08.07.2013 Pharmakovigilanz – Herausforderung für die KJP M. Gerlach Universitätsklinikum Würzburg, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Symposium „Pharmakotherapie psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen“, Berlin, 28.-29. Juni 2013 Interessenskonflikte Keine!!! Förderung durch 1 08.07.2013 Gliederung Pharmakovigilanz Definition Warum? Stärkung durch gesetzliche Neuregelungen Werkzeuge Projekt zur Pharmakovigilanzforschung im Bereich Psychiatrie/Neurologie bei Kindern und Jugendlichen Pharmakovigilanz Definition der WHO Analyse + Abwehr von Arzneimittelrisiken Aktivitäten, die zur Entdeckung, Beurteilung sowie zum Verständnis und zur Vorbeugung gegen UAWs oder andere Probleme in Verbindung mit Arzneimitteln dienen Risikomanagement, Vorbeugung gegen Therapiefehler, Vermittlung von Arzneiinformationen Förderung der rationalen Therapie mit Arzneimitteln 2 08.07.2013 Warum Pharmakovigilanz? (1) Vor Zulassung Wirksamkeit “Efficacy” Nach Zulassung und Markteinführung Übertragbarkeit auf die erkrankte Allgemeinbevölkerung? Kann es wirken? Wirkt es? Nachteile: • Experimentelle Studie vom Typ der randomisierten, placebo-kontrollierten Studie (homogene Patientengruppe, enges Monitoring)) • Langfristige Effekte? • Häufigkeit und Qualität seltener UAWs • Wechselwirkungen? Pharmakovigilanz Warum Pharmakovigilanz? (2) Arzneimittel(un)sicherheit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Besondere Stoffwechselbedingungen (Pharmakokinetik): Dosierung? Ontogenese der Wirkstrukturen (Pharmakodynamik): unterschiedliche Wirksamkeit + UAWs Häufig: Off-label-Gebrauch in Bezug auf Indikation und Alter 3 08.07.2013 Warum Pharmakovigilanz? (3) Zulassungsstatus und Off-label-Gebrauch von Psychopharmaka Wirkstoff Citalopram Escitalopram Zugelassene psychiatrische Indikation(en) für Kinder- und Jugendliche - Clomipramin Zwangsstörungen (ab 5 Jahren) Depressive Syndrome Doxepin Depressive Erkrankungen, Angstsyndrome leichte Entzugssyndrome bei Arzneimitteloder Drogenabhängigkeit, Unruhe, Angst Schlafstörungen (ab 12 Jahren eingeschränkt) Fluoxetin Mittelgradige und schwere Episoden einer Major Depression bei fehlendem Ansprechen auf psychologische Behandlung (ab 8 Jahren) (nach Klampfl et al. 2010) Beispiele für Off-LabelAnwendung Depression, Angst- und Zwangsstörungen, Anorexie Anorexie, Bulimie, Angst- und Zwangsstörungen, Mutismus Autismus, Trichotillomanie Fluvoxamin Zwangsstörungen (ab 8 Jahren) Depression Imipramin Enuresis (ab 5 Jahren), Depressive Syndrome Mutismus, ADHS, Anorexie Sertralin Zwangsstörungen (ab 6 Jahren) Depression, Angststörungen Mutismus, Essstörungen Warum Pharmakovigilanz? (4) Zulassungsstatus und Off-label-Gebrauch von Psychopharmaka Wirkstoff Aripiprazol Zugelassene psychiatrische Indikation(en) für Kinder- und Jugendliche Schizophrenie (ab 15 Jahren) Clozapin Therapieresistente Schizophrenie (ab 16 Jahren) Olanzapin - Quetiapin - Risperidon Symptomatische Kurzzeitbehandlung, von anhaltender Aggression bei Kindern und Jugendlichen mit unterdurchschnittlicher intellektueller Funktion (ab 5 Jahren) Sulpirid Akute und chronische Schizophrenie (ab 6 Jahren) Manie, bipolare Störung (ab 10 Jahren) Tiaprid Ziprasidon (nach Klampfl et al. 2010) Beispiele für Off-LabelAnwendung Tic-Störungen Impulskontrollstörungen Paranoides Gedankengut bei Anorexie, Borderline-Störung Manie, bipolare Störung, Anorexie, Trichotillomanie Schizophrenie, Manie bipolare Störung, Anorexie Autoaggression Impulskontrollstörungen Schizophrenie, Manie Tic-Störungen Stereotypien/Autoaggression wahnhafte Depression Autismus Tic-Störungen Tic-Störungen Psychomotorische Erregungszustände Autoaggressionen 4 08.07.2013 Stärkung Pharmakovigilanz Umsetzung der europäischen Neuregelung in nationales Recht Verordnung (EG) Nr. 726/2004 hinsichtlich der Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln o Gilt unmittelbar seit dem 2. Juli 2012 Richtlinie 2001/83/EG hinsichtlich der Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln o o o Umsetzung im Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, soweit notwendig Abgrenzung Human- vs. Tierarzneimittel Umsetzungsfrist 21. Juli 2012 (Oktober 2012: 16. Novellierung des AMG) Werkzeuge-Pharmakovigilanz (1) Nationaler Stufenplan AMG legt eine umfassende Meldepflicht bekannt gewordener UAWs für den pharmazeutischen Unternehmer fest Eine Meldepflicht für Ärzte und Apotheker erfolgt aus den jeweiligen Berufsordnungen (oft unterlassen) o Bisher fast nur Spontanmeldungen und nicht um in systematischen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie z.B. in Zulassungsverfahren gefordert sind. o Neu: Patienten 5 08.07.2013 Werkzeuge-Pharmakovigilanz (2) §4 Absatz 13 AMG: Änderung der Definition von UAWs Bisher: „die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines AM auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen“ Jetzt: „Eine Reaktion auf das AM, die schädlich und unbeabsichtigt ist“ einschließlich o o o Fehlgebrauch und Missbrauch des AM Medikationsfehler, Überdosierung beruflicher Exposition Werkzeuge-Pharmakovigilanz (3) Schwerwiegende UAW, wenn tödlich oder lebensbedrohend eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich es zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung oder Invalidität kommt oder ein kongenitale Anomalie bzw. einen Geburtsfehler darstellt Meldung der Zulassungsinhaber innerhalb von 15 Tagen an Eudravigilance Datenbank Nicht schwer wiegende vermutete UAWs Meldung innerhalb von 90 Tagen 6 08.07.2013 Pharmakovigilanzforschung (1) Multizentrische Beobachtungsstudie zur Anwendung von Antidepressiva und Neuroleptika Verordnungsverhalten bei unterschiedlichen psychiatrischen Störungsbildern Erfassung von Beobachtungsdaten zur Wirkung, UAWs und Wechselwirkungen TDM: alters- und geschlechtsspezifische therapeutische Spiegelbereiche Untersuchungen zu arzneimittelbedingten Risiken von Psychostimulanzien und Atomoxetin bei der ADHSTherapie Antragssteller KJP Würzburg (Dr. K. Egberts, Dr. R. Taurines, Prof. M. Gerlach) KJP Ulm (Dr. P. Plener, Prof. J. Fegert, Prof. C. Mehler-Wex) Kompetenznetz TDM KJP e.V. Pharmakovigilanzforschung (2) Internetbasiertes Patientenregister www.tdm-kjp.de 7 08.07.2013 Pharmakovigilanzforschung (3) Hannover Bad Neuenahr Fulda Biometrie Gerontopsychiatrisches Partnerprojekt Pharmakovigilanzforschung (4) Praktische Verwertung Beschreibung von Risikokonstellationen im Hinblick auf kinderund jugendpsychiatrische Pharmakotherapie Klärung des Ergänzungsbedarfs für Fachinformationen, Beipackzettel Entwicklung von Empfehlungen, Checklisten und Handreichungen zur UAW-Prävention und -Minimierung für Ärzte und Familien Entwicklung von Empfehlungen für Routine-Tests unter Pharmakotherapie (z.B. Blutzucker-, Prolaktinspiegel-, Gewichts-, EKG-, EEG- und TDM-Kontrollen unter Neuroleptika etc.) Entwicklung von Risk-Management-Plänen für einzelne Präparate, die sich auf die Erkenntnisse der ermittelten Risikokonstellationen beziehen 8