung in der Schweiz“ realisiert.
Abb. 2: Aktiver Blockgletscher im Val Muragl (links) und Eiswände/Hängegletscher am Piz Rosegg
als Zeigerphänomene für Permafrost (Photos: C. Rothenbühler).
Permafrost ist ein thermisches Phänomen und reagiert daher sensibel auf Klimaveränderungen. Auch Bauwerke und andere menschliche Eingriffe verändern Oberflächenbedingungen und damit die Permafrostverhältnisse lokal.
3. Praktische Relevanz von Permafrost
Nahezu alles Bodenmaterial enthält Wasser und verändert damit seine Eigenschaften mit dessen Aggregatzustand. Dies betrifft vor allem die geotechnischen Eigenschaften (Wasserdruck, innere Reibung, Kohäsion) des Untergrunds und damit
die Stabilität von Baugrund oder Bergflanken. Die Erwärmung oder Degradation von
Permafrost kann daher zu Problemen mit Bauwerken oder zur Entwicklung von
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neuen, bisher nicht bekannten Naturgefahren-Potenzialen (Felsstürze, Murgänge)
führen (Abb. 3). Eisübersättigtes Lockermaterial zeigt oft ein langsames talwärts gerichtetes Kriechen und kann so auch ohne eine Temperaturänderung besondere
Konstruktionstechniken erfordern. Aus diesen Gründen ist es für die Planung und
den Unterhalt von Infrastrukturanlagen im Hochgebirge wichtig, das Vorkommen
von Permafrost zu erkennen und die damit verbundenen möglichen Probleme frühzeitig abschätzen und berücksichtigen zu können. Die Unsichtbarkeit von Permafrost führte bisher oft zu dessen Vernachlässigung und damit langfristig zu unnötig hohen Kosten und Risiken.
Abb. 3: Felssturz im Sommer 2003 (links, Photo: D. Kaufmann) und Eis sichtbar im Anriss eines
Felssturzes am Matterhorn (rechts, Photo: L. Trucco).
Exemplarisch wurden parallel zu dieser Karte in zwei Testgebieten im Wallis und
Oberengadin ausgehend von den Permafrostgebieten Trajektorien der gefährlichen
Naturprozesse Felssturz (in Form von Blockschlag) und Murgang dreidimensional
modelliert. Die berechneten Trajektorien zeigen auf, wo und wie weit der Einflussbereich dieser Prozesse reicht. Durch Überlagerung dieser Gebiete mit dem Schadenpotential, können die potentiellen Konfliktgebiete auch ausserhalb der eigentlichen
Permafrostgebiete visualisiert werden.
Die Kartenausschnitte dieser Testgebiete sind auf der Homepage des BAFU
www.bafu.admin.ch einsehbar.
4. Entwicklung von Forschung und Wahrnehmung
Bereits um 1900 wurde der Bau der Gornergrat- oder Jungfraubahnen teilweise im
Permafrost durchgeführt. Auch heute sind Kenntnisse über Permafrost bei deren
Betreibern wichtig. In den 1950er Jahren traten beim Bau der Kraftwerksanlagen der
Grande Dixence überraschende und zunächst unverstandene Probleme mit eisübersättigtem Schutt auf. Die Erforschung von alpinem Permafrost und das Wissen
um die Existenz dieses Phänomens begann sich jedoch erst in den folgenden Jahr-
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zehnten zu entwickeln. In den 1990er Jahren trugen unter anderem die Untersuchung der 1987er Murgänge zur Erkennung von Permafrost als potentiellem Faktor
von Naturgefahren bei und mit ersten Computer-Modellen wurde die Ausdehnung
von Permafrost in der Schweiz auf 5% der Landesfläche geschätzt (Gletscher:
2.5%). Teilprojekte des Schweizerischen Nationalen Forschungsprogramms 31 und
das EU-Forschungsprojekt PACE (Permafrost and Climate in Europe) untersuchten
den Themenkomplex Klimawandel – Permafrost – Naturgefahren und etablierten
neue Erkenntnisse, sowie Mess- und Simulationsmethoden. Die starke Felssturzaktivität im Hitzesommer 2003 demonstrierte sehr eindrücklich die Rolle von Permafrost als Auslösefaktor und die Tatsache, dass der Klimawandel direkt die Stabilität von Bergflanken beeinflussen kann.
Seit einigen Jahren bestehen in der Schweiz (PERMOS), Europa (PACE21) sowie
auch weltweit (GCOS – Global Climate Observing System) aufeinander abgestimmte Beobachtungs-Netzwerke, die Permafrost-Temperaturen und weitere
damit zusammenhängende Parameter langfristig messen und auswerten.
5. Methoden und Modelle
Der Nachweis und die genaue Charakterisierung eines Permafrost-Körpers können
nur direkt erfolgen und erfordern z.B. eine Bohrung. Indirekte geophysikalische Methoden erlauben zwar Abschätzungen (Vorkommen, Mächtigkeit), sind aber ebenfalls teuer und nicht über grosse Flächen anwendbar. Permafrost ist also nur punktuell messbar, räumlich jedoch sehr variabel. Um dennoch Aussagen über die Existenz oder Temperatur von Permafrost zu machen, gibt es eine Reihe von Methoden,
die jedoch mit zunehmender Verlässlichkeit einen stark ansteigenden Aufwand verursachen:
• Empirische Verbreitungsmodelle
Mit Faustregeln oder in Geographischen Informations-Systemen (GIS) wird aufgrund von Geländeparametern ein Mass für die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens oder der Temperatur von Permafrost berechnet. Diese Modelle basieren
auf empirischen Regeln, statistischen Analysen oder numerischen Experimenten
und sind mit wenigen Eingangsdaten für Flächen von einigen hundert oder tausend km2 anwendbar.
• Prozessorientierte Modelle
Basierend auf den relevanten Prozessen des Energietransfers an der Bodenoberfläche und im Untergrund werden Temperaturen simuliert. Solche Simulationen erfordern ein umfassendes Fachwissen, sehr viele Eingangsdaten und
können Flächen bis zu mehreren 10 km2 abdecken.
• Indirekte Messungen (Geophysik)
Durch seismische, geoelektrische und elektromagnetische Messungen an der
Bodenoberfläche kann z.B. auf das Vorkommen von Permafrost oder massivem
Bodeneis geschlossen werden. Die Messungen und deren Interpretation erfordern ein umfassendes Fachwissen und viel Erfahrung. Sie können, je nach Me-
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thode, an einzelnen Punkten oder kleinen Flächen bis zu einem km2 durchgeführt
werden.
• Direkte Messungen
In Bohrlöchern oder Aufschlüssen können Temperaturen und UntergrundEigenschaften an einzelnen Standorten direkt gemessen werden.
Diese Methodengruppen bieten Werkzeuge für verschiedene Massstäbe und Anforderungen in verschiedenen Stadien von Untersuchungen und lassen sich optimal in
einem pragmatischen Vorgehen mit zunehmender Genauigkeit kombinieren.
6. Die Hinweiskarte 1:50’000
Berechnung
Die „Hinweiskarte der potenziellen Permafrostverbreitung in der Schweiz“ wurde mit
einem empirischen Verbreitungsmodell erstellt. In diesem werden drei Oberflächenklassen unterschieden: A) Lockermaterial, B) Fels, sowie C) Gletscher und
Wasserflächen. Auf der Basis eines digitalen Höhenmodells (DHM25 des Bundesamts für Landestopografie) werden zusätzlich Geländeparameter berechnet, die einen wichtigen Einfluss auf die Existenz oder die Mächtigkeit von Permafrost ausüben. Diese Parameter werden für die getrennte Berechnung eines PermafrostIndex für Lockermaterial und Fels verwendet. Für Gletscher- und Wasserflächen
wird keine Berechnung durchgeführt. Im Lockermaterial basiert die Berechnung auf
Faustregeln (Haeberli 1975, Keller et al. 1992), die durch langjährige Feldmessungen aufgestellt und überprüft wurden. Für Felswände wurden entsprechende Regeln
aus einem physikalischen Modell und Temperatur-Messungen hergeleitet (Gruber et
al. 2004a). Der Permafrost-Index bildet die Grundlage der Kartensignaturen.
Legende
Der Permafrost-Index ist ein Näherungswert für die abgeschätzte mittlere jährliche
Bodentemperatur in der Tiefe. Da viele lokale Faktoren der Permafrost-Verbreitung
im Modell nur näherungsweise berücksichtigt werden, ist eine eindeutige Zuordnung
von Indexwerten zu einer „Permafrostgrenze“ nicht direkt möglich. Der Index ist
zugleich ein Indikator für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens, den flächenhaften
Anteil und die Mächtigkeit von Permafrost. Ein niedriger Index deutet auf vereinzelte, eher „wärmere“ und sehr wenig mächtige Vorkommen von Permafrost hin; ein
hoher Wert auf eventuell flächenhaften, eher „kälteren“ und mächtigen Permafrost.
Die Legende unterscheidet farblich Flächen mit eher sporadischem (in Gelbtönen)
und eher kontinuierlichem (in Violetttönen) Permafrost. Zunehmend dunklere Farben
weisen auf einen höheren Permafrost-Index und damit auf einen grösseren Flächenanteil, tiefere Temperaturen und eine grössere Permafrost-Mächtigkeit hin.
Durch die Signaturen der Landeskarte 1:50'000 sind Gletscher, Felswände und Gebiete mit Lockermaterial einfach zu unterscheiden. Gletscher sind ohne PermafrostSignatur dargestellt, geben jedoch durch ihren Rückgang Gebiete frei, die Permafrost enthalten oder in denen sich Permafrost neu bilden kann.
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Dreidimensionale und transiente Effekte
Im Hochgebirge sind Permafrost-Körper räumlich sehr heterogen und werden stark
von lateralen Wärmeflüssen unter komplexen Oberflächen-Bedingungen beeinflusst.
Dies kann z.B. bedeuten, dass unter der Südflanke eines spitzen Grates oder Gipfels Permafrost existiert, der aufgrund von Modellen nicht erwartet würde, der aber
von der kalten Nordseite her induziert wird (Abb. 4). Da die vorliegende Karte solche
Effekte nicht berücksichtigt, müssen diese bei der Interpretation bedacht werden.
Abb. 4:
Illustration der 2-dimensionalen Temperaturverteilung zwischen der Nord- und
Südseite eines Grates (J. Nötzli).
Die Reaktion von Permafrost auf Veränderungen des Klimas oder der OberflächenBedingungen ist durch die Wärmediffusion und eventuelle Effekte von latenter
Wärme mit zunehmender Tiefe stark verzögert und die Degradation von PermafrostKörpern kann Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauern. Als Folge davon wird bei einem
Anstieg der Luft- und Oberflächen-Temperaturen über einige Jahrzehnte die heutige
Verteilung von Permafrost auf Hinweisebene noch immer entscheidend für die Beurteilung möglicher Probleme sein. Umgekehrt können stellenweise auch heute noch
Relikte aus früheren, kälteren Jahrzehnten oder Jahrhunderten existieren.
7. Anwendung der Hinweiskarte
Die vorliegende Hinweiskarte dient einer ersten Abschätzung möglicher Probleme,
die im Zusammenhang mit Permafrost bei existierenden oder geplanten Infrastrukturelementen bestehen oder entstehen können. Drei Situationen sind zu unterscheiden:
A) Standort in potenziellem Permafrost
Permafrost-Signatur am Standort oder in einem Radius von ca. 100 m.
B) Standort potenziell von Naturgefahren aus Permafrost betroffen
Standort im Einflussbereich von Felssturz oder Murgang aus Gebieten mit
Permafrost-Signatur.
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C) Standort ausserhalb des Einflusses von Permafrost
Alle anderen Gebiete.
Situationen A und B erfordern eine detailliertere Abklärung der Permafrostverhältnisse mit prozessorientierten Modellen oder indirekten/direkten Messungen.
Die Evaluierung möglicher Implikationen durch Permafrost sollte berücksichtigen,
dass in der allgemein gängigen Ingenieur-Praxis Permafrost meist ungenügend bekannt ist und deshalb nicht berücksichtigt wird. Weiter ist zu beachten, dass eine
Klimaveränderung in Situationen, die bislang als sicher galten, zu neuen geotechnischen Problemen oder Naturgefahren führen kann.
8. Zukünftige Entwicklung
Zurzeit gehen sowohl in der Natur als auch in der Forschung rasche Entwicklungen
vor sich.
Natur
Internationale Expertengremien prognostizieren eine globale Erwärmung der Erdoberfläche um 2–5 °C bis zum Jahr 2100. Auf Landgebieten und speziell in Gebirgen ist eine deutlich stärkere Erwärmung zu erwarten als dieser globale Mittelwert.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird diese Erwärmung zudem nicht uniform wirken,
sondern stärkere und häufigere Extremwerte (wie den Hitzesommer 2003) hervorbringen und sich unterschiedlich auf Tag-/Nacht- sowie Sommer-/WinterTemperaturen auswirken. Neben Temperaturen sind auch Niederschlagsmengen
und deren raum-zeitliche Verteilung bzw. die Anteile von festem und flüssigem Niederschlag betroffen.
Als Folge dieses Klimawandels ist in den kommenden Dekaden eine flächenhafte,
tiefgründige Degradation von alpinem Permafrost zu erwarten.
Modelle und Methoden
Für Planungshorizonte von 10–50 Jahren werden zurzeit Werkzeuge entwickelt, die
es erlauben werden, Szenarien wahrscheinlicher Entwicklungen von PermafrostEigenschaften abzuschätzen. Von grosser Wichtigkeit für nachhaltige Planungen
sind dabei die Modellierung von: a) transienten, 3-dimensionalen Temperaturfeldern
in der Natur sowie im Untergrund von Bauwerken, sowie b) Detailkarten des zu erwartenden Gefahrenpotentials von Felsstürzen und Murgängen im Zusammenhang
mit einer Permafrost-Degradation.
Die Umsetzung von globalen und regionalen Klimaszenarien in diese praxisrelevanten Parameter erfordert gekoppelte physikalische Modelle mit adäquater Quantifizierung von Unsicherheiten. Monitoring-Netze im Permafrost bilden die unverzichtbare Grundlage für die Validierung und Entwicklung solcher Modelle.
Die vorliegende Karte beschreibt den gegenwärtigen Zustand der Permafrostverbreitung. Das schweizerische Permafrost Monitoring (PERMOS) beobachtet und dokumentiert Veränderungen in der Zukunft und bildet die Basis für ei-
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ne Re-Evaluation oder Neuberechnung der „Hinweiskarte der potentiellen Permafrostverbreitung in der Schweiz“, die mittelfristig nötig werden könnte.
9. Literatur
Die folgende Auswahl von Publikationen beschreibt die direkten Grundlagen der
vorliegenden Karte sowie Messungen der Reaktion von alpinem Permafrost auf den
derzeitigen Klimawandel.
GRUBER, S., HOELZLE, M. AND HAEBERLI, W. 2004a. Rock-wall temperatures in the
Alps: modeling their topographic distribution and regional differences. Permafrost and Periglacial Processes 15(3): 299-307.
GRUBER, S., HOELZLE, M. AND HAEBERLI W. 2004b. Permafrost thaw and destabilization of Alpine rock walls in the hot summer of 2003. Geophysical Research
Letters, 31/L13504.
HAEBERLI, W. 1975. Untersuchungen zur Verbreitung von Permafrost zwischen Flüelapass und Piz Grialetsch (Graubünden), Mitteilungen der VAW-ETH Zürich.
ETH Zürich, Zürich.
HARRIS, C., D. VONDER MÜHLL, K. ISAKSEN, W. HAEBERLI, J. L. SOLLID, L. KING, P.
HOLMLUND, F. DRAMIS, M. GUGLIELMIN, AND D. PALACIOS. 2003. Warming permafrost in European mountains. Global and Planetary Change 39: 215-225.
KELLER, F. 1992. Automated mapping of mountain permafrost using the program
PERMAKART within the Geographical Information System ARC/INFO. Permafrost and Periglacial Processes 3(2): 133-138.
KRUMMENACHER, B., BUDMIGER, K., MIHAJLOVIC, D. AND BLNAK, B. 1998. Periglaziale
Prozesse und Formen im Furggentälti, Gemmipass. Analysen zur räumlich zeitlichen Entwicklung der Permafrostverbreitung und der Solifluktion basierend
auf der Entwicklung und Anwendung moderner Arbeitsmethoden. Mitt. Eidg.
Inst. Schnee- und Lawinenforschung, Davos, 56: 245 S.
VONDER MUEHLL, D. NOETZLI, J. MAKOWSKI, K. AND DELALOYE, R. 2004. Permafrost in
Switzerland 2000/2001 and 2001/2002, Glaciological Report (Permafrost) No.
2/3 of the Glaciological Commission (GC) of the Swiss Academy of Sciences
(SAS) and Institute of Geography, Universitiy of Zurich, 86 p.
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