Klinik der Klasse IV, Teil 1

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Klinik der Klasse IV-Füllungen mit Komposit, Teil 1.
Version 1.1
© Markus Lenhard, Dr. med. dent.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors
Einleitung
Moderne Komposits ermöglichen heute eine naturgetreue Restauration von
Frontzahndefekten und eigen sich darüber hinaus zur Durchführung ästhetischer
Korrekturen wie z.B. dem Diastemaschluss. Insbesondere bei Klasse IVRestaurationen spielt die bei der Versorgung von Seitenzahnläsionen vordringliche
Problematik der Polymerisationsschrumpfung und der daraus resultierende
Schrumpfungsstress keine Rolle. Aufgrund des niedrigen C-Faktors von Klasse IVLäsionen (C < 1) kommt es bei der Polymerisation nicht zur Entwicklung eines
nennenswerten Schrumpfungstresses. Umso mehr steht bei Klasse IVRestaurationen die harmonische Integration des Füllungsmaterials in die umgebende
Zahnhartsubstanz im Vordergrund. Der erste Teil des Artikels befasst sich mit der
Farbwahl, den zu beachtenden morphologischen Eigenschaften der Zähne, der
Präparationstechnik und der Adhäsivtechnik bei Klasse-IV-Läsionen. Der zweite Teil
wird eine praxisgerechte, effiziente Schichttechnik vorstellen, bei der alle
ästhetischen Ansprüche berücksichtigt werden können, und zeigt die korrekte
Ausarbeitung der Restaurationen.
Teil 1. Farbwahl, Bestimmung der Zahncharakteristika, Präparation
und Adhäsivtechnik.
1. Farbwahl
Der erste Schritt in der Restauration von Klasse IV-Defekten besteht in der
Bestimmung der Farbe und Transluzenz. Dies muss unbedingt am noch feuchten
Zahn erfolgen. Das Trockenblasen mit dem Luftbläser oder Trockenlegen mit
Watterollen oder Kofferdam führt zu einem raschen Austrocknen der
Zahnhartsubstanz. Dabei wird der Zahn deutlich heller und opaker und gibt nicht die
natürliche Farbe und Transluzenz wieder. Die Rehydrierung der Zahnhartsubstanz
kann je nach Grad der Austrocknung bis zu zwei Stunden dauern. Dies hat zur
Konsequenz, dass bei der abschließenden Beurteilung eine Restauration bei
korrekter Farbwiedergabe die Füllung im Vergleich zur Zahnhartsubstanz zunächst
zu dunkel und zu transluzent wirken muss (Abb. 1. + Abb. 2).
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Abb. 1. Restauration der Schneidekante an
Zahn 21 direkt nach Abnahme des
Kofferdams. An Zahn 11 ist die Grenze des
zuvor anliegenden Kofferdams gut zu
erkennen. Der grüne Pfeil markiert die
feuchte Zahnhartsubstanz, der rote Pfeil die
ausgetrockneten Areale, der blaue Pfeil die
Restauration.
Abb. 2. Gleicher Fall wie in Abbildung 1,
jedoch 2 Stunden postoperativ.
Um der unterschiedlichen Transluzenz von Dentin und Schmelz gerecht zu werden,
bieten moderne Frontzahnkomposits transluzente Schmelzmassen und opake
Dentinmassen an. Zusätzlich braucht es zur perfekten Restauration so genannte
Effekt- oder Spezialmassen, um speziell im Bereich der Schneidekanten das
Erscheinungsbild des Zahnes individuell anzupassen.
Bestimmung der Dentinfarbe
Es hat sich bewährt, die Dentinfarbe grundsätzlich im zervikalen Drittel des
Eckzahnes zu bestimmen, auch wenn Restaurationen an anderen Zähnen
durchgeführt werden.
Im zervikalen Drittel der Eckzähne ist der Schmelz dünner als an allen anderen
Zähnen und erlaubt damit eine weitgehend durch den Schmelz unbeeinflusste
Ermittlung der Dentinfarbe.
Bestimmung der Schmelzfarbe
Die Schmelzfarbe wird im inzisalen Drittel des zu restaurierenden Zahnes bestimmt.
Dabei wird die Schneide des Farbmusters an die Schneidekante des zu
restaurierenden Zahnes gehalten.
Bestimmung der Transluzenz
Um den Grad der Transluzenz des Zahnes und insbesondere des
Schneidekantenbereichs mit Komposit korrekt wiederzugeben, ist für den Behandler
ein gewisses Maß an Erfahrung mit dem von ihm verwendeten Komposit
unumgänglich. Die Transluzenz der Schmelz und Dentinmassen ist von Hersteller zu
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Hersteller unterschiedlich. Daher ist eine Adaptation der Schichttechnik bzw. der
Schichtdicken an das jeweilige Komposit erforderlich.
Opaleszenz
Insbesondere bei jugendlichen und jungen erwachsenen Patienten ist im Bereich der
Schneidekante eine Opaleszenz des Schmelzes zu erkennen (Abb. 3). Die Schneide
wirkt hier nicht neutral transluzent, sondern weist eine bläulich-transluzente
Farbwirkung auf. Um diesen Effekt wiederzugeben, bieten die Hersteller in der Regel
so genannte Opaleszenzmassen oder bläulich-transluzente Kompositfarben an (Abb.
4).
Abb. 3. Zustand nach Fraktur der distalen
Schneidekanten an Zahn 11 und 21.
Beachten Sie die deutlich opaleszenten
Bereiche in der natürlichen Schneide
(blauer Pfeil) und den Halo-Effekt (weißer
Pfeil).
Abb. 4. Zustand 14 Tage postoperativ nach
Restauration der distalen Kanten an Zahn
11 und 21. Opaleszente Bereiche und HaloEffekt sind in den Restaurationen
wiedergegeben.
2. Zahncharakteristika
Um ein natürliches Erscheinungsbild der Restauration zu erreichen, ist es wichtig, die
sichtbaren morphologischen Besonderheiten des betreffenden Zahnes
wiederzugeben. Neben den äußeren Dimensionen des Zahnes sind dabei
insbesondere Oberflächenstrukturen, Lage der Kantenlinien, Mammelons,
transluzente und opaleszente Schmelzbereiche und der Halo-Effekt zu beachten
(Abb. 5).
Die Kantenlinie (die Scheitellinie der Randleisten) nimmt dabei eine besondere
Stellung ein, da sie die Wahrnehmung der Zahnform beeinflusst. Liegt die
Kantenlinie weiter außen, wirkt der Zahn optisch breiter, liegt die Kantenlinie weiter
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innen, wirkt der Zahn optisch schmaler. Insbesondere bei großen Klasse-IVRestaurationen ist daher auf die korrekte Wiedergabe der Position der Kantenlinie zu
achten.
Vertikale
Rinnen
Kantenlinie
Abb. 5. Morphologische
Strukturen, die bei der
Restauration zu beachten
sind.
Mammelons
Transluzenter ggf.
opaleszenter
Schmelzbereich
Halo-Effekt
Nicht alle Merkmale sind immer gleichermaßen ausgeprägt und im Rahmen der
funktionellen Belastung kommt es zu einer Veränderung der Zahnmorphologie. Es
kommt zur Reduktion der vertikalen Dimension im Bereich der Scheidekante und zur
Ausbildung einer palatinalen Schlifffacette im Oberkiefer bzw. einer labilen
Schlifffacette im Unterkiefer. Dabei gehen Merkmale wie der Halo-Effekt, opaleszente
Schmelzbereiche und Mammelons mit der Zeit verloren. Durch Bürstenabrasion
kommt es zu einer Glättung der vestibulären Oberflächen, Randleisten und vertikale
Rinnen werden zunehmend eingeebnet. Gegebenenfalls bilden sich neue Merkmale,
wie z.B. vertikale Schmelzrisse (Abb. 6).
Abb. 6. Zähne eines 48-jährigen Patienten.
Die Zähne sind durch funktionelle
Belastung bis ins Dentin abradiert.
Entsprechend sind keine Mammelons mehr
erkennbar, die transluzenten Bereiche im
Bereich der Schneidekanten sind verloren
gegangen, die vestibulären Oberflächen
sind durch Bürstenabrasion geglättet und
vertikale Schmelzrisse haben sich gebildet.
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3. Präparation
Kavitätenränder im Schmelz
Zur Maskierung von Farb- und Transluzenzunterschieden zwischen
Zahnhartsubstanz und Füllungsmaterial muss im vestibulär sichtbaren Bereich eine
flache, ausgedehnte Anschrägung präpariert werden. Die Anschrägung sollte je nach
Situation eine Breite von 1 – 3 mm haben. Wichtig ist, dass alle inneren Kanten
abgerundet werden. Speziell bei transluzenten Schneiden empfiehlt sich die
Präparation einer konvexen Anschrägung (Abb. 7 und Abb. 8).
Abb. 7. Konvexe Abschrägung an Zahn 21.
Konvexe
Anschrägung
Horizontale
Präparation
Abb. 8. Präparationsschema im
Querschnitt: vestibulär wird aus
ästhetischen Gründen eine konvexe
Abschrägung präpariert, palatinal
bzw. lingual verläuft die Präparation
horizontal.
Diese Präparationsform erleichtert das Maskieren von Transluzenzunterschieden
zwischen Komposit und Zahnhartsubstanz. Zur Durchführung der Präparation einer
konvexen Anschrägung wird zunächst eine normale Anschrägung mit einem
Feinschliffdiamanten durchgeführt. Danach wird ein SofLex-Scheibchen von
vestibulär nach palatinal mehrfach über die Anschrägung geführt.
Palatinal bzw. lingual ist keine Anschrägung nötig. Um eine optimale Schmelzhaftung
zu erreichen, ist es erforderlich, quer zum Schmelzprismenverlauf zu präparieren
(Shimada et al. 2001, Oilo und Jorgensen 1997, Han et al.1992, Holan et al. 1997,
Opdam et al 1998). Es ist ein häufig gemachter Fehler, daraus die generelle
Präparation einer Randanschrägung abzuleiten. Vielmehr muss sich der
Präparationsverlauf an der Ausrichtung der Schmelzprismen orientieren. Da im
palatinalen bzw. lingualen Bereich (Abb. 8) der Prismenverlauf bereits inzisalwärts
gerichtet ist, führt hier eine horizontale oder maximal leicht zervikalwärts geneigte
Präparation zu optimalen Haftungsvoraussetzungen.
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Es wurde gezeigt, dass die Präparation von approximalen Randanschrägungen mit
rotierenden Instrumenten in 70-100% der Fälle zu einer Verletzung der
Nachbarzähne führt (Lussi 1995, Moopnar und Faulkner 1991, Qvist et al. 1992,
Lussi und Gygax 1998).
Daher empfiehlt sich hier die Verwendung oszillierender Instrumente (Abb. 9) (Hugo
und Stassinakis 1998, Krejci et al. 1998, Hugo 1999, Wicht et al. 2002).
Besonders geeignet sind dabei die SonicFlex Präparationsspitzen Nr. 31 und 32
(Micro, Große Halbkugel) sowie Nr. 58 und 59 (Micro, Bevel-Form).
Abb. 9. Oszillierende Präparation der
approximalen Randanschrägung mit dem
SonicFlex Micro Nr. 32 (Halbkugel).
4. Adhäsivtechnik
Self-etch-Adhäsive und darunter auch die so genannten All-in-one-Produkte erfreuen
sich zunehmender Beliebtheit. Bisher zeigen die Studien jedoch einheitlich, dass
eine optimale Schmelzhaftung bisher nur mit Phosphorsäureätzung zu erzielen ist
(Gaur et al. 2004, Gomes et al. 2004, Frankenberger und Tay 2005). Der Verlust der
Schmelzhaftung zieht in der Regel eine Randverfärbung nach sich und ist somit im
sichtbaren Bereich nicht tolerierbar. Für den Praktiker empfiehlt sich daher die
Verwendung herkömmlicher Etch-and-Rinse-Adhäsive (früher Total-etch-Adhäsive
genannt). Dabei sollte der Schmelz mindestens 30 s und das Dentin nicht länger als
10 s mit Phosphorsäure konditioniert werden.
Wer Self-etch-Adäsive einsetzen möchte, sollte auf jeden Fall von der Verwendung
von All-in-one-Adhäsiven absehen und ein Self-etch-Material verwenden, bei dem
Primer und Bonding in getrennten aufeinander folgenden Schritten appliziert werden
(Frankenberger und Tay 2005). Zusätzlich sollte vorab selektiv der Schmelz für 30 s
geätzt werden. Auf diese Weise lassen sich die Vorteile der Phosphorsäureätzung
auf Schmelz mit denen der Self-etch-Adhäsive auf Dentin, wie z.B. die geringe
Technikempfindlichkeit (Schulze et al 2002, Giachetti et al 2006) und geringe
postoperative Überempfindlichkeit (Unemori et al. 2004), verbinden.
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Abbildungslegenden
Abb. 1. Restauration der Schneidekante an Zahn 21 direkt nach Abnahme des
Kofferdams. An Zahn 11 ist die Grenze des zuvor anliegenden Kofferdams gut zu
erkennen. Der grüne Pfeil markiert die feuchte Zahnhartsubstanz, der rote Pfeil die
ausgetrockneten Areale, der blaue Pfeil die Restauration.
Abb. 2. Gleicher Fall wie in Abbildung 1, jedoch 2 Stunden postoperativ.
Abb. 3. Zustand nach Fraktur der distalen Schneidekanten an Zahn 11 und 21.
Beachten Sie die deutlich opaleszenten Bereiche in der natürlichen Schneide (blauer
Pfeil) und den Halo-Effekt (weißer Pfeil).
Abb. 4. Zustand 14 Tage postoperativ nach Restauration der distalen Kanten an
Zahn 11 und 21. Opaleszente Bereiche und Halo-Effekt sind in den Restaurationen
wiedergegeben.
Abb. 5. Morphologische Strukturen, die bei der Restauration zu beachten sind.
Abb. 6. Zähne eines 48-jährigen Patienten. Die Zähne sind durch funktionelle
Belastung bis ins Dentin abradiert. Entsprechend sind keine Mammelons mehr
erkennbar, die transluzenten Bereiche im Bereich der Schneidekanten sind verloren
gegangen, die vestibulären Oberflächen sind durch Bürstenabrasion geglättet und
vertikale Schmelzrisse haben sich gebildet.
Abb. 7. Konvexe Abschrägung an Zahn 21.
Abb. 8. Präparationsschema im Querschnitt: vestibulär wird aus ästhetischen
Gründen eine konvexe Abschrägung präpariert, palatinal bzw. lingual verläuft die
Präparation horizontal.
Abb. 9. Oszillierende Präparation der approximalen Randanschrägung mit dem
SonicFlex Micro Nr. 32 (Halbkugel).
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