Erfolgreich mit Fremden politisieren

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Bern, 30. Oktober 2007
Medienmitteilung
Sperrfrist: 30. Oktober 2007
Rechtspopulistische Parteien und Migrationspolitik
Erfolgreich mit den Fremden politisieren
Rechtspopulistische Parteien prägen seit den 1960er Jahren die schweizerische
Migrationspolitik. Mit der Themenführerschaft auf diesem Gebiet hat die
Schweizerische Volkspartei (SVP) nach 1991 die rechtspopulistischen Splitterparteien
weitgehend verdrängt. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer im Rahmen des
Nationalen Forschungsprogramms «Rechtsextremismus – Ursachen und
Gegenmassnahmen» (NFP 40+) durchgeführten historischen Untersuchung.
In den vergangenen zehn Jahren sind in den meisten westeuropäischen
Demokratien rechtspopulistische Parteien erstarkt. Ihre Kampagnen und
Wahlerfolge haben das öffentliche und wissenschaftliche Interesse geweckt. Die
Migrationspolitik ist zu einem äusserst kontrovers diskutierten Thema in den
heutigen westlichen Gesellschaften geworden. Die Schweiz bildet da keine
Ausnahme. Studien zu rechtspopulistischen Akteuren und ihrem Einfluss auf die
schweizerische Migrationspolitik der vergangenen 30 Jahre fehlten aber bis anhin.
Diese Forschungslücke schliessen nun der Historiker Damir Skenderovic von der
Universität Fribourg und der Politologe Gianni D’Amato von der Universität
Neuenburg mit ihrer Untersuchung «Rechtspopulistische Parteien und
Migrationspolitik in der Schweiz», die sie im Rahmen des Nationalen
Forschungsprogramms «Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen»
(NFP 40+) durchgeführt haben. Die beiden Wissenschaftler analysierten mit
qualitativen Methoden unter anderem Wahlprogramme, Parlamentsprotokolle,
Parteizeitungen und behördliche Berichte. Dabei untersuchten sie einerseits
Entwicklung und Strukturen rechtspopulistischer Parteien, andererseits die
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Wechselwirkungen zwischen deren migrationspolitischen Vorstössen und
Kampagnen und der von den etablierten Parteien und Behörden getragenen
Migrationspolitik.
Der zeitliche Schwerpunkt der Untersuchung erstreckt sich von 1980 bis 2006. Als
populistisch gelten den Wissenschaftlern Parteien, die ein antipluralistisches
Weltbild vertreten und dabei die Gesellschaft in zwei antagonistische Gruppen
aufteilen: das wahre Volk und die unredliche Elite. Für rechtspopulistische
Parteien ist zusätzlich eine Ideologie der Ausgrenzung kennzeichnend, die von der
natürlichen Ungleichheit der Menschen ausgeht und nationalistische und
fremdenfeindliche Elemente beinhaltet.
Verdrängung der Splitterparteien
Die Schweiz besitzt laut Skenderovic und D’Amato mit Parteien, die
Migrationsthemen instrumentalisieren, eine lange rechtspopulistische Tradition.
Deren Entwicklung seit den 1960er Jahren lässt sich in drei Phasen unterteilen.
Von 1961 bis 1979 beeinflussten vor allem die Nationale Aktion, die Vigilance, die
Schweizerische Republikanische Bewegung und die Eidgenössisch-Demokratische
Union die Diskussion über Migration. Von 1979 bis 1991 verstärkten die
Autopartei Schweiz sowie die Lega dei Ticinesi das rechtspopulistische Lager.
Obwohl diese Parteien in Wahlen und Volksabstimmungen einige Erfolge
verbuchten, verblieben sie in einer Aussenseiterposition. Seit 1991 hat die SVP, die
sich zu einer rechtspopulistischen Partei (im Sinne der erwähnten Definition)
wandelte, diese kleinen Parteien weitgehend verdrängt.
Die Splitterparteien und die «neue» SVP wussten verschiedene politische
Instrumente gezielt zu nutzen. Insbesondere Volksabstimmungen erwiesen sich als
wichtige Mobilisierungsmomente. Im Vergleich zu den Splitterparteien verfügte die
SVP aber über bessere Voraussetzungen in Bezug auf Organisation, finanzielle
Ressourcen und parteiinternen Zusammenhalt. Dank Professionalisierung der
Parteiorganisation, Vereinheitlichung der Kampagnen und leaderorientierter
Parteiführung hat die SVP eine für die Schweiz aussergewöhnlich hohe nationale
Kohäsion erreicht.
Migration als High profile-Thema
Das Migrationsthema spielt in der schweizerischen Politik seit den 1960er Jahren
eine wichtige Rolle. Nachdem das Thema nach der Ölkrise von
1974 vorübergehend an Brisanz verloren hatte, führte der Druck der revitalisierten
rechtspopulistischen Parteien in den 1980er Jahren zu einer Lähmung in der
Migrationspolitik. In den 1990er und 2000er Jahren hat die SVP, wie die beiden
Autoren anhand von zehn untersuchten migrationspolitischen Debatten und
Entscheidungsprozessen zeigen, aus einer Position der Stärke agiert. Durch
provokative Kampagnen hielt sie Migration als High profile-Thema auf der
politischen Agenda. Sie stellte Migration nicht nur als Problem- und
Konfliktbereich dar, sondern betonte auch immer wieder die kulturellen
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Unterschiede zwischen einheimischer Bevölkerung und Migrationsgruppen, etwa
bei der Integration und Einwanderung von Musliminnen und Muslimen. Damit
zielte die SVP vor allem auf eine Ausgrenzung von «kulturfremden» Einwanderinnen
und Einwanderern ab.
Die Wissenschaftler zeigen, wie die SVP in der Auseinandersetzung um die
Asylpolitik mit der Metapher des «Missbrauchs» geschickt die Figur des
Asylbewerbers evozierte, der auf Kosten des Steuerzahlers lebt, und bei den
Bürgerrechtsvorlagen (2004) ihre Vetomacht erfolgreich einsetzte. Die Forscher
kommen zum Schluss, dass die Partei beim neuen Ausländergesetz und der
Asylgesetzrevision (2006) das Druckpotential der direkten Demokratie, die
Annäherung der Mitte-Rechts-Parteien und ihre exekutiv-administrative
Schlüsselrolle im Bundesrat geschickt nutzte.
Kontakt:
Prof. Dr. Gianni D’Amato
Schweizerisches Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien, Universität Neuenburg
Rue St-Honoré 2
CH-2000 Neuenburg
Tel: +41 (0)32 718 39 30; Fax: +41 (0)32 718 39 21
E-Mail: [email protected]
Dr. Damir Skenderovic
Seminar für Zeitgeschichte, Universität Fribourg
Av. de l’ Europe 20
CH-1700 Fribourg
Tel: +41 (0)26 300 78 24/79 35; Fax: +41 (0)26 300 97 16
E-Mail: [email protected]
Nationales Forschungsprogramm «Rechtsextremismus – Ursachen und
Gegenmassnahmen» (NFP 40+)
Das vom Bundesrat im Jahr 2003 in Auftrag gegebene NFP 40+ gewinnt neue Einsichten
über Entstehungsbedingungen, Erscheinungsformen, Verbreitung und Konsequenzen
von rechtsextremen Aktivitäten und Einstellungen in der Schweiz und erforscht das
gesellschaftliche Umfeld von Rechtsextremismus. Wie die internationale Forschung
untersucht das NFP 40+ das Phänomen Rechtsextremismus immer auch im
Zusammenhang mit Rechtspopulismus. Die Forschungsergebnisse schaffen die
Grundlagen für zukunftsorientierte Strategien im Umgang mit Rechtsextremismus auf
kommunaler, kantonaler sowie auf Bundesebene. Ausserdem gewährleistet das
Programm den Anschluss der Rechtsextremismusforschung in der Schweiz an
entsprechende Forschungsanstrengungen in anderen Ländern.
www.nfp40plus.ch
Der Text dieser Medienmitteilung steht auf der Website des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung:
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