Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. Fachverband des Deutschen Caritasverbands Stellungnahme des Bundesverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) zu Haftungsfragen von freiberuflichen Hebammen in der Geburtshilfe Einleitung Die Geburt eines Menschen ist eine sehr besondere Situation – Leben wird geschenkt. Die Geburt kann aber immer auch ein gefährdeter Moment sein, sowohl für die Mutter als auch für das Neugeborene. Hier braucht es adäquate fachliche Begleitung, die unter anderem von Hebammen in eindrücklicher Weise und menschennah erbracht wird. Hebammen leisten damit einen unverzichtbaren Beitrag für die gesundheitliche Versorgung Schwangerer, Mütter und Familien. Die Gewährleistung einer qualitätsgesicherten Versorgung der Hebammenhilfe einschließlich des Erhalts der freien Wahl des Geburtsorts ist daher von besonderer Bedeutung im Gesundheitswesen. Angesichts steigender Prämien für die Berufsausübung notwendige Berufshaftpflichtversicherung sehen sich insbesondere Hebammen, die nur eine geringe Anzahl an Geburten begleiten (z. B. Hausgeburtshebammen oder Hebammen, die in geburtenschwachen Regionen oder in Teilzeit tätig sind), nur schwer in der Lage, die gestiegenen Haftpflichtprämien aus der Vergütung für ihre Tätigkeit zu kompensieren. Der CBP tritt für die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Geburtshilfe ein, fordert eine flächendeckende Versorgung durch Einrichtungen der Geburtshilfe und tritt der Begründung einer Prämiensteigerung der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen bei Geburten von Kindern mit Behinderung entgegen. Prämienerhöhungen und „Kunstfehler“ Üblicherweise richtet sich die Prämienhöhe nach dem versicherten Risiko. Das Risiko für einen „Kunstfehler“ der Hebamme dürfte nicht viel höher als in anderen Berufen liegen. Ob ein neugeborenes Kind durch einen Fehler beim Geburtsvorgang eine Behinderung erworben hat, muss im Einzelfall zweifelsfrei nachgewiesen werden. Unbeschadet der Frage nach der Verursachung – die sicher in den hoffentlich wenigen Fällen zu klären ist – handelt es sich hier um eine mehrfache Form der Diskriminierung, der der CBP entgegentritt. - Neugeborene Kinder mit Behinderung werden pauschal als „Risikogeburten“ und „Haftungsschaden“ diffamiert. - Hebammen müssen sich eine implizite Kritik an ihrer Fachkompetenz gefallen lassen. - Die Versicherungsgesellschaften machen ihre Ansprüche geltend, um die „Kosten der Behinderung“ auf die Hebammen abzuwälzen. Die Rechtsprechung ist aufgefordert, das Recht auf Diskriminierungsfreiheit und der Würde des Menschen nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG und Art. 25 UN-Behindertenrechtskonvention stärker in die Auslegung der bisherigen Rechtsnormen zu berücksichtigen. Es geht hier um die Geburt von Kindern mit Schwerstbehinderung. Der Haftpflichtversicherer muss bei der Geburt eines Kindes von einem „Schadensfall“ ausgehen, aufgrund dessen sowohl „Schmerzensgeld“ an die Eltern gezahlt werden muss (siehe z.B. im Urteil des Landgerichts Bonn vom 28.01.2013 AZ: 9 O 266/11 ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000,00 €) als auch einen „Schadensersatz“ leisten für den Betreuungsaufwand, Pflege- und ggfs. Unterbringungskosten, die aufgrund der Behinderung entstehen, an die Krankenversicherung und andere Leistungsträger. Unbestritten einer adäquaten und bestmöglichen Versorgung und Unterstützung des betroffenen Kindes und der Eltern sind Begriffe wie „Schadensfall“, „Schadensersatz“ und „Schmerzensgeld“ mit oben genannten Rechtsnormen unvereinbar. 1 Die Geburt und oft lebenslange Begleitung eines Kindes mit Behinderung bedeutet eine große Herausforderung für die betroffenen Eltern. Diese Eltern verdienen unsere Wertschätzung und gesellschaftliche Unterstützung. Aktuelle gesetzliche Situation Der CBP begrüßt grundsätzlich den inzwischen verabschiedeten Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Anhörung des Ausschusses f. Gesundheit vom 19.5.2014 zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungs-gesetz – GKV-FQWG)Drs. 18/1307. 1. Der Änderungsantrag sieht Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Hebammenhilfe vor. Mit der Neufassung sind der Spitzenverband des Bundes der Krankenkassen und die maßgeblichen Berufsverbände nunmehr verpflichtet, die im Vertrag nach Absatz 1 Satz 1 zu treffenden Anforderungen an die Qualität der Hebammenhilfe bis zum 31. Dezember 2014 zu vereinbaren. Satz 2 übernimmt die bereits geltende Regelung, dass die Qualitätsvereinbarungen Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität umfassen sowie geeignete verwaltungsunaufwendige Verfahren zum Nachweis der Erfüllung dieser Qualitätsanforderungen festlegen sollen. 2. Hebammen sollen einen Sicherstellungszuschlag erhalten, wenn die nach Absatz 1 vereinbarte Vergütung für Leistungen der Geburtshilfe in Relation zu der von der Hebamme im Einzelfall zu zahlende Prämie für ihre notwendige Berufshaftpflichtversicherung wegen einer zu geringen Anzahl an betreuten Geburten nicht ausreichend ist und sie die Qualitätsanforderungen nach Absatz 1a erfüllen. Die näheren Einzelheiten der Anspruchsvoraussetzungen und des Verfahrens einschließlich der Höhe des Sicherstellungszuschlags in Abhängigkeit der Anzahl der betreuten Geburten sowie der Höhe der zu entrichtenden Haftpflichtprämie, die Anforderungen an die von der Hebamme zu erbringenden Nachweise sowie Auszahlungszeitpunkt und Auszahlungsmodalitäten sollen vom Spitzenverband des Bundes der Krankenkassen und den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Berufsverbänden der Hebammen und der Verbände der von Hebammen geleiteten Einrichtungen auf Bundesebene bis zum 1. Juli 2015 vertraglich vereinbart werden. 3. Als Vergütungsanpassung soll ein Zuschlag auf die Abrechnungspositionen geregelt werden, um Hebammen, die nur eine geringe Anzahl an Geburten begleiten, im Hinblick auf die zum 1. Juli 2014 steigenden Haftpflichtversicherungsprämien kurzfristig zu entlasten. Der CBP unterstützt den Haftpflichtausgleich für Hebammen mit Geburtshilfe durch die gesetzlichen Krankenkassen. Vom 22. August 2014 an bekommen freiberufliche Hebammen mit Geburtshilfe einen Ausgleich für ihre gestiegenen privaten Berufshaftpflichtprämien. Der Ausgleich war erst vor kurzem zwischen dem GKV-Spitzenverband und den maßgeblichen Hebammenverbänden vereinbart worden. Er gilt rückwirkend vom 1. Juli 2014 an bis zum 30. Juni 2015. Insgesamt stellt die GKV dafür 2,6 Millionen Euro zur Verfügung. Wie in früheren Jahren würden die Kostensteigerungen der Berufshaftpflichtversicherung von den Kassen übernommen. Sie würden in diesem Jahr durch Haftpflichtzulagen aufgefangen, die zusätzlich zu den Positionen für Geburtshilfe abgerechnet werden können. Der CBP fordert auf, dass die Kostensteigerungen entsprechend regelmäßig angepasst werden und wie in früheren Jahren von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. 2 Fazit Aus Sicht des CBP ist es erforderlich, dass die Hebammen für ihre Dienstleistungen angemessen von der Krankenversicherung vergütet werden und dass eine durch die Geburt ausgelöste Behinderung des Kindes nicht zulasten der Hebammen gewertet werden darf. Im Kontext zwischen den Forderungen nach der Haftung bei „Kunst- oder Behandlungsfehlern“, der Risikoauswertung der Haftpflichtversicherungen, wie auch der Prüfung der Angemessenheit der Vergütung für Dienstleistungen der Hebammen durch die Krankenkassen ist sowohl das Geburts- und Lebensrecht des Kindes zu betonen als auch die berufliche Existenz der Hebammen zu stärken. Beschlossen vom CBP-Vorstand in seiner Sitzung am 17.09.2014 in Fulda Kontakt: Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. Dr. Thorsten Hinz, Geschäftsführer Karlstr. 40 79104 Freiburg Tel. 0761-200-301 E-Mail: [email protected] 3