Gabriella Kiss Unternehmen sollten gerichtsfest sein! Softwaregestütztes Compliance-Risiko-Management 1/2015 www.qz-online.de Qualitätsmanagement in Industrie und Dienstleistung Qualität und Zuverlässigkeit GEREIFT EFQM – ein Rückblick auf 25 Jahre Seiten 3, 15, 18 RISKANT Warum Risiken bei Lieferantenaudits ausgeblendet werden Seite 26 VERSTECKT Welche Kosten QS und QM bei der Software­ entwicklung bergen Seite 34 KOMBINIERT Wie Sie zwei Verfahren zu einer Messstrategie zusammenführen Seite 48 Risikomanagement geRichtsfeste oRganisation iso 9001: 2015 Organ der w w w. m a r t i n - m a n t z . d e Martin Mantz GmbH Hansaring 8 63843 Niedernberg GERMANY T +49-(0)6028 97919-0 F +49-(0)6028 97919-33 www.martin-mantz.de Sonderdruck Sonderdruck aus der Fachzeitschrift QZ Qualität und Zuverlässigkeit 3/2015 © Carl Hanser Verlag, München. 2015. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der photomechanischen und elektronischen Wiedergabe sowie der Übersetzung dieses Sonderdrucks, behält sich der Verlag vor. © Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden. SOFTWARE Compliance Management 2 S O F T W A R E G E S T Ü T Z T E S C O M PLI ANCE-RI SI KO -M ANAGEM ENT Jede unternehmerische Tätigkeit birgt Risiken, die von möglichen Störungen und fehlerhaftem menschlichen Handeln ausgehen. Das Vorbeugen solcher Risiken gehört zu den Aufgaben der Unternehmensleitung und ihrer Führungskräfte. Ein weltweiter Kunststoffverarbeiter minimiert die Risiken mit einem Compliance-Management-System der Martin Mantz GmbH. Im Rahmen ihrer Organisationsverantwortung obliegt es der Unternehmensleitung und den Führungskräften, ein Risiko- und Compliance-Management aufzu- bauen und wirksam zu betreiben. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, der durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) für Aktiengesellschaften in § 91 Absatz 2 (AktG) verankert wurde und für alle Unternehmen gilt. Darin heißt es: „Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“ Um dieser Verpflichtung nachzukommen, verabschiedete der Geschäftsbereich Hochleistungs-Kunstststoffe der Röchling Gruppe eine Risiko- und Compliance-Politik. Diese verpflichtet zur Einhaltung aller internen und externen Vorschriften (Compliance). Mit weltweit zwanzig Standorten hat der Geschäftsbereich eine international führende Stellung bei der Herstellung und Zerspanung von Kunststoffen für nahezu alle Bereiche der Investi­ tionsgüterindustrie. Als Konsequenz aus dieser Unternehmenspolitik sollte ein Compliance- und Risiko-Management-System eingeführt werden, das auch dem IdW-Standard PS 980 standhält. Mit diesem Standard vergleichbar ist die vor der Verabschie- © Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 60 (2015) 3 © Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden. Foto: Fotolia © psdesign1 Unternehmen sollten gerichtsfest sein! Compliance Management SOFTWARE 3 dung stehende ISO 19600. Und auch die überarbeitete ISO 9001:2015 fordert ein Risiko-Management-System für Unternehmen. Für die Organisation und Schulung der Compliance ist bei Röchling die Stabsstelle Organisationsentwicklung verantwortlich. Dabei ist zwischen der internen und der externen Compliance zu unterscheiden. Die externe Compliance berücksichtigt die Einhaltung externer Vorschriften, insbesondere der rechtlichen Vorschriften, während die interne Compliance die Einhaltung unternehmensinterner Regeln steuert. Corporate Compliance muss organisiert werden Nach ausführlicher interner Diskussion und Abwägung aller Vor- und Nachteile entschied sich die Führung von Röchling dafür, zur Abbildung der ComplianceAnforderungen externe Fachkompetenz in Anspruch zu nehmen. Für das Com­ pliance-Team von Röchling war es wegen der Fülle an rechtlichen und internen Vorschriften eine zwingende Voraussetzung, dass der externe Dienstleister neben der rechtlichen Expertise und Aktualisierung der Gesetze (Rechtskataster) auch ein geeignetes Compliance-Management-System (CMS) liefern konnte. Für das Auswahlverfahren erstellte die Projektgruppe Compliance daher einen Kriterienkatalog, anhand dessen die am Markt verfügbaren Compliance Management Systeme klassifiziert und bewertet wurden (Bild 1). Besuche und Rückfragen bei Referenzkunden von ähnlicher Größe und Komplexität rundeten das Auswahlverfahren ab. Man entschied sich für die Martin Mantz GmbH, die auf mehr als fünfzehn Jahre Erfahrung in der Betreuung von Industriekunden mit über 500 nationalen und internationalen Standorten zurückblickt. Kriterium 1: Implementierung gesetz­ licher Pflichten Wesentliches Kriterium für die Auswahl des richtigen Partners ist die vollständige Implementierung gesetzlicher Richtlinien Programm ist manipulationssicher 9 8 Verantwortung für Richtigkeit gesetzlicher Richtlinien 7 6 5 Möglichkeit Implementierung interner Richtlinien 4 Speicherort auf eigenem Server 3 2 1 0 Meldesystem über Fälligkeit von Pflichten © QZ – Qualität und Zuverlässigkeit Akzeptanz der Anwender Reportingfunktion über Rechtsstatus Einfache Handhabung der Oberfläche Übersichtliche, webbasierte Oberfläche GEORG Compilance Manager® Bild 1. Beispiel für einen Kriterienkatalog zur Auswahl eines Compliance-ManagementSystems (CMS) Jahrgang 60 (2015) 3 Rechtsbereiche rechtliche Pflichten Arbeitssicherheit und Umweltschutz 600 Außenwirtschafts- und Zollrecht 100 Datenschutzrecht 30 Energie 110 Bestechung 55 Medizinprodukterecht 130 Produktrecht 65 Wettbewerbs- und Kartellrecht 60 Bild 2. Rechtliche Pflichten erwachsen aus den unterschiedlichen Rechtsbereichen (hier ein Beispiel aus der Kunststoffverarbeitung bei Röchling). Übernahme der Analyse, Ermittlung und Aktualisierung aller aktuell auf Röchling zutreffenden Pflichten aus dem Recht (externe Compliance). Der Bereich „Recht“ umfasst alle gesetzlichen Regelungen des internationalen Rechts bis hin zum Kommunalrecht und behördlichen Ver­ waltungsakten (Genehmigungsbescheide etc.) sowie technischen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften. Zu den externen Vorschriften zählen auch die ­ Vorschriften, denen sich das Unternehmen „freiwillig“ unterwirft. Dazu zählen die ISO-Normen zu Managementsystemen, Branchenstandards wie Corporate Governance Kodex oder AGB (insbesondere aus der Automobilindustrie). Kriterium 2: Verantwortung für Rich­ tigkeit und Anwendbarkeit rechtlicher Vorschriften Grundsätzliches Ziel eines Outsourcings ist die Entlastung der internen Organisation – so geschehen auch im Fall Externes Recht bei Röchling. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der externe Dienstleister die Verantwortung für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Anwendbarkeit der rechtlichen Pflichten übernimmt. Weitere Voraussetzung ist, dass die Mitarbeiter nicht mit rechtlichen Pflichten überfordert werden. Insofern sollen in der Praxis auch nur die Rechtspflichten zugewiesen werden, die tatsächlich erforderlich sind. Aus diesem Grund führte das Kompetenzteam von Mantz, bestehend aus Juristen und Ingenieuren, an den größeren Standorten von Röchling eine Bestandsaufnahme vor Ort durch. Dieses Legal Compliance Audit beinhaltete eine intensive Analyse der Dokumente und eine ausführliche Betriebsbegehung. Die Auswertung des Audits ergab im Fall des Kunststoffverarbeiters, dass zum Zeit- www.qz-online.de © Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden. Compliance Management SOFTWARE 4 Mitarbeiter über die Fälligkeit von Pflichten und Prüfungen rechtzeitig und umfassend informiert. In der Softwarelösung Georg Compliance Manager erfolgt dies über eine E-Mail-Funktion, die den zuständigen Mitarbeiter zeitnah über eine anstehende oder bereits fällige Pflicht informiert. Eine Übersicht über Pflichten und Aufgaben liefert das ComplianceManagement-System mittels einer dreistufigen Ampelfunktion: WW Rot: Eine Pflicht bzw. Aufgabe ist nicht erfüllt. Es können ernsthafte (Haftungs-)Probleme entstehen, die mög­ licherweise eine Eskalation zur nächsten Verantwortungsstufe erforderlich machen. WW Gelb: Dem Mitarbeiter ist es möglich, eine Vorwarnfrist einzustellen. Gelb zeigt den Start der Vorwarnfrist an. WW Grün: Die Pflicht bzw. Aufgabe ist als erfüllt gemeldet. Die Ampelfarbe wird entweder durch einen Verantwortlichen manuell oder ­ durch das Compliance-Tool automatisch gesetzt. punkt des Audits über tausend rechtliche Pflichten aus verschiedenen Rechtsgebieten zu beachten sind (Bild 2). Die Ermittlung der externen, insbesondere der rechtlichen Pflichten stellt bei Röchling allerdings nur die Basis des Compliance-Management-Systems dar. Kriterium 3: Mögliche Implementierung einer Corporate Compliance Das CMS soll die internen Pflichten (interne oder Corporate Compliance) gleichfalls verwalten können. Denn aus Sicht der Mitarbeiter macht es keinen großen Unterschied, ob es sich bei einer Pflicht um die Umsetzung einer externen oder einer internen Vorschrift handelt. Die interne Compliance ergibt sich aus der internen Dokumentation (Verfahrens- und Prozessbeschreibungen, ISO- Handbuch etc.) und sonstigen Festlegungen. Je nach Rechtsgebiet, Größe und Tätigkeit eines Unternehmens unterscheidet sich der zahlenmäßige Anteil der internen und externen Vorgaben und Gesetze. So enthält das Datenschutzrecht eine Vielzahl gesetzlich festgelegter Pflichten und Definitionen. Wie der Datenschutz innerbetrieblich umgesetzt wird, ist wiederum im Innenrecht geregelt. In der betrieblichen Praxis vermischen sich interne und externe Compliance-Vorschriften (Bild 3). Kriterium 5: Übersichtliche, webbasierte Oberfläche Bei der Einführung der Software war es für Röchling sehr wichtig, eine moderne, intuitiv bedienbare und leicht erlernbare (idealerweise auch webbasierte) Oberfläche einzusetzen. Weitere Kriterien der Übersichtlichkeit waren: WW organisatorische Zuordnung (Organigramm), Kriterium 4: Meldesystem über Fälligkeit von Pflichten Röchling erwartet von seinem Compliance-Management-System, dass es die WW Verknüpfung zu Rechtsquellen (Rechtskataster), WW Mehrsprachigkeit der Bedieneroberfläche (globale Anwendung), WW Aufgaben, Gesetze und Pflichten in der jeweiligen Landessprache. Das Compliance-Management-System sollte im Intranet unternehmensweit zur Verfügung stehen. Denn die ComplianceSoftware dient nicht nur der Information über aktuelle rechtliche und interne Aufgaben, Rechtsstatus und Zuständigkeiten. Durch die zentrale Datenbank werden auch einzelne Standorte regional und überregional vergleichbar und zentral steuerbar. Kriterium 6: Einfache Handhabung der Oberfläche Eine zentrale Forderung des RöchlingAnforderungskatalogs war eine einfache Handhabung der Compliance-Software. Denn die Bedienerfreundlichkeit fördert die Akzeptanz und reduziert den Schulungsaufwand. Damit war dieses Krite­ rium entscheidend für den Einführungserfolg und die tägliche Arbeit in der ­Praxis. Des Weiteren sollte die Oberfläche den unterschiedlichen Wünschen der Mitarbeiter entgegenkommen und individuelle Einstellungen und Anpassungen ermöglichen. Kriterium 7: Reportfunktion über den Rechtsstatus Die Angabe des aktuellen Rechtsstatus ist für die Rechtssicherheit der Geschäftsfüh- Arbeitssicherheit & Umweltschutz Außenwirtschaftsund Zollrecht Datenschutzrecht Energie Bestechung Medizinprodukterecht Produkterecht Wettbewerbs- und Kartellrecht 0% Jahrgang 60 (2015) 3 10% 20% Interne Aufgaben 30% 40% rechtliche Pflichten 50% 60% 70% 80% 90% 100% www.qz-online.de © Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden. © QZ – Qualität und Zuverlässigkeit Bild 3. Anteil externer und interner Pflichten bzw. Aufgaben bei der Röchling-Kunststoffverarbeitung SOFTWARE Compliance Management 5 Kontakt zum Anbieter Martin Mantz GmbH Compliance Solutions Gabriella Kiss Leiterin Marketing & Recht T 06028 97919-36 [email protected] Kontakt zum Anwender Röchling Engineering Plastics SE & Co. KG Andreas Paschke Leiter Organisationsentwicklung T 05934 701-380 andreas.paschke@ roechling-plastics.com QZ-Archiv Diesen Beitrag finden Sie online: www.qz-online.de/994913 rung, von Führungskräften und Mitarbeitern mit Leitungsfunktion äußerst wichtig. Der Rechtsstatus gibt Auskunft über aktuelle Risiken und daraus folgend über: WW einen möglichen Handlungsbedarf, WW die Abwesenheit von zuständigen Mitarbeitern und WW einen möglichen Schulungsbedarf. Die Auswertung des Rechtsstatus schützt die verantwortlichen Mitarbeiter vor einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme. Sie können im Haftungsfall nachweisen, ­ihren Kontrollpflichten nachgekommen zu sein. Kriterium 8: Akzeptanz der Anwender Das Compliance-Management-System ist mehr als ein Informationssystem. Es soll die rechtlichen Pflichten in allgemein verständlicher Form enthalten. Die Pflichten sind einzelnen Personen beziehungsweise Funktionen eindeutig zugeordnet und gleichzeitig Bestandteil der Delegation, also der Übertragung von Unternehmerpflichten. Die Mitarbeiter erwarten vom System eine Hilfestellung und Entlastung bei ­ihrer täglichen Arbeit. Die Hilfestellung liegt im Transfer des komplizierten Rechts in Aufgaben der betrieblichen Praxis. Ein Lesen der rechtlichen Vorschriften ist nicht mehr erforderlich, da gültiges Recht bereits aufbereitet zur Verfügung gestellt wird. Die Akzeptanz der Anwender ist in hohem Maß von der Vollständigkeit und richtigen Anwendung des Rechts abhängig. Kriterium 9: Eigener Server oder CloudLösung? Aus Gründen des Datenschutzes (z. B. Betriebsgeheimnisse) kann das ComplianceManagement-System auf dem unternehmenseigenen Server installiert werden. Einige Unternehmen verzichten aus strategischen oder prinzipiellen Gründen auf die Nutzung eines externen Servers (Public Cloud). Unter der Berücksichtigung Jahrgang 60 (2015) 3 www.qz-online.de von IT-Sicherheitsaspekten sollte allerdings für kleinere Unternehmen auch eine gehostete Cloud-Lösung über den Anbieter möglich sein. Kriterium 10: Manipulationssicherheit Das Compliance-Management-System muss manipulationssicher sein. Die Software sollte innerhalb eines geschlossenen Systems folgende Vorschriften und Anforderungen für die elektronische Erzeugung und Speicherung von organisationsbezogenen Daten erfüllen: WW Benutzerverwaltung in User Groups durch den Administrator, WW Einsatz von Single Sign-on bei Nutzung eines eigenen Servers, WW Benutzer und Verwalter des CMS sind eindeutig identifizierbar und authentisch, WW nutzerbezogener Zugriffsschutz für einzelne Systemfunktionen, WW wesentliche Veränderungen werden über den Verlauf des Archivierungszeitraums langfristig dokumentiert, WW An- und Abmeldevorgänge und Veränderungen der Rohdaten werden mithilfe eines Audit Trails (Zeitstempel, Signatur und Art der Änderung an Electronic Records) manipulationssicher protokolliert, WW Möglichkeit, organisationsbezogene Daten im PDF- oder Excel-Format zu zeigen. Mit einem System, das all diese Anforderungen praxistauglich umsetzt, verliert Compliance seinen organisatorischen Schrecken und spart mittelfristig Kosten. Auch Synergien mit dem Qualitätsmanagement stellen sich ein, denn viele Anforderungen aus den ISO-Zertifizierungen (Rechtskataster, Handlungsanweisungen etc.) können ohne zusätzlichen Mehraufwand mit dem Compliance-System ­abgebildet werden. q Gabriella Kiss, Niedernberg © Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 60 (2015) 3 © Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden.