OSTEOLOGIE E.M.W. Koch Ballon-Kyphoplastie vs. Radiofrequenz-Kyphoplastie Resultate einer kontrolliert durchgeführten Vergleichsprüfung Kontrolliert durchgeführte klinische Prüfungen unter Berücksichtigung der Prinzipien für Good Clinical Practice (GCP) werden für die Dokumentation zur Wirksamkeit und Sicherheit seit langer Zeit als “Goldstandard“ angesehen. Für Medizinprodukte oder medizinische Verfahren werden derartige Studien erst nach und nach etabliert, obwohl auch in diesem Bereich ein großer Bedarf nach Evidenz-basierter Dokumentation besteht. Als exemplarischer Beleg für eine derartige Studie kann die Jahren, deren Schmerzen sich durch systematische Therapie Veröffentlichung von Dr. Arne Petersen (Karlsruhe) et al. nicht ausreichend bessern lassen. Die Diagnosen wurden angesehen werden, die kürzlich im Eur. Journal Orthop Surg anhand der klinischen Befunde und der Auswertung von Traumatol online veröffentlicht wurde (Clinical comparison Röntgenbildern oder MRT-Aufnahmen gestellt. of postoperative results of balloon kyphoplasty (BKP) versus radiofrequency-targeted vertebral augmentation (RF-TVA): Entsprechend einem Randomisierungsplan wurde bei a prospective clinical study). 44 Patienten (55%) die Ballon-Kyphoplastie und bei 36 Patienten (45%) die Radiofrequenz-Kyphoplastie an- Für die operative Behandlung von frakturierten Wirbel- gewendet. Das Durchschnittsalter betrug in beiden Gruppen körpern kommen z. Zt. die Vertebroplastie, die Ballon- fast 82 Jahre. Bei den meisten Patienten ergab sich zwischen Kyphoplastie (BK) sowie die Radiofrequenz-Kyphoplastie Fraktur-Ereignis und Operation eine Zeitspanne von weni- (RFK) als minimal-invasive Verfahren zur Anwendung, ger als 4 Wochen. Bei 25% der Patienten musste mehr als wobei für BK und RFK auch eine Aufrichtung der behandel- ein Wirbel augmentiert werden. ten Wirbelkörper bestätigt werden konnte. Insofern werden Daten aus kontrolliert durchgeführten Vergleichsstudien Beide operativen Verfahren unterschieden sich zunächst benötigt, mit denen die unterschiedlichen Methoden dadurch, dass bei der Ballon-Kyphoplastie jeweils bipediku- hinsichtlich sofortiger und langanhaltender Wirkung, lär punktiert werden musste, während sich bei der RFK nur Sicherheit und Vorteilen für die Patienten profiliert werden in 14% hierzu eine Notwendigkeit ergab. Die unipedikuläre können. Vorgehensweise verminderte so das Risiko von Rückenmarksverletzungen, wobei der hochvisköse Knochenzement Studiendesign durch vorherige Präparation des Wirbelkörpers dennoch auf die kontralaterale Seite gelangte und eine gleichmäßige Als Indikation wurde entsprechend der Leitlinie des Zementverteilung erzielt wurde. Zudem wurde bei der BK Dachverbands Osteologie von 2009 festgelegt: Schmerzhafte durchschnittlich bedeutend mehr Knochenzement injiziert osteoporotische Sinterungsfrakturen bei Patienten ab 55 (4,9 ml) als bei der RFK (2,8 ml; p=0.001). 2 Osteoporose & Rheuma aktuell 4 | 2015 Differenzen der Winkelaufrichtung prae- vs. post-op p=0,07 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 Ballon-Kyphoplastie Radiofrequenz-Kyphoplastie Abb. 1: Differenzen der Winkelaufrichtung prae- vs. postoperativ. Die durchschnittliche Operationsdauer betrug 30 Minuten Ergebnisse in der BK-Gruppe und 24 Minuten in der RFK-Gruppe (p<0.001), wobei zusätzlich berücksichtigt werden muss, Als Hauptzielgröße für den Vergleich beider minimal- dass bei dem bipedikulären Zugang für die BK stets zwei invasiver Operationsverfahren wurde die Beeinflussung der Operateure simultan tätig waren, während hingegen nur ein Schmerzintensität bei den Studienteilnehmern definiert. Operateur bei der RFK tätig war. Der Rückgang der maximalen Schmerzintensität auf der VAS-Skala von 0-10 betrug bei den Patienten der BK-Gruppe In beiden Kyphoplastie-Gruppen zeigten sich unter den 4,6 und bei den Patienten der RFK-Gruppe 4,2. Die Patien- Operationen Extravasationen des Zements (BK: n=15, RFK: ten erfuhren in beiden Gruppen ohne Unterschied eine n=10), ohne dass diese Ereignisse mit klinisch relevanten durchschnittliche Schmerzlinderung von mindestens 50%. Symptomen verbunden waren. Bei der BK ergaben sich ver- Nach einem Jahr gaben 61% der BK-Gruppe und 83% der hältnismäßig mehr Zementaustritte in den paravertebralen/ RFK-Gruppe an, in Ruhe völlig schmerzfrei zu sein (p=0.05), venösen Bereich, bei der RFK fanden sich mehr Extravasate bei Mobilisation zeigten sich keine Schmerzen in 37% (BK) in der Bandscheibe. Bei der RFK erweist es sich jedoch als bzw. in 53% (RFK). In beiden Gruppen benötigten nach vorteilhaft, dass beim ersten Auftreten eines Zementaustritts 12 Monaten etwa 55% der Patienten keine Schmerzmittel die Zementinjektion sofort gestoppt werden kann, was mehr. eine weitere Leckage des hoch-viskösen Zements schnell unterbindet. Zudem handelte es sich aufgrund der Zement- Die Kyphoplastien waren mit einer Aufrichtung des jeweili- eigenschaften nur um kleinste Extravasate. gen Kyphosewinkels verbunden, wobei sich für BK eine Veränderung um ca. 10% und für die RFK um ca. 16% ergab Die postoperative Bildauswertung ergab, dass der Zement (s. Abb. 1). Der Vergleich zeigt, dass beide Verfahren zu nach RFK nicht wie bei der BK eine präformierte Höhle einer Wiederaufrichtung des frakturierten Wirbelkörpers ausfüllt und damit die Trabekelstruktur des Wirbelkörpers führen und eine trendmäßig größere Wiederaufrichtung zerstört, sondern sich entlang der nicht-symmetrischen durch die RFK erzielt werden konnte. Es wird jedoch dis- Fraktur-Zonen in der Spongiosa verteilt und verzahnt. kutiert, dass die Wiederaufrichtung bei beiden Verfahren zu Osteoporose & Rheuma aktuell 4 | 2015 3 Abb. 2a-c: Prä-operative laterale Ansicht LWS 1 Fraktur (A.1.2) einer 84-jährigen Patintin mit deutlich erkennbarer Sinterung (l.). Die post-operative laterale Ansicht LWS 1 nach Radiofrequenz-Kyphoplastie (DFine, Mannheim) zeigt deutlich erkennbare Aufrichtung und Korrektur des anatomischen Profils (m.). Die post-operative a.p.-Projektion LWS 1 nach Radiofrequenz-Kyphoplastie (DFine, Mannheim) zeigt gleichmäßige intravertebrale Zementverteilung trotz unipedikulärem Zugang. einem gewissen Anteil auch auf die lordotische Lagerung Nachsinterungen und Anschlussfrakturen lassen sich Ten- während der Operation zurückgeführt werden könnte. denzen mit einem Vorteil im Verfahren der RFK erkennen. Extravasationen zeigten sich bei der RFK vermehrt in die Bei der Nachuntersuchung (12 Monate) konnten in der Bandscheibe der Deckplatte, bei der BK vermehrt in das BK-Gruppe bzw. in der Gruppe der Patienten mit RFK Gefäßsystem, was zum einen mit der Viskosität des verwen- 11% vs. 27% Nachsinterungen und 68% vs. 50% Anschluss- deten Zementes, zum anderen durch ein Abdichten der Frakturen registriert werden. Es musste allerdings festgestellt Bandscheibe durch die komprimierte Spongiosa zu erklären werden, dass sich in beiden Gruppen 12 Monate nach der ist. In der Applikationssicherheit bietet das RFK-Verfahren Operation eine deutliche Verminderung der Versorgungs- Vorteile, weil der Zement nicht mit manuellem Druck, son- situation abzeichnete. Während vor der Operation noch dern mit einer geringen und konstanten Geschwindigkeit 57% der Studienteilnehmer ohne Hilfe zu Hause zurecht- bei gleichbleibender Viskosität maschinell-instrumentell kamen, waren es 12 Monate später nur noch 30%, wobei abgegeben wird. sich jedoch eine deutliche Korrelation zwischen Versorgungssituation und Alter der Betroffenen nachweisen ließ Die Auswertung dieser sorgfältig geplanten und durchge- (p=0.001). Ohne Unterschied wurden innerhalb eines Jahres führten Vergleichsstudie belegt den Stellenwert derartiger nach der Operation 25% der Patienten wegen einer weite- Dokumentationen auch für Medizinprodukte und Behand- ren Wirbelkörper-Fraktur eingewiesen. lungsverfahren, um hinsichtlich Anwendbarkeit, Verträglichkeit, klinischem Resultat und Prognose mehr Sicherheit Fazit für die Ärzte und vor allem für die betroffenen Patienten zu gewinnen. Die Autoren kommen zu der Schlussfolgerung, dass durch die RFK mit nur einem operativen Zugang in kürzerer Zeit ein mit der BK vergleichbares Ergebnis in der Senkung der Schmerzintensität und der Wiederaufrichtung des Wirbelkörpers erzielt werden kann. Diese klinisch wichtigen Resultate können auch noch nach 12 Monaten bestätigt werden. Versorgungen von 3 Wirbeln in einer Sitzung stellen bei der RFK aufgrund der langen Verarbeitungszeit des Zementes kein Problem dar. Bezüglich der Verhinderungen von 4 Osteoporose & Rheuma aktuell 4 | 2015 ■