Möglichkeiten und Grenzen der Ernährungsprävention

Werbung
Möglichkeiten und Grenzen der Ernährungsprävention
Die klinische Bedeutung von Fettstoffwechselstörungen beruht im Wesentlichen auf der Beeinflussung des Arteriosklerose-Risikos. Bereits geringfügige Unterschiede im Lipidprofil von
Jugend an zeigen Effekte hinsichtlich des Lebenszeitrisikos für koronare Ereignisse. Gesamtcholesterinspiegel oberhalb von 200 mg/dl führen in westlichen Industrieländern dazu, dass
sich bei 80% der Fünfzigjährigen bereits Arteriosklerose in den Herzkranzgefäßen (Koronararterien) nachweisen lässt. Unabhängig vom altersbedingten Anstieg werden die Cholesterinwerte erheblich durch Ernährungsfaktoren moduliert.
Den größten Einfluss auf die Konzentrationen, Zusammensetzung, aber auch Größe und
Oxidationsneigung der Lipoproteine hat die Quantität und Qualität der Nahrungsfette. Die
Empfehlungen nationaler und internationaler Fachgesellschaften zielen primär auf die
Reduktion des Konsums von Fett, insbesondere gesättigten Fetten und trans-Fetten zur
Cholesterinsenkung. Bevorzugt werden sollten deshalb einfach- und mehrfach ungesättige
Fettsäuren. Fischöle (n-3 Fettsäuren) senken die Konzentrationen an Triglyzeriden im Plasma,
während das LDL-Cholesterin nicht signifikant beeinflusst wird. Weitere Therapieoptionen
umfassen die Verwendung von Soja-Produkten, Phytosterinen und rotem Reis. Während die
Wirksamkeit von Sojaprotein und Phytosterine hinsichtlich der LDL-Cholesterinsenkung in
zahlreichen Studien belegt wurde, ist die Datenlage insbesondere zur längerfristigen Anwendung von rotem Reis bei Patienten mit Statinunverträglichkeit gering. Weitere relevante
Einflussgrößen auf das Lipidprofil stellen die Aufnahme von Cholesterin, die Art und Menge
der Kohlenhydrate - insbesondere im Austausch gegen Fett - sowie die Ballaststoffzufuhr dar.
Insbesondere lösliche Ballaststoffe wie Pektine und ß-Glucane senken nachweislich die
Konzentrationen an LDL-Cholesterin. ß-Glucan aus Gerste reduziert darüber hinaus die
Triglyzeridspiegel. Weitere relevante Einflussgrößen auf das Lipidprofil - insbesondere die
HDL-Konzentrationen - umfassen Übergewicht, das Ausmaß der körperlichen Aktivität,
Alkoholkonsum und Rauchverhalten.
In der Praxis kann die Reaktion individueller Patienten auf eine diätetische Intervention wegen
der Unterschiede in den vererbten Merkmalen des Lipoprotein-Stoffwechsels sehr unterschiedlich ausfallen. Weitere entscheidende Einflussgrößen sind die Intensität der Ernährungsumstellung, die langfristige Compliance, aber auch die begleitende Medikation (Statine).
In der Primärprävention reicht häufig eine moderate Umstellung der Ernährungsgewohnheiten
aus. Hierbei geht es vor allem um die Reduktion und Modifikation der Fettzufuhr und die
Bevorzugung einer Ballaststoff-reichen Kost. Je mehr diätetische Empfehlungen berücksichtigt
werden, desto stärker der Effekt. Mit moderater Ernährungsumstellung lässt sich das LDLCholesterin um ca. 10-15% senken - frühzeitig begonnen und über lange Zeit beibehalten,
kann eine derzeitige Intervention erhebliche Effekte auf das kardiovaskuläre Risiko zeigen.
Hierbei muss berücksichtigt werden, dass eine Veränderung der Ernährungsweise nicht nur
über bekannte Risikofaktoren wirkt, sondern auch unabhängig davon.
Zur Abschätzung der komplexen Beziehung zwischen Ernährung und Erkrankungsrisiko
werden häufig Ernährungsmuster anstelle einzelner Nahrungsinhaltsstoffe herangezogen. Das
ermöglicht nicht nur eine praxisrelevantere Betrachtungsweise, sondern berücksichtigt, dass
mehr als zwei Drittel der Patienten mit Dyslipidämien auch von Hypertonus, Diabetes und
Insulinresistenz sowie zentraler Adipositas betroffen sind. Seitens der American Heart
Association wird die DASH-Diät, basierend auf einer Obst- und Gemüse-reichen Kost, der
Verwendung fettarmer Milchprodukte und der Reduktion gesättigter Fette als herzgesunde
Ernährung empfohlen. In den meisten Interventionsstudien konnten messbare Effekte auf das
Lipidprofil, aber auch den Blutdruck und die Insulinsensitivität gezeigt werden. Durch die
Kombination der DASH-Diät mit moderatem Gewichtsverlust und vermehrter körperlicher
Aktivität kann die Wirksamkeit noch verstärkt werden. Ergebnisse einer aktuellen Metanalyse
prospektiver Kohortenstudien weisen darauf hin, dass die Rate an kardiovaskulären
Ereignissen bei Befolgung der DASH-Diät um 20% gesenkt werden kann.
Die europäische Fachgesellschaft weist neben etablierten Empfehlungen auf den möglichen
Nutzen einer mediterranen Ernährungsweise hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse hin. So
scheint ein mediterranes Ernährungsmuster mit positiven Effekten auf Lipidprofil, Blutdruck,
Gewicht und die Manifestation des Diabetes Typ 2 assoziiert zu sein. In der kürzlich publizierten randomisierten kontrollierten PREDIMED-Studie konnte bei Patienten mit erhöhtem
kardiovaskulären Risiko die Rate an Herzinfarkten und Schlaganfällen unter mediterraner
Ernährungsweise im Vergleich zur Kontrollgruppe um 30% reduziert werden. Die Interventionsmaßnahmen zielten neben einem vermehrten Konsum von Olivenöl, Nüssen und Rotwein
auch auf den verstärkten Verzehr von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und fettreichem Seefisch ab. Die Aufnahme an rotem und verarbeitetem Fleisch, Softgetränken und Süßwaren
sollte eingeschränkt werden. Inwieweit sich die beeindruckenden Ergebnisse auf nichtmediterrane Länder mit anderem Verzehrverhalten übertragen lassen, bleibt abzuwarten.
Für Patienten nach Herzinfarkt oder Schlaganfall ist eine moderate Umstellung der Ernährungsgewohnheiten häufig nicht ausreichend, sie bedürfen einer konsequenten Behandlung
aller Risikofaktoren. Im Lifestyle Heart Trial konnte unter einer vegetarischen, streng fettarmen
Ernährung eine Senkung des LDL-Cholesterins von 30% und mehr auf unter 100 mg/dl und
damit im Bereich der Wirkung eines Statins erzielt werden. Das entspricht einer Reduktion des
Herzinfarktrisikos um 30-60%. Die Patienten verloren im Durchschnitt 12 kg Gewicht und
blieben im Hinblick auf Brustschmerzen (Angina pectoris) weitgehend beschwerdefrei. Bezüglich der Gefäßbefunde zeigte sich eine Regression der Arteriosklerose. Die Effekte beruhen
allerdings nicht allein auf der diätetischen Intervention, sondern auch auf den begleitenden
Programmen zu Stressbewältigung, Rauchverzicht und körperlicher Aktivität. Eine drastische
Reduktion der Fettaufnahme lässt sich allerdings bei weniger motivierten Patienten in der
Regel kaum erfolgreich umsetzen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Langzeitbetreuung anders als unter Studienbedingungen - nicht gewährleistet ist.
Die Ergebnisse prospektiver Kohortenstudien und randomisierter kontrollierter Studien
belegen, dass eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten Fettstoffwechselstörungen und
das kardiovaskuläre Risiko eindrucksvoll reduzieren kann. In der Praxis wird der Erfolg von
Diätstrategien häufig dadurch limitiert, dass sie nicht auf Dauer eingehalten werden.
Motivierende Gesprächstechniken und die Wahl einer Ernährungsform, die persönliche
Präferenzen, Essgewohnheiten und Wünsche des Patienten beachtet, tragen entscheidend zu
einer langfristigen Compliance bei.
PD Dr. oec. troph. B.-Chr. Zyriax
Präventive Medizin
Klinik und Poliklinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie
Universitäres Herzzentrum Hamburg GmbH (UHZ)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistr. 52 - Haus N36 - D-20246 Hamburg
Tel. 040 - 74105 3947
Mobil 0163 6009 738
Fax 040 - 74105 5059
[email protected]
Herunterladen