Rede_Rania Kakarli (PDF, 49 kB ) - DGB Osnabrück

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Als ich vierzig wurde, fragte mich meine Tochter, ob ich wieder zwanzig Jahre alt sein
möchte. Ich sagte, nein. Denn dann hätte ich nicht deinen Vater geheiratet und hätte nicht
drei so schöne wunderbare Mädchen.
Heute aber mit fünfzig würde ich es mir manchmal wünschen, noch einmal 20 zu sein.
Dann könnte ich die deutsche Sprache besser lernen, so wie meine jüngste Tochter dies
kann..
Ich komme aus Damaskus, der Hauptstadt Syriens. Dort wurde ich geboren, wuchs ich auf,
studierte, heiratete und bekam drei Kinder.
In Damaskus fuhr ich mit dem Auto, hörte laut Musik und kannte alle Straßen. Ich habe mir
nicht vorstellen können, einmal in einer fremden Stadt wie blind herumzufahren. Ich habe
hier keine Wurzeln. Ich weiß nicht einmal, wo ich parken kann und Parkgeld zahlen muss
oder nicht. Wenn ich das alles gewusst hätte!!!!!
Wenn ich mein altes Handy benutze, bin ich traurig. Dort habe ich so viele Adressen von
Freunden und Verwandten, die jetzt in der ganzen Welt verstreut sind und die ich nicht mehr
treffen kann.
Ich hatte dort Kontakte vom Gemüsehändler, vom Minister für Bildung und von Galeristen.
Ich bekam Einladungen zu Filmen, Konzerten und ins Theater.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mein Handy so nicht mehr gebrauchen könnte, dass es nur
noch für Erinnerungen gut ist. Wenn ich die Namen dort lese, werde ich traurig.
Meine Mama war immer mit mir in Verbindung und lud mich zum Beispiel zum Essen ein.
Und heute ist sie alleine und hat kein Strom und kein Wasser. Und sie sagt, ich werde hier
alleine sterben, ohne euch gesehen zu haben, weil alle mich verlassen haben.
So viele von meiner Liste sind gestorben. Zum Beispiel mein Cousin in einem AssadGefängnis oder meine Freundin, die von einem Scharfschützen auf der Straße erschossen
wurde.
In Syrien - als noch Frieden war - hatte ich eine warme Wohnung, ich liebte meine Arbeit,
und hatte meine Kinder um mich. Abends schaute ich manchmal einen romantischen
amerikanischen Film und wenn ich müde war, trank ich einen alten Rotwein, der von
Freunden gemacht worden war.
Nachrichten schaute ich nie, das waren immer nur Lügen und Propaganda.
Heute sehe ich nur noch Horrorfilme im Netz von schwarzen Flaggen und zerbombten
Städten. Aber es ist alles Realität und nicht Fiktion.
Ich bin zweimal in meinem Leben zu Wahlen gegangen. Das erste mal in meiner Zeit an der
Universität. Da wurde man nicht eingeschrieben, wenn man nicht nachgewiesen hat, dass
man zur Wahl war. Das zweite Mal in Polen, als ich dort lebte. Ich ging zur Botschaft und als
ich dort ankam, hat man gleich ein “Ja” für mich auf den Wahlzettel gemacht.
In Damaskus habe ich in einer Organisation gearbeitet, die sich für die Rechte der Frauen
eingesetzt hat, dass Frauen das gleiche Erbrecht haben, nicht mit vierzehn an alte Männer
verheiratet werden und dass ihre Kinder auch dann syrische Staatsangehörige sind, wenn
der Vater nicht Syrer ist.
Heute sehe ich, wie kleine Mädchen, die in den Flüchtlingslagern in Jordanien oder
in der Türkei leben, an reiche Männer verkauft werden.
Arabische Frauen werden hier meist als Frauen gesehen, die aus der Wüste kommen, den
Schleier tragen und die Polygamie akzeptieren. Aber das ist nicht so. Ich und viele andere
Frauen aus meiner Heimat sind moderne Frauen, die ihr eigenes Leben führen .
In Syrien wusste ich alles und kannte mich aus. Hier fühle ich mich oft dumm und nicht so
selbständig. Aber ich arbeite daran, dass sich das ändert.
Ich wünsche mir, dass ihr mich so akzeptiert wie ich bin. Ich bin heute hier und ich bin froh,
dass ich hier sein kann. Aber ich wünsche mir nichts so sehr als zurückgehen zu können.
Mein Herz schlägt für Syrien.
Die Waffen und die Bomben kommen aus dem Ausland, in Syrien werden nur Gemüse und
Obst und Brot produziert. Es ist die Verantwortung aller, dass es in Syrien so ist wie es ist
und alle müssen mit den Folgen leben.
Es ist also unsere gemeinsame Verantwortung und unser gemeinsames Interesse, diesen
Krieg endlich zu beenden. Lasst uns Frieden stiften. Mein Herz blutet für Syrien.
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