FALLBERICHT 09 | 2011 VOLLSTÄNDIGE REKONSTRUKTION DES UNBEZAHNTEN OBERKIEFERS MIT DEM CAMLOG® GUIDE SYSTEM Dr. Claudio Cacaci München, Deutschland PROTHETIK Dr. Claudio Cacaci ist Fachzahnarzt für Oralchirurgie und Implantologie. Er studierte an der zahnmedizinischen Fakultät der LMU München und arbeitete in der Abteilung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr. mult. D. Schlegel) in München sowie in der Abteilung für Oralchirurgie und Implantologie (Prof. Dr. G.H. Nentwig) in Frankfurt/Main. Im Jahr 1997 gründete er eine Gemeinschaftspraxis mit Dr. Jan Hajtó in München. 1998 konstituierte er das Fortbildungsinstitut für Oralmedizin und Implantologie (F.I.O.I) in München. Er ist Initiator des „Qualitätszirkels Implantologie München“ und Mitglied mehrerer nationaler und internationaler Studiengruppen und Zahnärztekammern. Dr. Cacaci ist Autor des Fachbuchs „Checkliste Implantologie“ (Deutschland, Thieme) und Mitverfasser des Buchs „Manual of Oral Implantology“ (Italien, Edizioni Italia Press). Seit 2009 arbeitet er zusammen mit Dr. Peter Randelzhofer in der Gemeinschaftspraxis für Implantologie und Parodontologie in München. VERWENDETE IMPLANTATE Zahn 18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28 SL SL SL SL SL SL SL SL Impl.-Typ 13,0 13,0 13,0 13,0 13,0 13,0 13,0 13,0 Impl.-Länge 4,3 4,3 3,8 3,8 3,8 3,8 4,3 4,3 Impl.-Ø P P P P P P P P Impl.-Oberfläche Zahn 48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38 Impl.-Typ Impl.-Länge Impl.-Ø Impl.-Oberfläche Implantattyp: ROOT-LINE (RL)/SCREW-LINE (SL) Impl.-Oberfläche: Promote® (P) / Promote® Plus (PP) Standard Platform Switching abnehmbar festsitzend Krone Brücke zementiert verschraubt teilbezahnt zahnlos andere Universal-Abutment Esthomic® Abutment Teleskop-Abutment Gold-Kunststoff-Abutment Keramik-Abutment Individuelles Zirkonium-Inset-Abutment PEEK-Abutment Logfit® Abutment Locator® Abutment Kugelaufbau Stegaufbau Vario SR Abutment andere Fallbericht 09 | 2011 INFORMATIONEN ZU PATIENT UND BEHANDLUNG Der 59-jährige Patient benötigte eine neue festsitzende Versorgung im Oberkiefer. Die Behandlung des Oberkiefers beinhaltete zunächst eine konservative ParoSeine Anamnese wies keine Allgemeinerkrankungen auf. Der Patient hatte mit dontaltherapie der vorderen Restbezahnung zur strategischen Erhaltung und Teleskopen befestigte Modellgussprothesen im Ober- und Unterkiefer. Fixierung der vorhandenen Prothese bis zum Einsetzen der Implantate. Anschließend wurde die Restbezahnung entfernt und eine bilaterale SinusAufgrund der paradontal insuffizienten Restbezahnung der Oberkiefer-Front bodenaugmentation in einem zweistufigen Verfahren durchgeführt. Gemäß (Zähne 12, 11, 21, 22) konnte die Prothese nicht länger gehalten werden. Nach Ver- einem 3-D-Behandlungsplan wurden acht enossale Implantate mit dem lust der Restbezahnung wünschte der Patient eine festsitzende implantatge- CAMLOG® Guide System in einem Flapless-Verfahren eingesetzt, und die stützte Versorgung des Oberkiefers. prothetische Versorgung wurde mit einer Teleskopbrücke vorgenommen. Die Restbezahnung des Unterkiefers wies folgenden Befund auf: Zahn 48 war impaktiert und verlagert, Zahn 45 wies Lockerungsgrad 3 und paradontale Insuffizienz auf. Bei den restlichen Frontzähnen 33–43 zeigten sich erhöhte Sondierungstiefen an den Eckzähnen sowie eine erhöhte Lockerung (Grad 2). Im Unterkiefer wurde Zahn 45 entfernt, und die restlichen Zähne wurden mit einer konservativen Parodontaltherapie behandelt. Die Seitenzähne des Unterkiefers wurden ersetzt und neu angepasst. Die Zähne 43–33 erhielten eine Kunststoffverblendung des abnehmbaren Zahnersatzes. Ausgangssituation Abb. 1: Panoramaröntgenaufnahme. Die Oberkieferseitenzahn-Bereiche wiesen auf beiden Seiten eine deutlich reduzierte vertikale Knochenhöhe auf (restliche Höhe weniger als 2 mm). Sinusbodenaugmentation Abb. 2: Klinische Situation mit eingesetzter abnehmbarer Teleskopprothese. Abb. 3: Die faziale Kieferhöhlenwand wird nach innen geschoben und wird zum neokranialen Boden der Kieferhöhle. Auf der linken Seite macht ein vertikales Knochen-Septum (sichtbar in Abb. 1) zwei separate laterale Zugänge erforderlich. Insertion von Interims-Implantaten Abb. 4: Füllen der rechten Sinushöhle mit Blut und xenogenem Knochenersatzmaterial. Bedecken des lateralen Fensters mit einer resorbierbaren Kollagenmembran, um eine Verlagerung des Knochenersatzmaterials zu verhindern. Abb. 5: Postoperative Panoramaröntgenaufnahme zeigt die Füllung beider Oberkiefer-Sinushöhlen. Das minimal-invasive Flapless-Verfahren erfordert zur Sicherung der notwendigen Präzision die knöcherne Fixierung der Scanschablone während der DVT-Aufnahme sowie die knochengestützte Sicherung der OP-Schablone während des Eingriffs. Dies geschieht idealerweise mittels Interims-Implantaten, die während der Einheilungsphase zudem als Verankerungspunkte des Interimsersatzes dienen können. Implantatinsertion Abb. 6: Panoramaröntgenaufnahme mit Scanschablone zur Bestimmung der 4 Positionen der InterimsImplantate. Abb. 7: Zweiteilige provisorische Implantate mit Kugelaufbau in Position 11 und 21. Posteriore Verankerungen in Positionen 15 und 25. Abb. 8: Die systemspezifischen Matrizen werden aufgesetzt und in der Scanschablone mit Kunststoff befestigt. DVT-Aufnahme Abb. 9: In die Scanschablone befestigte Kugelkopf-Matrizen. Die DVT-Aufnahme schließt sich unmittelbar danach an. Die Scanschablone wird auf Grundlage der funktionellen und ästhetischen Anforderungen gemäß des Set-Ups erstellt (Backward-planning). Dank der stabilen knochenverankerten Radiologieschablone kann nur eine prothetisch orientierte, reproduzierbare Röntgenaufnahme durchgeführt werden. Die Position der Scanschablone ist identisch mit der Position der späteren Bohrschablone. Erst der Einsatz der Interims-Implantate ermöglicht diese Präzision in der Übertragung der Scanschablone zur OP-Schablone. Abb. 10: Transversalaufnahme in regio 26. Die zentrale axiale Bohrung ist deutlich sichtbar. Gute Ossifikation im Sinus. Die Schleimhautdicke kann durch Anbringen des röntgenopaken Zahns auf der Gipsoberfläche gemessen werden. Der Abstand zwischen Haltehülse und Knochenoberfläche darf nicht mehr als 3,5 mm betragen. Abb. 11: Alle Ansichten des Implantats in regio 27. Von links nach rechts: Seitenansicht mit Projektion des provisorischen Implantats in regio 25, Transversalaufnahme, anatomische Panaromaaufnahme, Okklusalkontrolle. Abb. 12: Transversalaufnahme in regio 24. Abb. 13: Transversalaufnahme in regio 23. Abb. 14: Transversalaufnahme in regio 17. Abb. 15: Alle Ansichten des Implantats in regio 16. Von links nach rechts: Seitenansicht mit Projektion des provisorischen Implantats in regio 15, Transversalaufnahme, anatomische Panaromaaufnahme, Okklusalansicht. Abb. 16: Transversalaufnahme in regio 14. Abb. 17: Transversalaufnahme in regio 13. Abb. 18: Transversalaufnahme in regio 12. Fallbericht 09 | 2011 CAMLOG® Guide-geführte Chirurgie Abb. 19: Chirurgische Schablone mit Kugelaufbau-Halteelementen in den Positionen 21, 15, 25 zur Stabilisierung der Schablone während des Bohrens. Die OPSchablone wird für die Operation mit Alkohol desinfiziert. Abb. 20: Kugelaufbau-Halteelemente an provisorischen Implantaten zur Stabilisierung der provisorischen Prothese, Fixierung der Scanschablone während der Kegelstrahl-CT und Positionierung der chirurgischen Schablone während des Bohrens. Abb. 21: Die Gingivastanze wird durch die Hülsen auf die Schleimhaut geführt. Die Stanze hat keinen Tiefenstopp. Abb. 22: Nach Entnahme der Schablone werden die gestanzten Gingivazylinder mit Hilfe eines Skalpells herausgeschnitten und entfernt. Abb. 23: Vorbereitete Insertionsstellen 26 und 27 (Gingivazylinder entfernt). Abb. 24: Die Schablone wird wieder angebracht. Beginn der CAMLOG® Guide-Bohrsequenz mit Hilfe eines Pilotbohrers; anschließend Verwendung von Bohrern mit der jeweils geeigneten von der Implantatlänge abhängigen Länge (regio 23). Abb. 25: Geführte Insertion durch die Hülsen mittels speziellen CAMLOG® Guide-Insertionsinstruments. Abb. 26: Die Hülsenabmessungen ermöglichen Bone Condensi ng (Knochenverdichtung) und Bone Spreading (Knochenspreizung) durch die Hülse (hier: Osteotom für vertikale Knochenverdichtung). Abb. 27: Implantate im ersten Quadranten in situ. Tiefenstopps auf der Oberfläche der Hülsen. Anfertigung des Provisoriums Abb. 28: Postoperative Panoramaröntgenaufnahme. Abb. 29: Einheilung eine Woche nach der Operation. Der Patient hat weder Beschwerden noch postoperative Schwellungen. Abb. 30: Die chirurgische Schablone wird wieder auf ihr Herstellungsmodell aufgesetzt. Mit Hilfe der Gipsfräser werden die Aushöhlungen für das Laborimplantat durch die Hülse angefertigt. Abb. 31: Implantationsstellen auf dem Gipsmodell. Abb. 32: Aufgesetzte Laborimplantate werden zusammen mit den Einbringpfosten mit Wachs an den Hülsen befestigt. Die Laborimplantate werden im Gipsmodell befestigt. Abb. 33: Modell mit eingesetzten Laborimplantaten. Übertragen des Implantats in die richtige Position durch die Hülse der chirurgischen Bohrschablone. Abb. 34: Die Abutments werden mit einer 0,5 mm dicken thermogeformten Schiene überzogen. Die thermogeformten Abdeckungen dienen als Platzhalter für die Passivierung während des Zementierens der Interimsversorgung. Abb. 35: Langzeit-Provisorium im Artikulator. Abb. 36: PEEK-Abutments in situ. Abschließende prothetische Arbeit Das Brückengerüst wurde mittels CAD/CAMVerfahren aus Faserverbundwerkstoff (KaVo C-Temp) erstellt und mit Kunststoff verblendet. Zur Passivierung des Gerüsts wurde die bewährte Galvanotechnik angewandt. Es wurden individuelle, CAD/CAM-erstellte ZirkoniumAbutments verwendet. Abb. 37: Langzeit-Provisorium in situ im Sinne von Frühbehandlung, acht Wochen nach dem chirurgischen Eingriff. Abb. 39: Mit CAMLOG® Esthomic Inset Abutments verbundene CAD/CAM-erstellte Zirkonium-Abutments. Abb. 38: Abformung mit geschlossenen Abformpfosten. Abb. 40: CAD/CAM-erstellte Zirkonium-Abutments nach einem Jahr in Funktion. Abb. 41: Verblendung. Fallbericht 09 | 2011 SCHLUSSFOLGERUNGEN Das ursprüngliche Ziel der prothetischen Rekonstruktion war eine festsitzende Brückenversorgung. Infolge der hygienischen und funktionellen Erprobungsphase mit dem Langzeit-Provisorium entschied sich der Patient für eine herausnehmbare Brücke. Mit Hilfe der dreidimensionalen Implantatplanung im Rahmen der Kegelstrahl-CT oder der CT in Verbindung mit der geführten Implantatbettaufbereitung und Implantatinsertion können Implantate deutlich genauer und einfacher an prothetisch richtigen oder anatomisch schwierigen Stellen eingesetzt werden. Die Implantattherapie wird dadurch vereinfacht. Die Bohrsequenz im CAMLOG® Guide System unterscheidet sich von anderen Systemen. Während bei einer herkömmlichen Bohrsequenz die Pilotbohrung bis zur endgültigen Implantatlänge erfolgt, beginnt die von CAMLOG® Guide geführte Bohrsequenz mit dem kürzeren Pilotbohrer (Länge 6 mm). Damit alle Bohrungen von Beginn an durch die Hülsengeometrie geführt werden, erfolgt die Bohrsequenz sukzessive zunächst mit dem 9-mm-Bohrer, anschießend mit dem 11-mm-Bohrer und schließlich mit dem 13-mm-Bohrer (maximale Implantatlänge). CAMLOG® Guide stellt ein Hülsensystem zur Verfügung. Im Gegensatz zu Mehrhülsensystemen reicht eine einzige in die chirurgische Schablone eingesetzte Hülse zur Führung über alle Bohrsequenzen und Implantationsschritte hinweg aus. Die Implantate können durch die Hülsen hindurch eingesetzt werden. Ausgangssituation Abb. 42: Okklusalansicht vor der Behandlung. Abb. 43: Radiologische Situation vor der Behandlung. Endgültige Versorgung Abb. 44: Okklusalansicht zwei Jahre nach Abschluss der endgültigen prothetischen Versorgung. Abb. 44: Radiologische Situation zwei Jahre nach Belastung. LITERATUR EWERS R, SEEMANN R, KRENNMAIR G, SCHICHO K, KURDI A.O, KIRSCH A, REICHWEIN A Planning implants crown down - A systematic quality control for proof of concept. J Oral Maxillofac Surg 68:2868-2878, 2010 NEUGEBAUER J, STACHULLA G, RITTER L, DREISEIDLER T, MISCHKOWSKI A.R, KEEVE, E, ZÖLLER, J.E Computer-aided manufactoring technologies for guided implant placement. Expert Rev. Med. Devices 7(1), 113-129 (2010) EGGERS G, EVANGELOS P, MÜHLING J Accuracy of template-based dental implant placement. Int J Oral Maxillofac Implants 2009;24:447-454 KIRSCH A, NAGEL R, NEUENDORFF G, FIDERSCHEK J, ACKERMANN KL Implant placement and immediate final rehabilitation. EDI Journal 2009;3(5):53-71 DREISEIDLER, NEUGEBAUER, ZÖLLER ET AL Accuracy of a newly developed integrated system for implant planning. Clin Oral Implants Res Nov 2009 ACKERMANN KL, KIRSCH A, NAGEL R, NEUENDORFF G Mit Backward Planning zielsicher therapieren. Teamwork 2008;4:466-484 KIRSCH A, NAGEL R, NEUENDORFF G, FIDERSCHEK J, ACKERMANN KL Backward Planning und dreidimensionale Diagnostik. Teamwork 2008;9:734-754 Masterarbeit BEHRENDS M, Köln Prüfer: KREKELER G, 2007, Krems, Österreich „Computergestützte Implantatplanung: Eine experimentelle Untersuchung zur Präzision der Übereinstimmung zwischen virtuell geplantem Implantat-Sitz und erzieltem Ergebnis unter Verwendung eines EDV-Systems (SimPlant)“ Accuracy of implant placement with a stereolithographic surgical guide University of Michigan, Ann Arbor, Sarment 2003, PMID: 12939011 Accuracy of implant treatment planning utilizing template-guided reformatted computed tomography. University of Basel, Besimo, 2000 PMID: 10654036 AN DER BEHANDLUNG BETEILIGTE PERSONEN 3-D-Planung: Dr. Claudio Cacaci, München MDT Gerhard Stachulla, Mühlhausen Abschließende prothetische Arbeit: ZTM Hans-Joachim Lotz, Weikersheim KONTAKT Dr. med. dent. Claudio Cacaci Oralchirurg, DDS (Doktor der Zahnheilkunde) Zertifizierter Fachzahnarzt für dentale Implantologie, Implantatprothetik und Dentaltechnik Weinstraße 4 D-80333 München Tel. +49 89 255 444 70 [email protected] www.icc-m.com Dieser Fall wurde zuerst veröffentlicht in: Maiorana C., Beretta M. Manual of Oral Implantology. Italia Press 2010. (Publikation in vorliegender Form dank freundlicher Genehmigung des Herausgebers.) HEADQUARTERS CAMLOG Biotechnologies AG | Margarethenstrasse 38 | CH-4053 Basel | Switzerland Tel +41 61 565 41 00 | Fax +41 61 565 41 01 | [email protected] | www.camlog.com