26 Spitalgruppe beider Basel Stimmen zu den Plänen der Kantonsregierungen NORDWESTSCHWEIZ DONNERSTAG, 18. AUGUST 2016 «Man sollte die Fusion verbieten» Gesundheitsökonom Stefan Felder hält einen Zusammenschluss der öffentlichen Spitäler beider Basel für problematisch Ist die aktuelle Situation in Baselland mit drei Standorten überhaupt noch zukunftsträchtig? Ich habe es so verstanden, dass man nach dem Strategiepapier etwas «aufräumen» möchte, also nur noch eine Notfallstation und in Laufen nur noch ein reduziertes Angebot will. Das ist eine Bereinigung, die der ganzen Marktsituation geschuldet ist. Die Bettenauslastung des KSBL ist mit 80 Prozent nach Appenzell-Innerrhoden die zweittiefste in der Schweiz. Das zeigt, dass man in einer schwierigen Wettbewerbssituation ist. Das KSBL ist unter Druck. Die Hälfte der Baselbieter lassen sich ausserkantonal, vornehmlich in der Stadt behandeln. Dazu kommt, dass es in der ganzen Region Überkapazitäten gibt. VON ANDREAS FAHRLÄNDER Am Dienstag ist publik geworden, wie eine Spitalgruppe aus Kantonsspital Baselland (KSBL) und Universitätsspital Basel (USB) aussehen könnte. Nicht zuletzt die Rechtsform ist umstritten: Angedacht ist eine Aktiengesellschaft in Staatshand. Stefan Felder, Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Basel, sieht den Zusammenschluss trotz besserer Chancen auf dem Gesundheitsmarkt skeptisch. Herr Felder, warum kann sich eine private Spitalgruppe beider Basel besser auf dem Markt behaupten? Stefan Felder: Es müssen jetzt einige Vorschläge geprüft werden. Etwa, die Augenklinik in der Stadt zu schliessen und die Veränderungen auf dem Bruderholz. Das sind unternehmerische Entscheidungen, die man möglichst unabhängig von politischer Einflussnahme angehen sollte. Wenn die Gruppe eine privatrechtliche Form bekäme, wäre sie immuner gegen solche Einflüsse. Entscheidungen sollten bald gefällt werden, es braucht eine Bereinigung der bestehenden Überkapazitäten. Was heisst das konkret? Man kann auf das Bruderholzspital verzichten. Die Versorgungssicherheit der Bevölkerung im Raum Basel wäre nach wie vor gewährleistet. Und man spart viel Geld für Renovation und Defizite. Die Frage stellt sich zudem, ob es ein ambulantes Angebot auf dem Bruderholz braucht. Gibt es Vorbilder aus anderen Kantonen? In Solothurn zum Beispiel gibt es gar kein öffentliches Spital mehr. Die Solothurner Spitäler AG ist eine rechtlich selbstständige Aktiengesellschaft, zu der etwa auch das Spital Dornach gehört. Wobei es auch Bewertungsprobleme gibt, wenn der Kanton öffentliche Institutionen privatisiert, etwa bei den Immobilien. Da ist auch Solothurn noch in einem Übergangsprozess. Was bedeutet eine Privatisierung für die anstehenden Investitionen? Die Spitalfinanzierung nach dem Fallpauschalen-System Swiss DRG sieht 10 Prozent für Investitionen vor. Die privaten Spitäler investieren heute etwa 13 bis 14 Prozent, die öffentlichen nur etwa 7 Prozent. Es gibt also noch einen gewissen Investitionsstau, vermutlich aber auch verdeckte Investitionen, die nicht die Spitalrechnung, sondern den Steuerzahler belasten. Bei einer konsequenten Privatisierung würden die tatsächlichen Kosten aufgedeckt. Das ist auch wichtig für einen fairen Wettbewerb mit den privaten Mitspielern, von denen es in Basel einige gibt. Gehen im Bruderholzspital bald endgültig die Lichter aus? In der Stadt gibt es eine grössere Konkurrenzsituation. Wenn die öffentlichen Spitäler sich jetzt zusammen- Und in der Schweiz? In der Schweiz hat man eine Missbrauchsgesetzgebung im Kartellgesetz. Man muss schliessen, würden sie in diesem Wettbewerb besser dastehen. Das ist richtig, aber das macht mir als Ökonom grosses Bauchweh. Das USB hat im Moment in Basel-Stadt 64 Prozent Marktanteil, gerechnet nach Pflegetagen. Das KSBL hat 83 Prozent Marktanteil. Wenn die beiden jetzt zusammengehen, sind wir etwa bei 75 Prozent. Das ist fast, wie wenn Migros und Coop fusionieren würden. Aus meiner Sicht sollte man die Fusion verbieten. In Deutschland wäre das gar nicht möglich, dort schreitet die Monopolkommission ein. WALTER BRUNNER nachweisen, dass durch die Fusion eine marktbeherrschende Stellung zuungunsten der Kunden entsteht. Das ist hier nicht einfach zu beweisen. Der Wettbewerb, den man vorher zwischen USB und KSBL hatte, würde eingeebnet. Das ist wettbewerbspolitisch sehr problematisch. Stefan Felder ist Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Basel. Er erforscht unter anderem den Wettbewerb zwischen medizinischen Leistungserbringern. Sie sind also für eine Privatisierung, aber gegen einen Zusammenschluss der Spitäler? Ich verstehe grundsätzlich die betriebswirtschaftliche Logik der beiden Kantone. Aber als Volkswirt muss man feststellen, dass es ungesund ist, wenn durch die Fusion das neue Spital einen Marktanteil von 75 Prozent erhält. Es ist die Rede von einem Ambulanzspital, das von Montag bis Freitag geöffnet hat, und einem zusätzlichen Haus mit 100 stationären Betten für Rehabilitationsaufenthalte. Ist das nicht ein kurioses Konstrukt? So ist es. Den Versorgungsauftrag an den Kanton gibt es nur für die stationäre Behandlung. Man fragt sich erstens, was der Kanton in der ambulanten Behandlung überhaupt zu suchen hat. Das könnten auch niedergelassene Ärzte übernehmen oder private, halbstationäre Einrichtungen. Und zweitens: Wieso auf dem Bruderholz? Dessen verkehrstechnische Lage ist nachteilig und wäre es noch mehr, wenn man auf ambulante Versorgung setzte. Schliesslich haben wir bereits relativ viele Reha-Kapazitäten. Die 100 zusätzlichen Betten könnte man auch weglassen. Ist eine vereinigte Spitalgruppe also überhaupt realistisch? Es gibt dank des medizintechnischen Fortschritts eine Tendenz dazu, stationäre durch halbstationäre oder ambulante Behandlungen zu ersetzen. Die stationären Kapazitäten müssen daher reduziert werden. Die Frage ist: Ist eine fusionierte Spitalgruppe am Markt langfristig halt- und finanzierbar? Kann ich sie so gut organisieren, dass die heutigen Defizite verschwinden? GASTKOMMENTAR zur regionalen Spitalpolitik Doppelspurigkeiten vermeiden W er krank ist und spitalärztliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, ist froh, wenn er in der Nähe eines Spitals wohnt. In der Region Basel haben wir das Glück, dass ein breites Angebot privater und staatlicher Kliniken mit unterschiedlichem Angebot zur Verfügung steht. Wie lange dies bei der Spitzenmedizin noch der Fall sein wird, hängt wesentlich von den politischen Entscheiden der kommenden Monate ab. Bereits 2008 wurden auf Anregung der Vereinigung für eine Starke Region Basel/ Nordwestschweiz in den Kantonen Aargau, Solothurn sowie beiden Basel parlamentarische Vorstösse eingereicht mit der Forderung eines Ausbaus der regionalen Zusammenarbeit zu einem Gesundheitsraum Nordwestschweiz. Es gelte, Doppelspurigkeiten mit anderen Kantonen zu verhindern, insbesondere beim Bau und Betrieb von Spitälern. Aber geschehen ist nicht viel. Bei den Spitalentscheiden geht es ces-Firmen ist es von grosser Bedeutung, dass sie vor Ort eine breite und starke klinische Forschung betreiben können, und zwar in enger Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät der Universität. Diese Unternehmen erwirtschaften notabene den überdurchschnittlichen Wohlstand, von dem wir alle profitieren. Hans Rudolf Bachmann Der Basler Hans Rudolf Bachmann ist Vorstandsmitglied der Vereinigung für eine Starke Region Basel/ Nordwestschweiz. ✒ nicht nur um das Wohl der Patienten, sondern auch um den Wirtschaftsstandort. Für die hiesigen Life-Scien- Die Forschung ist jedoch nur sinnvoll möglich, wenn eine gewisse Anzahl Fälle vorliegt, was selbst in einem grossen Spital oft nicht erreicht wird. Darum besteht in der Region Basel Handlungsbedarf. Die Konkurrenz unter den Universitätsspitälern ist gross. Zürich investiert gegenwärtig jährlich x Millionen Franken ins Universitätsspital. In Bern ist das Inselspital nach einer Reorganisation grösser als das Unispital Basel. Diesen Herausforderungen zu begegnen, wäre wichtig. Aber in Basel streitet man über die Gebäudeform des Klinikums 2. Und in Baselland über die Zukunft des Bruderholzspitals. Darum ist es erfreulich, dass die Regie- rungsräte Thomas Weber (BL) und Lukas Engelberger (BS) erkannt haben, dass der Vorsprung von Zürich und Bern und damit deren wesentlich bes- «In Basel streitet man über die Form des Klinikums 2, in Baselland über die Zukunft des Bruderholzspitals.» seren Chancen, bei der Verteilung der Spitalschwerpunkte in der Schweiz berücksichtigt zu werden, nur mit einem Kraftakt pariert werden kann. Zuerst ist zu klären, wie viele Betten wirklich benötigt werden. Einzelne Studien sprechen von einem Rückgang der Pflegetage im Akutbereich bis 2020 von gegen 20 Prozent. Dann ist in der Spitzenmedizin eine gemeinsame universitäre Spitalträgerschaft beider Basel analog zum erfolgreichen Universitätskinderspital beider Basel (UKBB) zu schaffen, so wie es die Vereinigung für eine Starke Region schon seit Jahren fordert und konkrete Vorschläge unterbreitet hat. Dies würde nicht nur Kosten sparen, sondern erlauben, die für die Behandlung komplexer Fälle und deren Erforschung notwendige Struktur zu realisieren. Durch die Schwerpunktbildung verfügt das Spitalpersonal über mehr Erfahrung, was die Qualität der Pflege verbessert und die Effizienz steigert, unter Umständen sogar die Aufenthaltsdauer verkürzt. Davon profitieren die Patienten und längerfristig auch Sie als Prämienzahler. Zur regionalen Gesundheitspolitik findet heute um 18.30 Uhr im Kantonsspital in Liestal ein Podiumsgespräch statt. Mit dabei ist unter anderen der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomas Weber.