CFP Blankensee - Fachbereich Geschichts

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Zur Gesch ichte des Hörens
Kulturen des Auditiven im Wandel der Moderne
Call for Papers
- scroll down for English version 9. Blankensee-Colloquium
gefördert durch den Kooperationsfonds des Wissenschaftskollegs zu Berlin
veranstaltet in Kooperation mit dem Berliner Netzwerk für die Geschichte des Hörens
Organisation: Dr. Daniel Morat, Freie Universität Berlin
Berlin, 17.-19. Juni 2010
Die Geschichte des Sehens und der Bilder hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche kulturwissenschaftliche Konjunktur erfahren. Die Frage nach dem historischen Wandel visueller Produktionen und Praktiken ist dabei nicht auf einzelne Epochen beschränkt. Sie geht jedoch häufig
mit der These einer Hegemonie des Visuellen in der Moderne einher. Die Betonung der Dominanz visueller Regimes in der Moderne verdeckt jedoch, dass nicht nur die Seh-, sondern auch
die Hörgewohnheiten und -bedingungen durch den historischen Wandel der Neuzeit und insbesondere durch Urbanisierung, Industrialisierung und Technisierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts tiefgreifenden Veränderungen unterworfen waren. Es erscheint daher ratsam, sich neben
der Geschichte des Sehens auch der kulturellen Bedeutung und dem historischen Wandel des
Hörens zuzuwenden und auf diese Weise die Annahme einer Hegemonie des Visuellen in der
Moderne zu problematisieren und zu kontextualisieren.
Ausgangspunkt des geplanten Colloquiums ist das durch ein Dilthey-Fellowship der Fritz Thyssen
Stiftung geförderte und am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin durchgeführte Forschungsprojekt „Die Klanglandschaft der Großstadt. Kulturen des Auditiven in Berlin
und New York 1880-1930“. Dieses Projekt geht erstens davon aus, dass die Jahrzehnte um 1900
durch eine doppelte Technisierung des Auditiven geprägt waren – einer primären durch Fabriklärm und Großstadtverkehr und einer sekundären durch die neuen akustischen Aufzeichnungs-,
Speicherungs- und Übertragungsmedien –, dass sie dadurch eine besonders markante Transformationsepoche in der Geschichte des Hörens darstellen und dass sich diese Transformation zweitens in der Großstadt in besonderer Weise verdichtet hat. Die Frage nach den „Kulturen des Auditiven“ lenkt den Blick dabei nicht nur auf die Veränderungen der Hörbedingungen selbst, sondern besonders auf deren Aneignung und Verarbeitung in den kulturellen Praktiken und Repräsentationsformen der Großstadt, weshalb in dem Projekt neben den Debatten um Verkehrs- und
Fabriklärm auch Phänomene der großstädtischen Musik- und Vergnügungskultur, der städtischen Verbreitung und Nutzung akustischer Medien und des öffentlichen Sprechens in der Stadt
untersucht werden.
Diese Annahmen sollen in dem geplanten Colloquium zur Diskussion und in den Kontext einer
allgemeinen Geschichte des Hörens und der sinnlichen Wahrnehmung in der Moderne gestellt
werden. Dabei sollen besonders drei Fragekomplexe im Vordergrund stehen:
•
Zum einen sollen theoretische und methodische Grundlagenfragen erörtert werden: Wie
kann vergangenes Hören überhaupt erforscht und rekonstruiert werden? Wie können
historische Tondokumente der wissenschaftlichen Analyse zugänglich gemacht werden?
Wie tragfähig ist für diese Fragen das vom englischen Begriff der „auditory culture“ entlehnte Konzept der „Kulturen des Auditiven“?
•
Zum anderen soll die These eines historischen Wandels der Kulturen des Auditiven in der
Moderne diskutiert werden, nach der die Formierungsphase der Hochmoderne um 1900
auch für die Geschichte des Hörens eine zentrale Transformationsperiode darstellt. Zu
diesem Zweck können weitere Forschungsbeiträge zur Klanggeschichte der Großstadt
um 1900 vorgestellt werden, vor allen Dingen ist aber nach diachronen und thematischen
Vergleichsfällen zu suchen, also etwa nach der Veränderung ländlicher Klanglandschaften
im 19. Jahrhundert, wie sie Alain Corbin für Frankreich untersucht hat, oder nach späteren Formen großstädtischer Klang- und Musikkulturen.
•
Schließlich ist in übergeordneter Perspektive nach dem Stellenwert zu fragen, den die
Geschichte des Hörens für eine breitere Wahrnehmungs- und Erfahrungsgeschichte der
Moderne einnimmt: Wie verhält sich die aural zur visual history? Wie ordnet sie sich in
eine allgemeine Sinnesgeschichte ein, wie sie etwa in der Tradition der französischen Annales als historische Anthropologie der Sinneswahrnehmung konzeptionalisiert wurde?
Welche weiterführenden Verbindungen zur Wissens-, Erfahrungs- und Mentalitätsgeschichte lassen sich von einer Geschichte des Hörens ziehen?
Da die Geschichtswissenschaft zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen auf den interdisziplinären Austausch angewiesen ist, soll das Colloquium die Gelegenheit bieten, verschiedene
disziplinäre und methodische Herangehensweisen vorzustellen und zu diskutieren. Neben geschichtswissenschaftlichen Beiträgen sind daher besonders auch Vorträge aus der Musik- und
Medienwissenschaft sowie den übrigen angrenzenden Kulturwissenschaften willkommen.
Die Vorträge sollen eine Dauer von 25-30 Minuten nicht überschreiten. Konferenzsprache ist
Englisch. Abstracts (300-500 Wörter) bitte bis zum 31.07.2009 an: [email protected]
Kontakt: Dr. Daniel Morat
Freie Universität Berlin
FB Geschichts- und Kulturwissenschaften
Friedrich-Meinecke-Institut
Koserstraße 20
D-14195 Berlin
Tel. +49/30/83852764
Fax +49/30/83856806
[email protected]
www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/mitglieder/morat.html
Die Blankensee-Colloquien werden im Einvernehmen mit dem Berliner Senat aus den Mitteln
eines Kooperationsfonds gefördert. Die Präsidenten und Rektoren der Freien Universität Berlin,
der Humboldt Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin, der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften, des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und des Wissenschaftskollegs zu Berlin tragen das Programm. Aus den Beiträgen eines jährlich stattfinden Idenwettbewerbs zum Thema "Kultureller und sozialer Wandel" wählen sie
einen Vorschlag für ein international besetztes Colloquium im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften aus. Ziel der Blankensee-Colloquien ist es, jüngere Wissenschaftler aus der Region Berlin-Brandenburg durch die Möglichkeit zu fördern, ein innovatives Forschungsgebiet im
Rahmen einer von ihnen organisierten internationalen Tagung vorzustellen und weiter zu entwickeln. Dadurch sollen die Wissenschaftsregion Berlin-Brandenburg gestärkt, innovative Forschungsansätze unterstützt und institutionelle Kooperationen in der Region gefördert werden.
Vgl. http://www.wiko-berlin.de/index.php?id=95&L=1
Hearing Modern History
Auditory cultures in the 19 th and 20 th Century
Visual history has experienced a remarkable boom in the field of cultural and historical studies
over the past few years. Even though the question of how visual productions and practices change
is not limited to a given period, it often goes along with the thesis of a hegemony of vision in the
modern age. But this emphasis on the “scopic regimes of modernity” (Martin Jay) obscures the
fact that since the mid 19th century the very conditions and habits of hearing and listening have
also been subject to fundamental change occasioned by modern phenomena such as urbanization, industrialization and mechanization. Accordingly, it appears appropriate for historians of
modernity to deal not only with visual history but also with the cultural meaning of hearing and
listening and the historical changes they have undergone. In so doing, we are better equipped to
question and contextualize the assumption of a visual hegemony in the modern age.
The research project ‘The Soundscape of the Metropolis. Auditory Cultures in Berlin and New
York City, 1880-1930’ is the starting point for the 9th Blankensee colloquium. The project proceeds
on two assumptions: (a) that the decades around 1900 were marked by a dual mechanization of
hearing and listening caused both by industrial noise and city traffic and the new sound recording
and transmission media, thus making this a period of significant transformation in auditory history, and (b) that this transformation had its cumulative effect particularly in cities. The inquiry
into ‘auditory cultures’ does not focus on the transformation of auditory conditions alone, it also
investigates how these were incorporated into urban cultural practices and forms of representation. For this reason the project focuses not only on debates about industrial and traffic noise but
also explores big-city phenomena such as music and entertainment culture, the dissemination
and use of acoustic media in urban contexts and public speaking.
At the colloquium these assumptions are to be discussed and contextualized within the framework of general auditory history and the history of sensory perception. Inquiry will centre on three
major areas:
•
The first is concerned with basic theoretical and methodological issues. How can hearing
and listening in the past be reconstructed and analyzed at all? How can historical sound
documents and audio clips be pressed into service for historical research? Which are the
methodological and theoretical approaches and concepts at hand for this research?
•
Second, there will be discussion of matters concerning the transformation of auditory
cultures in the modern age and, more especially, of the assumption that the period
around 1900 was particularly notable in this respect. To this end, comparable research on
auditory urban cultures in the same era would be most welcome, as would studies on the
transformation of 19th century rural soundscapes (as conducted by Alain Corbin for
France) or later forms of urban sound and music cultures.
•
Third, we shall be asking how important the role of auditory history is for a wider history
of sensory experience throughout the modern age. How does auditory history relate to
visual history? How does it fit in with a general history of the senses conceptualized as a
historical anthropology of sensory perception? What links can be established with the history of knowledge, experience and mentality?
As historical studies must draw upon interdisciplinary exchange to find answers to these questions, papers from the fields of musicology, media studies and adjacent areas of cultural studies
are as welcome as contributions from the field of history proper.
Papers should not exceed 25-30 minutes. The language of the conference is English.
Please send your abstracts to [email protected] by the 31st of July 2009.
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