Die Versorgung des (fast) zahnlosen Kiefers

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Die Versorgung des (fast) zahnlosen Kiefers
Handout zum Vortrag von Dr. Cornelia Wypych am 8. März 2012
Zähne sind ein Ausdruck von Lebensfreude und Vitalität!
Mit zunehmender Anzahl fehlender Zähne wird es schwieriger, ein voll funktionstüchtigen Zahnersatz
herzustellen.
Für einen Zahnarzt ist die Versorgung eines zahnlosen Menschen ein relativ undankbares Gebiet.
Es bringt oft wenig Erfolgserlebnisse; Patient und Zahnarzt sind oftmals gleichermaßen frustriert.
Grundsätzlich bleibt somit festzustellen: Der Zustand der völligen Zahnlosigkeit geht einher mit einem
erheblichen Verlust an Lebensqualität.
Zahnverlust verursacht Knochenabbau; dadurch kommt es zu Veränderungen des Gesichtes, die wir
als negativ empfinden – es entsteht das typische Greisengesicht.
Wer meint: Alle Zähne raus und ich hab endlich Ruhe! - der hat sich gründlich geirrt.
Viele Menschen meinen, dass man sich bei Zahnlosigkeit einfach Implantate einsetzen lassen sollte,
weil damit die Problematik ein für allemal behoben sei. Ich bezweifle diese Aussage mehr als stark!
Die totale Prothese – die Vollprothese – 14er / 28er – 'Schlappen'
Eine Prothese ist ein künstlicher Ersatz aus körperfremdem Material für ein fehlendes Körperteil.
Das Prothesenlager ist der Kieferknochen mit der ihn bedeckenden Mundschleimhaut.
Je besser das Prothesenlager ist, desto besser ist die Funktion der Prothese.
Der Halt einer Prothese ist im Unterkiefer grundsätzlich schlechter als im Oberkiefer!
Egal, wie gut die Totalprothese sitzt – es werden immer die gesamten Kaukräfte über die Prothesen
auf das Prothesenlager übertragen, wodurch dieses unphysiologisch belastet wird.
Dadurch verändert sich der Kiefer während der Gebrauchsdauer einer Prothese ständig.
Um den Zahnarztbesuch zu vermeiden, benutzen Totalprothesenträger häufig Haftcreme.
Jedoch führt der dauerhafte Gebrauch dieser Cremes oft zu Schleimhautreizungen.
Herstellung einer neuen Totalprothese
Übergang zur totalen Zahnlosigkeit
1. Möglichkeit: Man kann eine (totale) Interimsprothese herstellen.
2. Möglichkeit: Wenn schon herausnehmbarer ZE vorhanden ist, kann dieser erweitert werden.
Das Material der Totalprothese
Einschätzung der Versorgung durch eine Totalprothese
Vorteile
- Relativ geringe Kosten
- Leichte Reinigungsmöglichkeit
Einschränkungen
- Stabilität oft fragwürdig
Vollprothesen liegen nur auf dem Kiefer auf. Sie können nicht wie Teilprothesen zum
Abfangen von auf sie wirkenden Kräften an eigenen Zähnen verankert werden. Verschiedene
Kräfte wirken auf den Kiefer und die Prothese ein. Ein Kompromiss zwischen Stabilität und
Ästhetik muss gefunden werden.
- Kaukräfte werden nicht mehr als Zugkräfte über die Zähne, sondern als Druckkräfte über das
Zahnfleisch auf den Knochen übertragen.
Folge: Der Knochen schrumpft (Atrophie). Die Prothese muss regelmäßig der Kieferform
angepasst (unterfüttert) werden.
- Die OK-Totale muss bis kurz über die A-Linie reichen, damit sie sich im weichen Gaumen
'ansaugen' kann. Etliche Menschen haben einen so starken Würgereiz, dass sie eine solche
Länge nicht akzeptieren.
Die Cover Denture mit Teleskopen – die Hybridprothese
Die Teleskopprothese gehört zum kombinierten Zahnersatz und besteht aus einem festsitzenden und
einem herausnehmbaren Zahnersatz-Anteil.
Der festsitzende ZE sind die Primärkronen, die auf den Zähnen zementiert sind.
Der herausnehmbare ZE ist die 'Totalprothese', in die die Sekundärkronen eingearbeitet sind.
Die Cover Denture erzielt ihren Halt durch Reibungshaftung zwischen den jeweils präzise ineinander
laufenden Innen- und Außenkronen.
Die Cover Denture schont die noch vorhandenen Zähne, weil der Kaudruck auf mehrere Zähne
verteilt und damit der einzelne Zahn weniger belastet wird. Deshalb ist diese Behandlung auch für
Patienten mit bereits geschädigtem Zahnfleisch und Kieferknochen geeignet. Selbst wenn die als
Pfeiler genutzten Zähne locker sind, ist die Konstruktion stabil und langlebig.
Herstellung einer neuen Cover Denture
Einschätzung der Versorgung durch eine Cover Denture
Vorteile
- relativ leicht zu reinigen
- relativ leicht zu handhaben
- relativ günstige Belastung der Teleskope tragenden Zähne
- guter bis hervorragender Prothesenhalt (kein Verrutschen oder Herausfallen des ZE)
- erweiterbar
- oftmals ist bei mehreren Teleskopen eine leichte Festigung der Restzähne durch die 'sekundäre
Schienung' zu beobachten (Stabilisierung)
Nachteile
- Präparation der Zähne (Platz für die Teleskope muss geschaffen werden)
- Überlastung der Pfeilerzähne eher selten, aber möglich
- Kariesentwicklung am Kronenrand möglich
- anspruchsvoller für Behandler und Zahntechniker (müssen sehr genau arbeiten)
- ästhetisch nicht immer ideal zu gestalten, da
Doppelkronen schnell größer werden können, als ein natürlicher Zahn
vielfach nicht dauerhaft farb- und abriebstabile Kunsstoffverblendungen verwendet werden
- weit höhere Kosten als bei der Totalprothese, besonders durch den Metallanteil
Info:
Teleskope auf eigenen Zähnen sind mit Teleskopen auf Implantaten kombinierbar
(Pfeilervermehrung).
Ältere Teleskoparbeiten können mit zusätzlichen Implantaten zur Stützverbesserung nachgerüstet
werden. Hierfür können Halteelemente wie Kugelkopfanker oder Locatoren (auf den dann
nachträglich eingebrachten Implantaten) in die vorhanden Prothese eingearbeitet werden.
Implantatverankerter Zahnersatz
Vergleich zwischen natürlicher Zahnwurzel und Implantat
Das Implantat ist ein totes Werkstück inmitten von lebendem Gewebe, das nicht wie die natürliche
Zahnwurzel ernährt werden kann.
Das Implantat hat kein Desmodont, ist also nicht über Fasern im Alveolarknochen aufgehängt.
Während am natürlichen Zahn die auftreffenden Kaukräfte (Druck) von den Fasern in Zugkräfte am
Knochen umgewandelt werden, überträgt das Implantat die auftreffenden Druckkräfte 1:1. Da
Knochen auf Zug positiv und auf Druck negativ reagiert, muss sich der Knochen um ein Implantat
herum schneller abbauen als um einen natürlichen Zahn.
Das Knochenangebot – wo nichts ist, hält auch kein Implantat
Form und Güte des Knochens im Ober- und Unterkiefer
Knochenersatzmaterial: synthetisches Knochenersatzmaterial (z.B. TCP = Tri-Calcium-Phosphat
oder künstliches Mineral = Hydroxylapatit) oder körpereigener Knochen aus anderen Bereichen des
Skeletts (z.B. Rippe, Hüfte, Wadenbein, andere Kieferregion).
Eine routinemäßig angewendete, aufwändige Sonderform des Knochenaufbaus ist der 'Sinuslift'.
Operationstechnik und prothetische Versorgung
Planung der Implantatposition
Einbringen der Implantate
Einheilung
Freilegung
prothetische Versorgung ('Suprakonstruktion')
Das Implantat als Träger von Zahnersatz
Das Einzelzahnimplantat ist etwas ganz anderes als Implantate im (nahezu) zahnlosen, atrophierten
Kiefer. Die zu versorgenden Patienten müssen deswegen sehr gründlich und genau über die
Planung der Implantate und den Zahnersatz aufgeklärt werden.
Beispiele für die Versorgung des Oberkiefers
Beispiele für die Versorgung des Unterkiefers
Erfolg und Misserfolg von Implantaten
Die Verweildauer der Implantate im Kiefer ist abhängig vom Erhalt des umgebenden Knochens.
Die Verbindung zwischen Implantat und Knochen ist nahezu ausschließlich durch bakterielle
Einflüsse zerstörbar. Mit der Liegezeit eines Implantats nimmt die Empfindlichkeit gegenüber
bakteriellen Einflüssen ab. Das Risiko des Implantatverlustes sinkt, wenn die Kaubelastung
funktionell-physiologisch erfolgt. Die Erfolgssicherheit zylindrisch orientierter Implantate liegt nach
internationalen Statistiken im 5-Jahresintervall bei 85–90%. Sie ist im Wesentlichen vom Eintreten
einer Infektion abhängig. Dies gilt nur für Nichtraucher.
Implantate können eine Entzündung des Gewebes um das Implantat herum aufweisen, die als
Periimplantitis (Peri = um-/herum, implantat=künstliche Zahnwurzel, -itis=Entzündung) bezeichnet
wird. Eine einwandfreie Mundhygiene ist deshalb eine 'conditio sine qua non'.
Deshalb muss eine regelmäßige, individuell abgestimmte professionelle Zahnreinigung durch eine
Prophylaxefachkraft in der Zahnarztpraxis erfolgen (meist alle 3 Monate).
Eine Kontrolle durch den Implantologen ist mindestens alle 6 Monate anzuraten.
Eine Zahnimplantation wird als Misserfolg angesehen, wenn das Implantat mobil ist oder einen
periimplantären Gewebsschwund von mehr als 1mm im ersten Jahr aufweist.
Kontraindikationen
- eine unbehandelte Parodontitis (entzündlicher Abbau des Zahnhalteapparates)
- ein unbehandelter oder schlecht eingestellter Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- bestimmte Knochenleiden
- Störungen der Blutgerinnung und Wundheilung, Immunschwäche
- schwerwiegende Allgemeinerkrankungen
- Drogen- oder Medikamentenmissbrauch
Gegen eine Implantatbehandlung spricht auch das Rauchen oder eine schlechte Mundhygiene.
Fazit
„Sind konventionelle Totalprothesen heute noch zeitgemäß?“ - „Ja, aber …“
Die Totalprothese ist als preisgünstiger Zahnersatz aus finanzieller Sicht immer noch ohne
Alternative. Im Oberkiefer halten Vollprothesen dabei deutlich besser als im Unterkiefer. Deshalb ist
die Versorgung eines Unterkiefers mit mittlerem bis starkem Knochenabbau durch Implantate vom
wissenschaftlichen Standpunkt her die bessere Therapie und liefert einen eindrucksvolleren Vorteil
als im Oberkiefer.
Aber auch im Oberkiefer können Implantate deutliche Vorteile bringen. Neben einem verbesserten
Prothesenhalt besteht hier zusätzlich die Möglichkeit, auf den Gaumen bedeckenden Kunststoffanteil
zu verzichten (Prothese wird "gaumenfrei").
Unter Beachtung der Kontraindikationen sind Implantate auch beim älteren Menschen einsetzbar.
Jedoch ist die Prognose nur dann positiv, wenn die Implantation bei einem motivierten und
kooperativen Patienten mit guter Mundhygiene durchgeführt wird.
Zugehörige Unterlagen
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