Möglichkeiten, Kompromisse und Grenzen der Zahnerhaltung

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Alle Abbildungen zeigen die sog. Schienung.
Möglichkeiten, Kompromisse
und Grenzen der Zahnerhaltung
Dr. med. dent. Angela Fischer
Zahnärztin
Praxis für Zahnheilkunde
Braunschweig
Prämolarisierung
fazit
Alle Mittel der Parodontologie,
Endodontie und Chirurgie
sollten ausgeschöpft werden,
um den Zahnerhalt zu versuchen.
Auch wenn es ein Riesenerfolg
ist, durch die Implantologie
verloren gegangene Zähne zu
ersetzen, sollten Alternativen
für den Erhalt bedacht werden.
Entzündungsantworten sind wichtige, den Therapieerfolg begrenzende Faktoren.
Erlauben moderne Therapiemöglichkeiten der
Endodontie, Parodontologie und Chirurgie nicht
doch den längerfristigen Erhalt auch stark geschädigter Zähne?
Wo aber liegen die Möglichkeiten?
Zunächst einmal geht nichts ohne die Mitarbeit des
Patienten, seine Einsicht, dies und jenes (Pflege, Ernährungs- und Konsumgewohnheiten) verlässlich durchzuführen. Es geht um die Eigenverantwortung sowie
die Bereitschaft zur kontinuierlichen (lebenslangen)
Teilnahme an der parodontalen Erhaltungstherapie
(PZR/UPT) entsprechend des individuellen Risikoprofils
– das heißt: einmal, zweimal, dreimal, viermal pro Jahr!
Ja, da geht noch was!
Das Thema Zahnerhalt beschäftigt Arbeitsgruppen
und füllt Kongresse wie z. B. die European Federation of Periodontologie (EFP) oder die Neue Arbeitsgruppe Parodontologie (N Ag P). Der Erhalt der
natürlichen Zähne ist und bleibt – auch in Zeiten
eines Implantatbooms – die wichtigste Herausforderung der Zahnmedizin.
Fortschritte in der Endodontie
Weiterentwickelte maschinelle Wurzelkanalaufbereitungstechniken, ausgefeilte Desinfektionsprotokolle und Wurzelkanalabdichtungen versprechen
bis zu 90 % Erfolg. Diese tolle Prognose sinkt bei
vereiterten, beherdeten Zähnen auf 80 % und noch
weiter bei WK-Revisionen, wenn hier ein röntgenologischer Entzündungsbefund vorliegt.
Entscheidungsfindung
Mögliche Behandlungsalternativen zur Zahnentfernung, deren Risiken, Grenzen, Erfolgsaussichten,
auch zeitliche und ästhetische Kompromisse sollten
im Vorfeld besprochen werden. Die Patientenmitarbeit, Aufklärung und Mitbestimmung sind hier gefragt.
Erhaltungseinschränkungen ergeben sich auch durch
Obliterationen, Wurzelresorptionen, Verkalkungen,
Pulpensteine und Instrumentenbrüche. Auch wenn
vieles gelingt, komplizierte Kanalanatomien wie
Seitenkanäle, nicht auffindbare Zusatzkanäle, Deltaaufzweigungen innerhalb und am Ende der Wurzel
schränken die Therapiemöglichkeiten ein.
Jedoch: Bei vielen hier aufgezeigten Therapiewegen
muss im Vorfeld auf die wirtschaftlich (und zweckmäßigen) einschränkenden Richtlinien der gesetzlichen Krankenkassen hingewiesen werden. Vieles
ist nicht Inhalt des gesetzlichen Leistungssprektrums
und muss privat erbracht werden.
Grenzen und Rahmenbedingungen
Allgemeinzustand des Patienten, systemische Erkrankungen (Diabetes) und Medikation (Biphosphonate, Immunsupressiva), Alter und manuelle
Fähigkeit zur Mundhygiene, individuelle Risiken
wie Alkohol und Rauchen, genetisch bedingte
Hier kann trotz Laser und ausgefeilter Spül- und
Medikamentenapplikation eine nicht beherrschbare Restverkeimung bestehen bleiben. Diese lässt
dann die Entzündung nicht ausheilen. Nicht immer
ist dann eine Wurzelspitzenresektion erfolgreich,
und diese sollte, falls möglich, nicht ohne eine
vorherige WF-Revision erfolgen (Richtlinie der DGZMK).
Anderen limitierenden Faktoren– wie starker
Restzahnsubstanzverlust – kann durch chirurgische Kronenverlängerung oder durch KFO-Extrusionsbewegungen begegnet werden. Nur dadurch
Fotos: Dr. med. dent. Angela Fischer
Zahnerhalt oder Extraktion?
Diese Frage stellt sich tagtäglich jedem Zahnarzt.
Auch wenn Zahnersatz durch Implantate ein
segensreicher, mittlerweile fest integrierter Bestandteil der Zahnmedizin ist, ist die Therapieentscheidung im parodontal kompromittierten
Gebiss nicht leichter geworden.
SERVICE-SEITEN Gesundheit | 2016/17
kann der wurzelbehandelte Zahn mit einer Krone
versorgt werden, da diese den Wurzelstumpf ca.
1,5 – 2 mm umfassen muss und einen Mindestabstand zum Knochenrand haben sollte (biologische Breite).
Das zunehmende Wissen um Ursache, Vermeidung und erweiterte Therapieoptionen in der
Parodontologie
Der positive Einfluss antiinfektiöser Erhaltungstherapien (UPT) erlaubt uns heute, Grenzen zu erweitern – und fragliche Zähne doch noch zu erhalten.
„Da geht doch noch was!?“ Das zahnärztliche Ziel
sollte, gerade im parodontal geschädigten Gebiss,
der Erhalt einer geschlossenen Zahnreihe sein –
möglichst ohne großen Prothetikaufwand.
Zahnerhalt über
20 Jahre stabil
Antibiotikatherapie ist bei manchen Parodontalerkrankungen angesagt.
ƒƒ Wie ist bei einer stark geschwächten Oberkiefer-/
Unterkiefer-Frontsituation zu verfahren? Der physiologische Knochenverlust nach Zahnentfernung
bedingt eine ästhetische Einschränkung. Für eine
Brücke von Eckzahn zu Eckzahn sind die Pfeilerzähne oft zu schwach. Nicht für jeden ist ein
Knochenaufbau mit Implantation möglich (aufgrund
der Kostenfrage) und eine konventionelle Modellgussprothese, abgestützt auf geschwächten
Zähnen, ist keine langfristig haltbare Lösung.
Optional wären abnehmbare Teleskopversorgungen
(Doppelkronen). Sie sind bei Pfeilerverlust pro­
blemloser zu erweitern und stabilisieren parodontal geschädigte Zähne durch Kraftverteilung und
Verblockung. Jedoch entstehen auch hier hohe
zahntechnische Kosten.
Warum das?
Weil vielleicht teilgelockerte Zähne als Stützpfeiler zu schwach sind. Eine sichere prothetische
Lösung bedeutet, häufig mehr fragliche Zähne zu
entfernen, um eine längerfristige Prognose zu
gewährleisten.
ƒƒ Was tun bei schwachen Ankerzähnen? Brücken
oder doch lieber herausnehmbare Modellguss­
prothese? Nein, jeder Zahn, jede Wurzel zählt.
Wie erreichen wir das?
Es ist durchaus zielführend, wenn eine Nische
(z. B. Wurzelaufzweigung) nicht instrumentiert
(gesäubert) werden kann, z. B. bei einem dreiwurzeligen Oberkiefermolaren, nur eine Wurzel zu
entfernen; die verbleibenden zwei reichen zum
Erhalt (Amputation).
ƒƒ Auch ein tief in die Wurzelaufzweigung reichender Knochenverlust muss nicht immer Zahnverlust bedeuten. Unter bestimmten anatomischen
Voraussetzungen kann die Hälfte des Zahnes
erhalten werden (Hemisektion) oder man macht
aus einem großen zwei kleine Zähne, indem man
ihn durchtrennt (Prämolarisierung).
ƒƒ Auch kann die Furkation/Wurzelaufteilung durch
Tunnelierung hygienefähig gestaltet werden.
Individuelle Risikoabschätzung und Hygienemöglichkeiten beeinflussen den Weg.
ƒƒ Eine Regeneration von mehrwändigen Knochentaschen mit Schmelzmatrixproteinen
(Emdogain) und Knochenersatz, unterstützende Medikamentenapplikation in Zahnfleischtaschen (Perio-Chip, Ligosan, Arestin), Laser-PAD
sowie Medikamententrägerschienen und
Pulver-Wasserstrahl-Reinigung (Glycerin)
helfen Zähne zu erhalten. Eine unterstützende
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Was tun? Jeder Zahn zählt!
Ist die Entzündung (durch PA-Therapie, UPT und
PAD) beherrschbar – keine Blutung auf Sondierung,
Taschen ≤ 4 mm – können auch Zähne erhalten
werden, deren Knochenabbau bis ins untere Wurzeldrittel fortgeschritten ist. Es gilt: Nach Möglichkeit soll die geschlossene Zahnreihe erhalten
werden.
Adhäsiv gefertigte Compositfüllungen schienen und stabilisieren
Zähne und durch technische Tricks
können ästhetisch störende
offene Zahnzwischenräume
geschlossen werden.
Kompromiss Zahnerhalt
Auch im Seitenzahnbereich unterstützen geklebte
Schienungen den Heilungsverlauf und den Zahnerhalt durch Kraftverteilung.
Regenerative chirurgische Maßnahmen, Zahn- und
Knochenmodellationen (Odonto- und Osseoplastik)
zur Verbesserung der Hygienefähigkeit sind weitere Therapieoptionen, um Zähne zu erhalten.
Erhaltungstherapie seit
20 Jahren (UPT)
Einschränkungen
Im kompromittierten Lückengebiss sind jedoch hier
und da strengere Anforderungen bezüglich des
Zahnerhaltes zu stellen, besonders wenn für den
Zahnersatz strategisch wichtige Zähne als sehr
kritisch einzustufen sind. Hier ist die Entfernung
dieser Zähne und eine anschließende Implantation
dann doch die bessere Alternative.
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