Sehr geehrte Frau Ministerin Ernst, sehr geehrter - SPD-NET-SH

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Sehr geehrte Frau Ministerin Ernst,
sehr geehrter Herr Dr. Traulsen, liebe Ingrid Lietzow,
sehr geehrte Mitglieder der Kieler Ratsversammlung,
sehr geehrte Damen und Herren,
als Dezernentin für Bildung, Jugend und Kreative Stadt begrüße ich Sie ebenfalls
ganz herzlich zum heutigen Nachmittag und freue mich, Ihnen zum Einstieg in die
Veranstaltung ebenfalls ein paar Anregungen zur Verfügung stellen zu können.
Herzlichen Dank für die Einladung.
Bei dem Blick auf den Programmablauf und die verschiedenen spannenden
Referentinnen und Referenten sowie Gastgeberinnen und Gastgeber im späteren
Kiel-Cafe habe ich mich gefragt, welche Aspekte ich Ihnen gerne besonders ans
Herz legen möchte, ohne nachfolgenden Rederinnen und Rednern vorzugreifen?
Über die grundsätzliche Bedeutung von kultureller Bildung für Kinder und
Jugendliche und über Angebote kultureller Bildung in Schulen werden Sie im Laufe
des Nachmittags einiges erfahren. Sie werden verschiedene kulturpädagogische
Projekte und engagierte Akteure kennenlernen und erleben, welche Vielfalt an
Angeboten wir in Kiel bereits haben.
Sie werden gemeinsam den Blick darauf werfen, an welchen Stellen Angebotslücken
bestehen und wo die Vernetzung der Angebote noch besser gestaltet werden kann,
damit insbesondere Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien noch
besser erreicht werden können.
Und das ist der erste Punkt, den ich gerne besonders hervorheben möchte. Ich freue
mich sehr, dass diese Veranstaltung dazu dienen soll, das Netzwerk der Akteure vor
Ort zu stärken und im Austausch den Blick auf die tatsächlichen Bedarfe zu lenken.
Das ist der Ansatz, den wir in Kiel seit einigen Jahren mit dem Konzept der
„Bildungsregion“ verfolgen.
Es geht darum, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und die Bildungsregion
gemeinsam zu gestalten. Und es geht darum, eng an die tatsächliche
Lebenswirklichkeit von Kindern, Jugendlichen und Familien anzuknüpfen, um sie in
ihrer Lebens- und Bildungsbiographie zu unterstützen.
Im Bereich der kulturellen Bildung greift genauso wie in anderen Bildungsbereichen
der sogenannte „Matthäus-Effekt“. Ein Zitat beschreibt, dass dem, der bereits hat,
noch mehr gegeben wird. Doch wir möchten in der Bildungsregion Kiel den
Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und persönlicher Zukunft stärker
aufbrechen und dabei spielt auch die kulturelle Bildung eine gewichtige Rolle.
Es gilt, Wege zu finden, auch Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien
den Zugang zu kultureller Bildung zu ermöglichen. Und zwar von Anfang an. Es hat
mich sehr gefreut, dass Sie diesen Aspekt in die Einladung aufgenommen haben.
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Mein Kollege, Stadtrat Wolfgang Röttgers wird Ihnen sicherlich einige Beispiele
nennen, wie die Stadt die Zugangsmöglichkeiten für bildungsferne Kinder und
Jugendliche im Kulturbereich unterstützt, daher möchte ich einige Worte zum dem
Aspekt „von Anfang an“ ergänzen. Denn das System Schule knüpft an die
Bildungserfahrungen der Kinder vor dem Schuleintritt an.
Neben den Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter, sollte auch der
vorschulische Bereich mit in den Blick genommen werden. Die frühe Kindheit ist für
die Lebens- und Bildungsbiographie eines Menschen von zentraler Bedeutung. In
der frühen Kindheit ist kulturelle Bildung eine wichtige Form des Lernens, des
Spielens und des Gestaltens. In einem weiten Sinn kann kulturelle Bildung als das
Hineinwachsen in kulturelle Lebensformen verstanden werden. Kulturelle Bildung ist
zentral, um sich in einer Gruppe von Menschen bewegen zu können, um mit ihnen
diskutieren zu können, sich einbringen und mitgestalten zu können.
Kinder, die zum Beispiel den Rhythmus eines Gespräches nicht gut nachvollziehen
können, bringen sich immer wieder an Stellen ein, die von anderen Kindern als
störend empfunden werden. Dadurch werden diese Kinder vom Spielfluss
ausgeschlossen, ihnen entgehen Teilhabemöglichkeiten und Lerngelegenheiten.
Kulturelle Bildung ermöglicht die Teilhabe an kulturellen Lebensformen und
interkulturelle Bildung schafft zudem die Grundlage für Toleranz. Aktuelle
Entwicklungspsychologische Studien, z.B. von der Universität Erfurt, zeigen, dass
bereits Kleinkinder zwischen Eigen- und Fremdgruppe unterscheiden und dazu
neigen, Kindern aus fremden Gruppen eher negative als positive Eigenschaften zu
zuschreiben.
Interkulturelle und inklusive Bildung als Basis für Toleranz ist daher bereits in Krippen
und Kitas von Bedeutung.
Darüber hinaus ermöglicht kulturelle Bildung die Entwicklung kultureller
Kompetenzen in und durch die verschiedenen Künste. Theater, Bildende Kunst,
Musik und Tanz stellen eigene Ausdrucksformen dar, die bereits sehr junge Kinder
kennenlernen sollten.
So können die Kinder verschiedene Formsprachen und Techniken erleben und für
Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung nutzen.
Sie können lernen, Erfahrungen, Erinnerungen, körperliche Empfindungen und
Gefühle bei der Verarbeitung in eine kulturelle Form zu bringen, die dann wiederum
neue lustvolle Erfahrungen und Begegnungen mit anderen ermöglicht.
Formen der kulturellen Bildung bekommen vor der derzeitigen Situation mit dem
überaus starken Zuzug von Flüchtlingen ebenfalls eine besondere Bedeutung. Spiel,
Sport, aber vor allem auch Kunst und Kultur bieten besondere Ausdrucksformen, und
wie Sie alle wissen, auch gute Verarbeitungsformen – über alle Sprachbarrieren
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hinweg. Viele kreative Formen sind da möglich und werden sicherlich sehr gerne und
wissbegierig von den Kindern und Jugendlichen angenommen.
Kinder halten sich immer länger in und an der Schule auf. Als Stichworte möchte ich
den offenen Ganztag und gebundenen Ganztag nennen. Viele Institutionen und
Vereine klagen darüber, weil ihnen die Kinder im Nachmittagsbereich
abhandenkommen. Es gilt anders herum zu denken und die Wege im Schulalltag
und im Anschluss an die Schule gemeinsam mit den Institutionen und Vereinen zu
ebnen.
Kinder brauchen Lerngelegenheiten, Materialen und Angebote und sie brauchen
Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, die ihnen etwas zeigen, sie auf vielfältige Weise
begleiten und ihnen Raum und Zeit geben, um kulturelle Bilder und
Produktionsformen auf eigene Empfindungen und Erfahrungen hin beziehen zu
können. Diese Möglichkeiten braucht es natürlich nicht nur im Elternhaus, in der
Krippe und der Kita, sondern auch noch später in der Schule durch Lehrkräfte und an
außerschulischen Orten.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle erleben selbst, dass wir am besten lernen,
wenn lernen auch Spaß bereitet. Zudem wissen wir, dass Kinder und Jugendliche
Bildungsangebote aus unterschiedlichen Intentionen anziehend und damit
lernfördernd annehmen:
 Sie lernen entweder über die attraktiven Angebote, die ihnen geboten werden,
also das Angebot steht im Mittelpunkt, oder
 sie lernen über Beziehungen, also über Beziehungsangebote, d.h. für sie ist
ihr Gegenüber von entscheidender Bedeutung weniger die Attraktivität eines
Angebotes.
Doch bevor ich das Wort weiterreiche, an meinen Kollegen, Stadtrat Wolfgang
Röttgers, erlauben Sie mir, noch einen kurzen Querbezug zu dem Thema „Kreative
Stadt“.
Die Entwicklung von Kreativität ist ohne Bildungsprozesse nicht denkbar. Kreativität
entsteht nach meinem Verständnis in der Interaktion (Wer bewertet, ob etwas kreativ
ist oder nicht?) und ist daher auch sozial zu denken.
Wie kann eine Stadt Kreativität befördern? Wie wird die Stadt zu einer Ressource
und als Raum für die Entstehung, Bewertung und Verbreitung von Kreativität genutzt
und aktiv hergestellt? Diese Frage stellen wir uns im Zusammenhang mit einem
Projekt unter dem Fokus Kreative Stadt.
Dort wird deutlich, dass es daher vor allem Orte benötigt, an denen Begegnung und
Austausch stattfinden können, möglichst mit vielen verschiedenartigen Menschen
und Kulturen. Schulen sind daher wunderbare Orte dafür. Daher die Frage: Könnte
Schule noch stärker ein Ort werden, der die Entwicklung von Kreativität stützt und
fördert? Was und wen braucht es dazu?
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In einem Gespräch mit einem Professor an der Universität wurde mir berichtet, dass
s. E. so viele Studierenden das Informatikstudium abbrechen, nicht etwa, weil es an
mathematischen Kenntnissen mangelt, wie vermutlich viele glauben könnten,
sondern nach seiner jahrzehntelangen Einschätzung vor allem an Kreativität und
Ausdauer.
Wie ist unser Bildungssystem – nicht in Kiel oder in SH, sondern in Deutschland –
aufgestellt, zur Förderung von Kreativität? Wie stellen wir entsprechende Angebote
zur Verfügung? Gibt es andere bzw. weitere Wege als bisher? Gerade auch vor dem
Hintergrund des Lernens über Angebote bzw. über Menschen? In Kitas greift man
dies mittlerweile über offene Gruppenstrukturen auf.
Über die künstlerisch-kulturelle Tätigkeit können eine hohe Symbolkraft und eine
hohe Identifikation für Orte entstehen, d.h. für Schulen, für Stadtteile als Orte und
ganze Städte. Die Frage ist, wie man Kunst und kulturelle Bildung und ein
entsprechendes Umfeld auslegt. M.E. gibt es gerade an Schulen auch Möglichkeiten
der gemeinsamen künstlerischen Gestaltung. Aus Schulen wissen wir z.B., dass
Mensen ein hohes Potenzial dafür bieten.
Raum und Zeit für künstlerisch-kreative Prozesse, persönliches und soziales
Ausprobieren, das Erlernen und Leben von Toleranz, Vernetzung, Austausch – das
alles sind Qualitäten,
die ich sowohl mit kultureller Bildung als auch mit dem Leitbild einer Kreativen Stadt
verbinde.
Es gibt daher große Schnittmengen, die es zu gestalten gilt und ich danke Ihnen
allen für Ihr Engagement und Ihre Bereitschaft, gemeinsam die kulturelle Bildung in
Kieler Schulen noch weiter zu fördern – ich bin gespannt auf die Ergebnisse.
Ich wünsche Ihnen einen interessanten Nachmittag voller Anregungen. Ich hoffe,
dass ich Ihnen den einen oder anderen Impuls zur Verfügung stellen konnte.
Herzlichen Dank.
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