Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg Institut für Mathematik Nevanlinna-Theorie über nicht-archimedischen Körpern und Anwendungen auf diophantische Gleichungen Diplomarbeit von Wilhelm Fischer Betreuer: Prof. Dr. Jörn Steuding Würzburg, April 2012 1 Zusammenfassung Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick zur Nevanlinna-Theorie über nicht-archimedischen Körpern zu verschaen. Diese Körper sind Cp , indem man Q bezüglich des nis bezeichnet man als Qp ), p-adischen Cp für Primzahlen p ∈ P. Man erhält Absolutbetrages vervollständigt (das Ergeb- den algebraischen Abschluss Vervollständigungsprozess erneut durchläuft und somit Cp Qp bildet und schlieÿlich den als vollständigen, algebraisch abgeschlossenen Körper erhält. Details der Konstruktion von Cp sind hierbei für diese Ar- beit unwesentlich, ausführliche Beschreibungen nden sich in [4] oder [9]. Der Einfachheit halber sei daher im Folgenden K ein beliebiger algebraisch abgeschlossener Körper mit Charakteristik ungleich Null, der bezüglich eines nicht-archimedischen Absolutbetrages |·| vollständig ist. Hierbei sind Analoga der Zahlentheorie im Ring der ganzen bzw. Körper der meromorphen Funktionen von besonderem Interesse, wie beispielsweise die Frage, für welche nicht-konstante ganze bzw. meromorphe Funktionen f, g , m, n ∈ N es gibt, die Gleichungen wie etwa f n + gm = 1 oder auch f n = (g + 1) · · · (g + m) erfüllen. Die Unlösbarkeit der letzten Gleichung in N wurde 1975 von Erd®s und Selfridge gezeigt. In dieser Arbeit werde ich zunächst eine kurze Übersicht über p-adische Analysis liefern und mich anschlieÿend mit der Neavanlinna-Theorie in nicht-archimedischen Körpern zuwenden. Dabei werde ich zwei Hauptsätze der Nevanlinna-Theorie und die Defektrelation zeigen, welche sich als sehr wirkungsvolle Hilfsmittel für Probleme obiger Art herausstellen. INHALTSVERZEICHNIS 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung in p-adische Analysis 3 1.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Der Absolutbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.3 Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.4 Nicht-archimedische meromorphe Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 p-adische 2 Nevanlinna-Theorie 3 13 2.1 Grundlegende Denitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.2 Zwei Hauptsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.3 Anmerkungen zum zweiten Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3 Anwendungen auf diophantische Gleichungen 27 4 Literaturverzeichnis 36 1 1 EINFÜHRUNG IN P -ADISCHE Einführung in ANALYSIS p-adische 3 Analysis 1.1 Vorbemerkung Dieses Kapitel stellt einen groben Überblick in p-adischer Analysis dar. Der Inhalt ndet sich, wenn nicht anders erwähnt, in knapper Form auch in [6]. Zu Beginn einige wichtige Denitionen und Notationen: Denition 1.1 Ein Absolutbetrag auf einem Körper K ist eine Funktion | · | : K → R≥0 = [0; ∞), mit folgenden Eigenschaften: 1) |x| = 0 ⇔ x = 0; 2) |xy| = |x| |y| f ür alle x, y ∈ K; 3) |x + y| ≤ |x| + |y| f ür alle x, y ∈ K; er heiÿt nicht-archimedisch, wenn er folgende verschärfte Dreiecksungleichung erfüllt: 4) |x + y| ≤ max{|x| , |y|} f ür alle x, y ∈ K; ansonsten heiÿt er archimedisch. Denition 1.2 Sei K ein Körper und | · | ein Absolutbertrag auf K. Wir denieren den Abstand d(x, y) zwischen zwei Elementen x, y ∈ K durch d(x, y) = |x − y| . Die Funktion d(x, y) heiÿt die vom Absolutbetrag induzierte Metrik. Denition 1.3 Für a ∈ K und r ∈ R, r > 0 bezeichnet man B(a, r) = {x ∈ K : d(x, a) = |x − a| < r} als oene Kugel mit Radius r und Mittelpunkt a und B(a, r) = {x ∈ K : d(x, a) = |x − a| ≤ r} als abgeschlossene Kugel mit Radius r und Mittelpunkt a. Wir verwenden die Begrie oen und abgeschlossen lediglich aufgrund des <- bzw. >-Zeichens. Tatsächlich sind lutbetrag |·| B(a, r) und B(a, r) sowohl oen als auch abgeschlossen. für einen nicht-archimedischen Abso- 1 EINFÜHRUNG IN P -ADISCHE ANALYSIS 4 Denition 1.4 Gilt in einem metrischen Raum M statt der Dreiecksungleichung d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y), x, y, z ∈ M die verschärfte Dreiecksungleichung d(x, y) ≤ max{d(x, y), d(x, z)}, so ist die Metrik d eine Ultrametrik und M ein ultrametrischer In einem ultrametrischem Raum gilt für beliebige Kugeln U, V Raum. stets U ∩ V = ∅ ∨ (U ⊂ V ∨ V ⊂ U ), sie sind also disjunkt oder durch Inklusion geordnet. Deshalb kann man jede nichtleere oene Teilmenge D von M in Kugeln zerlegen. 1.2 Der p-adische Absolutbetrag In diesem Kapitel wird der len bezeichnen wir mit Zahl a ∈ Z \ {0} P. p-adische Absolutbetrag eingeführt. Die Menge aller Primzahp ∈ P jede ganze Beginnen wir mit der Feststellung, dass für eindeutig darstellbar ist als 0 a = pν a , 0 p /a | , 0 a ∈ Z \ {0}, ν eindeutig durch p und a als Potenz, in der a von p νp (a) bezeichnet wird. Wir erhalten also eine Funktion wobei als geteilt wird, festgelegt ist und νp (x) : Z \ {0} → N0 , die man wie folgt auf Q erweitern kann: für x = a/b ∈ Q, a ∈ Z, b ∈ N ( νp (a) − νp (b) νp (x) = ∞ falls falls setze x 6= 0 x = 0. Denition 1.5 Die Funktion νp heiÿt p-Bewertung auf Q. Sie hat weiterhin folgende Eigenschaft: x = pνp (x) · Man erhält so für jedes x∈Q a0 , b0 p /a | 0 b0 , x ∈ Q. einen Absolutbetrag durch ( p−νp (x) |x|p = 0 falls falls x 6= 0 x = 0. Denition 1.6 Die Funktion | · |p wird p-adischer Absolutbetrag genannt. 1 P -ADISCHE EINFÜHRUNG IN Oensichtlich ist | · |p ANALYSIS 5 ein nicht-archimedischer Absolutbetrag auf Q. p-adischer Analysis (vgl. z. B. [4] oder [9]) ist die | · |p induzierten Topologie ein Körper, der Qp genannt wird. Der Absolutbetrag | · |p auf Q lässt sich zu einem nicht-archimedischen Absolutbetrag auf Qp , der auch mit | · |p bezeichnet wird, erweitern, sodass gilt: Entsprechend der Standard-Theorie in Vervollständigung von Q bezüglich der durch 1) Es gibt eine Inklusionsabbildung Absolutbetrag ist der seinem Bild in 2) Q ist dicht in 3) Qp Qp p-adische Q ,→ Qp , und der von | · |p auf Qp induzierte Absolutbetrag. Ab jetzt identizieren wir Q mit unter der Inklusionsabbildung; Qp ; ist vollständig. Der Körper den Qp , der 1), 2) und 3) erfüllt, ist eindeutig bis auf eindeutige Isomorhismen, die Absolutbetrag erhalten, und heiÿt Körper der p-adischen Zahlen. Er hat weiterhin folgende Eigenschaft: x ∈ Q∗p := Qp \ {0} gibt es eine ganze Zahl νp (x), so dass |x|p = p−νp (x) , d. h. die p-Bewertung νp lässt sich auf Qp erweitern. Anders ausgedrückt ist das Bild n von Q und Qp unter | · |p das gleiche, nämlich die Menge {p | n ∈ Z} ∪ {0}. 4) für jedes Die Konstruktion eines algebraisch abgeschlossenen vollständigen Körpers (vgl. wiederum √ C (R( −1) leistet hier schon das gewünschte), denn keine endliche Körpererweiterung von Qp ist algebraisch abgeschlossen. Vielmehr erhält man den algebraischen Abschluss Qp von Qp als Vereinigung aller endlichen Erweiterungen von Qp . Der p-adische Absolutbetrag kann nun auf den algebraischen Abschluss Qp von Qp erweitert werden. Denn für jedes x ∈ Qp ist x ein Element von Qp (x) und daher kann man |x|p denieren, indem man die eindeutige Erweiterung des p-adischen Absolutbetrages auf Qp (x) verwendet. Man erhält so eine [4] oder [9]) erweist sich nun als aufwändiger als die Konstruktion von Funktion | · | : Qp → R≥0 , die den p-adischen Absolutbetrag auf Qp erweitert, und man zeigt leicht, dass diese Funk- tion ein Absolutbetrag ist. Der eindeutige Absolutbetrag auf Qp heiÿt auch p-adischer p-adischen Absolutbetrages nicht vollständig. Die Vervollständigung von Qp bezüglich der durch | · |p induzierten Topologie ist ein Körper, der mit Cp bezeichnet wird, und der Absolutbetrag | · | auf Qp lässt sich zu einem nicht-archimedischen Absolutbetrag auf Cp erweitern, der wiederum mit | · |p bezeichnet Absolutbetrag. Qp ist jedoch bezüglich des wird, sodass gilt: 1) Es gibt eine Inklusionsabbildung Absolutbetrag ist der seinem Bild in 2) Qp ist dicht in Cp Cp ; p-adische Qp ,→ Cp , und der von | · |p auf Qp induzierte Absolutbetrag. Ab jetzt identizieren wir unter der Inklusionsabbildung; Qp mit 1 EINFÜHRUNG IN 3) Cp P -ADISCHE ANALYSIS 6 ist vollständig. Der Körper Cp , der 1), 2) und 3) erfüllt ist eindeutig bis auf eindeutige Isomorhismen, die den Absolutbetrag erhalten. Er hat noch folgende Eigenschaften: x ∈ C∗p gibt es eine rationale Zahl νp (x), sodass |x| = p−νp (x) , p-Bewertung νp auf Qp lässt sich auf Cp erweitern und das Bild von C∗p ist Q; 4) Für jedes 5) Cp d. h. die unter νp ist algebraisch abgeschlossen, aber nicht lokal kompakt. Die Details der Konstruktion von Cp sind genau wie die Wahl der Primzahl p hier nicht von K immer ein beliebiger algebraisch abgeschlossener Bedeutung, daher sei im Folgenden Körper mit Charakteristik Null, der bezüglich eines nicht-archimedischen Absolutbetrages |·| vollständig ist. 1.3 Potenzreihen Nun betrachten wir Funktionen, die durch Potenzreihen gegeben sind. Zu Beginn einige grundlegende Tatsachen: Lemma 1.7 Eine Folge {an } in K ist genau dann eine Cauchy-Folge und daher konvergent, wenn gilt: lim |an+1 − an | = 0 Beweis: n→∞ Für m = n + k > n, beachte man, dass aufgrund der nicht-archimedischen Eigenschaft gilt: |am − an | = |(an+k − an+k−1 ) + (an+k−1 − an+k−2 ) + · · · + (an+1 − an )| ≤ max{|an+k − an+k−1 | , |an+k−2 − an+k−2 | , . . . , |an+1 − an |}. Korollar 1.8 Eine unendliche Reihe wenn gilt: P∞ n=0 an mit an ∈ K ist genau dann konvergent, lim an = 0. In diesem Fall gilt weiterhin: Beweis: n→∞ ∞ X an ≤ max |an | . n n=0 Deniere Sn = n X ak . k=0 P∞ n=0 an konvergiert genau dann, wenn {Sn } konvergiert, also genau {Sn } eine Cauchy-Folge ist. Nach Lemma 1.7 ist dies genau dann der Fall, {Sn − Sn−1 = an } konvergiert. Die Abschätzung für die Reihe folgt sofort aus der Die unendliche Reihe dann, wenn wenn verschärften Dreiecksungleichung. 1 EINFÜHRUNG IN P -ADISCHE ANALYSIS Betrachte eine Potenzreihe f (z) = ∞ X 7 an z n , an ∈ K. (1) n=0 Dann können wir gilt. Der f (z) P∞ den Wert n=0 Konvergenzradius ρ von f an z n zuweisen, wenn limn→∞ |an z n | = 0 für z∈K ist deniert durch 1 1 = lim sup |an | n . ρ n→∞ ρ = 0 (bzw. ρ = ∞), so konvergiert die Reihe nur für z = 0 (bzw. in ganz K). Ist 0 < ρ < ∞, so konvergiert die Reihe für |z| < ρ und divergiert für |z| > ρ. Auf B(0, ρ) ist f n stetig und lässt sich genau dann auf B(0, ρ) fortsetzen, wenn limn→∞ an ρ = 0 (folgt sofort Ist aus Korollar 1.8). Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Verhalten der Konvergenz von Potenzreihen in C, wo das Verhalten auf dem Rand des Konvergenzbereiches sehr kompliziert sein kann. (Es sei bemerkt, dass B(0, ρ) \ B(0, ρ) nicht der Rand von B(0, ρ) ist. Dieser ist leer, da sich Kugeln stets durch Inklusion ordnen lassen oder disjunkt sind.) Für 0<ρ≤∞ und r∈R mit 0<r<ρ deniere das Maximalglied µ(r, f ) = max |an | rn n≥0 mit zugehörigem Zentralindex: ν(r, f ) = max{n | |an | rn = µ(r, f )}. n≥0 Wir schreiben weiterhin µ(0, f ) = lim+ µ(r, f ), r→0 Oensichtlich gilt für z∈K mit ν(0, f ) = lim+ ν(r, f ). r→0 z≤r |f (z)| ≤ max |an | |z|n ≤ µ(r, f ). n≥0 Satz 1.9 Der Zentralindex ν(r, f ) wächst für r → ρ und genügt folgender Gleichung: log µ(r, f ) = log aν(0,f ) + r Z 0 Beweis: Wähle 0 < r1 < r2 < ρ ν(t, f ) − ν(0, f ) dt + ν(0, f ) log r t und setze ν1 = ν(r1 , f ). (0 < r < ρ). Wir zeigen |an | r2n < |aν1 | r2ν1 für n < ν1 , woraus ν(r2 , f ) ≥ ν1 folgt. Für an = 0 ist dies oensichtlich, für an 6= 0 beachte man |an | r1n ≤ |aν1 | r1ν1 , 1 EINFÜHRUNG IN P -ADISCHE ANALYSIS 8 woraus durch Logarithmieren folgt: log |an | + n log r1 ≤ log |aν1 | + ν1 log r1 . Also gilt log |an | − log |aν1 | ≤ log r1 < log r2 ν1 − n und die Behauptung folgt. |f (0)| = |a0 | = 1. Zum Beweis der Gleichung betrachten wir o. B. d. A. den Fall ν(t, f ) = νk−1 für t ∈ [rk−1 , rk ) (k = 1, 2, . . . ), Setze wobei 0 = ν0 < ν1 < · · · ; 0 = r0 < r1 < · · · . |aνk | rνk bei rk erhalten wir ν = aνk−1 rkk−1 für k = 1, 2, . . . Aufgrund der Stetigkeit der Funktion |aνk | rkνk Beachte, dass für rn ≤ r < rn+1 gilt: µ(r, f ) = |aνn | rνn . Insgesamt folgt Z 0 r Z r n Z rk X ν(t, f ) ν(t, f ) ν(t, f ) dt = dt + dt t t t rn k=1 rk−1 = n X νk−1 log k=2 = log rk rk−1 + νn log r rn ν ! n |aνn | rνn Y aνk−1 rkk−1 νk−1 |aνn | rnνn k=2 aνk−1 rk−1 = log (|aνn | rνn ) = log µ(r, f ), wodurch sich die zu beweisende Gleichung unmittelbar ergibt. P f (z) = an z n (an ∈ K), die die Bedingung lim |an | rn = 0 erfüllen, bezeichnen wir mit Ar (K), die Menge der Potenzreihen in z , deren Konvergenzradius gröÿer oder gleich r ist, mit A(r (K). Oensichtlich gilt genau dann f ∈ A(r (K), T wenn f ∈ s<r As (K). Wir schreiben kurz Den Ring der Potenzreihen A(K) = A(∞ (K). Für A(K) gilt der Identitätssatz. Zwei Elemente von übereinstimmen, stimmen auf ganz K A(K), die etwa auf einer Kugel überein. Satz 1.10 Für r > 0 erfüllt die Funktion µ(r, ·) : Ar (K) → R≥0 folgende Eigenschaften: 1 EINFÜHRUNG IN P -ADISCHE ANALYSIS 9 1) µ(r, f ) = 0 ⇔ f ≡ 0; 2) µ(r, f + g) ≤ max{µ(r, f ), µ(r, g)}; 3) µ(r, f g) = µ(r, f )µ(r, g). Beweis: (1) und (2) folgen sofort aud den Eigenschaften des nicht-archimedischen Ab- solutbetrages. Zum Beweis von (3) schreiben wir f (z) = ∞ X n an z , g(z) = n=0 Damit haben wir f (z)g(z) = ∞ X ∞ X bn z n . n=0 cn z n , cn = n=0 X ai b j . i+j=n Daher gilt µ(r, f g) = max |cn | rn ≤ max{ max |ai | |bj | rn } n n i+j=n i = max{ max (|ai | r )(|bj | rj )} n i+j=n ≤ (max |ai | ri )(max |bj | rj ) = µ(r, f )µ(r, g). i j Zum Beweis der umgekehrten Ungleichung setze I und J so, dass |ai | ri < µ(r, f ) (i < I), |aI | rI = µ(r, f ), |bj | rj < µ(r, g) (j < J), |bJ | rJ = µ(r, g). Daraus folgt |aI bJ | = r−I−J µ(r, f )µ(r, g), |ai bj | < r−I−J µ(r, f )µ(r, g), wobei i<I oder j < J, aber i + j = I + J. Folglich gibt es in der Summe gröÿten Term, und daher gilt |cI+J | = |aI bJ | = r−I−J µ(r, f )µ(r, g), was wir auch schreiben können als |cI+J | rI+J = µ(r, f )µ(r, g). Folglich erhalten wir die umgekehrte Ungleichung: µ(r, f g) = max |cn | rn ≥ |cI+J | rI+J = µ(r, f )µ(r, g). n cI+J einen 1 EINFÜHRUNG IN P -ADISCHE ANALYSIS 10 n Satz 1.11 Gegeben sei eine Potenzreihe f (z) = ∞ n=0 an z , an ∈ K mit einem Konvergenzradius ρ > 0 und es sei z ∈ K. Falls f (z) kovergiert, dann existiert f 0 (z) mit P ∞ X 0 f (z) = nan z n−1 . (2) n=1 Weiter ist der Konvergenradius der Reihe (2) derselbe wie der von f , und f 0 erfüllt 1 µ(r, f 0 ) ≤ µ(r, f ) (0 < r < ρ). r Beweis: Setze g(z) = ∞ X nan z n−1 . n=1 Nach Lemma 1.2 in [6] und dem Satz von Ostrowski (vgl. [4]) gibt es ein für jedes n∈N die Ungleichung α ∈ R≥0 , sodass 1 ≤ |n| ≤ 1 nα erfüllt ist. Folglich gilt 1 lim |n| n = 1. n→∞ Daher sieht man leicht, dass 1 1 lim sup |an | n = lim sup |nan | n−1 , n→∞ n→∞ und die Reihe (2) hat den selben Konvergenzradius wie f . Angenommen f (z) konvergiere, n was gleichbedeutend ist zu an z = 0. Im Fall z = 0 ist klar, dass g(z) konvergiert. Ist z 6= 0, und beachte dass g(z) nan z n−1 ≤ an z n−1 = 1 |an z n | → 0, |z| konvergiert ebenfalls. f (z) entweder in B(0, ρ) oder in in B(0, ρ). Im ersten Fall R = ρ. Im zweiten Fall wähle R so, dass |z| ≤ R < ρ. Ist z 6= 0, nehme an, dass |h| < |z| ≤ R. Ist z = 0, so nehmen wir an, dass |h| ≤ R. Daher |z+h| ≤ max{|z|, |h|} ≤ R und f (z + h) konvergiert, sodass Wegen Korollar 1.8 konvergiert setze ∞ n f (z + h) − f (z) X X n = an z n−j hj−1 . h j n=1 j=1 Da R<ρ ist, gilt n n−j j−1 n−1 → 0. j an z h ≤ |an |R 1 EINFÜHRUNG IN P -ADISCHE ANALYSIS Also konvergiert die Reihe gleichmäÿig in 11 h. Deshalb können wir den Grenzwert termweise betrachten und erhalten so ∞ f (z + h) − f (z) X = nan z n−1 . h→0 h n=1 f 0 (z) = lim Ist schlieÿlich 0 < r < ρ, dann µ(r, f 0 ) = max |nan |rn−1 ≤ n 1 1 max |an |rn = µ(r, f ). r n r Korollar 1.12 Die Ableitung von f ∈ Aρ (K) verschwindet genau dann identisch, wenn f konstant ist. Lemma 1.13 Es sei bjn ∈ K und es gelte 1) limn→∞ bjn = 0 für jedes j 2) limj→∞ bjn = 0 gleichmäÿig in n. Dann konvergieren beide Reihen ∞ X ∞ X bjn , j=0 n=0 ∞ X ∞ X bjn n=0 j=0 und sie haben den selben Wert. Satz 1.14 Gegeben sei eine Potenzreihe f (z) = ∞ X an (z − z0 )n , (z0 , an ∈ K), n=0 und betrachte die Potenzreihe g(z) = ∞ X n=0 n bn (z − α) , X j bn = aj (α − z0 )j−n n j≥n für einen Punkt α ∈ K \ {z0 }. Falls f (α) konvergiert, dann gelten 1) die Potenzreihe bn konvergiert für jedes n, sodass die bn wohldeniert sind; 2) die Potenzreihen f (z) und g(z) haben den selben Konvergenzbereich; 3) f (z) = g(z) für jedes z im Konvergenzbereich. 1 EINFÜHRUNG IN Beweis: P -ADISCHE ANALYSIS 12 Für festes n gilt j j−n j−n = |α − z0 |−n aj (α − z0 )j → 0. n aj (α − z0 ) ≤ aj (α − z0 ) Die Konvergenz der bn folgt somit aus Korollar 1.8. Zum Beweis von (2) und (3) betrachten wir die Reihe bjn Da z falls falls j≥n j < n. α im Konvergenzbereich D von f liegen, können wir ein r ∈ R>0 wählen, z, α ∈ B(z0 , r) ⊂ D. Wir erhalten somit eine Abschätzung für beliebiges n: |bjn | ≤ aj (α − z0 )j−n (z − α)n ≤ |aj |rj → 0 (j → ∞), als auch sodass also konvergiert für ( j a (α − z0 )j−n (z − α)n n j = 0 n → ∞. bjn gleichmäÿig in n gegen Null. Für jedes j gilt oensichtlich bjn → 0 Nach Lemma 1.13 gilt f (z) = ∞ X aj (z − α + α − z0 )j j=0 = = = j ∞ X X j j=0 n=0 ∞ X ∞ X n aj (α − z0 )j−n (z − α)n bjn = ∞ X ∞ X bjn n=0 j=0 j=0 n=0 ∞ X bn (z − α)n = g(z), n=0 also konvergiert g(z) und ist gleich f (z). Vertauscht man f und g, so erkennt man, dass die beiden Konvergenzbereiche gleich sind. Satz 1.14 zeigt, dass die Potenzreihe f (z), die auf B(z0 , r) konvergiert, anders als in komplexer Analysis, nicht über die Konvergenzkreisscheibe hinaus durch Änderung des Entwicklungspunktes fortgesetzt werden kann. 1.4 Nicht-archimedische meromorphe Funktionen Denition 1.15 Es sei D ⊂ K oen. Eine Funktion f : D → K heiÿt analytisch in einem Punkt a ∈ D, falls es ein ρ ∈ R>0 ∪ {∞} und an ∈ K gibt, sodass B(a, ρ) ⊂ D, aber B(a, ρ0 ) \ D 6= ∅ für jedes ρ0 > ρ, sowie f (z) = ∞ X n=0 an (z − a)n , z ∈ B(a, ρ). 2 NEVANLINNA-THEORIE 13 Ist f in jedem Punkt von D analytisch, so heiÿt f analytisch auf D. Die Menge der analytischen Funktionen auf D wird mit H(D) bezeichnet. M(D) für den Körper der Brüche aus H(D). Ein Element f in der M(D) heiÿt meromorphe Funktion auf D. Hat f keine Polstellen in D, so nennt auch holomorph. Mit Satz 1.14 folgt Man schreibt Menge man f H(B(0, ρ)) = A(ρ (K), und daher M(B(0, ρ)) = ng h o | g, h ∈ A(ρ (K), h 6≡ 0 . Wir schreiben M(ρ (K) = M(B(0, ρ)). Die Elemente der Menge M(K) = M(∞ (K) nennen wir ist in meromorphe Funktionen auf K. M(K) enthalten. Die Elemente in Die Menge M(K) \ K(z) K(z) heiÿen der rationalen Funktionen transzendent. In der Wert- M(K) befassen. f ∈ M(ρ) (K) (0 < ρ ≤ ∞). Dann gibt es g, h ∈ A(ρ (K) mit f = hg . Mit g fortsetzen, 1.10 können wir µ eindeutig auf die meromorphe Funktion f = h verteilungstheorie werden wir uns hauptsächlich mit Funktionen in Betrachte nun (3) aus Satz indem wir denieren: µ(r, f ) = µ(r, g) µ(r, h) (0 ≤ r < ρ). Satz 1.10 überträgt sich leicht auf meromorphe Funktionen: Satz 1.16 Für 0 < r < ρ erfüllt die Funktion µ(r, ·) : M(ρ (K) → R≥0 folgende Eigenschaften: 1) µ(r, f ) = 0 ⇔ f ≡ 0; 2) µ(r, f1 + f2 ) ≤ max{µ(r, f1 ), µ(r, f2 )}; 3) µ(r, f1 f2 ) = µ(r, f1 )µ(r, f2 ). 2 Nevanlinna-Theorie In diesem Kapitel werden wir zunächst einige wichtige Denitionen angeben, danach zwei Hauptsätze und die Defektrelation beweisen und schlieÿlich einige Beispiele für Anwendungen dieser Theorie aufzeigen. Sätze und Denitionen zu komplexer NevanlinnaTheorie entstammen der Vorlesung Wertverteilungstheorie meromorpher Funktionen [5] von PD Dr. Jürgen Grahl aus dem Wintersemester 2009/10 an der Universität Würzburg. 2 NEVANLINNA-THEORIE 14 2.1 Grundlegende Denitionen f ∈ A(ρ (K) (0 < ρ ≤ ∞). 1 2.1 Für a ∈ K bezeichnet n r, f −a die Es sei zunächst Zählfunktion von f für a, welche Denition die Anzahl der Nullstellen (mit Vielfachheiten gezählt) von f − a (also die a-Stellen von f) mit Absolutbetrag ≤ r angibt. Denition 2.2 Die Valenzfunktion N r, N r, Dabei ist 0 < ρ0 < r < ρ. 1 f −a Z r = 1 f −a 1 n(t, f −a ) t ρ0 Die Wahl eines solchen von f für a ist gegeben durch dt (ρ0 < r < ρ). ρ0 ist notwendig, da sonst N r, 1 f −f (0) nicht deniert wäre. Weiterhin schreiben wir Z r N (r, f = a) = 1 1 n(t, f −a ) − n(0, f −a ) t 0 1 dt + n 0, f −a log r (0 < r < ρ). Dadurch erhalten wir N (r, f = a) − N (ρ0 , f = a) = N r, 1 f −a ≥ 0. f ∈ M(ρ (K), 0 < ρ0 < r < ρ ≤ ∞ und a ∈ K ∪ {∞}. Dann gibt es f0 , f1 ∈ Ar (K) mit f = f1 /f0 , sodass f0 und f1 keine gemeinsamen Nullstellen haben. 1 von f für a ist folgendermaÿen deniert: Denition 2.3 Die Zählfunktion n r, f −a Sei nun n r, 1 f −a n(r, f ) = n r, 1 falls a = ∞, f0 = n r, 1 falls a 6= ∞. f1 −af0 Denition 2.4 Die Valenzfunktion N r, N r, 1 f −a 1 f −a von f für a ist deniert durch N (r, f ) = N r, 1 falls a = ∞, f0 = N r, 1 falls a 6= ∞. f1 −af0 Weiterhin schreiben wir ( N (r, f0 = 0) N (r, f = a) = N (r, f1 − af0 = 0) falls falls a = ∞, a 6= ∞. 2 NEVANLINNA-THEORIE 15 Für die Zähl- und Valenzfunktionen ohne von Vielfachheiten schreiben Berücksichtigung wir 1 n(r, f ), N (r, f ), n r, f −a und 1 N r, f −a . Es gilt für N (r, fi = a) − N (ρ0 , fi = a) = N r, i = 0, 1 1 fi − a ≥ 0. Der Vorbereitungssatz von Weierstraÿ (vgl. [6], Satz 1.21) zeigt 1 = ν(r, fi ). n r, fi Satz 1.9 angewandt auf wobei fi∗ (0) den fi ergibt dann N (r, fi = 0) = log µ(r, fi ) − log |fi∗ (0)| , P∞ n Koezienten ami von fi (z) = n=mi ain z (ami 6= 0, mi ≥ 0) bezeichnet. Weiterhin gilt 1 N r, = log µ(r, fi ) − log µ(ρ0 , fi ). fi N (r, f = 0) = N (r, f1 = 0), N (r, f = ∞) = N (r, f0 = 0), N r, f1 = N r, f11 N (r, f ) = N r, f10 folgt schlieÿlich die Jensensche Formel: Wegen und N (r, f = 0) − N (r, f = ∞) = log µ(r, f ) − log |f ∗ (0)| , (3) 1 − N (r, f ) = log µ(r, f ) − log µ(ρ0 , f ). N r, f (4) bzw. Hierbei ist f ∗ (0) wie folgt deniert: Es gibt eine ganze Zahl m ∈ Z, sodass f (z) ∈ K∗ . z→0 z m f ∗ (0) = lim Folgende Aussage ist trivial: Proposition 2.5 Es seien fi ∈ M(ρ (K) (i = 1, 2, . . . , k). Dann gilt für r > 0 N r, k X i=1 ! fi ≤ k X i=1 N (r, fi ), N r, k Y i=1 ! fi ≤ k X N (r, fi ). i=1 Denition 2.6 Die Schmiegungsfunktion m(r, f ) ist wie folgt deniert: m(r, f ) = log+ µ(r, f ) = max{0, log µ(r, f )}. 2 NEVANLINNA-THEORIE 16 Im komplexen Fall hingegen deniert man 1 m r, f −a dem Wert für a∈C gibt also an, wie nahe a im Mittel kommt. Kommt f 1 2π m(r, f ) = f (6≡ a) dem Wert R 2π 0 log+ |f (reit )| dt. Die Funktion auf einem Kreis um 0 mit Radius 1 a also sehr nahe, so wird m r, f −a r groÿ sein. In dieser Hinsicht sind die Denitionen im archimedischen sowie im nicht 1 m r, f −a archimdischen Fall konsistent, denn es gilt jeweils, dass dem Wert a groÿ wird, wenn f nahe kommt. Man beachte, dass es im nicht-archimedischen Fall nicht nötig ist, über alle z mit |z| = r zu mitteln, da stets |f (z)| = p−γ(−νp (z),f ) = µ(|z|, f ) gilt, falls −νp (z) kein Eckpunkt des Newton-Polygons γ(t, f ) von f ist. Wir erhalten nun folgende Proposition: Proposition 2.7 Es seien fi ∈ M(ρ (K) (i = 1, 2, . . . , k). Dann gilt für r > 0 m r, k X ! ≤ max m(r, fi ), fi 1≤i≤k i=1 m r, k Y ! fi ≤ i=1 k X m(r, fi ). i=1 Denition 2.8 Die charakteristische Funktion T (r, f ) ist gegeben durch (ρ0 < r < ∞). T (r, f ) = m(r, f ) + N (r, f ) Man beachte 1 log µ(r, f ) = log+ µ(r, f ) − log+ µ(r, f ) 1 = m(r, f ) − m r, . f Damit können wir die Jensensche Formel wie folgt umschreiben: 1 T r, = T (r, f ) − log µ(ρ0 , f ). f Ist f (5) K, dann hat f Null- oder Polstellen, jedem Fall folgt T (r, f ) → ∞. Dies gilt eine nicht-konstante meromorphe Funktion auf sodass N r, 1 f → ∞ N (r, f ) → ∞. oder In auch im archimedischen Fall, jedoch benötigt man dort zum Beweis den ersten Haupsatz 2.13, der im Komplexen genauso Bestand hat. Obige Begründung erweist sich dort als nicht ausreichend, da es in C null- und polstellenfreie ganze Funktionen gibt, etwa die Exponentialfunktion. Indem wir ihren Konvergenzradius berechnen, sehen wir später, dass sie in K keine ganze Funktion ist. Weiterhin erhalten wir: Proposition 2.9 Es seien fi ∈ M(ρ (K) (i = 1, 2, . . . , k). Dann gilt für r > 0 T r, k X i=1 ! fi ≤ k X i=1 und T (r, f ) wächst monoton in r. T (r, fi ), T r, k Y i=1 ! fi ≤ k X i=1 T (r, fi ) 2 NEVANLINNA-THEORIE Beweis: Der erste Teil der Aussage folgt sofort aus Proposition 2.5 und 2.7. Zum Beweis der Monotonie sei nun Ist 17 r2 > r1 . m(r1 , f ) = 0, Ist dann ist T (r1 , f ) = N (r1 , f ) ≤ N (r2 , f ) ≤ T (r2 , f ). m(r1 , f ) > 0, so ist m r1 , f1 = 0 und wir erhalten 1 1 1 1 = N r1 , ≤ N r2 , ≤ T r2 , . T r1 , f f f f T (r1 , f ) ≤ T (r2 , f ) folgt dann aus der Jensenschen Formel (5). P P k k Im komplexen Fall gilt lediglich die Abschätzung m r, j=1 fj ≤ j=1 m(r, fj ) + log k , denn: m r, k X j=1 ! fj k X log+ fj (reit ) dt 0 i=j Z 2π 1 ≤ max log+ kfj (reit ) dt 2π 1≤j≤k 0 Z 2π k X 1 ≤ log k + log+ fj (reit ) dt 2π 0 j=1 1 = 2π Z k X = 2π m(r, fj ) + log k j=1 fj ≡ 1 für j = 1, . . . , k sofort sieht. P P T r, ki=1 fi ≤ ki=1 T (r, fi ) + log k . Die Abschätzung ist auch scharf, wie man im Fall Folglich gilt für T (r, f ) auch nur die Abschätzung Wie man leicht sieht, sind sämtliche andere Abschätzungen der Fundamentalgröÿen im archimedischen sowie im nicht-archimedischen Fall gleich. Sei nun f ∈ M(ρ (K) und schreibe f = f1 /f0 mit f0 , f1 ∈ A(ρ (K). Dann heiÿt f˜ = (f0 , f1 ) : B(0, ρ) → K2 eine Darstellung von f . Haben f0 und f1 keine gemeinsamen Nullstellen, so nennt man reduzierte Darstellung von f . Wir schreiben f˜ eine |f˜(z)| = max |fk (z)|, k=0,1 µ(r, f˜) = max µ(r, fk ). k=0,1 Mit log µ(r, f˜) = max{log µ(r, f0 ), log µ(r, f1 )} µ(r, f1 ) = max 0, log + log µ(r, f0 ) µ(r, f0 ) = max{0, log µ(r, f )} + log µ(r, f0 ) = m(r, f ) + log µ(r, f0 ) 2 NEVANLINNA-THEORIE 18 sowie der Jensenschen Formel N (r, f ) = N 1 r, f0 = log µ(r, f0 ) − log µ(ρ0 , f0 ) erhalten wir T (r, f ) = log µ(r, f˜) − log µ(ρ0 , f0 ) (6) T (r, f ) = log µ(r, f˜) − log µ(ρ0 , f˜) + m(ρ0 , f ). (7) bzw. Nun einige Beispiele zur Abschätzung der charakteristischen Funktion: Beispiel 2.10 Gegeben sei ein Polynom A(z) = k X aj z j mit ak 6= 0. j=0 Wir schätzen nun T (r, A) ab. Sei dazu ( r(A) = max 0≤j<k 1 |ak | k1 1 ) |aj | k−j , . |ak | Für r > r(A) ist |ak |rk > |ak |r(A)k−j rj ≥ |aj |rj (0 ≤ j < k), und daher µ(r, A) = |ak |rk > 1. Folglich ist T (r, A) = m(r, A) = log µ(r, A) = k log r + log |ak | (r > r(A)). Betrachte nun eine rationale Funktion R = B/A mit teilerfremden Polynomen A(z) = k X aj z j (ak 6= 0), B(z) = j=0 q X bj z j (bq 6= 0). j=0 Für r > max{r(A), r(B)} gilt wie im vorherigen Beispiel log µ(r, A) = k log r + O(1), Mit (6) log µ(r, B) = q log r + O(1). folgt nun T (r, R) = max{log µ(r, A), log µ(r, B)} + log µ(ρ0 , A) = deg(R) log r + O(1), wobei wir deg(R) = max{k, q} denieren. Erfüllt umgekehrt eine auf K meromorphe Funktion f T (r, f ) = O(log r) (r → ∞), so ist sie rational, denn mit 1 T r, = T (r, f ) + O(1) = O(log r) f (r → ∞) 2 NEVANLINNA-THEORIE erhalten wir 19 T (r, f ) N (r, f ) ≤ lim sup < ∞, r→∞ r→∞ log r log r r→∞ 1 N r, T r, f1 f 1 lim n r, = lim ≤ lim sup < ∞. t→∞ n→∞ f log r log r r→∞ lim n(r, f ) = lim Also hat f nur endlich viele Null- und Polstellen, muss also eine rationale Funktion sein, denn nach Korollar 1.27 in [6] hat jede ganze Funktion, die kein Polynom ist, unendlich viele Nullstellen. Aus vorigem Beispiel folgt: Korollar 2.11 Eine auf K meromorphe Funktion f ist genau dann transzendent, wenn gilt T (r, f ) = ∞. r→∞ log r lim Korollar 2.11 ist auch im komplexen Fall gültig. Ähnlich wie hier zeigt man leicht, dass T (r, f ) = deg(f ) log r + O(1) für eine in C rationale Funktion f gilt. Für den Beweis der Umkehrung ist unser Argument allerdings nicht mehr anwendbar, da es in C nullstellen- freie ganze Funktionen gibt, etwa die Exponentialfunktion. Korollar 2.12 Für alle a ∈ K ∪ {∞} mit höchstens einer Ausnahme erfüllt jede nichtkonstante rationale Funktion R auf K N r, Beweis: k = q, N falls = T (r, R) + O(1). 1 R−a q log r + O(1) = k log r + O(1) deg(R) log r + O(1) falls falls falls k 6= q erhalten wir a = 0, a = ∞, a 6= 0, ∞. dann ist Jedoch ist Wir verwenden die Bezeichnungen aus Beispiel 2.10. Für N r, Ist 1 R−a 1 r, R−a N r, deg(R) log r + O(1) = deg(R) log r + O(1) deg(R) log r + O(1) 1 R−a falls falls falls a = 0, a = ∞, a 6= bq /ak , ∞. ≤ (deg(R) − 1) log r + O(1), a = bq /ak , da R den Wert a höchstens (deg(R)−1)-mal annehmen kann. Mit Beispiel 2.10 folgt nun die Behauptung. 2 NEVANLINNA-THEORIE 20 2.2 Zwei Hauptsätze In diesem Abschnitt wollen wir die zwei Hauptsätze der Nevanlinna-Theorie beweisen. Sie werden sich, wie wir im Folgenden sehen, bei der Lösung einiger Probleme als sehr nützlich erweisen. Satz 2.13 (Erster Hauptsatz) Es sei f eine nicht-konstante meromorphe Funktion auf B(0, ρ). Dann gilt für jedes a ∈ K m r, Beweis: 1 f −a +N 1 r, f −a = T (r, f ) + O(1) (r → ρ). Mit (5) folgt m r, 1 f −a +N 1 r, f −a =T 1 r, f −a = T (r, f − a) − log µ(ρ0 , f − a). Mit Proposition 2.9 erhalten wir T (r, f − a) ≤ T (r, f ) + log+ |a|, T (r, f ) ≤ T (r, f − a) + log+ |a|, woraus nun die Behauptung folgt. Lemma 2.14 (Lemma der logarithmischen Ableitung) Es sei f eine nicht-konstante meromorphe Funktion auf B(0, ρ). Dann gilt für jedes k ∈ N f (k) 1 µ r, ≤ k, f r und folglich Beweis: Ist f (k) 1 m r, ≤ k log+ . f r f ∈ A(ρ (K), so folgt mit Satz 1.11 f0 µ r, f und damit wobei f (0) = f . = µ(r, f 0 ) 1 ≤ , µ(r, f ) r ! k k Y Y f (k) f (i) 1 f (i) µ r, = µ r, = µ r, (i−1) ≤ k , (i−1) f f f r i=1 i=1 f = g/h ∈ M(ρ (K) mit g, h ∈ A(ρ (K). Dann 0 0 g h − gh0 h g h0 f0 · µ r, = µ r, = µ r, − f h2 g g h 0 0 g h 1 ≤ max µ r, , µ r, ≤ . g h r Sei nun 2 NEVANLINNA-THEORIE 21 Wie oben erhalten wir somit f (k) µ r, f ≤ 1 . rk Man sieht leicht, dass das Lemma der logarithmischen Ableitung in dieser Form im Kom2 plexen keinen Bestand haben kann. Betrachten wir dazu etwa die Funktion f (z) = exp(z ), so ergibt sich f0 m r, f für hinreichend groÿe r. = m(r, 2z) = log+ (2r) log+ Weiter sieht man sofort, dass exp, 1 r anders als im Komplexen, keine ganze Funktion sein kann. Tatsächlich beträgt der Konvergenzradius P∞ zn −1/(p−1) , denn: i=0 n! in Cp lediglich p νp (n!) = ∞ X n i=1 und damit pi < ρ von exp(z) = n p−1 1 |an | = = pνp (n!) < pn/(p−1) , n! woraus folgt ρ ≥ p−1/(p−1) Für |z| = p−1/(p−1) gilt andererseits z n /n! 9 0, also ρ = p−1/(p−1) . Denition 2.15 Für eine auf B(0, ρ) nicht-konstante meromorphe Funktion f deniere den Verzweigungsterm durch 0 NRam (r, f ) = 2N (r, f ) − N (r, f ) + N 1 r, 0 f . Der Verzweigungsterm zählt die um 1 reduzierten Vielfachheiten sämtlicher a- und Polstellen von f. Satz 2.16 (Zweiter Hauptsatz) Es seien f eine nicht-konstante meromorphe Funktion auf B(0, ρ) und a1 , . . . , aq ∈ K paarweise verschieden. Deniere δ = min{1, |ai − aj |}, i6=j A = max{1, |ai |}. i Dann gilt für 0 < r < ρ (q − 1)T (r, f ) ≤ N (r, f ) + q X j=1 q ≤ N (r, f ) + X j=1 N r, 1 f − aj N r, 1 f − aj − NRam (r, f ) − log r + Sf − log r + Sf , 2 NEVANLINNA-THEORIE wobei Sf = q X 22 log µ(ρ0 , f − aj ) − log µ(ρ0 , f 0 ) + (q − 1) log j=1 Beweis: den Wähle ein beliebiges f0 , f1 ∈ Ar0 (K) A . δ r0 ∈ K mit ρ0 < r0 < ρ. Schreibe f = f1 /f0 mit teilerfrem- und setze Fi = f1 − ai f0 (i = 1, 2, . . . , q). F 0 = f0 , Dann |fk (z)| ≤ A max{|F0 (z)|, |Fi (z)|} (k = 0, 1). i Mit W = W(f0 , f1 ) bezeichnen wir die Wronski-Determinante von f0 und f1 . Dann Wi = W(F0 , Fi ) = W. z ∈ B(0, r0 ) \ B(0, ρ0 ), Jetzt wählen wir ein sodass W(z), f1 (z), Fi (z) 6= 0, i = 0, 1, . . . , q. Dann gibt es ein j ∈ {1, 2, . . . , q}, sodass |Fj (z)| = min |Fi (z)|. 1≤i≤q Man beachte |f0 (z)| = |Fi (z) − Fj (z)| 1 ≤ |Fi (z)| (i 6= j). |aj − ai | δ Deshalb können wir paarweise verschiedene Indizes (l = 1, 2, . . . , q − 1) β1 , . . . , βq−1 wählen, die erfüllen, sodass 0 < max{δ|f0 (z)|, |Fj (z)|} ≤ |Fβ1 (z)| ≤ · · · ≤ Fβq−1 (z) < ∞. Damit haben wir für k = 0, 1; l = 1, 2, . . . , q − 1 |fk (z)| ≤ A A max{δ|f0 (z)|, |Fj (z)|} ≤ |Fβl (z)| . δ δ Daher erhalten wir |f˜(z)| = max |fk (z)| ≤ k A |Fβl (z)| , δ l = 0, . . . , q − 1, wobei f˜ = (f0 , f1 ) : K → K2 eine Darstellung von log f ist. Mit Wj = W folgt |F0 (z) · · · Fq (z)| = log Fβ1 (z) · · · Fβq−1 (z) − log Dj (z), W(z) βl 6= j 2 NEVANLINNA-THEORIE wobei 23 0 0 Fj |Wj | F 0 Dj = = − . |F0 Fj | Fj F0 Dann ist |F0 (z) · · · Fq (z)| + log Dj (z) log Fβ1 (z) · · · Fβq−1 (z) ≤ log |W(z)| und wir haben (q − 1) log |f˜(z)| ≤ log Setze r = |z|. |F0 (z) · · · Fq (z)| A + log Dj (z) + (q − 1) log . |W(z)| δ Satz 1.11 liefert Dj (z) ≤ max |F00 (z)| |Fj0 (z)| , |F0 (z)| |Fj (z)| 1 ≤ , r und daher log Dj (z) ≤ − log r. Wiederum folgt mit der Jensenschen Formel log |F0 (z)| = log µ(r, F0 ) = log µ(r, f0 ) 1 = N r, + log µ(ρ0 , f0 ) f0 = N (r, f ) + log µ(ρ0 , f0 ), log |W(z)| = log µ(r, W) = log µ(r, f0 f10 − f00 f1 ) 1 + log µ(ρ0 , W) = N r, W 1 = N r, + log µ(ρ0 , f 0 ) + 2 log µ(ρ0 , f0 ), W log |Fi (z)| = log µ(r, Fi ) = log µ(r, f1 − ai f0 ) 1 = N r, + log µ(ρ0 , f − ai ) + log µ(ρ0 , f0 ) f − ai für i = 1, 2, . . . q . Wegen log |f˜(z)| = T (r, f ) + log µ(ρ0 , f0 ) erhalten wir schlieÿlich (q − 1)T (r, f ) ≤ N (r, f ) + q X j=1 N 1 r, f − aj −N r, 1 W − log r + Sf . (8) 2 NEVANLINNA-THEORIE 24 Aus W = f0 f10 − f00 f1 = f0 2 f 0 folgt n r, 1 W 1 = 2n(r, f ) − n(r, f ) + n r, 0 f 0 . Hieraus ergibt sich 1 = NRam (r, f ) N r, W und q X n r, n(r, f ) + j=1 1 f − aj q X 1 − n r, ≤ n(r, f ) + n r, W j=1 1 f − aj . Also folgt die Ungleichung des Satzes. Die Menge aller r , für die (8) erfüllt ist, ist dicht in (ρ0 , r0 ]. Also gilt (8) für alle ρ0 < r ≤ r0 , da alle Funktionen der Ungleichung stetig sind. 0 Da r beliebig wählbar ist, ist der Satz bewiesen. Im archimedischen Fall ist der zweite Haupsatz schwächer: Hier gilt lediglich (mit gleichen Voraussetzungen) (q − 1)T (r, f ) ≤ N (r, f ) + q X N r, j=1 Es fällt auf, dass der Term − log r 1 f − aj − NRam (r, f ) + o(T (r, f )). auf der rechten Seite der Ungleichung fehlt, weiterhin ist der Fehlerterm nicht notwendigerweise beschränkt. Betrachten wir obigen Beweis, so sehen wir leicht, dass dieser Beweis im Komplexen nicht funtionieren kann: Wir verwenden die verschärfte Dreiecksungleichung sowie das Lemma über die logarithmische Ableitung, das im Komplexen wesentlich schwächer ist. Man kann insgesamt festhalten, dass das Wachstum einer in Cp meromorphen Funktion stärker beschränkt ist, als dies in C der Fall ist. 2.3 Anmerkungen zum zweiten Hauptsatz Denition 2.17 Es sei f eine auf K nicht-konstante meromorphe Funktion auf K und a ∈ K ∪ {∞}. Wir denieren den Defekt δf (a) und die Verzweigtheit Θf (a) von a durch 1 m r, f −a 1 N r, f −a = 1 − lim sup , T (r, f ) r→∞ 1 N r, f −a Θf (a) = 1 − lim sup . T (r, f ) r→∞ δf (a) = lim inf r→∞ T (r, f ) Für a = ∞ schreiben wir δf (∞) = lim inf r→∞ m(r, f ) N (r, f ) = 1 − lim sup , T (r, f ) r→∞ T (r, f ) 2 NEVANLINNA-THEORIE 25 Θf (∞) = 1 − lim sup r→∞ Ein Wert a ∈ K ∪ {∞} mit δf (a) > 0 heiÿt defekter Wert. Nevanlinnascher Ausnahmewert oder 0 ≤ δf (a) ≤ Θf (a) ≤ 1. Oensichtlich gilt stets N (r, f ) . T (r, f ) Aus dem zweiten Hauptsatz folgt nun die Defektrelation: Satz 2.18 (Defektrelation) Es sei f eine nicht-konstante meromorphe Funktion in K. Die Anzahl der Werte a ∈ K ∪ {∞} mit Θf (a) > 0 ist abzählbar und es gilt X a∈K∪{∞} Beweis: X δf (a) ≤ Θf (a) ≤ 2. a∈K∪{∞} Aus dem zweiten Hauptsatz folgt für a1 , . . . , aq ∈ K, q ≥ 2 1 N r, f −a j ≤ 1 + N (r, f ) − log r + Sf . 1 − T (r, f ) T (r, f ) T (r, f ) j=1 | {z } q X ≤1 Durch Übergang zu lim inf r→∞ ergibt sich q X Θf (aj ) ≤ 2. j=1 Insbesondere gibt es höchstens 2q verschiedene a ∈ K ∪ {∞} mit Θf (a) ≥ 1 , deshalb ist q die Menge ∞ [ 1 {a ∈ K ∪ {∞} | Θf (a) > 0} = a ∈ K ∪ {∞} | Θf (a) ≥ q q=2 abzählbar, und es folgt P a∈K∪{∞} Θf (a) ≤ 2. Jedoch ist die Defektrelation, anders als im komplexen Fall, nicht scharf, wie folgende Betrachtung zeigt: Sei für r→∞ und daher f eine nicht-konstante ganze Funktion in K. 1 N r, = log µ(r, f ) − log µ(ρ0 , f ) → ∞ f µ(r, f ) > 1 für hinreichend groÿe r. Für diese T (r, f ) = m(r, f ) = log µ(r, f ), woraus folgt 1 N r, = T (r, f ) + O(1). f Es gilt r ist 2 NEVANLINNA-THEORIE 26 Korollar 1.33 in [6] besagt N r, 1 f −a =N 1 r, f −a + O(1) f und alle a ∈ K. Also 1 = T (r, f ) + O(1) f −a für jede nicht-konstante ganze Funktion N r, für alle a ∈ K. gilt Damit erhalten wir folgenden Satz: Satz 2.19 Es sei f eine nicht-konstante ganze Funktion in K. Dann ist δf (a) = 0 für alle a ∈ K und δf (∞) = 1. Satz 2.20 Eine in K nicht-konstante meromorphe Funktion f besitzt höchstens einen defekten Wert a ∈ K ∪ {∞}. Beweis: Angenommen es gäbe zwei verschiedene Es seinen o. B. d. A. a=0 und b = ∞, a, b ∈ K∪{∞} mit δf (a) > 0, δf (b) > 0. ansonsten betrachte die folgenden Funktionen: F = f − a (a 6= ∞, b = ∞) bzw. F = f −a (a, b 6= ∞). f −a Nach Annahme gilt δf (0) = lim inf m r, f1 r→∞ also ist für hinreichend groÿes m r, 1 f T (r, f ) > 0, δf (∞) = lim inf r→∞ m(r, f ) > 0, T (r, f ) r = log 1 > 0, µ(r, f ) m(r, f ) = log µ(r, f ) > 0. Dies ist oensichtlich unmöglich. Korollar 2.21 Es sei f eine nicht-konstante meromorphe Funktion in K. Dann X δf (a) ≤ 1. a∈K∪{∞} Tatsächlich erhalten wir ein weitreichendes Ergebnis: Mit (6) und der Jensenschen Formel gilt T (r, f ) = log µ(r, f˜) − log µ(ρ0 , f0 ) = max{log µ(r, f0 ), log µ(r, f1 )} − log µ(ρ0 , f0 ) 1 1 = max N r, + log µ(ρ0 , f0 ), N r, + log µ(ρ0 , f1 ) − log µ(ρ0 , f0 ) f0 f1 1 = max N r, , N (r, f ) + O(1) f 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN für jede nicht-konstante meromorphe Funktion und f˜ eine reduzierte Darstellung von f f in 27 K, wobei f = f1 /f0 mit f1 , f0 ∈ A(K) sei. Man zeigt nun leicht, dass T (r, f ) = max N r, für zwei beliebige verschiedene Falls a 6= ∞, b = ∞, 1 f −a a, b ∈ K ∪ {∞} , N r, 1 f −a erfüllt ist: so ist T (r, f ) = T (r, f − a) + O(1) = max N (r, f ), N r, Sind a, b 6= ∞, 1 f −a + O(1). so erhalten wir einerseits T + O(1) f −a r, f −b = max N r, 1 f −a ,N 1 r, f −b + O(1). Weiterhin gilt 1 b−a T (r, f ) = T r, + O(1) = T r, 1 + + O(1) f −b f −b f −a + O(1) = T r, f −b und die Behauptung folgt. Denition 2.22 Es sei f eine nicht-konstante meromorphe Funktion in K . Ein Wert a ∈ K ∪ {∞} heiÿt Picardscher Ausnahmewert von f , falls a ∈ / f (K). Nach Satz 2.20 hat jede nicht-konstante in K meromorphe Funktion höchstens einen Picardschen Ausnahmewert. Bei ganzen Funktionen ist dies stets 3 ∞. Anwendungen auf diophantische Gleichungen Über weite Zeit wurden Wertverteilungstheorie und diophantische Analysis getrennt voneinander erforscht und entwickelt. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts erkannte Paul Vojta jedoch erstaunliche Analogien zwischen diophantischer Approximation und Nevanlinna-Theorie im Komplexen. In [11] liefert er ein detailliertes Wörterbuch, in dem er u. a. den ersten und zweiten Hauptsatz und die Defektrelation ihren zahlentheoretischen Pendants gegenüberstellt. Die entsprechenden Beweismethoden sind hierbei allerdings nur bedingt übertragbar, da etwa für Zahlkörper keine Ableitung zur Verfügung steht. So ist der Satz von Mason, das Analogon der wogegen die abc-Vermutung abc-Vermutung für Polynome, leicht zu beweisen, weiterhin ein sehr bedeutendes ungelöstes Problem darstellt. Vor diesem Hintergund ist es interessant zu untersuchen, in wie weit die in den vorigen 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN 28 Kapiteln hergeleitete Theorie bei der Frage, ob meromorphe Funktionen existieren, die Lösungen von Gleichungen wie f n + gm = 1 oder (f + 1) · · · (f + m) = g k sind, hilfreich ist. Tatsächlich ermöglicht der zweite Hauptsatz uns dies nun. Satz 3.1 Es gibt keine nicht-konstanten ganzen Funktionen f, g ∈ A(K), die f 2 + g2 = 1 (9) erfüllen.Weiterhin gibt es für m, n ∈ N und min{m, n} ≥ 2, max{m, n} ≥ 3 keine meromorphen f, g ∈ M(K), die f m + gn = 1 (10) erfüllen. Beweis: Zur ersten Behauptung: Angenommen, es gäbe solche f, g , die (9) erfüllen. Seien a1 und a2 die Lösungen von z 2 + 1 = 0 in K. Dann gilt a1 + a2 = 0 und a1 a2 = 1 (denn z 2 + 1 = (z − a1 )(z − a2 ) = z 2 − (a1 + a2 )z + a1 a2 ) und wir können (9) umschreiben als (f − a1 g)(f − a2 g) = 1. f − a1 g und f − a2 g konstant sein, da sie sonst Nullstellen hätten. Folglich auch f und g konstant sein, im Widerspruch zur Annahme der Existenz solcher Also müssen müssen Funktionen. Zum Beweis der zweiten Behauptung nehmen wir wiederum an, es gäbe f und g mit den geforderten Eigenschaften. Es sei o. B. d. A. m ≥ n. Seien a1 , . . . , am die Lösungen von z m − 1 = 0 in K. Dann hat für jedes j = 1, . . . , m jede Nullstelle von f − aj mindestens Ordnung n und daher N r, 1 f − aj 1 ≤ N n r, 1 f − aj ≤ 1 T (r, f ) + O(1). n Mit dem zweiten Hauptsatz folgt (m − 1)T (r, f ) ≤ N (r, f ) + m T (r, f ) − log r + O(1) n bzw. (11) mn − 2n − m T (r, f ) ≤ − log r + O(1). n Es muss also mn − 2n − m < 0 gelten. Dies ist unmöglich falls n ≥ 3 oder n = 2, m ≥ 4. Es verbleibt der Spezialfall n = 2, m = 3 zu betrachten. Hier ist jedoch jede Polstelle von f 3 auch ein Pol von g 2 und hat daher eine Ordnung von mindestens zwei. Daher 1 N (r, f ) ≤ N (r, f ) ≤ T (r, f ). 2 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN 29 Mit (11) erhalten wir nun 2T (r, f ) ≤ 1 3 + 2 2 T (r, f ) − log r + O(1), ein Widerspruch. Daher ist der Satz bewiesen. Es existieren meromorphe Lösungen von f (z) = oder wobei 1 f (z) = 2 i eine Lösung von f 2 + g 2 = 1, 2z , 2 z +1 1 h(z) + , h(z) z2 + 1 = 0 g(z) = etwa z2 − 1 z2 + 1 1 g(z) = 2i bezeichne und h 1 h(z) − h(z) eine beliebige nicht-konstante mero- morphe Funktion ist. Ähnlich hierzu besagt in der Zahlentheorie die Catalansche Vermutung aus dem Jahre 3 2 1844, dass auÿer 2 = 8 und 3 = 9 keine echten Potenzen existieren, deren Dierenz 1 ist. Erst 2002 konnte Preda Mih ilescu diese Vermutung schlieÿlich beweisen. 1975 zeigten Erd®s und Selfridge, dass die diophantische Gleichung (x + 1) · · · (x + m) = y k für k, m ≥ 2 (12) keine Lösungen in den natürlichen Zahlen hat. Mit Hilfe des zweiten Haupt- satzes konnte ich folgendes Analogon für den Körper der auf K meromorphen Funktionen zeigen: Satz 3.2 Es seien a1 , . . . , am ∈ K paarweise verschieden, weiter sei min{k, m} ≥ 2, max{k, m} ≥ 3. Dann existieren keine nicht-konstanten meromorphen Funktionen f, g ∈ M(K), die (f + a1 ) · · · (f + am ) = g k (13) erfüllen. Beweis: von f Angenommen es gäbe mindestens Ordnung N r, k, 1 f + aj f, g ∈ M(K), die (13) erfüllen. Dann hat jede −aj -Stelle also 1 ≤ N k r, 1 f + aj ≤ 1 T (r, f ) + O(1). k Mit dem zweiten Hauptsatz folgt (m − 1)T (r, f ) ≤ N (r, f ) + m X j=1 N 1 r, f + aj − log r + O(1) m ≤ T (r, f ) + T (r, f ) − log r + O(1), k (14) 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN also m−2− 30 m T (r, f ) ≤ − log r + O(1). k Dies kann nur erfüllt sein, wenn m−2− Dazu muss entweder m=2 oder m < 0. k k < m/(m − 2) (was nur den Fall k = 2, m = 3 zulässt) sein. Den Fall m=2 kann man wegen g k = (f + a1 )(f + a2 ) = f 2 + (a1 + a2 )f + a1 a2 4g k = (2f + a1 + a2 )2 − (a1 − a2 )2 ⇔ durch die Substitutionen 2f + a1 + a2 f˜ = p (a1 − a2 )2 s und g̃ = k −4 g (a1 − a2 )2 auf den Fall g̃ k + f˜2 = 1 zurückführen. Nach Satz 3.1 wissen wir, dass es dann für k ≥ 3 keine meromorphen f in diesem Fall keine Lösungen gibt. Es verbleibt der Fall k = 2, m = 3 zu betrachten. Es ist klar, dass einfachen Polstellen haben kann. Deshalb gilt 1 1 N (r, f ) ≤ N (r, f ) ≤ T (r, f ) 2 2 und daher erhalten wir mit (14) 1 3 2T (r, f ) ≤ T (r, f ) + T (r, f ) − log r + O(1), 2 2 ein Widerspruch! Der Satz ist bewiesen. Durch obige Substitution kann man nun wieder Lösungen für den Fall f˜, g̃ ∈ M(K) Lösungen von p (a1 − a2 )2 ˜ a1 + a2 f= f− 2 2 nden: Sind etwa Lösungen von (13) für k = 2, m = 2 (9), so sind p und g= (a1 − a2 )2 g̃ 2i k = 2, m = 2. Erd®s' und Selfridges Beweis der Unlösbarkeit der diophantischen Gleichung (12) ist demgegenüber wesentlich komplizierter. Sie veröentlichen in [3] folgendes Resultat: 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN 31 Satz 3.3 Die diophantische Gleichung (n + 1) · · · (n + k) = xl (15) besitzt keine Lösung in den natürlichen Zahlen für k ≥ 2, l ≥ 2 und n ≥ 0. Tatsächlich zeigen sie sogar folgende stärkere Aussage: Satz 3.4 Es seien k, l, n natürliche Zahlen mit k ≥ 3, l ≥ 2 und n + k ≥ p(k) , wobei p(k) die kleinste Primzahl bezeichne, die p(k) ≥ k erfüllt. Dann gibt es eine Primzahl p ≥ k, für die νp ((n + 1) · · · (n + k)) 6≡ 0 (mod l) gilt. (n+1)(n+2) keine l-te Potenz sein kann, da ggT((n+1), (n+2)) = 1. Folglich müssten (n + 1) als auch (n + 2) beides l -te Potenzen sein. Dies ist oensichtlich unmöglich. Ist n ≤ k , so teilt der gröÿte Primfaktor von (n + 1) · · · (n + k) dieses Produkt Man sieht leicht, dass nach dem Bertrandschen Postulat genau in der ersten Potenz. Daher folgt Satz 3.3 aus Satz 3.4 und wir können weiterhin n>k annehmen. Der Beweis von Erd®s und Selfridge ist zu umfangreich, um ihn hier detailliert wiederzugeben, ich werde daher nur die wesentlichen zugrunde liegenden Ideen zusammenfassen. Wo es den Beweis verkürzt, werde ich mich dabei auf die Schritte, die Satz 3.3 beweisen, beschränken. Beweisskizze: Wir führen einen indirekten Beweis, nehmen also an, Satz 3.4 sei falsch. Wir erhalten dann für 1≤i≤k n + i = ai xli , wobei die Primfaktorzerlegung von kleiner als dass die ai k ai keine l -ten Potenzen enthält und alle Primfaktoren sind. Bereits 1939 konnte Erd®s den Fall l=2 beweisen [2]. Dort zeigte er, paarweise verscheiden sind. Hier benötigen wir ein stärkeres Resultat: Lemma 1 Für jedes l0 < l sind die Produkte ai1 · · · ail0 (i1 ≤ · · · ≤ il0 ) paarweise verschieden. n > k , dass (n+1) · · · (n+k) Primzahl teilt genau einen der k Weiterhin gilt nach einem Satz von Sylvester und Schur [1] für einen Primfaktor besitzt, der gröÿer als k ist. Diese l Faktoren, woraus n + k ≥ (k + 1) folgt. Hieraus ergibt sich n > kl . Auÿerdem brauchen wir noch folgendes Lemma: Lemma 2 Durch Streichung einer geeigneten Auswahl von π(k − 1) der ai (1 ≤ i ≤ k) erhalten wir ai1 · · · aik0 | (k − 1)! mit k0 = k − π(k − 1). 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN 32 π(k) die Menge aller Primzahlen p mit p ≤ k . Wir nummerieren die ai 's a1 < a2 < · · · < ak . Weiter genügt es oensichtlich, Satz 3.4 für einen Teiler von l zu beweisen, daher genügt es, nur prime l zu betrachten. Wir unterscheiden nun die Fälle k ≥ 30000, l ≥ 3; k = 3, l ≥ 3; 4 ≤ k ≤ 1000, l = 3; 1000 < k < 30000, l = 3; 4 ≤ k < 30000, l > 3 sowie k ≥ 3, l = 2. Die Beweisidee Hierbei bezeichnet nun der Gröÿe nach um, so dass gilt beruht nun im Wesentlichen darauf, in jedem einzelnen Fall einen Widerspruch zu einem der beiden obigen Lemmata zu erhalten. 1. Fall: k ≥ 30000, l ≥ 3. Oensichtlich gilt ai ≥ i. (16) Mit Hilfe graphentheoretischer Überlegungen gelingt es Erd®s und Selfridge, geeignete Schranken für ai (1 ≤ i ≤ k) zu nden: ai ≥ 3, 5694(i − 304), ai ≥ 4, 3402(i − 1492). Dabei ist (16) für i ≤ 422 (17) (18) 422 < i ≤ 6993 k ≥ 30000, dass am schärfsten, (17) für Mit der Stirling-Formel zeigt man nun für und (18) für i > 6993. k−π(k) Y ai > k! i=1 im Widerspruch zu Lemma 2. Daher ist der Fall k ≥ 30000, l ≥ 3 bewiesen. k = 3, l ≥ 3. Man sieht leicht, dass (15) in diesem Fall keine Lösung hat, denn 2 wegen (n + 1)(n + 2)(n + 3) = m(m − 1) mit m = n + 2 kann das Produkt nur dann 2 eine l -te Potenz sein, wenn sowohl m als auch m − 1 beide l -te Potenzen sind. Dies ist 2. Fall: oensichtlich unmöglich. 3. Fall: 4 ≤ k ≤ 1000, l = 3. Wir beschränken uns hier auf diejenigen Primfaktor besitzen, der gröÿer als die m-te ai 's, die keinen Primzahl ist und bezeichnen ihre Anzahl mit f (k, m). Sind u und v in gleicher Weise restringierte natürliche Zahlen, so gibt es 3m rationale Zahlen u/v , deren Dierenzen keine dritten Potenzen rationaler Zahlen sind. Die Anzahl formal verschiedener Ausdrücke ai /aj beträgt f (k, m){f (k, m) − 1}. Gilt nun f (k, m){f (k, m) − 1} > 3m , so existieren ai und aj , (19) die die Gleichung ai1 · · · ail−1 = aj1 · · · ajl−1 tl für ein rationales t lösen, im Widerspruch zu Lemma 1. Da die (20) ai 's Teiler von k aufein- anderfolgenden natürlichen Zahlen sind und nur Primfaktoren enthalten, die kleiner als f (k, m) zu berechnen. So verizieren wir (19) 10 < k ≤ 28 mit m = 3, für 28 < k ≤ 77 mit m = 4, für sind, ist es leicht, eine untere Schranke für für 4 ≤ k ≤ 10 mit m = 2, für k 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN 33 77 < k ≤ 143 mit m = 5, für 143 < k ≤ 340 mit m = 6, für 340 < k ≤ 646 mit m = 7 und für 646 < k ≤ 1000 mit m = 8. Diese Methode könnte noch über k = 1000 hinaus fortgesetzt werden, scheitert allerdings vor k = 10000. Wir haben folgende Verbesserung: 1000 < k < 30000, l = 3. Für geeignet gewähltes r seien q1 < · · · < qr die r gröÿten 1/2 Primzahlen, die qi ≤ k erfüllen. Wir betrachten nun lediglich diejenigen ai 's, die keinen 1/2 Primfaktor enthalten, der gröÿer als k ist, und höchstens einen (mit Vielfachheiten gezählt) unter den qi 's; ihre Anzahl bezeichnen wir mit F (k, r). Sind u und v in gleicher π(q1 )−1 Weise restringierte natürliche Zahlen, so gibt es 3 R rationale Zahlen u/v , deren 2 Dierenzen keine dritten Potenzen rationaler Zahlen sind. Der Faktor R = r + r + 1 ergibt sich daraus, dass u und v jeweils höchstens eines der qi 's als Teiler enthält. Wie im vorigen Fall bei (19) ist die Zahl der formal verschiedenen Ausdrücke ai /aj groÿ genug 4. Fall: um sicherzustellen, dass es eine Lösung von (20) existiert, im Widerspruch zu Lemma 1, falls F (k, r){F (k, r) − 1} > 3π(q1 )−1 (r2 + r + 1). (21) p mit k 1/2 < p < k lassen wir höchstens bk/p + 1c der ai 's aus, ähnliches 2 für die Produkte qi und qi qj , sodass wir eine untere Schranke für F (k, r) erhalten: X k X k +1 − +1 F (k, r) ≥ k − p qi qj 1/2 1≤i≤j≤r k <p<k ! 2 r r X X 1 X1 r + 1 k k − − . ≥ k− +1 − 2 2 p 2 q q i i 1/2 i=1 i=1 Für jede Primzahl gilt k <p<k Diese Abschätzung ist etwa für k = 1752 = 30625 und r = 31 Verizierung von (21) hinreichend. Tatsächlich können wir (21) für 0,3 leicht bestätigen, indem wir q1 jeweils um k wählen. 5. Fall: ai 's 4 ≤ k < 30000, l > 3. q1 = 29) zur 1000 < k < 30000 (damit Hier ist es ungünstig, die Quotienten von Produkten der zu betracten, stattdessen untersuchen wir diese Produkte selbst. Wählen wir die ai 's wie im 3. Fall, so ergibt sich die (19) entsprechende Ungleichung zu f (k, m) + l − 2 > lm . l−1 (22) Die linke Seite von (22) entspricht der Anzahl formal verschiedener Produkte der l−1 legung keine die ai 's mit Faktoren, die rechte Seite ist die Anzahl natürlicher Zahlen, deren Primfaktorzer- m-te l-ten Potenzen enthält und deren Primfaktoren höchstens so groÿ sind wie Primzahl. Ist (22) erfüllt, so hat (20) eine Lösung, im Widerspruch zu Lemma 1. Wählt man m wie im 3. Fall, so kann man für 4 ≤ k ≤ 1000 leicht nachrechnen, dass (22) aus (19) folgt. Wählt man die ai 's ebenso wie im 4. Fall, dann entspricht F (k, r) + l − 2 π(q1 )−1 l + r − 1 >l l−1 l−1 (23) 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN 34 Ungleichung (21). Hierbei ist die linke Seite die Anzahl formal verschiedener Produkte ai 's l−1 Faktoren, die rechte Seite die Anzahl natürlicher Zahlen, die keine l -ten 1/2 Potenzen, keinen Primfaktor, der gröÿer als k ist und höchstens l − 1 Primfaktoren der mit unter den qi 's (mit Vielfachheiten gezählt) enthalten. Gilt (23), so existiert eine Lösung von (20). Dies ist wiederum ein Widerspruch zu Lemma 1. Für mit r 1000 < k < 30000 und wie im 4. Fall gewählt, ist (23) erfüllt, falls (21) gilt. k ≥ 3, l = 2. 6. Fall: Bereits 1917 gelang Narumi der Beweis für k ≤ 202, l = 2 in [8], Erd®s konnte 1939 schlieÿlich mit ähnlichen Methoden die noch verbleibende Lücke schlieÿen (vgl. [2]). Zum Beweis benötigen wir Lemma 1 in seiner starken Form hier nicht. Es genügt zu 2 zeigen, dass ai 6= aj für i 6= j gilt. Wegen n > k ist dies sehr leicht: Angenommen es gäbe i 6= j , k > a i x i 2 − aj x j 2 ai = aj . Dann p p √ = aj (xi 2 − xj 2 ) > 2aj xj ≥ 2 aj xj 2 = 2 n + j > n, o. B. d. A. i>j mit ai 's paarweise verschieden. Daraus folgt nun, dass das ai 's mindestens so groÿ ist wie das Produkt der ersten k quadratfreien Zahlen. gibt es unter den ersten m ≥ 9 natürlichen Zahlen höchstens jmk 3 −1< m m− 4 4 ein Widerspruch. Also sind die Produkt der Weiterhin r ≥ 7 quadratfreie Zahl gröÿer als 4r/3. Das 4 24 Produkt der ersten 24 quadratfreien Zahlen ist gröÿer als 24!. Für k ≥ 24 folgt 3 4 k induktiv, dass das Produkt der ersten k quadratfreien Zahlen gröÿer ist als k! und 3 daher k quadratfreie Zahlen. Also ist für r-te die a1 · · · ak ≥ 4 3 k!. (24) ai 's, die durch eine Primzahl p < k teilbar sind, höchstens bk/pc + 1. Da die ai 's quadratfrei sind, teilt p das Produkt a1 · · · ak höchstens in der bk/p + 1c-ten Potenz. Liegt p in einem der Intervalle Andererseits ist die Anzhal der k k ≤p< 2l 2l + 1 l ∈ N, j k k p + 1 = 2l + 1 ungerade, p teilt a1 · · · ak jedoch mit geradzahliger Vielfachheit, da dies ja eine Quadratzahl ist. Daher teilt p das Produkt a1 · · · ak höchstens mit Vielfachheit bk/pc. Dies gilt auch im Fall p = k/(2l + 1). Deshalb folgt Y Y Y a1 · · · ak ≤ pbk/pc p p··· . so ist k>p> k2 p<k k >p> k4 3 Erd®s zeigt nun Y k>p> k2 p Y k−1 , p · · · 1 (k − 1) 2 k k >p> 4 3 3 ANWENDUNGEN AUF DIOPHANTISCHE GLEICHUNGEN 35 und wegen k−1 1 ≤ 2k−2 (k − 1) 2 ergibt sich insgesamt a1 · · · ak ≤ 2k−2 Y pbk/pc . (25) p<k Mit Hilfe eines Satzes von Legendre ([7], S. 8-10) erhalten wir pνp (k!) ≥ Einsetzen von p = 2, 3 sowie das triviale pk/(p−1) . kp νp (k!) ≥ bk/pc für 2k 3k/2 Y bk/pc k! ≥ p . 2k 3k 3<k≤k p>3 ergeben nun (26) Zusammen liefern (24), (25) und (26) k−2 bk/2c bk/3c 2 2 3 und damit k−2 2 bzw. Wegen k k k/2 4 2 3 > 3 6k 2 k k/2 k/6 4 2 3 > 3 6k 2 6 3 35k k 12 > 29k . 2 28 > 35 (27) ist (27) nicht erfült, falls 6 3 2 > k 12 . 2 k Dies ist für k ≥ 100 der Fall, womit wir schlieÿlich den gewünschten Widerspruch errei- chen. Trotz sehr unterschiedlicher Beweismehtoden erhalten wir demnach, abgesehen vom Fall k = 2, m = 2 in Satz 3.2, das gleiche Resultat. Min Ru behandelt in [10] noch viele weitere Parallelen zwischen Nevanlinna-Theorie und diophantischer Approximation und es ist zu vermuten, dass die Forschung auf diesen Gebieten künftig weiterhin voneinander protieren wird. 4 Literaturverzeichnis Literatur [1] ERDS P., A Theorem of Sylvester and Schur, Journal of the London Mathe- matical Society, 9. Jg. 1934, Heft 4, S. 282-288. [2] ERDS P., Note on products of consecutive integers, Journal of the London Mathematical Socitey, 14. Jg. 1939, Heft 3, S. 194-198. [3] ERDS P. & SELFRIDGE J. L., The product of consecutive integers is never a power, Illinois Journal of Mathematics, 19. Jg. 1975, Heft 2, S. 292-301. p-adic Numbers, Springer-Verlag, 1997. [4] GOUVÊA F. Q., [5] GRAHL J., Vorlesungsskript Wertverteilungstheorie meromorpher Funktionen, Universität Würzburg, WS 2009/10. [6] HU P.C. & YANG C.-C., Meromorphic Functions over Non-Archimedean Fields, Kluwer Academic Publishers, 2000. [7] LEGENDRE A.-M., [8] NARUMI S., Essai sur la théorie des nombres, Courcier, 1808. An Extension of a Theorem of Liouville's, Tôhoku Mathematical Journal, Band 1, 11. Jg. 1917, S. 128-142. [9] ROBERT A. M., [10] RU M., A Course in p-adic Analysis, Springer-Verlag, 2000. Nevanlinna Theory and Its Relation to Diophantine Approximation, World Scientic Publishing, 2001. [11] VOJTA P., Diophantine Approximations and Value Distribution Theory, Springer-Verlag, 1987. 36 Erklärung: Die vorliegende Diplomarbeit wurde am Institut für Mathematik der Universität Würzburg nach einem Thema von Herrn Prof. Dr. Jörn Steuding erstellt. Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbstständig angefertigt und dazu nur die angegebenen Quellen verwendet habe. Würzburg, den 16. April 2012 Wilhelm Fischer