Olff S. Cannabis vom Arzt. Sonntagszeitung 26.6.2011

Werbung
WissenGesundheit
66
26. JUNI 2011
DR. MED ONLINE
Ärzte geben
Antworten
Cannabis vom Arzt
Ab 1. Juli werden in der Schweiz Medikamente auf Hanfbasis zugelassen
Jacqueline Buser, USZ-Ärztin
VON SABINE OLFF
q ERNÄHRUNG BEI GALLENSTEINEN
Da ich Gallensteine habe und eine Gallenkolik hatte,
ist nun die Operation geplant. Was darf man essen,
bevor die Gallenblase entfernt wird? Hätte ich die
Gallensteine auch verhindern können? Sonst bin ich
HERR M. H., 44
gesund.
Grundsätzlich dürfen Sie essen, was Sie vertragen.
Sehr üppige, fettreiche Mahlzeiten sind aber eher
ungünstig, da sie oft schlecht vertragen werden.
Sobald erneut Koliken auftreten, müssen Sie zum
Arzt gehen. Empfehlenswert ist prinzipiell eine
ausgewogene Ernährung – und dies nicht nur im
Hinblick auf Gallensteine. So können Sie nämlich
Ihre Gesundheit günstig beeinflussen und das Risiko
für diverse Erkrankungen senken.
Risikofaktoren für Gallensteine sind zum Beispiel
Übergewicht, rasche Gewichtsabnahme und Fasten,
weibliches Geschlecht, Alter, Einnahme von Hormonen, Gallensteine in der Familie, Diabetes, und noch
einige andere. Man kann die Bildung von Gallensteinen also bis zu einem gewissen Grad beeinflussen, aber nicht sicher verhindern. Am Tag der Operation dürfen Sie natürlich nichts essen, damit der
Magen für die Operation leer ist. Dies wird der Arzt
vor der Operation aber noch mit Ihnen besprechen.
q SYMPTOME FÜR EIN MAGENGESCHWÜR
Wie äussert sich ein Magengeschwür? Ich habe viel
Sodbrennen und Magenschmerzen.
Cannabis und die daraus gewonnenen Stoffe sind bis dato in der
Schweiz verboten – sowohl als
Droge wie als Arznei. Doch mit
dem Inkrafttreten des revidierten Betäubungsmittelgesetzes
geht ab 1. Juli für die Patienten
ein Türchen auf: Medikamente
auf Hanfbasis dürfen künftig zugelassen werden und sind dann
auf Rezept zu haben. Zudem
können sich Schwerkranke einzelne Cannabis-Inhaltsstoffe
auch per Sonderbewilligung verschreiben lassen.
Eine Sonderbewilligung gab es
bislang nur für synthetische
Hanf-Analoge, die deutlich teurer sind als die natürlichen Stoffe. «Eine völlig absurde Regelung», sagt Rudolf Brenneisen,
Pharmazeut an der Universität
Bern. Um zuckende Muskeln zu
beruhigen und Schmerzen zu lindern, besorgen sich deshalb
Querschnittgelähmte, MultipleSklerose-Patienten und Krebskranke Cannabis oft auf der
Strasse. Sie kiffen oder trinken
das Kraut als Tee – Rausch inbegriffen. «Mit der Gesetzesänderung kommen sie endlich aus der
Illegalität», hofft Brenneisen.
Seit 30 Jahren erforscht Brenneisen die heilsamen Wirkungen
des Krauts. Weil auch in anderen
Ländern die Gesetze zugunsten
der Kranken gelockert wurden,
hat der Wissenschaftszweig einen
neuerlichen Boom erfahren. «Die
Forschung ist explodiert», so
Brenneisen. «Für die Zukunft ist
einiges zu erwarten.»
Die Cannabispflanze ist eine
kleine Chemiefabrik. In ihr stecken mehr als 400 Substanzen,
rund 60 gehören in die Gruppe
der Cannabinoide. Der prominenteste Vertreter ist das Tetrahydrocannabinol, kurz THC.
Studien belegen, dass THC
Schmerzen lindert und bei MSKranken Muskelspasmen reduziert. Bei Aids- und Krebskranken wirkt es gegen Appetitlosigkeit. THC gibt es bereits als
Tablette, Kapsel, Tropfen oder
Inhalationslösung.
Doch THC ist auch jene Substanz, die psychoaktiv wirksam
ist. Forscher haben es deshalb
auch auf andere, rauscharme
Cannabinoide abgesehen. Etwa
auf Cannabidiol. Erste Daten
wiesen darauf hin, sagt Brenneisen, dass es Entzündungen und
Schmerzen lindere sowie bei
Schizophrenien helfe.
Das britische Unternehmen GW
Pharmaceuticals hat mit Sativex
ein flüssiges Cannabisextrakt
entwickelt, das etwa gleich viel
Cannabidiol wie THC enthält
und in den Mund gesprüht wird.
Studien mit mehr als 1500 MSPatienten belegen, dass auch Sativex Muskelspasmen lindern
kann. Typische Cannabis-Nebenwirkungen beobachteten die
Forscher hingegen nicht. Sprich:
High wurde niemand. Die Forscher führen es auf die Wirkstoffkombination zurück.
Die Blase beruhigen und
den Appetit zügeln
In Grossbritannien, Spanien,
Dänemark, Kanada, der Tschechischen Republik und Deutschland ist Sativex für MS-Patienten mit Spastiken bereits zugelassen. In der Schweiz beabsichtige man, noch in diesem Jahr
die Zulassung zu beantragen,
heisst es bei GW Pharmaceuticals. Sativex wäre in der Schweiz
das erste registrierte CannabisMedikament. Ein Fläschchen
enthält 90 Sprühstösse und kostet 125 britische Pfund. Ein
MS-Patient benötigt im Schnitt
8 Sprühstösse pro Tag; das
macht etwa 15 Franken.
Auch bei anderen Leiden wird
die Wirksamkeit von Sativex
untersucht. So ist kürzlich eine
Schmerzstudie mit 370 Krebspatienten angelaufen. Bei MSKranken analysiert man zudem,
ob der Cannabisspray eine überaktive Blase beruhigen kann.
Interessant ist auch das Cannabinoid Tetrahydrocannabivarin, kurz THCV. Im Gegensatz
zu THC blockiert es den Cannabis-Rezeptor und ist garantiert
rauschfrei. Es gibt erste Hinweise, dass es als Appetitzügler
wirken und damit zur Behandlung von Übergewicht und anderen metabolischen Erkrankungen eingesetzt werden
könnte. In einer tierexperimentellen Studie der University of
Reading deutete sich zudem an,
dass es auch bei der Therapie
von Epilepsien nützen könnte.
Allerdings ist die herkömmliche Cannabis-Pflanze nicht
sehr reich an THCV. GW Pharmaceuticals hat sich deshalb
auch der Pflanzenzucht angenommen. Eine ihrer Neuzüchtungen produziert vor allem
THCV. Die GW-Pflanzen wachsen irgendwo in Südengland.
Wo genau, wird streng geheim
gehalten.
FRAU S. R., 30
Ihre Beschwerden sollten Sie mit dem Hausarzt
besprechen.
Magengeschwüre sind offene Stellen in der
Magenschleimhaut. Sie entstehen aus einem
Ungleichgewicht zwischen schädigenden und
schützenden Faktoren im Magen. Die Hauptursache
ist eine Infektion mit bestimmten Bakterien
(Helicobacter pylori). Daneben können auch
Schmerzmedikamente Magengeschwüre auslösen.
Typische Beschwerden sind Schmerzen in der Mitte
des Oberbauches, die bohrend, nagend wie ein starkes Hungergefühl oder auch brennend sein können.
Sie treten klassischerweise von der Nahrung
unabhängig oder nach der Nahrungsaufnahme auf,
während zum Beispiel die Schmerzen beim Zwölffingerdarmgeschwür eher in nüchternem Zustand
oder gar nachts auftreten und sich durch Nahrungsaufnahme bessern. Oft präsentiert sich die Erkrankung allerdings nicht so typisch, und es können auch
andere Beschwerden auftreten wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Völlegefühl, schnelle Sättigung, Blähungen,
Aufstossen, Sodbrennen. Unter Umständen können
die Beschwerden sogar ganz fehlen.
Alle diese Symptome sind unspezifisch, das heisst:
Sie können auch andere Ursachen haben. Die
Diagnose eines Magengeschwürs wird deshalb nicht
anhand eines bestimmten Symptoms gestellt. Bei
Verdacht wird man eine Magenspiegelung machen.
Hanfpflanze: In
ihr stecken mehr als
400 Substanzen
FOTO: F1 ONLINE
Die Fragen und Antworten stammen im Original von der
«Online-Beratung plus» des Universitätsspitals Zürich
(www.onlineberatung.usz.ch) und wurden redaktionell bearbeitet.
Fragen zur Kolumne an [email protected]
3 FORTSETZUNG VON SEITE 65
Jedes ADHSKind ist anders
seine Klienten nach der optimalen Therapie. Coghill hat Eltern
von Kindern mit ADHS befragt,
wie sie den Erfolg der medikamentösen Behandlung beurteilten. Oft waren sie «ziemlich zufrieden», sagte Coghill, «sogar
wenn die Kinder noch immer Probleme in der Schule oder zu Hause hatten.» Die Eltern seien den
Ärzten gegenüber oft zu freund-
lich. Die Aufgabe müsse also sein,
den Kindern optimal zu helfen.
Coghill geht mit seinem Team
gemäss den Leitlinien vor: Zunächst müssen die Kinder eindeutig und sorgsam diagnostiziert
sein (siehe Kasten rechts). Dann
bespricht er mit den Eltern, ob
eine psychosoziale Therapie oder
Medikamente sinnvoll sind und
probiert die Massnahmen aus.
Wenn ein Medikament nicht oder
nicht ausreichend hilft, verändern
die Ärzte die Dosierung oder probieren ein anderes, etwa das
(nicht stimulierende) Atomoxetin
(Markenname: Strattera) aus.
Schwierige ADHS-Diagnose
ADHS festzustellen, ist schwierig. Die Diagnose kann deshalb nur
von Fachpersonen gestellt werden.
Die Ärzte oder Psychologen nutzen Untersuchungsgespräche und standardisierte Fragebögen, in denen Eltern und Lehrer das Verhalten der
auffälligen Kinder beurteilen; psychologische Tests und körperliche
Untersuchungen dienen dazu, anderes auszuschliessen, z. B. schlechtes
Hören oder Sehen. Ein einmaliger Besuch beim Kinderarzt reicht nicht
aus. Zudem gibt es auch die Variante ohne Hyperaktivität, wenn Kinder
unkonzentriert und verträumt sind.
Adressen von Fachpersonen sind kostenlos über den Verein Elpos
erhältlich: www.elpos.ch. Generell sehr gute Informationen für Kinder,
Erwachsene, Eltern und Lehrer gibt es auf: www.adhs.info.
Meinrad Ryffel, der in seiner Praxis in Münchenbuchsee seit Jahrzehnten ADHS-Betroffene behandelt, bestätigt, dass eine Therapie
individuell erfolgen muss. «Von
den etwa 300 Kindern, die zu mir
in die Praxis kommen, hat fast
jedes eine anders dosierte Medikation, häufig als Grundlage für
weitere Therapien.»
Zudem verwendet Ryffel seit
einem halben Jahr ein von Margaret Weiss entwickeltes Online-Beobachtungs-Programm, bei dem
Eltern wöchentlich oder monatlich gezielte Fragen beantworten,
wie es den Kindern in der Schule
und zu Hause geht. «Darüber erhalten die Eltern bei Problemen
auch konkrete Tipps», so Ryffel.
Doch auch in der Schweiz werden längst nicht alle Betroffenen
optimal, also gemäss den Richtlinien, betreut, weiss Hans-Christoph Steinhausen, ehemaliger
Ärztlicher Direktor des Kinderund Jugendpsychiatrischen Dienstes Zürich und Mitverfasser europäischer Richtlinien zur ADHSBehandlung. «Es hängt sehr von
den zuständigen Fachpersonen
ab, wie gut die Empfehlungen von
Leitlinien letztlich in der Praxis
umgesetzt werden.»
Herunterladen