Entwicklungspsychologische Aspekte beim Kinderschutz

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Entwicklungspsychologie
„Fragt man sich, woraufhin ein Kind sich entwickeln
soll, liegt dem ein unmittelbar normatives Interesse
zugrunde.“
(Jacob & Wahlen 2006:
Das Multiaxiale Diagnosesystem Jugendhilfe MAD-J)
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Bereiche des Entwicklungsprozesses
Kontextfaktoren:
Kulturelle (Werte und Normen)
Soziale (materielle Lebensbedingungen)
Familienklima/Eltern-Kind-Beziehung
Physisch:
körperliche
Reifung,
körperliche
Funktionen
Kognitiv:
Lernen,
Intelligenz
 Entwicklungsmoderatoren
 Entwicklungsbedingungen
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Psychosozial:
soziale Beziehungen,
soziale Funktionen,
Lebensbedingungen
Entwicklungsnormen
Entwicklungsziele - Überprüfung
-Körperlich: ärztliche Kontrolle - Vorsorgeuntersuchungen
-Kognitiv: Schule, Kita - z.B. Lern-/Entwicklungsziele
-Psychosozial: Sozialverhalten - Kommunikation, Konfliktlösung,
Frustrationstoleranz, Umgangsformen
Messmethoden:
Standardisierte Verfahren (IQ-Test, Entwicklungstests)
Beobachtungspläne (Protokoll, Stichprobe)
Befragung (Fragebogen, Interview)
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Entwicklungsrisiken
Physisch:
Alkoholkonsum/Infektionen während Schwangerschaft
Gendefekte, genetische Syndrome
Kognitiv:
Geburtskomplikationen
-> hirnorganische Schäden (Wahrnehmung, Sprache, Motorik)
--->Entwicklungsverzögerung/Behinderung
fehlende Anleitung und Förderung/Vernachlässigung
Psychosozial:
Gewalt in der Familie, Gewalt gegen das Kind,
Alkohol-/Drogensucht der Eltern,
psychische Erkrankung der Eltern,
vernachlässigendes bzw. überprotektives Erziehungsklima,
(mangelnde Anleitung und Förderung)
soziale Isolation
(Migration, traumatische Erlebnisse)
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Entwicklungsstörungen
• Seelische Störungen:
Ängste, Depression, Traumafolgestörung
• Verhaltensstörungen:
Hyperaktivität, probl. Sozialverhalten (mangelnde
Konfliktfähigkeit, Impulsivität, Aggressivität), Delinquenz,
Kontakt/Kommunikation
• Körperliche Störungen:
Behinderung, psychosomatische Erkrankung, Essstörung,
Sprache, Aufmerksamkeit/Konzentration
• Schulische Fertigkeiten: Teilleistungsstörung, Lernstörung,
Schulverweigerung
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Entwicklungspsychologische Theorien/Arbeitsmodelle
Instanzenmodell (Freud)
-Erklärungsmodell psychischer Störungen:
Es-Ich-Überich/Entwicklung =triebgesteuerter Energiefluss
Stufenmodell (Piaget)
-Erklärungsmodell der geistigen Entwicklung : 4 chronologische
Hauptstadien mit jeweiligen Stufen/Entwicklung=geistige Entfaltung
Behaviorismus (Watson, Skinner)
-Erklärungsmodell für Verhalten (Entwicklung=Ergebnis von Lernerfahrungen)
Ökologische Systemtheorie (Bronfenbrenner)
-Entwicklung abhängig von Umwelt: Mikro-, Meso-, Makrosystem
Ethologische Theorie (John Bowlby 1958)
-Entwicklung als Prozess des Zusammenwirkens von angeborenen
und äußeren Faktoren, Verhaltensbeobachtung als Indikator seelischer Entwicklung
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Bindungsverhalten als Indikator für
Entwicklungsrisiken bei Kindern
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Was ist Bindung?
Bowlbys Bindungstheorie
Bindungs- und Explorationsverhalten
Konzept der Feinfühligkeit
Unterschiedliche Bindungsmuster
Bindungsstörungen
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Was ist Bindung?
• Der Mensch hat ein angeborenes Bedürfnis eine enge, von
intensiven Gefühlen begleitete Beziehung aufzubauen und
entwickelt sich auf der Basis dieser Beziehung.
• Der Begriff Bindung bezieht sich dabei auf Nähe Sicherheit,
Schutz , Trost und Verständnis in schwierigen oder belasteten
Situationen.
• Jede Art von menschlicher Entwicklung vollzieht sich in
Bindung - unabhängig von seiner Qualität.
• Die Art der Bindung kann einen Entwicklungsverlauf fördern
oder behindern.
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Bowlbys Bindungstheorie I
Ausgangspunkt waren Studien an Primaten
n. d. 2. WK Studien an Kriegswaisen zur Erforschung v.
Trennungstraumata in den 50er J., weiterentwickelt in klinischen
Studien mit Mary Ainsworth u. Patricia Crittenden bis 80er J.
-> „der kompetente Säugling“, d.h. ein Kind ist von Geburt an
nicht nur Objekt, sondern auch aktiv agierendes Subjekt im
Kontakt mit seinen primären Bezugspersonen
Die Studien basieren auf Interaktionsbeobachtung und haben
die aktuellen Kinderbetreuungskonzepte, Frühwarnsysteme
i.R. v. Kinderschutz, den Kinderrechtediskurs maßgeblich geprägt
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Bowlbys Bindungstheorie II
Der Mensch ist um sein Überleben zu sichern von Geburt an
mit 2 grundlegenden Verhaltenssystemen ausgestattet:
• Bindungsverhaltenssystem
- entwickelt sich mit der/den primären Bezugspersonen im 1. Lbj.,
- ist eindeutig hierarchisch geordnet, das Kind bevorzugt eine
Bindungsperson
- diese Person(en) mit kann bzw. können nicht ohne Folgen
ausgetauscht werden
• Explorationsverhaltenssystem
- wird u.a. von den Bindungserfahrungen im 1. Lbj. geprägt
Bei äußerer Bedrohung wird Bind.system aktiviert, Expl.system eingeschränkt.
Beide Systeme bedingen einander, sie sind prägen die Entwicklung des Kindes
und sind in den ersten Lebensjahren flexibel, d.h. veränderbar.
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Die Interaktionsbeobachtung
https://www.youtube.com/watch?v=DH1m_ZMO7GU
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Bindungs- und Explorationsverhalten
Beruhigtes
Bindungsverhaltenssystem
aktiviert
Unsicherheit
Explorationsverhalten
Sicherheit
deaktiviert
aktiviert
Bindungsverhalten
Bezugsperson wird
gerufen
‚Sicherer Hafen‘
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Konzept der Feinfühligkeit
(Mary Ainsworth)
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Die Grundlage für eine sichere Bindung ist, dass sich die Bindungsperson
dem Kind gegenüber feinfühlig verhält.
Das bedeutet, dass sie die Verhaltensweisen des Kindes wahrnimmt, die
Signale richtig interpretiert und angemessen und prompt, entsprechend
dem Alter des Kindes, auf die Bedürfnisse reagiert, d.h. spiegelt und
beantwortet.
(Nur) so kann das Kind die Fähigkeit entwickeln sich als aktiv handelnde
und selbstwirksame Person zu erleben.
Macht das Kind die Erfahrung, dass seine primäre Bezugsperson nicht bzw.
nur eingeschränkt oder gar unterschiedlich reagiert, übernimmt es selbst
die Funktion.
Die Folge ist der Rückzug auf einen inneren „Überlebensmodus“ und eine
eingeschränkte bzw. gestörte Fähigkeit, den Kontakt anderen Personen
aufzunehmen. Dies hat wiederum Auswirkung auf die sensorische und
affektive Entwicklung.
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Konzept der Feinfühligkeit
(Mary Ainsworth)
• Eine stabile emotionale Bindung an Bezugspersonen ist aus Sicht der
Resilienzforschung ein wesentlicher Schutzfaktor. Sie ist die Basis für ein
gesundes Selbstwertgefühl und für die Entwicklung von
Problemlösefähigkeiten und sozialer Kompetenz.
• Positive Bindungserfahrungen sind die Grundlage für die Fähigkeit, selbst
stabile, tragfähige Bindungen/Beziehungen aufzubauen und sie
unterstützen die Handlungsfähigkeit in schwierigen Situationen.
• Bindungssicherheit in der Familie steht in einer engen Beziehung zu
gelingenden Freundschaftsbeziehungen , einem ausgewogenen
realistischen Selbstbild , einer angemessenen sozialen Wahrnehmung und
eine Gefühlsoffenheit.
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Unterschiedliche Bindungsmuster
• Das sicher gebundene Kind
– Sucht beim Explorieren Blick- und Körperkontakt mit Bezugsperson,
lässt sich nach Trennung angemessen beruhigen, verfügt über inneres
Arbeitsmodell von „Zuverlässigkeit“.
• Das unsicher-vermeidend gebundene Kind
– Exploriert scheinbar ohne Einschränkung – zeigt kaum
Trennungsschmerz, sucht wenig nach Nähe und Schutz, hält kaum
Blick- und Körperkontakt ->Pseudounabhängigkeit, dabei starke innere
Erregung.
• Das unsicher-ambivalent gebundene Kind
– Fixiert auf die Bindungsperson - kaum Explorationsverhalten, starker
Leidensdruck bei Trennung, sehr enger Körperkontakt, jedoch auch
Wegstoßen der Bezugsperson oder passiv leidend, verhält sich
widersprüchlich gegenüber der Bezugsperson.
• Das unsicher-desorganisiert gebundene Kind
– Uneindeutiges, nicht auf eine Bezugsperson bezogenes Verhalten,
auffällige Verhaltensweisen (z.B. distanzlos im Kontakt, Hospitalismus)
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Bindungsstörungen
Bindungsstörungen entstehen, wenn das Kind in den ersten drei Lebensjahren keine sichere Bindungsbeziehung zu einem Erwachsenen aufbauen
konnte und sich auch beim Aufbau neuer Beziehungen Schwierigkeiten
insbesondere in der sozialen Interaktion einstellen.
Bindungsstörungen als kinderpsychiatrische Diagnose finden sich gehäuft bei
(älteren) Kindern, die in ihren ersten Lebensjahren, z.B. wegen psychischer
Krankheit oder Substanzmissbrauch der primären Bezugsperson,
(traumatischer)Gewalt oder Vernachlässigung erlebt und ein unsicherdesorganisiertes Bindungsmuster entwickelt haben.
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Risikomildernde Schutzfaktoren im Kindes- und Jugendalter
(Scheithauer u. Petermann 1999)
Umgebungsbezogene Schutzfaktoren: Resilienzfaktoren:
• Stabile emotionale Beziehung
• Positives Sozialverhalten
zu einer Bezugsperson
• Positives Selbstwertgefühl und
Selbstwirksamkeitsüberzeugung
• Offenes, unterstützendes
Erziehungsklima
• Aktives Bewältigungsverhalten
• Familiärer Zusammenhalt
• Modelle positiven
Kindbezogene Faktoren:
Bewältigungsverhaltens
• Humor
• Soziale Unterstützung
• Optimismus
• Positive
• Durchschnittliche Intelligenz
Freundschaftsbeziehungen
• Positive Schulerfahrungen
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