6. Bewegungsgleichungen

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6. Bewegungsgleichungen
Differentialgleichungen
6. Bewegungsgleichungen
Die Newtonschen Grundgesetze der Mechanik
Wenn wir einige Bewegungen aus unserem Alltag betrachten, so ist oft die Antriebskraft
die dahhinter steckt, leicht zu erkennen, etwa:
• Ein vorbeifahrender Velofahrer, der in die Pedale tritt, um seine Geschwindigkeit
zu halten,
• Ein Pferd, das einen Karren über eine holprige Strasse zieht,
• Ein Segelschiff, das durch den Wind übers Wasser hinweggetrieben wird.
In diesen Beispielen ist eine andauernde Antriebskraft nötig ist, um die Bewegung aufrecht
zu erhalten, und man könnte versucht sein daraus zu folgern, dass dies immer notwendig
ist.
Der erste, der versucht hat eine umfassende Bewegungstheorie aufzustellen ist Aristoteles
(384–322 v. Chr.). Er war ein ausgezeichneter Beobachter und hat viele Wissensbereiche
systematisiert. In seiner Bewegungstheorie unterschied er zwischen irdischen und himmlischen Bewegungen und für die ersteren nahm er an, dass immer eine antreibende Kraft
wirken müsse, um eine Bewegung aufrecht zu erhalten, da diese sonst zum Erliegen komme.
Diese Vorstellung wurde radikal geändert durch Galilei und Newton. Nach Newtons Beschreibung der Bewegung führt eine wirkende Gesamtkraft (zusammengesetzt aus möglicherweise mehreren Einzelkräften) zu einer Veränderung der Geschwindigkeit. Diese
Veränderung ist die Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit, kurz die Beschleunigung. Kraft und Beschleunigung sind proportional mit der Proportionalitätskonstanten
m, der Masse des Körpers. Ist die wirkende Gesamtkraft gleich Null, so verändert sich die
Geschwindigkeit nicht, d.h. der Köper verharrt in Ruhe oder bewegt sich geradlinig mit
konstanter Geschwindigkeit weiter. Dies sind die ersten zwei Newtonschen Gesetze:
1. Newtonsches Gesetz (Trägheitsgesetz)
Ein Körper, auf die einwirkende Gesamtkraft Null ist, verharrt im Zustand der
Ruhe oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit auf geradliniger Bahn
weiter.
2. Newtonsches Gesetz (Bewegungsgleichung)
Eine Masse m, auf die eine Gesamtkraft F~ (t) wirkt, erfährt eine Beschleunigung
~a(t) gemäss der Gleichung
F~ (t) = m · ~a(t).
Nach dem 2. Newtonschen Gesetz ist damit der weitere Verlauf der Bewegung des Massenpunktes vollständig bestimmt, wenn alle auf ihn wirkenden Kräfte bekannt sind. Die
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Differentialgleichungen
Pfeilesymbole auf F~ und ~a deuten an, dass man korrekterweise Kraft und Beschleunigung alsphysikalische Grössen zu betrachten hat, die eine Richtung und eine Stärke (auch
Länge oder Magnitud genannt) haben (sog. Vektoren).
Da dieser Begriff aber noch nicht behandelt wurde, so beschränken wir uns hier auf Bewegungen entlang einer Geraden, bei der die Kraft immer entlang dieser Geraden wirkt. In
diesem Falle kann man die Kraft und die Beschleunigung als übliche Variablen (sog. skalare Grössen) betrachten.
3. Newtonsches Gesetz (Reaktionsprinzip)
Die Kraftwirkungen zweier Körper aufeinander sind stets gleich gross und von
entgegengesetzter Richtung.
Das dritte Newtonsche Gesetz gibt eine Symmetrie an zwischen den zwei Kräften, die
zwischen zwei Körper wirken: auf beiden wirken Kräfte gleicher Stärke, nur in entgegengesetzter Richtung.
Der freie (d. h. ungebremste) Fall nahe der Erdoberfläche
In der Nähe der Erdoberfläche wirkt die Gravitationskraft auf einen (punktförmigen)
Körper der Masse m idealisiert (ohne Berücksichtigung der Luftreibung oder der Zunahme
der Anziehungskraft bei der Annäherung) konstant gleich
F = mg,
wobei g = 9.81 m/s2 die Erdbeschleunigung ist. Kraft und Beschleunigung sind dabei beide
senkrecht nach unten gerichtet. Daher ist die Beschleunigung a(t) konstant: a(t) = g.
Man erhält so eine sehr einfache Differentialgleichung
.
v(t) = g.
Daher muss die Geschwindigkeitsfunktions v(t) folgende Gestalt haben:
v(t) =
wobei:
Nun ist aber die Geschwindigkeitsfunktion v(t) die Ableitung der Positionsfunktion d(t),
wobei hier die Position d(t) als vertikaler Abstand zur Erdoberfläche, oder zu einem
Referenzpunkt ist. Es folgt daher
d(t) =
wobei:
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Differentialgleichungen
Der gebremste Fall nahe der Erdoberfläche
Wirbelfreie Bremsung
Bei kleinen Geschwindigkeiten in ziemlich zähen Medien produzieren sich in diesem keine
Wirbel und die Reibungskraft FR (t) ist ungefähr proportional zur Geschwindigkeit v(t),
aber dieser entgegengesetzt:
FR (t) = −λ · v(t).
Damit erhält man die Differentialgleichung
.
v(t) = g −
λ
· v(t),
m
die die wohlbekannte Form f ′ (x) = −γf (x) + δ hat. Dies ist eine Differentialgleichung
für die Geschwindigkeitsfunktion v(t). Um daraus die Positionsfunktion d(t) herzuleiten
.
muss man v(t) integrieren, da ja d(t) = v(t).
Bremsung mit Wirbeln
Bei höheren Geschwindigkeiten und weniger zähen Medien, wie zum Beispiel Luft, bilden
sich in diesem Wirbel, die die Reibungskraft erhöhen. Diese ist dann etwa proportional
zum Quadrat der Geschwindigkeit:
FR (t) = −λ · v(t)2 .
Damit erhält man die Differentialgleichung
.
v(t) = g −
λ
· v(t)2 .
m
Ob man die Reibungskraft proportional zur Geschwindigkeit oder proportional zu dessen
Quadrat oder gar noch eine kompliziertere Abhängigkeit annimmt, bestimmt man durch
Experimente.
Der freie Fall aus dem Weltall
Wird ein Objekt ausserhalb der Atmosphäre von der Erde angezogen und durchquert
dabei grosse Distanzen, so sollte der Abstand zur Erde nicht mehr vernachlässigt werden.
Dazu benutzt man das allgemeine Gravitationsgesetz von Newton. Für zwei Massenpunkte mit den Massen m und M ist die gegenseitige Anziehungskraft (nach dem dritten
Newtonschen Gesetz spüren beide Massepunkte dieselbe, aber entgegengesetzte Kraft)
proportional zu m, zu M und zu r(t)2 , also von der Stärke
|F (t)| = G
mM
,
r(t)2
3
wobei r(t) = die Positionsfunktion ist, und G = 6.67384 · 10−11 kgms2 die sog. universelle
Gravitationskonstante ist.
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Differentialgleichungen
Sind die Körper räumlich ausgedehnt, so ist dies im Allgemeinen nicht mehr richtig. Für
sphärische Körper mit homogener Dichte kann man jedoch rechnerisch nachweisen, dass
die Gravitationskraft ausserhalb genau gleich gross ist, wie wenn man im Schwerpunkt
der Kugel die ganze Masse konzentrierte.
Nimmt man M als Masse der Erde und m die Masse des frei fallenden Körpers, so erhält
man nach Newton folgende Gleichung:
m · a(t) = G
mM
,
r(t)2
und man erkennt, dass man die Masse m kürzen kann:
a(t) = G
M
.
r(t)2
Diese Gleichung ist unabhängig von m. Dies bedeutet, dass die Beschleunigung, die ein
Körper erhält, unabhängig von seiner Masse ist.
Man erhält so die Differentialgleichung
.
v(t) = G
M
,
r(t)2
die den Nachteil hat, dass zwei verschiedene Funktionen beteiligt sind. Nun ist aber v(t) =
.
r(t) und daher erhält man:
..r(t) = G M .
r(t)2
Dies ist eine Differentialgleichung zweiter Ordnung, da die höchste Ableitung der involvierten Funktion r(t) die zweite ist.
Senkrechter Fall in der Erdatmosphäre
Am 14. Oktober 2012 sprang Felix Baumgartner aus der Höhe von 39 km über der Erdoberfläche auf diese hinunter. Sein Fall wurde dabei von einer zunehmend dichteren Erdatmosphäre abgebremst. Die mathematische Modellierung seines Falls muss daher die zunehmende Gravitationskraft und die zunehmende Reibungskraft berücksichtigen.
mM
Die Gravitationskraft ist wie beim Fall im Vakuum gleich FG = G r(t)
2 , die Reibungskraft
FR hingegen ist proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit v(t)2 und zur Dichte ρ
der Luft. Die Dichte kann durch das Klima stark variieren. In einem vereinfachten Modell
(wobei angenommen wird, dass die Temperatur konstant ist) erhält man für die Dichte
einen exponentiellen Abfall:
h
ρ(h) = ρ(0) · e− 8.4 km ,
wobei h die Höhe über der Erdoberfläche ist. Da h = r − R, mit R = 6371 km dem
Erdradius, erhält man nun folgende Differentialgleichung
..r(t) = G M − kρ(0) e− r(t)−R
. 2
8.4 km r(t) ,
2
r(t)
wobei k eine Konstante ist. Die Anfangsbedingungen für Baumgartners Flug sind r(0) =
.
R + 39 km und r(0) = 0 km
s
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Zugehörige Unterlagen
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