13. Vorlesung

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Taylorreihen
8.11 Definition. Ist f : D → K beliebig oft differenzierbar und a ∈ D, so heißt
Tf (t) =
∞
X
f (k) (a)
k!
k=0
(t − a)k
die Taylor-Reihe von f mit Entwicklungspunkt a.
8.12 Folgerung. Ist f durch eine Potenzreihe gegeben, so ist nach Satz 8.6(b) die Taylor-Reihe
gleich der Potenzreihe.
8.13 Beispiel. Die Taylorreihe von exp, sin, cos sind die uns bekannten Reihen.
8.14 Warnendes Beispiel: Taylorreihe 6= Funktion.
(
1
e− t2 t 6= 0
.
f (t) =
0
t=0
Dann ist f ∈ C ∞ (R, R) und f (k) (0) = 0 ∀k. Es folgt: Tf = 0 ist konvergent, aber Tf (t) 6= f (t)
falls t 6= 0.
8.15 Beispiel. f (t) = ln(1 + t). Für |t| < 1 gilt
∞
f 0 (t) =
X
1
(−1)k tk .
=
1+t
k=0
Die Summe konvergiert absolut und gleichmäßig auf [−c, c] für jedes c ∈ ]0, 1[. Also ist
f (t) = f (t) − f (0) =
|{z}
=0
=
Z
t
0
1
ds =
1+s
∞
X
(−1)k
k+1
k=0
Z tX
∞
(−1)k sk ds
0 k=0
tk+1 =
∞
X
(−1)k−1
k=1
k
tk .
Bemerkung: Man kann zeigen, dass die Formel auch noch für t = +1 gilt:
ln 2 = 1 −
1 1
+ + ...
2 3
(alternierende harmonische Reihe).
8.16 Satz: Binomialreihe. Es sei α ∈ R. Dann gilt für |t| < 1
α
(1 + t) =
∞ X
α
k=0
Dabei ist
k
Y
α−j +1
α
:=
j
k
k
tk .
(1)
(= 1 falls k = 0)
j=1
definiert. Dies ergänzt die uns bekannte Definition, denn für α ∈ N0 ergibt das Produkt für
k ≥ α + 1 stets 0.
45
Beachte: Für α ∈ R \ N0 sind alle αk von Null verschieden.
Beweis. Setze f (t) = (1+t)α . Differentiation liefert f (k) (t) = α(α−1) . . . (α−k+1)(1+t)α−k .
Also ist (1) die Taylorreihe für f .
Konvergiert diese Reihe? Ja, nach dem Quotientenkriterium:
α k+1 k→∞
α − k k+1 t
|t| −→ |t| < 1.
=
α
k
k+1
k t
Stellt aber die Taylor-Reihe wirklich die Funktion dar?
Betrachte das Restglied
Z
1 t
Rn+1 (t) =
(t − s)n f (n+1) (s) ds
n! 0
Z t
α
= (n + 1)
(t − s)n (1 + s)α−n−1 ds
n+1 0
Fall 1: 0 ≤ t < 1. Setze C = max{1, (1 + t) α }. Dann gilt für 0 ≤ s ≤ t
0 ≤ (1 + s)α−n−1 ≤ (1 + s)α ≤ C
und somit
Z t
α
n
C (t − s) ds
|Rn+1 (t)| ≤ (n + 1) n+1
0
α
n→∞
tn+1 → 0, falls |t| < 1,
≤ C
n+1
da die Reihe
P
α n
n t
konvergiert.
Fall 2: −1 < t < 0. Dann ist (weil für 0 ≤ s ≤ |t| gilt |t + s| = −t − s = |t| − s)
Z |t|
α
n
α−n−1 |Rn+1 (t)| = (n + 1) (t
+
s)
(1
−
s)
dt
n+1 0
Z |t|
α
(|t| − s)n (1 − s)α−n−1 dt
= (n + 1) n+1 0
Z α − 1 |t| |t| − s n
(1 − s)α−1 dt.
= |α| 1−s
n
0
|t|−s
|t|−1
d
= −(1−s)+(|t|−s)
= (1−s)
Nun ist ds
2 < 0 für 0 < s < |t|, also ist diese Funktion
1−s
(1−s)2
monoton fallend und
Z
α − 1 |t| n
|Rn+1 (t)| ≤ |α| |t| (1 − s)α−1 dt
n
0
α−1 n
|t| ,
= C n
R |t|
wobei C = |α| 0 (1 − s)α−1 dt unabhängig von n ist. Nun folgt aus der Konvergenz von
P α−1 n
C
n t , dass Rn+1 (t) → 0.
8.17 Beispiel.
46
(a)
(b)
k
α = −1: Hier ist −1
k = (−1) .P
1
k k
Die geometrische Reihe 1+t
= ∞
k=0 (−1) t ist also Spezialfall der Exponentialreihe.
1/2(−1/2)
1/2
1 1/2
1 1/2
α = 21 : Hier ist 1/2
=
1,
=
,
=
=
−
,
= 1/2(−1/2)(−3/2)
=
0
1
2
2
1·2
8
3
1·2·3
1/2(−1/2)(−3/2)(−5/2)
−5/2
1/2
1
5
1
=
= 16 · 4 = − 128 .
16 , 4
1·2·3·4
Also
√
1
1
5 4
1
1 + t = 1 + t − t2 + t3 −
t + ....
2
8
16
128
8.18 Beispiel: Kinetische Energie eines relativistischen Teilchens. Ein Teilchen habe
die Masse m. Nach Einstein hat es dann die Gesamtenergie E = mc 2 . Die Masse wiederum
hängt von der Geschwindigkeit v des Teilchens ab; es gilt
m0
,
m= p
1 − (v/c)2
wobei m0 die Ruhemasse ist. In Ruhe hat das Teilchen die Energie E 0 = m0 c2 . Die kinetische
Energie ist die Differenz Ekin = E − E0 . Da v < c ist schließen wir aus der Binomialreihenentwicklung (α = −1/2):
!
1
2
2
2
p
Ekin = mc − m0 c = m0 c
−1
1 − (v/c)2
3
2
4
2 1
(v/c) + (v/c) + . . .
= m0 c
2
8
1
3
=
m0 v 2 + m0 v 2 (v/c)4 + . . . .
2
8
Die erste relativistische Korrektur zur klassischen kinetischen Energie ist also
3
2
4
8 m0 v (v/c) .
8.19 Trick. Ein Satz aus der Funktionentheorie liefert manchmal die Darstellbarkeit durch
Potenzreihen auf einfache Weise. Wir ersetzen – sofern das geht – die Variable t ∈ R durch
z ∈ C. Man nennt eine Funktion f : Ω ⊆ C → C komplex differenzierbar oder holomorph, falls
für jedes z0 ∈ Ω die komplexe Ableitung
f 0 (z0 ) = lim
z→z0
f (z) − f (z0 )
z − z0
existiert. Das ist in der Regel nicht schwieriger zu sehen als im reellen Fall. Dann existieren
automatisch auch alle höheren Ableitungen (Satz).
Ist nun a ∈ Ω, so konvergiert die Potenzreihe
∞
X
f (k) (a)
k=0
k!
(z − a)k
auf jeder abgeschlossenen Kreisscheibe um a, die ganz in Ω liegt, und stellt dort die Funktion f
dar. Die Aussagen von Satz 8.6 gelten.
2
Beispiel Die Funktion z 7→ f (z) = cos(e z −1 ) ist auf ganz C differenhzierbar. Also wird f
auf ganz C (also auch auf ganz R) durch seine Potenzreihe (mit beliebigem Entwicklungspunkt)
dargestellt.
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