Entwicklung der Politikwissenschaft als Disziplin Übersicht

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Entwicklung der Politikwissenschaft als Disziplin
Übersicht
USA
Gründungsdatum
Entstehungs
faktoren
School of Political Science
at Columbia University
(1880)
Anfänge durch Tagespolitik
geprägt, „Staatsbürgerbildung“, Tradition der polit.
Theorie, „Klassiker“
dominieren
1903: Gründung der
American Political Science
Association: eigenständige
wiss. Disziplin
epistemolog. Einfluss,
Verwissenschaftlichung,
Professionalisierung
Flowering of higher
education in the decades
following the Civil War
DEUTSCHLAND
1949: mit Unterstützung der
USA, Wissen und Standard
der PW in USA auf Rest der
Welt übertragen
westliche Alliierte: Ressourcen, Kontakte, institutionelle
Partnerschaften, Gastprofessuren, Fortbildung, etc.
Schwerpunkt: Politische
Bildung, Re-Education,
Stabilisierung des
demokratischen Konsens
•50er:Demokratiewissenschaft, geisteswissenschaftliche/staatsphilos. Tradition
•50er/60er: Triade und
Schulenbildung
„Akademisierung“,
ÖSTERREICH
1963 (IHS), 1965 (Lehrkanzel für Rechts- und
Staatsphilosophie und Politische Wissenschaft,
Salzburg), 1968 (Philosophie und Ideologiekritik,
Wien), 1969 (Interfakultäres Institut für PW,
Salzburg), 1971 (Einrichtung als Studienrichtung,
Salzburg und Wien)
„Informelle“ Re-Education:
Demokratisierung,
Modernisierung
Entwicklung der Politikwissenschaft als Disziplin
Übersicht
USA
Selbstverständnis und
Entwicklungsverlauf
1.
2.
3.
Ende 19. Jh.:
gouvernementale
Ausrichtung,
Perspektivenverschiebung in
Richtung Welt des
Informellen
Since 1920s: systematic generalisations, empirical
data, statistical
analyses (relationship polity to
society)
1920-40:
traditionale PW:
Parteien, Parlamente, Lobbyismus, Bürokratie:
deskriptiv, theorielos, mechanistisch; Bedingungen für lib.
Demokratie ?
DEUTSCHLAND
ÖSTERREICH
1.
1.
2.
3.
4.
Studentenbewegung,
Generationswechsel
kritische-emanzip.
PW, kritische
Theorie, marxist.
Orientier.;
Pluralisierung: Koexistenz m.
Behavioralismus,
Policy-Forschung u.
krit. Theorietraditionen
neuer Antisemitismus,
nationalist. Krawalle
Anfang 60er
Sozialkundelehreraus
-bildung: mehr Professuren
60er: institutionelle
Konsolidierung:
„heimliche“
Opposition zum
Behavioralismus
2.
Überwindung des
Juristenmonopols,
Verwissenschaftlichung: Behavioralismus,
Systemansatz,
Policy-Forschung
(IHS)
Nachwirken der
Studentenbeweg.:
Theoretisierung,
kritischemanzipatorische
Sicht (IHS)
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Selbstverständnis und
Entwicklungsverlauf
USA
DEUTSCHLAND
ÖSTERREICH
3. 40s to beginning of 70s:
behavioralism, more
scientific approach:
models from physical and
natural science; Herausforderung durch eingewanderte europ. Sozialwissenschafter
4. Since 70s: postbehavioralism: Zurückdrängen des behavioralism,
3. 70er: Dominanz der PolicyForschung, partielle
Internationalisierung
4. 80er: neue Issues durch
neue soziale Bewegungen:
Umwelt-, Friedens- und
Frauenforschung
Konsolidierung und Normalisierung
5. 1989: „Prognosedesaster“,
Ausweitung der PW auf
Ostdtschl.
1970-85: Professionalis.,
aktiv eingreifende PW,
sozialdemokratische und
-liberale Reformbewegung,
Studentenbewegung
Versäulte PW („Schulen“):
plurales Muster: pragmat.
Diversifikation nach
Arbeits-/Politikfeldern
3. Kompensation der
Forschungsdefizite zum
österreichischen politischen
System (IHS,
Universitäten), Ausweitung
der Fragestellungen auf
internationale und
vergleichende Politik (außeruniversitäre und universitäre
Forschung)
4. Einfluss der neuen
sozialen Bewegungen
(ökologische, Bauern-,
Frauenbewegung) (IHS,
Universitäten)
5. Konsolidierung und
Internationalisierung
5. Neue normative Fragen:
Vietnam War, civil rights,
student, women‘s and gay
movement: Caucus for a
New Political Science:
Women‘s, Gay and Black
Studies
6. Renaissance of political
theory
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Einige Namen
USA
DEUTSCHLAND
ÖSTERREICH
Charles E. Merriam, Seymour
Martin Lipset, Robert Dahl,
David Easton, Karl W.
Deutsch, Harold Lasswell,
Gabriel Almond, Sidney
Verba, Aaron Wildavsky,
Robert Lane, Charles
Lindblom, Theodore Lowi,
Hannah Arendt, Hans
Morgenthau, Heinz Eulau
Ernst Fraenkel, Arnold
Bergstraesser, Eric
Voegelin, Karl Loewenstein,
Ossip K. Flechtheim, Dolf
Sternberger, Theodor
Eschenburg, Wolfgang
Abendroth, Thomas Ellwein,
Wilhelm Hennis, Alexander
Schwan, Iring Fetscher,
Klaus von Beyme, gerhard
Lehmbruch, Wolf-Dieter
Narr, Frieder Naschold,
Manfred G. Schmidt,
Jürgen W. Falter, Elmar
Altvater, Ekkehart
Krippendorf, Hans-Dieter
Klingemann, Barbara
Riedmüller, Barbara
Holland-Cunz, Christiane
Lemke
Rene Maricic, Norbert
Leser, Klaus Faupel, Franz
Martin Schmölz, Franz
Horner, Herbert Dachs,
Volkmar Lauber, Anton
Pelinka, Werner Ernst,
Claudia von Werlhof,
Zdenek Mlynar, Fritz
Plasser, Heinrich Schneider,
Peter Gerlich, Helmut
Kramer, Hans-Georg
Heinrich, Charlotte Teuber,
Emmerich Talos, Karl
Ucakar, Sieglinde
Rosenberger, Eva Kreisky,
Herbert Gottweis, Franz
Traxler, Sonja PuntscherRiekmann
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USA
DEUTSCHLAND
ÖSTERREICH
Größenhinweise
(Institute,
Personal)
Taught and learned at many
hundreds of colleges and
universities (top positions in
comparative ranking since
1925: Harvard, Yale, Chicago,
Columbia, Berkeley, Princeton,
Michigan, Stanford)
Proportion of Women (1981):
Assistant Professors 20%,
Associate Professors 12%,
Full Professors 5%
ca. 300 Professuren (1990)
16 Professuren
Etwa 56 Universitätsstandorte
3 Universitätsstandorte:
Wien (4000 StudentInnen,
8 Professuren), Salzburg
(600, 4), Innsbruck (1000,
4)
Ausbildungsziel
1.
2.
1.
1.
To educate citizens
To prepare students
for careers in
government
2.
Ausbildung von
Studierenden
Politikberatung
2.
Wissenschaftliche
Berufsvorbildung
Heranbildung
wissenschaftl.
Nachwuchses
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USA
DEUTSCHLAND
ÖSTERREICH
AbsolventInnen
Production of Ph.D.s: 18801960: 3700, 1960-1970:
3836, 1970-1980: 8519
Occupational breakdown of
Ph.D.s (1970): Academics
76,9%, Business 1,8%,
Federal Government 5,4%,
Military 1,4%, State and
Local Government 3,5%
Proportion of Women
(1981): Bachelor: 37%,
Master: 28%, Ph.D.: 20%
Wien: ca. 120
AbsolventInnen pro
Studienjahr
Vereinigungen
American Political Science
Association (1903), Caucus
for a New Political Science
(CNPS) (1967)
Dt. Vereinigung für Polit.
Wiss. (DVPW) (1951)
Dt. Gesellschaft für Polit.
Wiss. (DGfP) (1983)
Österreichische
Gesellschaft für
Politikwissenschaft
(ÖGPW) (1970)
Zeitschriften
American Political Science
Review, American Journal
for Political Science (PS)
Politische
Vierteljahresschrift (PVS)
Österr. Zeitschrift für
Politikwissenschaft (ÖZP)
Politikwissenschaft
•
zu USA: Behavioralismus/Behaviorismus
•
Versuch PW in paradigmatischen (wissenschaftlichen) Status zu heben (nach Kuhn),
verbunden mit Begrifflichkeiten des Positivismus, logischen Empirismus, empirischanalytischer PW, wichtigste Strömung der US-amerikanischen PW, Vorbild ist
Methodologie der Naturwissenschaften (Chicago-Schule: Lasswell, Merriam)
beide Begriffe fokussieren auf menschliches Verhalten von Individuen, Verhalten gilt
als Information
•
•
•
Behaviorismus: psychologische Theorie menschlichen Verhaltens (Watson, Skinner)
Behavioralismus: Gesetzmäßigkeiten politischen Verhaltens, empirische Orientierung,
Quantifizierung, elaborierte Theorien (middle range theories, general theory:
Strukturfunktionalismus, Systemanalyse, wertfreie/wertneutrale Forschung)
•
Kontext: Nachkriegskonservativismus, Ideologie vom Ende der Ideologien, Kalter Krieg,
McCarthy: Terror gegen Liberale, Interesse an Gesellschaftsreformen und Kritik geht
verloren, Wertfreiheit auch Schutz der Wissenschafter
Politikwissenschaft
•
B. regiert von Mitte 50er bis Mitte 70er US-PW gemeinsam mit philosophischem
Positivismus: Wunsch nach wissenschaftlicher Anerkennung, Kontrolle der Wirklichkeit
und Vorhersagbarkeit, normative, ideengeschichtlice PW harmoniert nicht damit
•
positivistisch-behavioralistische Dominanz bewirkt Enttheoretisierung, gezielte
Abschottung von Geisteswissenschaften
•
Spuren des B. immer noch existent, besonders stark geprägt: empirische
Wahlforschung, anwendungsorientierte Forschung (Policy-Studien, Politikberatung)
•
Ziel der beh. PW: Erklärung, Prognose, Nachprüfbarkeit, Objektivität, Gesetzmäßigkeit
von sozialen und politischen Vorgängen vorausgesetzt, alle Erkenntnisse aus Erfahrung
abgeleitet: logischer Empirismus - alle Aussagen, die sich nicht auf
erfahrungswissenschaftliche oder mathematische Sätze zurückführen lassen, sind
unwissenschaftlich
Politikwissenschaft
•
Entwicklung der PW als Disziplin in Österreich
•
gekennzeichnet durch „Verspätung“, „doppelte Dependenz“ (USA/Dtschl.),
„Nischencharakter“ (Pelinka)
•
•
Komplexe Vorgeschichte:
Diskontinuitäten in sozialwiss. Tradition: Verfolgung, Vertreibung, Nicht-Anerkennung
als Schlüsselworte der Wissenschaftsgeschichte
Zensurtradition seit Französischer Revolution, Metternichs Polizeiregime: Universität im
Dienst des Staates, großer Einfluss der katholischen Kirche
autoritäre Regierungstraditionen
Tradition der politischen Verknüpfung von Antisemitismus und Anti-Intellektualismus
1. Politischer Bruch: Austro-, Klerikal-Faschismus
2. Bruch: Nationalsozialismus
3. Bruch: 1945ff.: Entnazifizierung unzureichend: Ö. sollte als Opfer dastehen,
Alliierte weniger engagiert, kein Engagement für Rückkehr jüdischer, linker,
sozialistischer Intellektueller
•
•
•
•
•
•
Politikwissenschaft
•
•
•
•
„befriedende“ Hochschulpolitik des katholisch-konservativen Teils der Großen Koalition,
struktureller Konservativismus, Provinzialisierung, Abkopplung von modernen
Entwicklungen
„Auslese der Verlässlichen“ (Kozlik): SPÖ-Mitgliedern oder weiter links Stehenden war
Karriere an Universität verschlossen
Studentenbewegung 1968
Normalisierung, Westeuropäisierung mit SPÖ-Alleinregierung ab 70: Liberalisierung und
Modernisierung der Wissenschaft: neue Studienrichtungen mit Sozialrelevanz,
universitäre Neugründungen und Weiterentwicklungen, soziale Öffnung und
Demokratisierung der Universitäten
•
trotz widriger Umstände beachtliche Ansätze, vor allem Wien der Zwischenkriegszeit,
PW international stimuliert, aber in Ö. ohne Wirkung, nicht mehr mit Ö. in Verbindung
gesetzt, als Teil der amerikanischen oder deutschen scientific community angesehen
•
Spätentwicklung und Kleinstaatlichkeit bewirkt geringen Internationalisierungsgrad,
Konzentration auf „geschützte Werkstatt“ österr. Regimelehre, Publikationen
hauptsächlich in österr. Organen und Verlagen (Pelinka)
Politikwissenschaft
•
Dimensionen der "späten" bzw. "mäßigen" Entwicklung der PW als akademische
Disziplin in Österreich (Faktorenbündel):
•
besondere politische Geschichte und Kultur (antidemokratische Kontinuitäten)
•
schwieriges intellektuelles Milieu und anti-diskursives Klima (Kontinuität des AntiIntellektualismus, Tradition von Vorurteilsstrukturen und
Minderheitenfeindlichkeiten)
•
automatische Gleichsetzung von Sozialwissenschaft mit Marxismus (Stigmatisierung
linker oder gesellschaftskritischer Positionen)
•
PW als ungeliebter Import aus Amerika (irrationale Angst vor "Überfremdung"); in
Wirklichkeit: Exportprodukt aus Europa
•
ausgeprägtes Juristenmonopol (in der Verwaltung und ganz besonders in der
Hochschulverwaltung) (wissenschafts- und kritikfeindliche affirmative
Gestaltungsmacht in Politik und Verwaltung)
Politikwissenschaft
• Kleinheit Österreichs und abhängige Position von institutionellen
Möglichkeiten der Großmächte der Wissenschaft (insbesondere Deutschland:
Tendenz zu mangelnder Unterscheidung zwischen österreichischem und
deutschem Denken) im internationalen Kontext der Wissenschaft
(wissenschaftliche Zentrum-Peripherie-Problematik, parakoloniale
Abhängigkeit, wissenschaftlicher Autismus der Großmächte)
• Abschottung durch anti-moderne "Westdistanz" Österreichs (bornierter
Provinzialismus)
• nur vorübergehende, kurze Öffnung für sozial- und politikwissenschaftlich
inspirierte Gesellschaftsreformen (naturwissenschaftlich-technische
Hegemonie im österreichischen Modernisierungsdiskurs, politisches Interesse
an Konservierung bestehender Politik- und Gesellschaftsstrukturen)
Politikwissenschaft
• Strukturelle Unterausstattung der Sozial- und Geisteswissenschaften
(materielle Armut)
• Fehlen einer kritischen Öffentlichkeit, die Druck erzeugt in Richtung Ausbau
und Stärkung der Politikwissenschaft (Fehlen effektiver Lobby-Strukturen)
Politikwissenschaft
•
Begriffe
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Behavioralismus/Behaviorismus
Positivismus/logischer Empirismus
Professionalisierung/Akademisierung/Konsolidierung/Internationalisierung der PW
Enttheoretisierung
versäulte PW
Paradigma/paradigmatischer Zustand (Kuhn)
middle range theories
general theory: Strukturfunktionalismus, Systemanalyse, Wertfreiheit/-neutralität
Österreich
– doppelte Dependenz/parakoloniale Abhängigkeit/Zentrum-Peripherie-Problematik
– Spätentwicklung
– Nischencharakter
– Kleinstaatlichkeit/Provinzialismus
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