DEFINITION von Stammzellen

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Unterrichtseinheit:
Stammzellen
DEFINITION von Stammzellen
Eine Stammzelle ist eine Zelle, die sich vermehren kann und überdies
in der Lage ist, sich zu einem oder mehreren spezialisierten Zelltypen
weiterzuentwickeln (= Differenzierung)
Drei notwendige Eigenschaften unterscheiden eine Stammzelle von
einer ausgereiften, vollständig spezialisierten Zelle: "NichtDifferenzierung", "Vermehrung" und "Selbstregenerierung“.
• Nicht-Differenzierung:
Die meisten "normalen" Zellen des Körpers erfüllen eine bestimmte,
ganz spezifische Aufgabe. Man spricht daher von starker
Differenzierung. Die Zellen der Haut, der Organe, des Bluts, etc.,
eignen sich nur zur Erfüllung ihre sehr spezifische Funktion und
können die Funktionen anderer Zellen nicht übernehmen.
Die vollständige Information des genetischen Materials der DNA einer
Person als Ganzes steckt in jedem Zellkern. Durch Anbringen von
Methyl-Gruppen (-CH3) auf den entsprechenden Genen werden die
Informationen für andere Funktionen unzugänglich, und die Zelle
spezialisiert sich für eine bestimmte Funktion und ist somit
differenziert. Diese Spezialisierung und Differenzierung der Zelle ist im
Prinzip unumkehrbar.
Die Stammzelle ist hingegen nicht differenziert und hat die Fähigkeit,
spezifische Zelltypen hervorzubringen und auch sich selbst zu
reproduzieren.
• Vermehrung:
Eine normale Zelle multipliziert sich selten oder nie. Eine Stammzelle
hingegen kann sich über lange Zeit hinweg durch Teilung erneuern.
Die Wissenschaft nennt dies Selbst-Erneuerung (self-renewal).
Eine Stammzelle kann sich auch sehr schnell vermehren und weist
keine nachweisbaren Anzeichen von Alterung auf, dank ihrer
besonderen Telomere.
Bei Teilung einer Stammzelle behält die Stammzelle all ihre
Eigenschaften, ist aber auch in der Lage, spezialisierte Tochterzellen zu
entwickeln. Unter normalen Umständen oder mittels eines
entsprechenden Signals wird sich eine Stammzelle in verschiedene
Zelltypen differenzieren, die den Organismus bilden. Stammzellen
entwickeln sich zu reifen Zellen mit speziellen Funktionen wie z. B.
Herz-, Haut-und Nervenzellen.
Stammzellen finden sich in allen mehrzelligen Organismen. Es gibt
hierfür auch Beispiele aus der Pflanzenwelt.
• Funktion der Wiederherstellung (Selbstregenerierung)
Es wurde festgestellt, dass Krebszellen in der Lage sind, die MethylGruppen im Kern der Zellen zu entfernen, die damit erneut ihre
Fähigkeit zur Zellteilung gewinnen. Die Fähigkeit zur Differenzierung
geht bei Krebszellen meist verloren.
Ein wichtiger Unterschied zwischen Krebszellen und Stammzellen ist
also die Fähigkeit der Stammzellen, Organe oder Gewebe korrekt
wiederherzustellen, während sich Krebszellen unkontrolliert (ohne die
Grenzen zu anderen Gewebsarten zu berücksichtigen) und nutzlos /
ineffizient vermehren.
Arten von Stammzellen
Die Arten von Stammzellen werden nach Bezugsquelle (sprich in
welchem Entwicklungsstadium sie dem menschlichen Körper
entnommen worden sind) und Potential (zu welchen Zellen können
sich diese Stammzellen noch weiterentwickeln) bestimmt.
• Bezugsquelle: Woher stammt die Stammzelle?
Embryonale und erwachsene Stammzellen
Embryonale Stammzellen sind Zellen, die zwischen der ersten Phase
der befruchteten Eizelle (auch Zygote genannt), die der Fusion von Eiund Samenzelle unmittelbar folgt, und dem Entwicklungsstadium der
Blastula oder Blastozyste entnommen werden.
Nach dem Verschmelzen von Ei- und Samenzellen beginnt sich die
befruchtete Eizelle zu teilen, zunächst in zwei Tochterzellen, dann vier,
acht, sechzehn Zellen, etc.
Dieses frühe Stadium des Embryos, bis vier Tage nach der Befruchtung
und einer Anzahl von 64 bis 128 Zellen, nennt man „Morula", weil das
Zellgebilde wie eine Maulbeere aussieht. Eine embryonale Stammzelle
dieses Entwicklungsstadiums wird somit innerhalb von 4 Tagen nach
der Befruchtung entnommen.
Auf das Morula-Stadium folgt das Stadium der Blastozyste. Ab dem
fünften Tag nach der Befruchtung führen die nachfolgenden
Zellteilungen zur Bildung eines Embryos, der Anfangs die Form eines
hohlen Ball hat und daher Blastozyste (griechische Wort BLASTOS =
Keim) heißt. Erste Unterschiede zwischen den Zellen sind bereits
erkennbar: zu diesem Zeitpunkt enthält der Embryo drei KeimSchichten, die jeweils die Basis zur Bildung unterschiedlicher
Gewebsarten legen. Stammzellen in diesem Stadium werden der
innersten Zellmasse (Englisch: "inner cell mass“) der Blastozyste
entnommen und in Kulturen angesetzt.
Embryonale Stammzellen werden auch als ESC-Zellen (embryonal
stem cell) bezeichnet.
Erwachsene (adulte) Stammzellen sind Stammzellen, die bereits
ausdifferenziert sind. Nach der Phase der Morula und der Blastozyste
sind Stammzellen bereits in eine bestimmte Richtung entwickelt. Diese
Bezeichnung bezieht sich somit nicht auf eine Zelle im Körper eines
Erwachsenen, sondern auf die Tatsache, dass diese Zellen nicht mehr
in der Lage sind, sich zu allen Zelltypen weiterzuentwickeln.
Sie sind daher eher "nicht-embryonale" Stammzellen; diese
erwachsenen Stammzellen trifft man in verschiedenen Geweben,
sowohl im Fötus, bei Neugeborenen, bei Kindern und Erwachsenen.
Erwachsene Stammzellen sind beim Erwachsenen eher selten
anzutreffen und schwer zu identifizieren.
Erwachsene Stammzellen können theoretisch sowohl in Geweben mit
schnellen Erneuerungszyklen als auch in Geweben mit langsamen
Erneuerungszyklen angetroffen werden.
In drei Arten von Gewebe, die sich rasch erneuern, wurden
erwachsene Stammzellen bereits angetroffen: in der Epidermis
(Haut), im Darmgewebe und im Knochenmark.
In Geweben mit langsamen Erneuerungszyklen gibt es auch
Stammzellen, die jedoch viel schwieriger zu lokalisieren sind. Beispiele
hierfür sind Muskel- und Leberzellen. Im Gehirn gibt es auch
Stammzellen. Die Forschung konzentriert sich derzeit auf Stammzellen
in der Zahnpulpa, Hornhaut und Netzhaut.
Erwachsene Stammzellen sind schwer zu identifizieren, weil sie nur als
Stammzellen identifiziert werden können, wenn sie ihre Kapazität zur
Vermehrung und Differenzierung unter Beweis stellen. Außerdem
können erwachsene Stammzellen nicht von anderen Zellen im Gewebe
unterschieden werden.
• Potenzial: Zu welchen Zellen kann sich diese Stammzelle noch
weiterentwickeln?
Die Unterscheidung nach „Potenzial“ spiegelt wieder, welche weiteren
Entwicklungen man von einer Stammzelle erwarten kann. Man
unterscheidet drei Arten: totipotent, pluripotent und multipotent.
Die Eizelle hat die Kraft oder das Potenzial, sich nach der Befruchtung
zu einem vollständigen Menschen weiterzuentwickeln. Das bedeutet,
dass die befruchtete Eizelle „totipotent“ ist: ein kompletter Mensch
kann sich aus der Eizelle entwickeln.
Auch noch nach den ersten Teilungen behält jede Zelle ihren
totipotenten Charakter.
Ein Beispiel hierfür sind eineiige Zwillinge: Die Eizelle teilt sich in zwei
Teile und jeder Teil wird sich getrennt weiterentwickeln zu genetisch
identischen Zwillingen.
Jene Zellen, die der ersten Teilung einer befruchteten Eizelle
entspringen, können jede für sich einen neuen Menschen bilden. Das
ist jedoch nur bis zu einer Teilung in 8 Zellen möglich. Jede Zelle hat
noch die uneingeschränkte Möglichkeit (Potenz), jede (toti) Art
menschlichen Gewebes zu bilden.
Nach dieser Phase werden die Stammzellen spezifischer. Stammzellen,
die einer Blastozyste entnommen werden, können keinen kompletten
Menschen mehr bilden. Sie sind „pluripotent“: Alle möglichen Arten
von Zellen können sich aus der Stammzelle bilden, aber kein
kompletter Mensch mehr. Denn diese Stammzellen haben schon eine
kleine Differenzierung durchgemacht. Dennoch können diese
pluripotenten Stammzellen zu einer der mehr als 200 Arten
menschlicher Zellen heranwachsen, sofern sie ausreichend und
spezifisch stimuliert werden. Die Basis für alle drei Typen Keimgewebe
ist noch uneingeschränkt vorhanden (Mesoderm, Endoderm und
Ektoderm).
Erwachsene Stammzellen sind nicht totipotent (aus ihnen kann kein
vollständiger Mensch mehr heranwachsen) und auch nicht pluripotent
(die drei Arten Keimgewebe können nicht mehr gebildet werden), sie
sind „multipotent“. Diese Stammzellen produzieren eine bestimmte Art
Gewebe und haben zugleich die Fähigkeit zur dauernden
Selbsterneuerung. Trotz der Tatsache, dass sie sich zu verschiedenen
Zelltypen auswachsen können, gehören diese Zelltypen alle zur
gleichen Familie. So können hämatopoetische Stammzellen (das sind
Stammzellen des Knochenmarks) zu roten und weißen Blutkörperchen,
Blutplättchen und Makrophagen auswachsen, hingegen aber nicht
mehr zu Muskel- oder Nervenzellen. Bestimmte Stammzellen sind
„unipotent“ und können nur eine Art von Zellen bilden. Das ist zum
Beispiel bei Haut-, Leber- und Darmzellen der Fall.
Eizelle (ovula, Ovozyten)
Im Folgenden betrachten wir im Einzelnen die verschiedenen
Entwicklungsstufen von der Eizelle zum erwachsenen Menschen.
Die in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung entnommenen
Stammzellen haben jeweils spezifische Eigenschaften, mit all ihren
Vor- und Nachteilen, die ihre Verwendungsmöglichkeiten beeinflussen.
Die erste Kategorie von Stammzellen ist die „Urstammzelle“, sprich die
Eizelle.
Jede Frau mit einem gesunden Fortpflanzungssystem kommt mit einer
Reihe von (potentiellen) Eizellen in ihren Eierstöcken zur Welt. Die
Eizellen wachsen in den Eierstöcken heran. Sobald sie reif werden,
wandern sie in ihrem Follikel - ein Säckchen, in das sie eingewickelt
sind - an die Oberfläche des Eierstocks. Normalerweise reift ein Ei pro
Monat in seinem Follikel voll aus. Das Follikel platzt und das Ei „fällt“ in
das Trichterförmige Ende des Eileiters: Man nennt dies den "Eisprung",
der etwa 14 Tage nach Beginn der letzten Menstruation eintritt.
Um Eizellen "in vivo" untersuchen zu können, werden sie
gewissermaßen "gepflückt und geerntet“. Dies ist ein medizinischer
Eingriff, d.h. eine aufwändige medizinische Intervention ist hierzu
vonnöten. Die Frau oder das Mädchen wird hormonell stimuliert, damit
mehrere Follikel mit Eizellen zugleich reifen. Die körpereigene
hormonelle Produktion der Hypophyse wird zunächst unterbunden und
die Bildung von Eizellen in den Eierstöcken wird durch Zuführung
körperfremder Hormone angeregt. Sobald genügend Follikel
vorhanden sind (was mittels vaginalem Ultraschall festgestellt werden
kann), werden andere Hormone verabreicht, die die Reifung und
Abstoßung der Eizellen anregen. Dies ermöglicht die Entnahme von
einem Dutzend oder mehr Eizellen pro Stimulierungszyklus. Sowohl die
vorbereitende Behandlung der weiblichen Eizellen-Spenderin als auch
die Entnahme selbst können medizinische Komplikationen
verursachen, etwa das Hyper-Stimulations-Syndrom, Blutungen oder
Infektionsrisiken. Die Entnahme von Eiern ist ein zeitraubendes
Verfahren mit verbindlich einzuhaltenden Terminen, das auch noch
einige andere Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Man geht davon
aus, dass mehr als 60 Stunden medizinischer Interventionen
notwendig sind, die sich über mehrere Wochen hinziehen.
Die meisten Ei-Entnahmen erfolgen im Rahmen von In-vitroBefruchtungen, abgekürzt IVF (in vitro fertilisation). (Kinderwunsch,
der bislang an Fruchtbarkeitsproblemen scheiterte: siehe auch Kapitel
über Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit). Diese Technik ist bereits
über 30 Jahre alt. Dennoch sind die langfristigen Risiken noch nicht
vollständig bekannt. Die Verabreichung von Hormonen kann zu
Überstimulierung (ovarian hyperstimulation syndrom) führen und diese
Eventualität ist nur schwer vorhersehbar. Die Symptome einer
Überstimulierung sind vielfältig und reichen von Übelkeit zu schweren
Komplikationen wie Thrombosen oder Tod. Ernsthafte Komplikationen
sind jedoch selten und betreffen weniger als 1%. Aber auch später
auftretende Störungen der Fruchtbarkeit bei der Eizelle-Spenderin
wurden gemeldet, diese Risiken sollten daher weiter untersucht
werden.
Überzählige Eizellen, die nicht mehr zur Erfüllung des Kinderwunsches
benötigt werden, werden auch für Forschungswecke verwendet.
Die Anlage von Zelllinien, aber auch therapeutisches Klonen erfordert
viele Eizellen.
Klonen bedeutet, dass der Zellkern (nucleus) der Eizelle durch den
Zellkern einer Zelle des zu behandelnden Patienten ersetzt wird. Die
mit dem Kernmaterial des Patienten versehene Zelle wird dann
stimuliert, um sich zu teilen und eine Blastozyste zu bilden. In diesem
Stadium werden embryonale Stammzellen (die voll kompatibel sind
mit dem Patienten) entnommen, die in Zellkulturen weiterentwickelt
werden und später für eine Zelltherapie verwendet werden können.
(siehe Kapitel: andere Anwendungen)
Morula
Im Stadium der Morula beginnt sich die befruchtete Eizelle zu teilen.
Die befruchtete Eizelle teilt sich in zwei, vier etc. Zellen. Diese Zellen
werden auch als Blastomeren bezeichnet.
Wenn sich die befruchtete Eizelle zweiteilt und sich die beiden Zellen
getrennt weiterentwickeln, werden daraus eineiige Zwillinge.
Die Morula ist so beschaffen, dass jede Zelle nach der Teilung noch zu
einem vollständigen Lebewesen heranwachsen kann. Diese Zellen sind
totipotent.
Es ist möglich, eine Zelle der Morula zu entnehmen, ohne das
Heranwachsen des Fötus und des Kindes zu beeinträchtigen. Die
Weiterentwicklung des Embryos bleibt möglich.
Bei IVF (In-vitro-Fertilisation) kann der Morula eine Zelle zu
Diagnosezwecken entnommen werden. Dies bedeutet, dass man
genetisch übertragbare Krankheiten oder gewünschte BlutKompatibilität vorab testen kann. Danach ist es möglich, im Rahmen
einer IVF nur die ausgewählten Embryonen einzupflanzen.
Ein Beispiel hierfür ist das "Saviour Baby" („rettendes Baby“): durch
IVF wird ein Baby gezeugt, dessen Blut mit dem Blut eines an
Leukämie erkrankten Geschwisterkindes kompatibel ist. Dieses Baby
ist ein geeigneter Spender für den kranken Bruder oder die kranke
Schwester. Unmittelbar bei der Geburt wird ein Teil des
Nabelschnurbluts des „Retter-Babys“ aufgefangen, um die zur Spende
geeigneten Stammzellen zu entnehmen.
Die Entnahme einer Stammzelle aus der Morula tastet die
Lebensfähigkeit des Embryos nicht an: Der Embryo kann sich zu einem
Baby weiterentwickeln. Die Entnahme von Stammzellen in einem
späteren Stadium (Blastozyste) führen hingegen zum Absterben des
Embryos, und das stellt viele Menschen vor ein ethisches Dilemma in
Bezug auf die Stammzellenforschung. Das Absaugen einer Zelle zur
Gewinnung embryonaler Stammzellen aus der Morula könnte die
ethische Debatte rund um das Absterben des Embryos theoretisch
beenden. Man nennt diese Methode auch Embryo-bewahrende
Technik.
Blastozyste (Blastula)
Fünf bis sechs Tage nach der Befruchtung sind durch Zellteilungen der
befruchteten Eizelle etwa 100 bis 200 Zellen entstanden. Diese Zellen
haben die Form eines hohlen Balls angenommen. Die äußere Schicht
der Zellen wird sich zum Mutterkuchen (Plazenta)und verschiedenen
Membranen rund um den Fötus weiterentwickeln. An der Innenseite
der hohlen Kugel befindet sich eine kleine Zellmasse. Diese so
genannte "innere Zellmasse (ICM)“ der Blastozyste ist der Fötus
selbst. Genau diese Zellen sind die wichtigste Quelle menschlicher
embryonaler Stammzellen.
Diese embryonalen Stammzellen können zu allen Arten von
menschlichem Gewebe, aus denen ein Mensch besteht,
ausdifferenzieren und sind somit pluripotent. Rund 200
unterschiedliche Gewebe sind bekannt, die man in drei Keimblätter
einteilt: Ektoderm, Mesoderm und Endoderm. Diese Stammzellen sind
nicht mehr totipotent, da kein komplettes Lebewesen mehr aus einer
einzelnen der inneren Zellmasse entnommenen Zelle entstehen kann.
Jeder dieser Zelltypen (z.B. Leber-, Muskel- und Hautzellen) kann sich
fast unbegrenzt vermehren, wenn er in einem geeigneten Nährmedium
angesetzt wird: Dies nennt man Stammzelllinien. Diese stabilen und
homogenen Zellkulturen bestimmter Gewebearten können vielleicht
einmal für Zelltherapien verwendet werden und
Organtransplantationen ersetzen.
Jedoch gilt es noch mindestens drei große Probleme zu lösen, um
Organtransplantationen durch Zelltherapien ersetzen zu können:
- Man benötigt eine enorm hohe Anzahl von Stammzellen, um ein
Organ zu ersetzen;
- Embryonale Zellen haben ihre eigene DNA und werfen die gleichen
Probleme von Kompatibilität und Abstoßung auf wie jedes andere
Transplantat
- Embryonale Stammzellen können beim Empfänger wild
weiterwachsen und eine Art Tumor bilden.
Menschliche embryonale Stammzellen werden aus der Blastozyste
entnommen und führen damit zum Absterben des Embryos. Die
Zerstörung des Embryos steht im Zentrum der ethischen Debatte, die
rund um die Forschungsaktivitäten mit embryonalen Stammzellen
geführt wird.
Für embryonale Stammzellenforschung werden Zellen aus
überzähligen befruchteten Blastozysten oder Embryonen (nach Invitro-Fertilisation) entnommen. Paare, die im Falle von
Fruchtbarkeitsproblemen eine IVF Behandlung beginnen, müssen dazu
ihre Zustimmung oder "informed consent" geben.
Die befruchteten Eizellen werden im Rahmen einer in-vitro-Fertilisation
als Blastozyste eingefroren und können später bei der Mutter oder
Leihmutter eingepflanzt werden. Die restlichen Blastozysten können
von den Eltern anderen Paaren gespendet werden, zerstört werden
oder für die wissenschaftliche Forschung verwendet werden.
Darüber hinaus kann eine Frau auch beschließen, Eizellen ohne
eigenen Kinderwunsch zu spenden. Diese Eizelle wird dann zu
Forschungszwecken mit anonymem Spendersamen befruchtet.
Stammzelllinien können somit auch aus solchen speziell für
wissenschaftliche Zwecke erzeugten Blastozysten angelegt werden.
Das Problem mangelnder Kompatibilität bei Zelltherapien kann durch
Klonen gelöst werden. Man kann das genetische Material der Frau aus
der Eizelle entfernen und stattdessen den Zellkern (Nucleus) des
Patienten einsetzen - dies nennt man Kerntransfer somatischer Zellen
(SCNT). In der Folge wird diese "künstlich befruchtete Eizelle“ durch
elektrische Stimulierung zur Teilung angeregt. Somit entsteht eine
Blastozyste, aus der embryonale Stammzellen entnommen werden
können, die die DNA des Patienten enthalten. Die letztgenannte
Möglichkeit nennt man "therapeutisches Klonen". Diese Methode
unterliegt sehr strengen gesetzlichen Einschränkungen. Dabei ist es
wichtig zu wissen, dass die Klon-Forschung eine überaus große Anzahl
von Eizellen erfordert.
Der überwiegende Teil der Stammzellenforschung wird mit
Stammzellen aus der Blastozyste ausgeführt, die in Kulturschalen
angesetzt werden. Die Anlage von Zelllinien auf Basis entnommener
Stammzellen erfordert viel Know-how und optimierte Nährlösungen.
Die richtigen Nährstoffe, die korrekte Temperatur und die Vermeidung
von Kontamination durch Bakterien und Pilze sind dabei von großer
Bedeutung. Die aktuellen Techniken und hohen Anforderungen, um
Stammzelllinien am Leben zu erhalten, machen eine weit verbreitete
Nutzung embryonaler Stammzellen für Zelltherapien derzeit praktisch
unmöglich.
Zudem existiert derzeit (noch) keine direkte Zelltherapie-Behandlung
für Patienten auf Grundlage rein totipotenter und pluripotenter
Stammzellen. Vor allem das starke Wachstumspotenzial (Proliferation)
und die Ausdifferenzierung von undifferenzierten embryonalen
Stammzellen sind schwer unter Kontrolle zu halten. Sie können nach
eine Injektion im Rahmen einer Zelltherapie beim Patienten zu
Wildwuchs und zur Bildung eines Tumors führen, auch Teratom
genannt. Die Erforschung der genauen Art und Weise, wie sich
Stammzellen in eine bestimmte Richtung entwickeln und wie diese
Entwicklung gesteuert werden kann, ist voll im Gange.
Embryonalen Stammzellen werden in erster Linie für die
wissenschaftliche Grundlagenforschung verwendet. Man kann diese
Stammzellen zur Differenzierung anregen, um eine bestimmte
Gewebeart auszubilden und im Rahmen von Studien die Wirkung und
Toxizität von Medikamenten untersuchen, bzw. die Kenntnisse über die
Funktionsweise dieser Art von Zellen verbessern. Die Untersuchung
von Stammzellen mit bestimmten Genen (z.B. Stammzelllinien, die
Träger der Mutation deltaF508 sind, die Mukoviszidose auslöst)
ermöglicht die wissenschaftliche Erforschung dieser genetischen
Krankheiten sowie ihre Nutzung als Test-Modell für mögliche
Behandlungen.
Die Suche nach chemischen Faktoren, die stimulierend wirken oder
Differenzierung induzieren, wird wahrscheinlich zur Entdeckung neuer
Wachstumshormone führen. In der Vergangenheit hat man so EPO,
das Wachstumshormon für rote Blutkörperchen, entdeckt.
Neben der allgegenwärtigen Frage, ob die "Zerstörung" des Embryos
durch Entnahme embryonaler Stammzellen moralisch vertretbar ist,
ebenso wie die Schaffung von Embryonen ausschließlich zu
Forschungszwecken, muss man sich auch die folgende ethische Frage
stellen:
Ist es vertretbar, junge Mädchen und Frauen zu Eizellspenden zu
ermutigen, obwohl man von langfristigen Risiken für ihre Gesundheit
weiß? (siehe Kapitel bio-ethische Fragen). Die Klärung dieser Frage ist
umso dringlicher als der Bedarf und die Nachfrage nach Eizellen sehr
groß ist, sei es in Form einer Spende an kinderlose Paare oder für
Forschungszwecke.
Fötus
Nach dem Stadium der Blastozyste entstehen im Embryo die
verschiedenen differenzierten Zelltypen, die später Organe, Haut, usw.
bilden. Die im Fötus vorhandenen Stammzellen sind nicht mehr
"embryonale" Stammzellen sondern "erwachsenen"
(adulte)Stammzellen.
Adulte Stammzellen sind multipotent und nicht mehr pluripotent. Sie
sind nicht mehr in der Lage, sich zu allen Zelltypen
weiterzuentwickeln.
Überdies sind diese Zellen schwerer zu finden und verfügen über ein
geringeres Teilungspotenzial. Daher ist die Suche nach Stammzellen in
Föten nach Abtreibungen oder Fehlgeburten momentan wenig
zielführend.
Die Debatte rund um die Abtreibung ist auch eine gesellschaftliche und
ethische Frage. Die Verwendung von Föten zur Gewinnung von
Stammzellen für Forschungszwecke ist allzu vorbelastet und wird
daher verworfen.
Nabelschnurblut
Bei der Geburt eines Babys kann nach Abklemmen der Nabelschnur
das in der Nabelschnur auf der Seite der Plazenta verbleibende Blut
eingesammelt werden.
Die Nabelschnur wird zuerst vom Baby abgeklemmt, bevor ein Einstich
in das Blutgefäß der Nabelschnur vorgenommen wird. Das Blut aus
dem Mutterkuchen wird in einem eigenen Beutel gesammelt. Nach
ersten Sicherheitstests und der Typenbestimmung werden diese
Blutproben eingefroren.
In diesem Nabelschnurblut befinden sich adulte Stammzellen, die
blutbildende oder hämatopoetische Eigenschaften besitzen. Aus ihnen
können Zellen entstehen, die Blutzellen bilden können und die
Immunität verbessern. Es handelt sich um hämatopoetische
Stammzellen, die später nur mehr im Knochenmark angetroffen
werden können. Diese Stammzellen sind multipotent und können sich
nur zu Blut- oder Bindegewebszellen weiterentwickeln.
Diese Zellen eignen sich daher sehr gut für die Behandlung von
Leukämie-Patienten.
Obwohl Stammzellen aus Nabelschnurblut adulte Stammzellen sind,
verfügen sie über hohe Plastizität und Vitalität. Im Vergleich zu
adulten Stammzellen aus dem Knochenmark von Erwachsenen sind
hämatopoetische Stammzellen aus dem Nabelschnurblut viel unreifer,
man nennt sich daher auch "naiv": Die Umwelt hat das Genmaterial
dieser Zellen noch nicht beeinflusst und ihre Immun-Eigenschaften
sind noch nicht vollständig ausgebildet. Dies verringert das Risiko einer
Abstoßung durch den Organismus des Patienten und führt zu weniger
Infektionen bei der Übertragung.
Verglichen mit der Entnahme blutbildender Zellen aus dem
Knochenmark durch Punktieren sind Stammzellen aus Nabelschnurblut
wesentlich einfacher zu gewinnen. Darüber scheint es auch wesentlich
leichter, die Sammlung von Blutproben zu organisieren als
Knochenmarkspenden.
Allerdings ist die Menge von Blut-Stammzellen in diesen Proben von
Nabelschnurblut zu gering, um an Leukämie erkrankte Erwachsene
ausreichend zu behandeln.
Pro Mutterkuchen können maximal bis zu 100 Milliliter Blut gewonnen
werden. Dies ist zu wenig, um eine Transplantation bei Erwachsenen
vornehmen zu können. Für das Baby allerdings ist es viel: Das
durchschnittliche Blutvolumen eines Kindes von 3 kg liegt bei 300 ml.
Die Menge an Nabelschnurblut ist höher bei
• vaginalen Geburten
• bei höherem Gewicht des Babys
• Abklemmen unmittelbar bei der Geburt: 30 Sekunden nach der
Geburt des Babys ist mit 35 ml / kg zu rechnen, nach 2 Minuten nur
mehr mit 14 ml pro kg Körpergewicht des Kindes.
Zu schnelles Abklemmen kann jedoch Anämie oder Blutarmut beim
Baby verursachen.
Ein Vorteil ist, dass Nabelschnurblut als Bezugsquelle von Stammzellen
nicht an die ethischen Fragen rührt, die der Status des menschlichen
Embryos aufwirft.
NABELSCHNURBLUTBANKEN
In diesem Zusammenhang ist die Abwägung gesellschaftlicher
Interessen (Leukämie-Behandlung, Pool öffentlicher
Nabelschnurblutbanken) und privater Interessen (tief gefrorenes
Nabelschnurblut für spätere Selbst-Therapie oder für die Behandlung
von Sportverletzungen von Vater / Mutter) im Auge zu behalten.
NETCORD ist eine weltweite Datenbank, die Angaben über die
verschiedenen Typen von Stammzellen aus Nabelschnurblutproben
enthält, die in öffentlichen Banken eingefroren sind. Netcord hält für
Leukämie-Patienten, die auf diese Therapie angewiesen sind, einen
Vorrat an Stammzellen bereit.
Es gibt aber auch viele rein kommerziell agierende private Banken, die
Nabelschnurblut von Neugeborenen gegen Bezahlung und unter
Namen einsammeln und für zukünftigen Gebrauch einfrieren. Es gibt
Eltern, die das Nabelschnurblut ihrer Kinder als zukünftige Quelle von
Stammzellen für den eigenen Gebrauch einfrieren lassen.
Im Falle der Leukämie des Kindes ist eine Übertragung des eigenen
Blutes jedoch nicht die beste Option.
In einigen Fällen hoffen Leute, dass aus dem Nabelschnurblut ihrer
Kinder bald Stammzellen gewonnen werden können, die für die
Regenerierung ihrer eigenen Knorpel nach einer sportlichen Karriere
verwendet werden können.
Die Verbreitung dieser Methoden wirft auch ethische Fragen auf, vor
allem wenn man berücksichtigt, dass die Haltbarkeit von
Nabelschnurblut maximal 20 Jahre beträgt. Mittlerweile gibt es viel
mehr private (über 130) als öffentlich-rechtliche
Nabelschnurblutbanken (fünfzig).
In Belgien ist eine kommerzielle Blutbank Namens Cryo-Save tätig.
Hingegen gibt es mehrere öffentliche Nabelschnurblutbanken in
Leuven, beim Roten Kreuz Flandern, Brüssel und Lüttich. Bisher hat
die private Nabelschnurblutbank jedoch mehr Proben an
Nabelschnurblut gesammelt als alle öffentlichen
Nabelschnurblutbanken zusammen genommen.
Die Abnahme von Nabenschnurblut durch öffentliche Blutbanken
unterliegt strengen Auflagen und ist nur in einer begrenzten Anzahl
von Gebärkliniken möglich. Sofort nach Abnahme der Proben werden
Untersuchungen über potenzielle Risiken durchgeführt und eine
Typisierung vorgenommen. Die meisten öffentlich-rechtlichen Banken
sind an NETCORD angeschlossen, so dass im Fall einer
Leukämieerkrankung jenes Blut eingesetzt werden kann, das die
höchste Kompatibilität aufweist. Dieses System basiert auf dem Prinzip
der Solidarität.
Private Nabelschnurblutbanken nehmen Blut in jedem Krankenhaus ab
und verrechnen für den Kauf und die Lagerung von Nabelschnurblut
mehrere tausend Euro. Sie führen auch keine weiteren
Untersuchungen durch.
Forschungsbemühungen sind in vollem Gange, um zu versuchen, auch
andere Zelltypen aus Stammzellen des Nabelschurbluts zu züchten, die
sich nicht nur zu Blutzellen oder Knochenzellen weiterentwickeln,
sondern auch Zellen der Bauchspeicheldrüse oder der Leber bilden
können. Diese Untersuchungen bezeichnet man als "TransDifferenzierung."
Adulte Stammzellen aus erwachsenen
Individuen
Seit zwanzig Jahren werden adulte hämatopoetische Stammzellen
erfolgreich bei Knochenmark-Transplantationen zur Behandlung von
Leukämie und anderen Krankheiten eingesetzt.
Inzwischen ist es auch gelungen, die eher selten vorkommenden
hämatopoetischen Stammzellen aus dem peripheren Blut in vitro zu
vermehren und dann wie Knochenmark-Transplantat zu verwenden.
Den gleichen Ansatz verfolgt man - mit einigem Erfolg - mit Haut- und
Hornhaut-Stammzellen. Einige klinische Studien sind im Gange, um
Anwendungen auch für Knorpelzellen, Herzmuskelzellen und andere
Zelltypen zu finden. Der Erfolg ist noch nicht gesichert.
Der Einsatz von Zellen Erwachsener, um diese in leistungsfähige
Stammzellen zu verwandeln, wäre eine Lösung für die Debatte rund
um die Verwendung von embryonalen Stammzellen. Im Moment ist
dies jedoch noch nicht möglich.
Stammzellen aus einem erwachsenen Körper sind multipotent und
könne nur die spezifische Art von Zellen oder Gewebe bilden, für die
sie bestimmt sind. So können etwa hämatopoetische Stammzellen nur
Blutzellen bilden, jedoch keine Nervenzellen.
Aufgrund der Tatsache, dass diese Zellen von Erwachsenen ein
gewisses Alter aufweisen, sind sie auch den Auswirkungen von
Umweltfaktoren wie Licht und Giftstoffen ausgesetzt. Durch zahlreiche
Teilungen sind ihre Chromosome/ Telomere durch den Einfluss des
Enzyms Telomerase verkürzt. All diese verschiedenen Aspekte machen
es schwierig, aus Stammzellen von Erwachsenen berechenbare und
sichere Stammzellen für den therapeutischen Einsatz zu gewinnen.
Catherine Verfaillie, eine weltweit bekannte flämische
Wissenschaftlerin, zeigte in ihrem Labor in Minnesota, dass
Erwachsene zusätzlich zu den normalen Stammzellen spezielle Zellen
mit potenzieller Pluripotenz besitzen. Dies bedeutet, dass es auch
adulte Stammzellen gibt, die sich in eine andere Art von Stammzelle
verwandeln und damit jede beliebige Zelle bilden können. Catherine
Verfaillie bezeichnet sie als MAPC oder Multipotent Adult Progenitor
Cell. Wahrscheinlich sind diese Zellen nicht von vornherein in einem
normalen Körper vorhanden, sondern wurden künstlich induziert.
Daneben untersucht auch eine Reihe von Wissenschaftlern, ob sich
Stammzellen von Erwachsenen mittels bestimmter Anreize gezielt in
andere genau definierte Richtungen weiterentwickeln lassen.
Im Jahr 2007 kam es zu einem neuen wissenschaftlichen Durchbruch:
Zwei verschiedenen wissenschaftlichen Teams aus den USA und aus
Japan gelang es, menschlichen Fibroblasten (adulte Gewebszellen z. B.
der Haut) in ESC-artige (also wie embryonale Stammzellen) zu
verwandeln, so genannte iPS Zellen oder "induzierte pluripotente
Stammzellen".
Diese Zellen weisen viele Merkmale echter embryonaler Stammzellen
(ESC) auf: Sie können sich zu allen menschlichen Zelltypen
auswachsen, sie vermehren sich selbst sehr stark ohne zu altern oder fast ohne zu altern, aufgrund ihrer langen Telomere.
Diese iPS-Zellen wurden mittels genetischer Veränderungen
hergestellt, insbesondere durch Einfügen mehrerer Gene, die immer in
ESC angetroffen werden. Das Team von Thompson in den USA hat die
Gene Oct3 / 4, Sox2, NANOG und LIN28 eingepflanzt, während das
japanische Forscherteam rund um Yamanaka Oct3 / 4, Sox2, Klf4 und
c-MCN in erwachsene Zellen „eingebaut“ hat.
Die Implantierung eines Gens kann durch Mitwirkung von Retroviren
erreicht werden. Allerdings birgt die Herstellung dieser Zellen auch das
Risiko der Entstehung von gut- oder bösartigen Tumoren (Tumor
Genesis) durch das Gen c-myc (Krebsgen), und es muss noch
nachgewiesen werden, dass diese iPS-Zellen tatsächlich alle
Eigenschaften von embryonalen Stammzellen haben, Gewebe in vivo
bilden können und keinen Wildwuchs oder Komplikationen
verursachen.
Trotz der "fantastischen" wissenschaftlichen Durchbrüche, die gern von
der Presse aufgegriffen werden, konnte die wissenschaftliche
Forschung noch nicht den Nachweis erbringen, das iPS-Zellen aus
erwachsenen Zellen auf sichere Art und Weise im menschlichen
Organismus verwendet werden können.
Fruchtbarkeit
1. BASISBEGRIFFE
Fruchtbarkeit ist die Möglichkeit, „Leben“ zu schenken.
Frucht-bar: dieser Begriff weist auf die mögliche Entstehung einer
"Frucht" hin, als Mittel der Fortpflanzung durch sexuelle Befruchtung
oder Bestäubung. Baum > Blume + Bestäubung durch eine andere
Blume > Frucht > neuer Baum
Fruchtbarkeit bei Säugetieren beruht auf der Verschmelzung von Eiund Samenzellen.
Tiere > Eier + Sperma > Frucht > neues Tier
Das besondere Merkmal und der Vorteil dieser Fortpflanzungsweise ist
die Entstehung von immer neuen, einzigartigen Mischungen von
Merkmalen durch die Vermischung der Gene.
Erst im 19. Jahrhundert wurde die biologische Grundlage für die
Übertragung erblicher Merkmale von Lebewesen erstmals erkannt.
Aufgrund der Beobachtung der Übertragung einfacher Merkmale beim
Erbsenzüchten konnte Gregor Mendel (1822-1884) die Übertragung
von Eigenschaften von Eltern auf ihre Nachkommen nachvollziehen,
die er in seinen "Mendel’schen Gesetzen" - später Genetik genannt festhielt. Sie bilden immer noch die Grundlage für traditionelle
Zuchtmethoden und Verbesserungen in Land- und Gartenbau.
Charles Darwin (1809-1882) löste eine wissenschaftliche Revolution
aus. Die Vorstellung, dass alle Lebewesen der Erde in einer
bleibenden, unveränderlichen Form geschaffen wurden, wich der
allgemeinen Anerkennung der Evolutionstheorie im Sinne des
Darwinismus.
Der "Kreationismus", d.h. die Lehre, wonach alle Lebewesen von
einem Schöpfer erschaffen wurden, war sowohl von Wissenschaftlern
als auch Theologen allgemein anerkannt, bis die Evolutionstheorie
dank Lamarck und Darwin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
entstand.
Die Fruchtbarkeit zu beherrschen, insbesondere die Befruchtung der
weiblichen Eizellen, ist ein sehr alter Traum.
Die „Machbarkeit von Mensch“ (und Natur) gründet auf der Idee, dass
die medizinischen und biologischen Entwicklungen der letzten
Jahrzehnte es ermöglichen werden, die Natur und das Leben zu
beherrschen. Der Traum, Einfluss auf den Befruchtungsprozess
nehmen zu können und damit auf die Entstehung des Lebens selbst
sowie auf die Übertragung genetischer Merkmale, nimmt immer mehr
Form an.
Die "unbefleckte Empfängnis", d.h. die Entstehung neuen Lebens im
Schoß einer Frau ohne männliche Befruchtung mit Sperma ist in der
Geschichte von Jesus Christus beschrieben.
Im Jahre 1850 wurden erste wissenschaftliche Schritte unternommen,
um die Fruchtbarkeit zu beeinflussen. Jean Rostand experimentierte
mit Froscheiern, die er in Kulturschalen zur Teilung brachte, indem er
sie in eiskaltes Wasser tauchte. Er untersuchte das Phänomen der
Parthenogenese (aus dem Griechischen παρθένος Parthenos,
"Jungfrau", + γένεσις Genesis, "Schöpfung"), sprich die Fortpflanzung
auf ungeschlechtliche Weise (ohne Einsatz von Sperma)dank Teilung
einer – unbefruchteten – Eizelle.
Im frühen 20. Jahrhundert wurden mit der künstlichen Besamung von
Pferden erste Schritte gesetzt, um die Fruchtbarkeit und die
Übertragung von genetischen Merkmalen auf die Nachkommenschaft
wissenschaftlich zu „steuern“.
Die Verbesserung der genetischen Qualität der Nachkommenschaft
wird in der Landwirtschaft allgemein akzeptiert.
Wenn jedoch genetische Eigenschaften beim Menschen beeinflusst
oder manipuliert werden, wird dies oft als "Eugenik" umschrieben.
Der englische Statistiker Francis Galton untersuchte statistisch den
Einfluss der Abstammung bei einer Reihe von „Persönlichkeiten“ in
seiner Veröffentlichung von 1869: „Heriditary Genius“. Bei seinen
Untersuchungen bemerkte er, dass neben Umwelteinflüssen auch
erbliche Merkmale den Geist und Körper eines Menschen bestimmen.
Die von ihm beschriebene Eugenik sollte der Menschheit zu positiver
Eugenetik verhelfen, und vor allem "wertvollen" Menschen der
Gesellschaft helfen, sich fortzupflanzen.
Die Ideen eugenischer Maßnahmen waren unter anderen in den
Vereinigten Staaten und in Deutschland im frühen 20. Jahrhundert
sehr verbreitet. Dies führte zu politischen Maßnahmen wie
Zwangssterilisierung psychisch kranker Menschen und bestimmter
Bevölkerungsgruppen (Alkoholiker, Ureinwohner Australiens,
Kriminelle, etc.).
Die extremen eugenische Maßnahmen im Deutschland Hitlers hatten
zum Ziel, ein "rein germanisches Volk" zu fördern. Nach der
Katastrophe des Zweiten Weltkrieges ist die Eugenik aus der Mode
gekommen.
Doch die Wissenschaft stand nicht still und erzielte vor allem in den
50er und 60er-Jahren Durchbrüche in der Biotechnologie und Genetik,
sodass man von "neuer Genetik" sprach. Am Ende der 50er Jahre ist
es gelungen, das Ei eines Kaninchens in einer Kulturschale zu
befruchten und einzusetzen. Dies war der Vorläufer der IVF (In-vitroFertilisation). Louise Brown wurde im Jahr 1978 als erstes Baby nach
einem IVF-Verfahren in Großbritannien geboren.
Die 60er und 70er-Jahre waren auch jene Jahre, in denen
Hormonpräparate größte Verbreitung fanden. Die "Pille" als Mittel der
Empfängnisverhütung wurde weltweit eingesetzt.
Hormonpräparate ermöglichten auch die Stimulierung der EiProduktion, so dass die Entnahme von Eiern wesentlich produktiver
wurde. Dies führte zur Entwicklung neuer Technologien, die in dieser
Lektion besprochen werden, etwa IVF, ICSI oder Klonen.
Neben der Genetik kam auch der Begriff "Epigenetik" auf. Unter dem
Begriff Epigenetik versteht man die Erforschung des Einflusses von
Faktoren, die nicht in der (in der DNA kodierten) genetischen
Information enthalten sind, aber dennoch die Entwicklung eines
Organismus beeinflussen und Veränderungen von einer Generation auf
die nächste verursachen. Diese epigenetischen Faktoren agieren also
zusätzlich zu der genetischen Information in der DNA.
Beispiele für epigenetische Einflüsse sind etwa der Einfluss der RNA
des Zytoplasmas oder der Einfluss der Komponenten der Nährlösung
auf die Entwicklung der Zellen. Das Studium der epigenetischen
Faktoren ist im Kontext der Stammzellenforschung von großer
Bedeutung. Sie sind von großem Interesse für die Anwendung von
biotechnologischen Verfahren etwa zur Bildung von Gewebe aus
Stammzellen, und scheinen zunehmend an Bedeutung zu gewinnen.
2. Unfruchtbarkeit und In-vitro-Befruchtung
IVF wurde als Lösung für Fruchtbarkeitsprobleme entwickelt, die eine
natürliche Befruchtung durch Verschmelzung von Ei- und Samenzellen
in der Gebärmutter oder im Eileiter verhinderten.
Beim IVF-Verfahren werden Eier entnommen, die man außerhalb des
weiblichen Körpers mit Sperma verschmilzt und danach wieder in die
Gebärmutter einsetzt.
Mehr über die Entnahme von Eiern aus dem weiblichen Körper ist im
Kapitel „Stammzellen § 3. Eizellen“ nachzulesen.
Eine Ei-Entnahme ist ein invasives medizinisches Verfahren, das auch
langfristige Risiken birgt. Es ist überdies ein zeitaufwändiges
Verfahren.
Der Erfolg eines IVF-Verfahrens ist nicht immer gewährleistet. Bei
einer Frau unter 35 Jahren liegen die Chancen auf eine normale Geburt
bei rund 65% nach 6 IVF-Verfahren. Dann nehmen die Erfolgschancen
ab und betragen noch rund 23% bei 40-Jährigen. (siehe New England
Journal of Medicine, 15. Januar 2009)
In den Anfangszeiten der IVF stellten Mehrlingsgeburten ein häufig
auftretendes Problem dar. Derzeit enthält das IVFBehandlungsprotokoll jedoch eine Begrenzung der Anzahl von
eingepflanzten Embryonen vor.
Klar ist auch, dass vor dem Beginn einer IVF die Ursachen der
Unfruchtbarkeit gründlich untersucht werden müssen.
Professor Ivo Brosens, emeritierter Professor für Gynäkologie und
Geburtshilfe an der Universität Leuven, schrieb am 13. August 2008 in
der Zeitung „De Standaard“: „Unfruchtbarkeit ist ein grundlegender
Aspekt der Fortpflanzung beim Menschen, und daher in erster Linie
keine Krankheit. Der Mensch ist von Natur aus unfruchtbar, weil der
Eisprung im Verborgen stattfindet und der Partner keine verlässlichen
Signale sieht oder empfängt, wann die unfruchtbaren Tage sind. Im
Laufe der letzten Jahrzehnte wurden jedoch viele Studien zur
Identifizierung des Fruchtbarkeitsfensters durchgeführt. Dank
verlässlicher Methoden konnte nachgewiesen werden, dass dieses
Fruchtbarkeitsfenster bei Frauen mit Fruchtbarkeitsproblemen keine
fünf Tage dauert, sondern kürzer ausfällt und manchmal nicht einmal
einen Tag lang dauert. Je kürzer dieses Fenster ist, desto höher ist das
Risiko, dass eine Schwangerschaft länger ausbleibt und sich Paare
Sorgen machen und unnötigerweise in medizinische Behandlung
begeben.“ Er plädiert für mehr Informationen über die Methoden
aktiver Bewusstmachung fruchtbarer Zeitfenster im Rahmen der
sexuellen Aufklärung.
Probleme mit Samen:
Eine wichtige Technik, die bei In-vitro-Fertilisation zum Einsatz kommt
ist die ICSI = intrazelluläre Zytoplasma Spermien Injektion. Spermien,
die weniger mobil sind und unter natürlichen Bedingungen zur keiner
Befruchtung der Eizelle führen können, werden bei dieser Technik
direkt in den Kern der Eizelle injiziert.
Bei fehlendem oder ungeeignetem Samen ist eine künstliche
Befruchtung mit Spender-Samen möglich.
Die Frage nach Ursachen für die in den letzten Jahrzehnten offenbar
zunehmende Unfruchtbarkeit bei Männern kann Thema einer weiteren
Studie sein. Es ist klar, dass auch der Lebensstil hier von Bedeutung
ist.
Probleme bei Frauen:
Unfruchtbarkeit kann bei Krebsbehandlung im Bereich der Eierstöcke
auftreten. Es ist heute möglich sowohl Eier als auch einen Teil der
Eierstöcke einzufrieren. Das Gewebe der Eierstöcke wird in Kulturen
angesetzt und die Vorläufer der Eizellen können in dieser Umgebung
zu Eizellen ausreifen. Die jüngsten Gefriermethoden, die dies
ermöglichen nennt man auch „Vitrifikation“. Die Eier werden im IVFVerfahren zu einem späteren Zeitpunkt befruchtet und in die
Gebärmutter eingepflanzt.
Unfruchtbarkeit bei Frauen kann unterschiedliche Ursachen haben:
• Eileiter: Infektionen, angeborene Anomalien, Sterilisierung
• Eierstöcke: nicht vorhanden, unterentwickelt oder nicht wirksam
genug, Alter (ab 37-40 Jahren nimmt die Fruchtbarkeit aufgrund
geringerer Aktivität der Eierstöcke stark ab).
• Gebärmutter: zu klein, Abweichungen der Form, Polypen, Myomen,
Endometriose, IUD (intrauterine device) oder "Spirale"
• Hormonell: unausgewogene Produktion von Hormonen (Estrogene,
Progesterone, Hypophysen-Hormone, Schilddrüsenhormone ...) kann
das Ausreifen der Eizellen und das Einnisten der Blastozyste in die
Gebärmutter verhindern. Tritt auch bei Einnahme der „Pille“ auf und
im Fall von Anorexie.
• Gebärmutterhals: falsche Zusammensetzung des Schleims, Alter
• Antikörper in der Gebärmutter führen zur Abstoßung des Samens
• Andere
Einige dieser Probleme können dank IVF umgangen werden, andere
nicht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Frauen nach Jahren andauernder
Unfruchtbarkeit plötzlich auf natürliche Weise schwanger werden.
3. Spenden von Eizellen an Paare
Unbehebbarer Unfruchtbarkeit eines Paares kann manchmal mittels
Eizellenspende begegnet werden.
Zu diesem Zweck bittet man junge Frauen mit besserer Fruchtbarkeit,
einige ihrer Eizellen zu spenden. Diese Spenderinnen müssen sich
einem umfangreichen und zeitaufwändigen Verfahren unterziehen, das
nicht ohne Risiko abläuft. Eines der Risiken besteht darin, dass sie
später vielleicht auch mit Fruchtbarkeitsproblemen zu kämpfen haben.
4. Leihmütter
Wenn die Sterilität durch das Fehlen der Gebärmutter hervorgerufen
wird, kann vielleicht eine Leihmutter Abhilfe bringen.
Im komplexen Umfeld unerfüllter Kinderwünsche rückt die Rolle der
Leihmutter in letzter Zeit zunehmend in den Vordergrund. Man
erinnere sich an Zeitungsmeldungen über eine belgische Frau, die das
Kind, das sie trug, zwei verschiedenen Paaren "verkauft" hat.
Man spricht von einer Leihmutter, wenn eine Frau eine befruchtete
Eizelle bis zur Geburt des Kindes austrägt und dann das Baby der Frau
oder dem Paar, das sich Kinder wünscht, überlässt. Die Umstände und
Beweggründe rund um Leihmutterschaft sind sehr unterschiedlich,
auch kommerzielle Zwecke sind ein häufiges Motiv.
Es ist klar, dass der Status des "zu verkaufenden“ Kindes bestimmte
rechtliche und ethische Probleme aufwirft, auch in Bezug auf das Recht
jedes Menschen zu wissen, wer seine Eltern sind.
5. Saviour Baby oder das Baby als „Heilmittel“
Fruchtbarkeitstechnologie und Stammzellenforschung kommen
gemeinsam bei der Behandlung von Leukämie zum Einsatz. Die
bewusste und zielgerichtete Zeugung eines kompatiblen
Geschwisterkindes unter anderem zur Behandlung eines kranken
Kindes der Familie ermöglicht es, das größte Problem bei
Stammzellübertragungen zu umgehen, sprich mangelnde
Kompatibilität.
So ist der Begriff "Retter-Baby" entstanden. Die Eltern eines an
Leukämie erkrankten Kindes beschließen ein Kind mit kompatiblen
Eigenschaften in die Welt zu setzen, das den kranken
Bruder/Schwester möglicherweise „retten“ (saviour) kann. Bei der
Geburt des „Retter“ Babys wird Nabelschnurblut abgenommen und
dank der zahlreichen blutbildenden Stammzellen im Nabelschnurblut
kann eine Transplantation beim an Leukämie erkrankten Bruder oder
Schwester vorgenommen werden.
Der Mutter werden zu diesem Zweck zuerst einige Eizellen entnommen
und in vitro mit dem Sperma des Vaters befruchtet. Dem sich daraus
bildenden 8-Zell-Embryonen wird eine Zelle entnommen und auf
Kompatibilität mit dem kranken Kind getestet. Die Technik der
Präimplantationsdiagnostik macht dies möglich. Der Embryo mit der
höchsten Kompatibilität wird dann in die Gebärmutter der Mutter
eingesetzt.
Die Technik der Präimplantationsdiagnostik kann auch zur
Früherkennung von Erbkrankheiten dienen, wird aber auch zur
Überprüfung des Geschlechts eingesetzt.
In einigen Ländern ist es sehr wichtig, einen männlichen Erben auf die
Welt zu bringen. Systematische Präimplantationsdiagnostik und die
Implantierung von ausschließlich männlichen Embryonen kann
gravierende Folgen haben.
6. Klonen
Aus der Eizelle wird der Kern mit dem DNA-Material entfernt und durch
den Kern einer erwachsenen Zelle (z.B. der Haut) mit Spender-DNA
einer erwachsenen Person ersetzt. So erhält man einen Embryo mit
genetischem Material, das mit dem Spender der erwachsenen
(Haut)Zelle identisch ist.
Die erste bekannte erfolgreiche Anwendung dieser Technik führte zur
Geburt des Schafes Dolly, dessen genetisches Material zur Gänze vom
Mutterschaf stammte, das auch das Ei produziert hat und sich somit
selbst befruchtet hat. Die Anwendung der Klontechnologie beim
Menschen kann von therapeutischem Nutzen sein, um Kulturen von
Gewebezellen anzusetzen, die Träger der eigenen DNA des Patienten
sind. Dies nennt man therapeutisches Klonen. Diese Technik
vermindert das Risiko einer Abstoßung.
Allerdings sollte man dabei nie vergessen, dass das Klonen zu
therapeutischen Zwecken immer bedeutet, dass ein menschlicher
Embryo aus einer Eizelle geschaffen wird. Man muss also danach
trachten, die zur Anlage der Gewebezellkulturen notwendigen Zellen
dem Embryo in einem sehr frühen Stadium, d.h. in der Blastozyste, zu
entnehmen. Das weitere Wachstum des Embryos hin zu einem
lebensfähigen Individuum - reproduktives Klonen - muss unter allen
Umständen vermieden werden.
Das echte „Kopieren“ einer Person durch reproduktives Klonen wird
allgemein als verwerflich angesehen.
Die Erforschung der wissenschaftlichen Möglichkeiten des Klonens
erfordert eine sehr große Anzahl von Eispenden.
So scheint der koreanische Professor Hwang Woo Suk, der im Jahr
2004 als erster über erfolgreiches Klonen von Menschen publizierte,
für sein Bravourstück 2236 Eier von 122 Frauen benötigt zu haben,
und nicht ein paar hundert wie er vorgab. Die Verheimlichung dieser
Zahlen löste den so genannten koreanischen Stammzell-„Skandal“
aus.
Die neueste Technologie, die anstelle von embryonalen Zellen
erwachsene Zellen zu Stammzellen-artigem Verhalten anzuregen (iPS
= induzierte pluripotente Stammzellen)versucht, kommt ohne Eizellen
aus.
Die letztendliche Verwendbarkeit dieser Zellen ist noch ungeklärt.
Daher bleibt auch weiterhin die Forschung an "echten" embryonalen
Stammzellen unter Heranziehung von Eizellen unverzichtbar.
ANWENDUNGEN
Unterrichtseinheit:
ANDERE ANWENDUNGSBEREICHE
1. Forschung
• Zellfunktionen: Stammzellenforschung bedeutet, die Vermehrung
und Differenzierung von Zellen zu untersuchen. Wichtige neue
Erkenntnisse über die ersten Entwicklungsstadien und die
Zellspezialisierung werden aus dem Studium der Stammzellen
gewonnen.
Chemische Stoffe werden gesucht, die das Wachstums oder die
Differenzierung von Stammzellen beeinflussen. So hat man in der
Vergangenheit zum Beispiel Wachstumsfaktoren wie EPO entdeckt.
(EPO ist jene chemische Substanz im Blutkreislauf, die BlutStammzellen zur verstärkten Produktion von roten Blutkörperchen
anregt.)
Bei genetisch vererbten Krankheiten kann man die Entstehung des
Krankheitsbildes untersuchen.
Die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Krebszellen und
Stammzellen führen zu neuen Einsichten und neuen Möglichkeiten in
der Krebstherapie.
• Kulturlösungen: Die Zellen werden in Nährlösungen angesetzt, deren
Zusammensetzung für das Wachstum und die Differenzierung von
Stammzellen sehr entscheidend ist. Das Testen neuer Nährlösungen,
um die Entwicklung von Stammzellen in eine bestimmte Richtung zu
steuern, ist ein wichtiger Bestandteil der Stammzellforschung.
2. Pharmakologie
• Neue Medikamente können auf menschlichen Zellkulturen getestet
werden. So kann man direkt am Gewebe, in dem das Medikament zum
Einsatz kommen soll, feststellen, welche Wirkungen und
Nebenwirkungen auftreten. So lässt sich tatsächlich die Toxizität auf
menschlichen Zelllinien testen. Diese Zellen sind aus einer Stammzelle
der Blastozyste entstanden und haben alle die gleichen Eigenschaften.
So könnte man zum Beispiel den Einsatz von Versuchstieren und
Testpersonen drastisch verringern. Seitens der pharmazeutischen
Industrie besteht großes Interesse an diesen
Anwendungsmöglichkeiten.
• Das Studium von Stammzellen ermöglicht eine bessere Kenntnis der
verschiedenen körpereigenen Substanzen, die dem Wachstum und
dem Schutz dienen. Dieses Wissen kann in der Pharmakologie
eingesetzt werden, um diese Abläufe zu verbessern oder durch
Medikamente zu beeinflussen.
3. Zelltherapie
Anstatt Organ- und Gewebespenden zur Wiederherstellung
beschädigter Organen und Gewebe einzusetzen, kann man auch
Stammzellen therapeutisch verwenden (= Zelltherapie). Die
tatsächliche Verwendung von Stammzellen für Zelltherapien ist jedoch
nach wie vor sehr begrenzt. Die hohen Erwartungen, die man in den
sicheren und allgemein verfügbaren Einsatz von Stammzellen in der
Zelltherapie setzt rechtfertigen den großen finanziellen Einsatz
zugunsten der Stammzellforschung.
• Aktuelle Zelltherapien:
Hierfür werden nur erwachsene Stammzellen (ASC = adult stem cell)
verwendet.
Ein Beispiel ist die Anwendung von Stammzellen aus Nabelschnurblut
(HSC = hämatopoetische Stammzellen) bei der Behandlung von
Leukämie bei Kindern oder die Verwendung von ASC aus Knochenmark
zur Leukämie-Behandlung.
Auch die Verwendung von Zellkulturen aus Haut- und HornhautStammzellen zur Wiederherstellung dieser Gewebe zählt zu den
bestehenden Zelltherapien.
• Experimentelle Zelltherapie:
Im Rahmen der experimentellen Zelltherapie werden
Anwendungsmöglichkeiten von erwachsenen (ASC)- als auch
embryonalen (ESC)-Zellen erforscht.
Das Anlegen von Kulturen verschiedener Arten von erwachsenen und
embryonalen Stammzellen, z. B. Zellkulturen von Nerven-Stammzellen
oder Stammzellen für die Hautbildung, sowie zahlreiche Versuche, das
Potenzial und damit den Anwendungsbereich dieser Zellen zu
vergrößern, stehen im Zentrum der experimentellen Zelltherapie.
Die Hoffnung, Stammzellen eines Tages zur Regeneration bei
Rückenmarksverletzungen einsetzen zu können, ist hierfür ein Beispiel.
Der verstorbene Schauspieler Christopher Reeve, bekannt geworden in
der Rolle des Superman und nach einem Sturz vom Pferd gelähmt, war
ein großer Verfechter der Stammzellforschung.
Derzeit setzt man die größten Hoffnungen auf Anwendung der
Zelltherapie bei Krankheiten in Folge des Verlusts von gesundem
Gewebe nach einer Unterbrechung der Blutversorgung oder
Thrombose, z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Gangrän, Parkinson,
Diabetes. Dabei herrscht ein Mangel an diesen Zellen im Gewebe,
jedoch gibt es keinen Krankheitsprozess, der diese Zellen erneut
angreifen könnte.
4. Zukünftige Therapiemöglichkeiten:
• Nicht-reproduktives, therapeutisches Klonen
Aus dem Ei wird der Kern entfernt. Der Kern wird durch einen Zellkern
des Patienten ersetzt, was bedeutet, dass das genetische Material oder
die Gene des Patienten das ursprüngliche genetische Material der
Eizelle ersetzen. Die Eizelle mit dem „fremden“ Kern wird zur Teilung
angeregt und bildet eine Blastozyste. Dieser Blastozyste wird eine
Zelle entnommen, die als ESC eine Zellkultur mit dem genetischen
Material des Patienten bilden wird. Eine medizinische Verwendung von
Gewebe, das aus diesen ECS entstanden ist, senkt das Risiko einer
Abstoßung.
Klonen nennt man auch Zellkerntransplantation oder SCNT (somatic
cell nuclear Transplantation).
In Zukunft hofft man, solcherart alle Zelltypen und Gewebearten mit
optimaler Kompatibilität wachsen lassen zu können, da sie die Gene
des Patienten enthalten. Dies würde die Behandlung vieler Krankheiten
enorm verbessern: z. B. durch Schaffung von Herzgewebe,
Knochengewebe oder Nervenzellen. Derzeit ist eine klinische
Anwendung dieser Technik in großem Ausmaß jedoch noch nicht
möglich.
Hinweis: Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass bei therapeutischem
/ nicht-reproduktivem Klonen das Wachstum der Eizelle mit den Genen
des Patienten zeitgerecht gestoppt wird, und zwar im Stadium der
Blastozyste. Man verfolgt damit nicht den Zweck, Eizellen mit
transplantiertem Kern weiter zu Embryonen, Föten oder
möglicherweise lebensfähigen Babys weiterwachsen zu lassen. Dies
wäre reproduktives Klonen und ist streng verboten.
Bioethische Fragen
FRAGEN rund um Stammzellenforschung und
Eizellspende:
Rechtliche / ethische Debatte
Rechtliche / ethische Debatte
1. Über die Verwendung von überzähligen Embryonen
2. Über die Schaffung von Embryonen ausschließlich zu
Forschungszwecken
3. Rund um Eigentumsrechte und geistiges Eigentum
4. Zu Eizellspenden
5. Kann man Frauen durch Druck oder finanzielle Anreize zur
Eizellspende bewegen ?
6. Wirtschaftliche Fragen rund um kommerzielle Eizellspenden
7. Fragen zur Leihmutterschaft
8. Fragen rund um das Klonen
9. Nabelschnurblutbanken: privat oder öffentlich-rechtlich?
Oben genannte Diskussionspunkte sind nicht als erschöpfende
Aufzählung zu betrachten, sondern dienen als Anregung und
Unterstützung für Debatten rund um dieses Thema. 8
Die angeführten Informationen sind nicht erschöpfend und haben
Beispielfunktion. 8
1. Die Verwendung überzähliger Embryonen:
Kann man überzählige IVF Embryonen in der Stammzellenforschung
einsetzen?
Gilt der volle rechtliche Schutz des Individuums auch für einen
Embryo?
Die Kontroverse um die Verwendung von Stammzellen dreht sich in
erster Linie um die Frage, ob es vertretbar ist, menschliche Embryonen
für die wissenschaftliche Forschung und die Verbesserung der
Gesundheit zu verwenden, obwohl dies ihr Absterben bewirkt. Diese
Diskussion ist vergleichbar mit jener, die rund um die Abtreibung
geführt wird. Diese Kontroverse betrifft einzig embryonale
Stammzellen, nicht jedoch erwachsene Stammzellen.
2. Schaffung von Embryonen ausschließlich zu
Forschungszwecken:
Wird durch die Erzeugung von Embryonen jenseits von
Fruchtbarkeitstherapien und Kinderwunsch und / oder durch
therapeutisches Klonen, für das eine Eizelle benötigt wird, das Ei zur
Ware ?
Kann man Eizellen zur Herstellung von ESC-Zellkulturen in großem
Umfang einsetzen, um Zelltherapien oder andere pharmazeutische
Ziele zu erreichen?
Die reale Umsetzung dieser Zukunftsperspektiven wird noch sehr viel
Zeit in Anspruch nehmen. Es ist jedoch heute schon klar, dass bei
erfolgreicher Weiterentwicklung dieser Forschungsansätze die
Nachfrage nach Eiern als "idealer" Grundlage für Zelltherapie rapide
ansteigen wird!
3. Rund um Eigentumsrechte und geistiges Eigentum:
Kann ein Patent auf Eizellen, Embryonen, Zelllinien oder ESC
eingereicht werden?
In unserer modernen Gesellschaft haben Patente wesentliche
Bedeutung für die Aufrechterhaltung sowohl der Wirtschaft als auch
der wissenschaftlichen Forschung.
Im traditionellen Recht ist ein menschlicher Körper "res nullius" und
kann keinesfalls Eigentum sein.
Dennoch ermöglicht es die Gesetzgebung in vielen Ländern,
körpereigene Bestandteile in einem kommerziellen Rahmen zu
verwenden.
Die Zulassung von Patenten auf Stammzellen, Stammzelllinien und
manipulierte Eizellen wie in den USA wird auch in Europa gefordert.
Eizellen kommen auf diese Art und Weise in einen kommerziellen
Kreislauf und werden zur Quelle von „Profit“. Dies erhöht auch die
Nachfrage nach Eiern und das Ei kann zum Gegenstand eines
Geschäfts werden.
Wenn Eizellen Elemente sind, mit denen gehandelt werden kann,
müsste man dafür einen fairen Preis bezahlen. Wie kann man den
Preis festsetzen? Wenn man wie etwa in Belgien den Standpunkt
vertritt, dass es sich um eine „Gabe“ oder „Spende“ handelt, dann
muss dem ein „Gegengeschenk“ gegenüber stehen, sei es Dank,
soziale Anerkennung, Gegenseitigkeit, moralische philanthropische
Satisfaktion, etc.
Belgischen Gesetze:
- 23. September 2007 über die Verwendung menschlichen Gewebes
- 11. Mai 2003 in Bezug auf Embryonenforschung
28. Mai 2003 Datum der Veröffentlichung im belgischen Staatsblatt
- 6. Juli 2007 über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung
In Belgien hat das Gesetz über Embryonenforschung vom 11. Mai
2003 (Belgisches Staatsblatt 28. Mai 2003) grundsätzlich Forschung an
überzähligen Embryonen nach einer IVF erlaubt. Wichtig dabei ist,
dass der belgische Gesetzgeber die Forschungsmodalitäten (z. B.
durch anerkannte Labors, unter Aufsicht einer Ethik-Kommission, nach
der richtigen Methodik, unter Aufsicht eines spezialisierten Arztes und
nur dann, wenn keine andere Forschungsmethode in Betracht kommt).
Überdies ist das maximale Alter des Embryos auf 14 Tage festgelegt:
Untersuchungen an Embryonen können nur in den ersten 14 Tagen der
Entwicklung des Fötus durchgeführt werden, die Gefrierperiode nicht
mit eingerechnet. Die informierte, schriftliche Einwilligung aller
Beteiligten ist erforderlich.
Belgien und das Vereinigte Königreich sind die einzigen Länder in der
EU, die über einen rechtlichen Rahmen für die Schaffung von
Embryonen für Forschungszwecke und Kerntransfer oder Klonen
verfügen: Es ist somit er erlaubt, ein Embryo in vitro für
Forschungszwecke zum Wachsen zu bringen, sofern alle Bedingungen
des Gesetzes über Embryonenforschung erfüllt sind und unter der
Voraussetzung, dass die Untersuchung nicht auf eine andere Weise
möglich ist, um das gleiche Forschungsziel zu erreichen.
4. Eispenden:
Vorerst muss man unterscheiden zwischen Spenden überzähliger
Embryonen (oder Eier) durch Frauen oder Paare mit eigenem
Kinderwunsch, die bereits ein IVF-Verfahren durchlaufen haben, und
Spenden von Eizellen von jungen Frauen, die vorläufig ohne eigenen
Kinderwunsch sind, aus Beweggründen wie Altruismus, aufgrund
finanzieller Vergütung oder aus anderen psychosozialen Gründen.
Bei letztgenannter Gruppe muss berücksichtigt werden, dass das
Verfahren nicht nur sehr zeitaufwändig ist, sondern auch potenzielle
Gefahren birgt. Nicht nur während der hormonellen Behandlung und
der Eiabnahme gibt es Risiken, sondern auch später kann der Wunsch
nach eigenen Kindern davon beeinträchtigt werden. Auf lange Sicht ist
das mögliche Auftreten anderer Krankheitsbilder noch nicht
ausreichend identifiziert.
Es gibt zwei Zielgruppen, für die Eizellen bestimmt sind:
- Paare, im weitesten Sinne des Wortes, mit Kinderwunsch und
eigenen Fruchtbarkeitsproblemen
- Forschungszentren
5. Kann man Frauen durch Druck oder finanzielle Anreize zur
Eizellenspende bewegen ?
Müssen Schwächere geschützt werden? Sind Frauen schwach oder
unvorbereitet? Steht dies im Gegensatz zum absoluten
Selbstbestimmungsrecht von Frauen?
Auf welchem Weg erreicht die Information die betreffende Frau, damit
sie ihre informierte Einwilligung (informed consent) für eine
Eizellspende geben kann? Wann verfügt sie über ausreichende
Kenntnisse für eine Eizellspende?
Eizellspenden werden durch Stimulierung erreicht. Um den Eisprung
anzuregen und mehrere Eizellen gleichzeitig „pflücken“ zu können,
werden Hormonspritzen verabreicht. Diese Technik ist ähnlich wie bei
einer IVF: Dennoch macht es einen großen Unterschied, ob man sich
dieser Hormonkur unterzieht, um selber schwanger zu werden oder
ob man als Eizellspenderin fungiert.
Letztere Situation gibt Anlass zu größter Sorge, vor allem wenn
"schwächeren" Frauen unter Druck gesetzt werden, um zu spenden
oder finanziell geködert werden, wodurch Handel mit Eizellen betrieben
werden kann.
Der belgische Gesetzgeber hat Eizellspenden mit Blick auf die
Stammzellenforschung zugelassen. Die Frau muss allerdings volljährig
sein, ihre schriftliche Zustimmung gegeben haben und die hormonelle
Stimulierung muss wissenschaftlich begründet sein (Art. 4 § 2
Embryonenforschungs-Gesetzes).
Dennoch löste ein von der Universität Leuven an Studentinnen
gerichteter Aufruf zur Spende von Eizellen gegen finanzielle
Entschädigung eine Menge Protest aus.
Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen berechtigt sie, ihre gültige
Einwilligung zu Eizellspenden zu geben. Dennoch mahnen
Organisationen wie Zonta International und der belgische Frauenrat zu
größter Vorsicht!
Auf welcher Grundlage kann eine Frau ihr Recht auf Selbstbestimmung
geltend machen? Dies ist mittels "informed consent" möglich: Der
Patient muss aufgrund ausreichender Sachkenntnis eine informierte
Entscheidung treffen.
Das belgische Gesetz über Patientenrechte (Artikel 8) sieht vor, dass
Frauen als Eispenderinnen über die relevanten Risiken und
Nebenwirkungen des Eingriffs informiert werden müssen. Die
spezifisch zu erwähnenden Risiken sind mögliche Hyperstimulation (in
2 bis 5% aller Fälle), Gefahr von Blutungen und / oder Infektionen bei
der Entnahme der Eizellen, die Gefahr von Reaktionen auf
Betäubungsmittel.
Es gibt auch Meinungsverschiedenheiten über die Bewertung des
Risikos von Hyperstimulation. Es ist noch nicht klar, welche – vor allem
langfristigen - Auswirkungen diese hormonellen Stimuli haben werden,
z. B. häufigeres Auftreten bestimmter Krebsarten. Dazu gibt es noch
keine ausreichenden Daten oder Studien. Häufigeres Auftreten von
gutartigen Gebärmutterproblemen ist jedoch bereits belegt.
Die Zustimmung der Eizellspenderin muss immer schriftlich erfolgen
und kann widerrufen werden bis zu dem Zeitpunkt, an dem die
Untersuchungen beginnen.
6. Wirtschaftliche Fragen rund um Eizellspenden
Die Kommerzialisierung des menschlichen und vor allem des
weiblichen Körpers im Rahmen der GRM (Guided Reproductive
Medicine) oder Fortpflanzungsmedizin in diversen Fertilitätskliniken ist
ein sehr wichtiges Diskussionsthema.
"ART" ist die Abkürzung für "Assisted Reproductive Technologies",
Englisch für "medizinisch unterstützte Fortpflanzung“: Was assoziieren
Sie mit diesem Begriff? Wie reagieren Sie darauf?
Eizellspenden für kommerzielle Zwecke sind in Belgien verboten und
werden mit Haftstrafen von 1 bis 5 Jahren oder einer Geldstrafe von 1
000 bis 10 000 € € geahndet.
a. In Belgien vertritt man die Position, dass Eizellen kein
Geschäftsgegenstand sein können. Nur direkt damit verbundene
Unkosten können rückerstattet werden.
Allerdings wird z.B. auf Samenspender verwiesen, die sehr wohl
Entschädigungszahlungen erhalten, sowie Vergütungen für freiwillige
Teilnehmer an medizinischen Experimenten. Für diese Gruppen wird
allgemein akzeptiert, dass sie bezahlt werden.
Im Rahmen des Projekts einer Fertilitätsklinik in Leuven wurden
2008 Vergütungen zwischen 400 und 750 € angeboten: Kann das eine
faire Vergütung für ein Prozedere sein, dass mindestens 60 Stunden in
Anspruch nimmt? Überdies werden dabei weder die damit
verbundenen Unannehmlichkeiten oder mögliche kurz- und langfristige
Komplikationen berücksichtigt.
b. In den USA ist der kommerzielle Verkauf von Eizellen möglich. Es
wird dafür ein ähnlicher Preis bezahlt wie der Stundensatz für
Samenspenden.
Eine Samenspende (ein völlig natürlicher Vorgang, der keine
hormonelle Stimulierung erfordert) dauert 1 Stunde und bringt etwa
75 $ ein. Eine Eispende (die kein natürlicher Prozess ist) erfordert
etwa 56 bis 70 Stunden Einsatz, u.a. für die ärztlichen Untersuchungen
selbst und für die notwendigen Follow-ups der verschiedenen
medizinischen Verfahren, und kostet rund $ 4 000, wenn die gleichen
Stundensätze wie bei Samenspendern verrechnet werden. Bei diesem
Vergleich werden etwaige Unannehmlichkeiten und spätere
Komplikationen nicht berücksichtigt, die natürlich bei Samenspenden
nicht auftreten.
7. Fragen rund um Leihmutterschaft
Neben der Nachfrage nach den "besten", sprich "jungen" Eizellen (wie
in Absatz 6 erwähnt), gilt es auch das Angebot und die Nachfrage nach
Leihmutterschaft oder "Surrogate Mothers" zu diskutieren. Bei Google
finden Sie bei Eingabe dieses Begriffs mehr als eine Million
Textreferenzen! Alle oben genannten Punkte gelten auch hier.
Die Mutter-Kind-Beziehung beruht auf mindestens drei Säulen:
- Die Eizelle: oder der Anteil der sogenannten "biologischen" Mutter,
die ihre DNA und erblichen Merkmale an das Kind weitergibt;
- Die Leihmutter oder Gebärmutter nach einem IVF-Verfahren: der
Anteil der "Epigenetik", d.h. aller Faktoren aus der Umgebung, in der
sich die befruchtete Eizelle entwickelt und die die Entwicklung des
werdenden Kindes beeinflussen;
- Die "legalen" Eltern, die für die Versorgung und Erziehung des Kindes
verantwortlich sind, wie z. B. bei einer Adoption.
Der Vergleich mit Adoptionen kann hier von Nutzen sein. Dennoch ist
die Problematik rund um Leihmutterschaft viel komplizierter.
8. Fragen zum Klonen
Die Erschaffung eines vollständig identischen Menschen oder Tiers mit
technischen Mitteln, also reproduktives Klonen, wirft zahlreiche Fragen
auf. In fast allen Kulturen wird Fortpflanzung durch Klonen abgelehnt.
Das Buch „Brave New World“ von Aldous Huxley beschreibt eine
zukünftige Welt mit einer Bevölkerung, die identisch geklont ist.
Mittlerweile wurde das Klonen von (identischen) Tiere bereits ins Auge
gefasst, sei es wegen ihrer außergewöhnlichen Eigenschaften oder um
vom Aussterben bedrohte Arten zu retten. Die Technologie existiert
also, das reproduktive Klonen von Menschen wird jedoch nach wie vor
überall abgelehnt.
Dennoch findet die Erzeugung von "direkten" embryonalen
Stammzellen mit der DNA des Patienten in der Zelltherapie bereits
statt. Eine ethische Debatte ist dringend notwendig: Die Erfahrungen
mit Klonen bei Tieren (siehe Dolly, das geklonte Schaf) haben in der
Tat gezeigt, dass die gesundheitlichen Risiken, die bei einem geklontes
Baby auftreten könnten, unvorhersehbar sind. Ein derartiges Risiko in
Bezug auf ein menschliches Kind einzugehen, kann man nur rundweg
ablehnen.
In Bezug auf therapeutisches Klonen stellt sich die Frage, ob die
Entnahme vieler menschliche Eizellen für Forschung und Behandlung
trotz vorderhand geringer Erfolgsquoten gerechtfertigt ist.
Der Einsatz tierischer Eizellen, mit denen „eigenes“ Gewebe oder
Organe hergestellt werden kann (ein Ohr wächst auf einer Maus), stellt
eine mögliche Alternative dar. Dies ist in Großbritannien bereits
erlaubt. So stellte man „Schimären“ oder Hybride her. Bei dieser
Technologie ist der Einfluss der Epigenetika noch wenig bekannt, d.h.
all jener Faktoren mit Ausnahme der DNA des transplantierten
Zellkerns, die die Eigenschaften der „Frucht“ beeinflussen.
9. Nabelschnurblutbanken: privat oder öffentlich-rechtlich?
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zwischen gesellschaftlichem
Interesse (z. B. für die Behandlung von Leukämiepatienten: öffentliche
Nabelschnurblutbanken arbeiten hier zusammen) und privaten
Interessen abzuwägen (z. B. das Einfrieren von Nabelschnurblut von
Kindern für eine zukünftige Zelltherapie des Vaters oder der Mutter,
die nach ihrer Sportlerkarriere verletzte Knorpel wiederherstellen
wollen).
NETCORD ist eine weltweite Datenbank, in der die Daten und
spezifischen Eigenschaften von Stammzellen abgerufen werden
können, die sich eingefrorenen Nabelschnurblutproben in öffentlichen
Nabelschnurblutbanken befinden. So können Leukämiepatienten, die
diese Therapie benötigen, eine größere Menge von geeigneten
Stammzellen zur Verfügung gestellt werden.
Das eingefrorene Nabelschnurblut hat eine maximale Haltbarkeit von
20 Jahren.
Es gibt mittlerweile viel mehr private (über 130) als öffentliche
Nabelschnurblutbanken (50).
In Belgien ist eine kommerzielle Blutbank, Cryo-Save, tätig. Daneben
gibt es mehrere öffentlich-rechtliche Nabelschnurblutbanken in
Leuven, beim Roten Kreuz Flandern, Brüssel und Lüttich. Bisher hat
die private Nabelschnurblutbank jedoch mehr Proben von
Nabelschnurblut gesammelt als alle öffentlichen
Nabelschnurblutbanken zusammen.
Die Abnahme von Nabelschnurblut für öffentliche
Nabelschnurblutbanken unterliegt strengen Auflagen und ist daher nur
in einer begrenzten Anzahl von Entbindungskliniken möglich.
Unmittelbar nach der Abnahme werden Tests über potenzielle Risiken
durchgeführt und eine Typenbestimmung vorgenommen. Die meisten
öffentlich-rechtlichen Banken sind an NETCORD angeschlossen, so
dass im Fall von Leukämie die meist kompatible Blutprobe verwendet
werden kann. Dieses System basiert auf dem Prinzip der Solidarität.
Private Nabelschnurblutbanken nehmen Blutproben in jedem
Krankenhaus ab und verrechnen für die Abnahme und Lagerung von
Nabelschnurblut mehrere tausend Euro. Sie führen auch keine
weiteren Untersuchungen durch.
Oben genannte Diskussionspunkte sind nicht als erschöpfende
Aufzählung zu betrachten, sondern dienen als Anregung und
Unterstützung für Debatten rund um diese Thematik.
Die angeführten Informationen sind nicht erschöpfend und
haben Beispielfunktion.
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