Geld und Inflation: Eine Einführung Steffen Ahrens | Fakultät VII | Geldtheorie- und Geldpolitik WS2013/2014 Gliederung: 1.Wesen und Erscheinungsformen des Geldes 2.Geldmengenkonzepte 3.Geldangebot 4.Geldnachfrage 5.Inflation Seite 2 Dezentrales Logo optional 1.Wesen und Erscheinungsformen des Geldes Jarchow (2010a) – Kapitel I • Funktionen des Geldes • Eigenschaften des Geldes • Erscheinungsformen des Geldes Seite 3 Dezentrales Logo optional Funktionen des Geldes 3 Funktionen des Geldes bedingt durch die arbeitsteilige Welt: • Tauschmittelfunktion Vereinfachung des Tauschprozesses an sich • Recheneinheitsfunktion Vereinfachung des Preisvergleichs • Wertaufbewahrungsfunktion Zeitliches Auseinanderfallen von Kaufakt und Verkaufsakt → Je spezialisierter die Arbeitsteilung, desto wichtiger die Funktionen!!! Seite 4 Dezentrales Logo optional Tauschmittelfunktion Dient zur Verringerung der Transaktionskosten! Stellen wir uns einen Marktplatz vor. Person… A besitzt Gut 1 und will Gut 2, B besitzt Gut 2 und will Gut 3, C besitzt Gut 3 und will Gut 1. Notwendigkeiten für entstehen des Tauschgeschäfts: • entweder „doppelte Übereinstimmung der Bedürfnisse“ bzgl. Gut und Tauschmenge. (Teilbarkeit des Gutes?) • oder koordinierter Ringtausch • jede Menge vertrauen! Seite 5 Dezentrales Logo optional Recheneinheitsfunktion Dient zur Verringerung der Informationskosten! Stellen wir uns einen belebten Marktplatz mit 200 Händlern vor. • 200 Händler = 200 Güter • somit ergeben sich 19900 Austauschverhältnisse → • Gibt es nun ein „Numéraire“ (z.B. Gold), dann werden alle Austauschverhältnisse in Einheiten des Numéraire gemessen. somit ergeben sich 199 Austauschverhältnisse → −1 • Seite 6 Dezentrales Logo optional Wertaufbewahrungsfunktion Dient zur zeitlichen Trennung von Verkaufsakt und Kaufakt! • Tauschmittelfunktion bedingt zumindest kurzfristige Lagerfähigkeit des Geldes • Somit dient es zumindest einer kurzfristigen Wertaufbewahrung (Lagerung, bis entsprechender Bedarf sich einstellt.) • Je nach physischer Beschaffenheit bzw. Wertverlust pro Zeiteinheit kann Geld auch der mittel‐ und langfristigen Wertaufbewahrung dienen. Seite 7 Dezentrales Logo optional Zusammenhang zwischen Funktionen • Recheneinheit und Wertaufbewahrung ergeben sich unmittelbar aus der Tauschmittelfunktion. • Umgekehrt ist es leichter einen Handelspartner zu überzeugen, ein Gut in Zahlung zu nehmen, das wertbeständig ist. • Die Wertbeständigkeit spielt eine große Rolle bei der Durchsetzung einzelner Güter als Warengeld. Aber auch bei der Entscheidung, in welcher von verschiedenen Währungen Transaktionen abgeschlossen werden. Beispiele: Dollar oder Euro fungieren in vielen Ländern als inoffizielle Währung, weil die eigene Währung zu instabil ist bzw. ersetzen die eigene Währung. Euro: Montenegro, Kosovo (jeweils von der DM kommend) Dollar: Panama (hat noch eigene Währung), Ecuador (hat keine eigene Währung mehr) und El Salvador (eigene Währung auslaufend) Seite 8 Dezentrales Logo optional Eigenschaften von Geld • Homogenität Jeder 5€ Schein versus jede Kauri‐Muschel • Teilbarkeit 1€ = 100₵ • Haltbarkeit Metalle, Münzen und Geldscheine versus Weizen, Fisch und Vieh • Knappheit Auch kleine Einheiten haben großen wert • Nicht‐reproduzierbarkeit Prägen einer 1 € Münze versus Tabak anbauen oder Gold suchen? Seite 9 Dezentrales Logo optional Erscheinungsformen des Geldes Warengeld: Beispiele: Weizen, Salz, Muscheln, Fische, Häute, Metalle, Zigaretten usw. Welche Güter setzen sich als Tauschmittel durch? 1. Güter, die von Vielen als nützlich erachtet werden (intrinsischer Wert für denjenigen, der das Gut annimmt) 2. Güter, die relativ geringe Lagerhaltungs‐ und Transportkosten aufweisen. → Metalle setzten sich durch, da sie in hohem Maße die technischen Erfordernisse von Geld aufwiesen! Besonderheit: „vollwertige“ Münzen, dessen Wert durch Stoffwert gedeckt ist. Seite 10 Dezentrales Logo optional Erscheinungsformen des Geldes Kreditgeld: 1. Scheidemünzen Münze Stoffwert 1 Cent ca. 1 Cent • „Nicht‐vollwertige“ Münzen = Nennwert ist größer als Stoffwert 2 Cent 1 Cent • 1 Cent Münze ist die einzige nahezu „vollwertige“ Münze 5 Cent 2 Cent 10 Cent 2 Cent 20 Cent 3 Cent 50 Cent 4 Cent 1 Euro 10 Cent 2 Euro 13 Cent • Stellen ein gesetzliches Zahlungsmittel dar • Keine verpflichtende Annahme von Münzen über 50€ • Trotz EZB: „Münzregal“ verbleibt bei nationalen Regierungen jedoch: Abgabevolumen muss durch die EZB genehmigt werden • „Münzgewinn = Nennwert – Produktionswert“ geht in den nationalen Haushalt Seite 11 Dezentrales Logo optional Erscheinungsformen des Geldes Kreditgeld: 2. Noten • „Nicht‐vollwertige“ Noten = Nennwert ist größer als Stoffwert • Stellen ein gesetzliches Zahlungsmittel dar • Annahmepflicht für alle Wirtschaftseinheiten • • Bis 01.01.1999: Monopol zur Notenemission – BuBa Ab 01.01.1999: Monopol zur Notenemission – EZB + nationale ZB, wobei Emission nur durch EZB genehmigt werden kann! Seite 12 Note Stoffwert 5 Euro 7 Cent 10 Euro 9 Cent größer > 10 Euro max. 16 Cent Dezentrales Logo optional Erscheinungsformen des Geldes Kreditgeld: 3. Buch‐ oder Giralgeld • Verbriefte Forderung an Zentralbanken und Geschäftsbanken, • nicht oder nur relativ niedrig verzinslich sind, • können jedoch zu jeder Zeit („auf Sicht“) in Zahlungsmittel getauscht oder per Transer (Scheck, Überweisung) auf andere Wirtschaftssubjekte übertragen werden können. • geläufigste Begriffe: Sichteinlagen, Sichtforderungen, Sichtguthaben, täglich fällige Einlagen • Mittlerweile die meist verbreitete Erscheinungsform des Geldes Seite 13 Dezentrales Logo optional Erscheinungsformen des Geldes Kreditgeld: 4. Geldnahe Forderungen • befristete Einlagen bei den Geschäftsbanken: Umwandlung in Zahlungsmittel nach bestimmte Laufzeiten mit geringes Kursrisiko • Festgelder: ‐ z.B. Termineinlagen können nicht vor Beendigung einer vereinbarte Laufzeit in Zahlungsmittel umgewandelt werden • Kündigungsgelder: ‐ z.B. Termineinlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist ‐ z.B. Spareinlagen mit Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten können nur nach Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist in Zahlungsmittel umgewandelt werden • Erfüllen Wertaufbewahrungsfunktion aber nur sehr bedingt Tauschfunktion Seite 14 Dezentrales Logo optional Erscheinungsformen des Geldes Was zählen wir nun zum „Geld“? • Münzen, Noten und Sichteinlagen sind liquide oder sofort liquidierbar • Geldnahe Forderungen sind nur nach Ablauf bestimmter Fristen liquidierbar • → Im Folgenden verwenden wir den Begriff „Geld“ nur für: • • Münzen und Noten (Bargeld) Sichteinlagen bei der Zentralbank und den Geschäftsbanken (Giralgeld) → Somit entspricht unsere Definition von Geld der sogenannten Geldmenge M1! Seite 15 Dezentrales Logo optional 2. Geldmengenkonzepte Jarchow (2010a) – Kapitel I M1 = Bargeldumlauf (Banknoten und Münzen im Besitz von Nichtbanken) + täglich fällige Einlagen (Girokonten) von Nichtbanken. → höchste Liquidität: dient der Zahlungsmittelfunktion und temporären Wertaufbewahrungsfunktion Erklärung von: gesamtwirtschaftlicher Produktion, Beschäftigung, Preisniveau, Inflation, ... M2 = M1 + Einlagen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu 2 Jahren oder Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten. → mittlere Liquidität: dient zusätzlich der permanenten Wertaufbewahrung M3 = M2 + Verbindlichkeiten aus Wertpapierpensionsgeschäften + Schuldverschreibungen mit Laufzeit bis zu 2 Jahren + Geldmarktfondanteile und Geldmarktpapiere → niedrigste Liquidität: betont besonders stark die Wertaufbewahrungsfunktion Seite 16 Dezentrales Logo optional Geldmengenkonzepte EWU Quelle: Monetary developments in the euro area, August 2013, European Central Bank. http://www.ecb.europa.eu/press/pr/stats/md/html/index.en.html Seite 17 Dezentrales Logo optional Geldmengenkonzepte EWU 12000000,00 10000000,00 8000000,00 6000000,00 4000000,00 2000000,00 ,00 M1 M2 M3 Quelle: Eurostat, European Commission. http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/monetary_financial_statistics/data/database Seite 18 Dezentrales Logo optional Geldangebot und Geldnachfrage Geldschöpfungssektor: (3. Geldangebot) monetäre Finanzinstitute, die Einlagen entgegennehmen (Zentral‐ und Geschäftsbanken, sowie andere Finanzinstitute) Geldhaltungssektor: (4. Geldnachfrage) alle übrigen privaten und öffentlichen Haushalte unterhalb der Zentralregierung und Unternehmen (kurz „Nichtbanken“) Seite 19 Dezentrales Logo optional 3. Geldangebot Jarchow (2010a) – Kapitel I Jarchow (2010b) – Kapitel IV • Monetäre Basis • Offenmarktgeschäfte • Hauptrefinanzierungsfazilitäten: Mengen‐ und Zinstender • Ständige Fazilitäten • Mindestreserve • Geldschöpfung durch Geschäftsbanken Seite 20 Dezentrales Logo optional Monetäre Basis • Die Monetäre Basis bildet die Geldbasis, auf der alle weiteren Formen von Geldschöpfung beruht. • Definition: Banknoten, Münzen und Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank • Banknoten werden von der EZB festgelegt und den nationalen Zentralbanken gedruckt • Münzumlauf wird von der EZB festgelegt, aber Münzen werden von den Finanzbehörden der Nationalstaaten ausgegeben. • Einlagen der Geschäftsbanken werden durch Mindest‐ und Überschussreserve gebildet. • Aktuelle Monetäre Basis: Münzumlauf Banknotenumlauf Einlagen der GB Seite 21 24,0 Mrd. € 920,1 Mrd. € 514,5 Mrd. € (19.09.2013) (11.10.2013) (11.10.2013) Dezentrales Logo optional Banknotenumlauf 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 Jan 02 Jan 03 500 € Jan 04 Jan 05 200 € Jan 06 Jan 07 100 € Jan 08 50 € Jan 09 Jan 10 20 € Jan 11 10 € Jan 12 Jan 13 5 € Quelle: European Central Bank. http://www.ecb.europa.eu/stats/euro/circulation/html/index.en.html Seite 22 Dezentrales Logo optional Münzumlauf 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 Jan 02 Jan 03 2 € Jan 04 Jan 05 1 € Jan 06 Jan 07 50c 20c Jan 08 Jan 09 10c Jan 10 5c Jan 11 2c Jan 12 Jan 13 1c Quelle: European Central Bank. http://www.ecb.europa.eu/stats/euro/circulation/html/index.en.html Seite 23 Dezentrales Logo optional Konsolidierte EZB‐Bilanz Quelle: European Central Bank. http://www.ecb.europa.eu/press/pr/wfs/2013/html/fs131015.de.html Seite 24 Dezentrales Logo optional Geldangebot und die Zentralbank • Offenmarktgeschäfte ‐ Kauf/Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank auf Initiative der Zentralbank • Tenderverfahren ‐ Zeitlich befristete Bereitstellung von Liquidität für die Geschäftsbanken im Rahmen einer Auktion • Spitzenrefinanzierungsfazilität ‐ Geschäftsbanken leihen aus eigener Initiative Geld von der Zentralbank • Einlagefazilität ‐ Geschäftsbanken legen aus eigener Initiative Geld bei der Zentralbank an Seite 25 Dezentrales Logo optional Offenmarktgeschäfte Zentralbank Wertpapiere • 8 Geschäftsbank Banknoten 6 Wertpapiere 12 Mindestreserve 2 Mindestreserve 2 Bargeld 6 Einlagen 20 Beispiel: Die Zentralbank kauft 4 Mio. € an Wertpapieren von den Geschäftsbanken Zentralbank Wertpapiere 8+4=12 Banknoten Mindestreserve Geschäftsbank 6+4=10 2 Wertpapiere Mindestreserve Bargeld 12-4=8 Einlagen 2 6+4=10 • Was hat dies mit dem Geldangebot zu tun? • Unter Geldangebot verstehen wir die Bereitstellung von Geld (im Sinne von M1) durch den Geldschöpfungssektor Seite 26 Dezentrales Logo optional 20 Hauptrefinanzierungsgeschäft: Mengentender 1. Zentralbank gibt angebotene Geldmenge und Zinssatz an 2. Geschäftsbanken geben gewünschte Mengen an Geld an Fall 1: Geschäftsbanken wollen weniger oder gleich der angebotenen Menge zum angebotenen Zins → Geschäftsbanken bekommen die gewünschte Menge Fall 2: Geschäftsbanken wollen mehr als die angebotene Menge zum angebotenen Zins → Gebote werden proportional zur Nachfrage auf das Angebot rationiert • Probleme dieser Methode: • In der Regel traf Fall 2 zu • Anreiz für die GB höhere Gebote abzugeben, um einen höheren Anteil zu bekommen Seite 27 Dezentrales Logo optional Mengentender – Beispiel: Zentralbank legt Gesamtvolumen und Zinssatz fest: • Volumen: 25 Mio € • Zinssatz: 5,5% Bank A Bank B 15 Mio € 25 Mio € Die Gesamtnachfrage übersteigt das Angebot um das 1,6‐Fache → Fall 2 trifft zu! Verteilung auf die Banken ist somit wie folgt: • • Seite 28 Angebot / Nachfrage = 25 / 40 = 62,5% Alle Banken erhalten 62,5% der jeweils gewünschten Mengen. Bank A Bank B 9,4 Mio € 15,6 Mio € Dezentrales Logo optional Hauptrefinanzierungsgeschäft: Zinstender 1. Zentralbank legt das Gesamtvolumen und (in der Regel) einen Mindestbietungszins fest 2. Geschäftsbanken geben Gebote über Mengen und Zins an 3. Zentralbank bedient Angebote beginnend mit dem höchsten Zinssatz Fall 1: Geschäftsbanken wollen weniger oder gleich der angebotenen Menge zum angebotenen Zins → Geschäftsbanken bekommen die gewünschte Menge zu den gewünschten Zinssätzen Fall 2: Geschäftsbanken wollen mehr als die angebotene Menge → Gebote bei dem gerade noch akzeptierten (marginalen Zinssatz) werden repartiert Zuteilung erfolgt beim Zinstender nach dem „holländischen“ oder dem „amerikanischen“ Verfahren holländisch: alle Gebote werden einheitlich zum marginalen Zinssatz zugeteilt amerikanisch: alle Gebote werden zu den jeweiligen Bediensätzen zugeteilt Seite 29 Dezentrales Logo optional Zinstender – Beispiel: „amerikanisch“ Zentralbank legt Gesamtvolumen bei 25 Mio € fest. Bank A Bank B 10 Mio € zu 5,50% 5 Mio € zu 5,75% 5 Mio € zu 5,00% 10 Mio € zu 5,50% 5 Mio € zu 4,75% 5 Mio € zu 5,00% Die Gesamtnachfrage übersteigt das Angebot um das 1,6‐Fache → Fall 2 trifft zu! Der marginale Zinssatz ist 5,50%! Verteilung auf die Banken ist somit wie folgt: Bank A 10 Mio € zu 5,50% Bank B 5 Mio € zu 5,75% 10 Mio € zu 5,50% Seite 30 Dezentrales Logo optional Zinstender – Beispiel: „holländisch“ Zentralbank legt Gesamtvolumen bei 25 Mio € fest. Bank A Bank B 10 Mio € zu 5,50% 5 Mio € zu 5,75% 5 Mio € zu 5,00% 10 Mio € zu 5,50% 5 Mio € zu 4,75% 5 Mio € zu 5,00% Die Gesamtnachfrage übersteigt das Angebot um das 1,6‐Fache → Fall 2 trifft zu! Der marginale Zinssatz ist 5,50%! Verteilung auf die Banken ist somit wie folgt: Bank A 10 Mio € zu 5,50% Seite 31 Bank B 15 Mio € zu 5,50% Dezentrales Logo optional EZB Tenderverfahren • Mengentender mit variabler Zuteilung Bis zum 26. Juni 2000 Strategische Gebote (siehe Grafik) Gebote werden übertrieben, weil alle mit der Rationierung rechnen. Wer ihren Geldbedarf am meisten übertreibt, erhält im Verhältnis die meiste Liquidität. Reallokation durch Interbankenmarkt. • Zinstender nach amerikanischem Verfahren Vom 27. Juni 2000 bis zum 1. Oktober 2008 ZB legt Mindestbietungszinssatz und Menge fest. Marktnahe Lösung. Interbankenmarkt weniger bedeutsam. Interbankenzins durch Einlagen‐ und Spitzenrefinanzierungssatz beschränkt. • Mengentender mit voller Zuteilung Seit dem 2. Oktober 2008. Banken erhalten soviel Geld, wie sie wollen. Nach Zusammenbruch des Interbankenmarktes (Lehman‐Pleite 15.9.08) übernimmt die EZB die Rolle des Marktes. Banken versorgen sich (1x pro Woche) mit hinreichender Liquidität zum Hauptrefinanzierungssatz (0,5% – 1%) und parken überschüssige Liquidität über Nacht bei der EZB zum Einlagensatz (0,25%). Seite 32 Dezentrales Logo optional Bietungsaufkommen und Zuteilung im Jahr 2000 Quelle: Jahresbericht der Europäischen Zentralbank – 2000, European Central Bank. http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/annrep/ar2000de.pdf Seite 33 Dezentrales Logo optional Spitzenrefinanzierungs‐ und Einlagefazilität • Ständige Fazilitäten GB können nach Bedarf benötigtes Geld von ZB bekommen, bzw. nicht benötigtes Geld bei ZB anlegen. • Spitzenrefinanzierungsfazilität (Unbegrenztes) Zentralbankgeld für einen Geschäftstag → „über Nacht“ Zinssatz liegt oberhalb der Offenmarktgeschäfte • Einlagefazilität Geschäftsbanken legen aus eigener Initiative Geld bei der Zentralbank an Zinssatz liegt oberhalb der Offenmarktgeschäfte • Die zwei Fazilitäten bilden einen Zinskorridor Seite 34 Dezentrales Logo optional Interbankenzinssatz Banken leihen sich gegenseitig Geld zum Tagesgeldsatz. Dieser wird von ZB-Zinsen wesentlich beeinflusst. 4,5% Spitzenrefinanzierungssatz 4,0% 3,5% 3,0% Mindestbietungssatz 2,5% 2,0% 1,5% Tagesgeldsatz Einlagensatz 1,0% Hauptrefinanzierungssatz 0,5% 07.2002 Seite 35 10.2002 01.2003 04.2003 07.2003 Dezentrales Logo optional Leitzinsen: National 7,00 6,00 5,00 4,00 3,00 2,00 1,00 0,00 Spitzenrefinanzierungsfazilität Hauptrefinanzierungsgeschäfte Einlagefazilität Quelle: Statistical Data Warehouse, European Central Bank Seite 36 Dezentrales Logo optional Leitzinsen: International 7,00 6,00 5,00 4,00 3,00 2,00 1,00 0,00 Federal Reserve Bank European Central Bank Bank of England Bank of Japan Quelle: National Central Banks Seite 37 Dezentrales Logo optional Mindestreserve • Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank Hauptsächlich Einlagen auf Girokonten (Mindestreserve) Einlagefazilität (Überschussreserve) • Geschäftsbanken legen ein Teil der Depositen bei der ZB ein 2% (Mindestreservesatz) müssen sie hinterlegen, dürfen aber mehr über die Einlagefazilität • 3 gute Gründe: Liquiditätspuffer für die Geschäftsbanken im Fall von Störungen Automatischer Stabilisator im Fall von Störungen bzgl. des Geldangebots Geldpolitischer Aktionsparameter • Der Rest wird als Kredit weiter gegeben → Geldschöpfung durch Geschäftsbanken! Seite 38 Dezentrales Logo optional Geldschöpfung durch Geschäftsbanken • Zur Erinnerung: Unter Geldangebot verstehen wir die Bereitstellung von Geld (im Sinne von M1) durch den Geldschöpfungssektor • Geldschöpfung wird an den folgenden Beispielen verdeutlicht: (a) Einbankensystem mit ausschließlich bargeldlosem Zahlungsverkehr (b) Geld‐ und Kreditschöpfungspotential des Bankensystems Seite 39 Dezentrales Logo optional (a) Einbankensystem 1. Unternehmen geben Devisen im Wert von 1 Mio GE an die Banken und erhalten Sichteinlagen. Bank Devisen + 1 Mio Sichteinlagen + 1 Mio Nichtbank Devisen - 1 Mio Sichtguthaben + 1 Mio • Sichteinlagen steigen um 1 Mio GE → Geldmenge M1 steigt um 1 Mio GE! • Umgekehrt würde M1 um 1 Mio GE sinken, wenn Bank Devisen an Nichtbanken verkauft. Seite 40 Dezentrales Logo optional (a) Einbankensystem 2. Unternehmen verkaufen Staatsanleihen in Höhe von 2 Mio GE an die Bank und erhalten Sichteinlagen. Bank Staatsanleihen + 2 Mio Sichteinlagen + 2 Mio Nichtbank Staatsanleihen - 2 Mio Sichtguthaben + 2 Mio • Sichteinlagen steigen um 2 Mio GE → Geldmenge M1 steigt um 2 Mio GE! • Umgekehrt würde M1 um 2 Mio GE sinken, wenn Bank Staatsanleihen an Nichtbanken verkauft. Seite 41 Dezentrales Logo optional (a) Einbankensystem 3. Die Bank gewährt den Unternehmen einen Kredit in Höhe von 3 Mio GE in Form von Sichteinlagen. Bank Kredit + 3 Mio Sichteinlagen + 3 Mio Nichtbank Sichtguthaben + 3 Mio Verbindlichkeiten + 3 Mio • Sichteinlagen steigen um 3 Mio GE → Geldmenge M1 steigt um 3 Mio GE! • Umgekehrt würde M1 um 3 Mio GE sinken, wenn das Unternehmen den Kredit zurückbezahlt. Seite 42 Dezentrales Logo optional (a) Einbankensystem 4. Die Bank wandelt bei Ablauf der Frist längerfristige Termineinlagen mit 4 Mio GE in Sichteinlagen um. Bank Termineinlagen - 4 Mio Sichteinlagen + 4 Mio Nichtbank Terminguthaben - 4 Mio Sichtguthaben + 4 Mio • Sichteinlagen steigen um 4 Mio GE → Geldmenge M1 steigt um 4 Mio GE! • Umgekehrt würde M1 um 4 Mio GE sinken, wenn Bank Termineinlagen bekommt. Seite 43 Dezentrales Logo optional (a) Einbankensystem ‐ Zusammenfassung Folgerungen aus den Beispielen: • Beispiele 1‐4: Sichteinlagen steigen → Geldmenge M1 steigt → Geldschöpfung Sichteinlagen sinken → Geldmenge M1 sinkt → Geldvernichtung • Beispiele 1‐3: (Devisenankäufe, Ankäufe von Staatsanleihen, Gewährung von Krediten) Bank schafft Geld, indem sie nicht‐Zahlungsmittel darstellende Aktiva „monetisiert“ → Aktivgeschäft • Beispiel 4: (längerfristige Forderungen) Geld wird geschaffen, wenn Nichtbanken Forderungen, die keine inländischen Zahlungsmittel darstellen liquidieren. Nichtbanken verfügen über Positionen auf der Passivseite der Bank. → Passivgeschäft Seite 44 Dezentrales Logo optional Geld‐ und Kreditschöpfungspotential des Bankensystems • Betrachte Bankensektor mit ‐ einer Zentralbank ‐ 2 Geschäftsbanken (A und B) ‐ Nichtbanken • Nichtbanken halten Sichteinlagen bei Geschäftsbanken ‐ Annahme: sämtliche Kredite werden wieder im Bankensektor angelegt (bargeldloser Zahlungsverkehr) • Geschäftsbanken halten Zentralbankguthaben in Höhe der Mindestreserve ‐ Annahme im Beispiel: Mindestreserve k = 20% • Ausgangssituation: ‐ Nichtbanken verfügen über S = 40 Mio € Sichteinlagen bei Geschäftsbank A ‐ Davon muss Geschäftsbank A 20% als Mindestreserve bei der Zentralbank anlegen Seite 45 Dezentrales Logo optional Periode 0: Geschäftsbank A Mindestreserve 8 Überschussreserve Sichteinlagen Geschäftsbank B 40 32 Periode 1: Geschäftsbank A gewährt B einen Kredit in Höhe der Überschussreserven (32 Mio €) Geschäftsbank A Mindestreserve 8 Kredite Sichteinlagen Geschäftsbank B 40 32 Mindestreserve 6,4 Überschussreserve Sichteinlagen 32 25,6 Periode 2: Geschäftsbank B gewährt A einen Kredit in Höhe der Überschussreserven (25,6 Mio €) Geschäftsbank A Mindestreserve Kredite Überschussreserve Seite 46 13,12 32 Sichteinlagen Geschäftsbank B 65,6 Mindestreserve Kredite 6,4 Einlagen 25,6 20,48 Dezentrales Logo optional 32 Geld‐ und Kreditschöpfung des Bankensystems Periode DKredite Sichteinlagen Mindestreserve 0 ‐‐‐ 40 8 1 32 32 6,4 2 25,6 25,6 5,12 3 20,48 20,48 4,096 … … … … ¶ 0 0 0 Summe 160 200 40 • M1 = Summe der Sichteinlagen = 200 Mio. € • Monetäre Basis = Summe der Mindestreserve = 40 Mio. € • Geldschöpfungsmultiplikator = M1/Monetärer Basis = 5 Seite 47 Dezentrales Logo optional Geld‐ und Kreditschöpfung des Bankensystems Periode DKredite 0 Sichteinlagen Mindestreserve 0 1 1 1 1 2 1 1 1 3 1 1 1 … … … 1 1 … 1 • Geometrische Reihe: • M1 = / = 200 Mio € • Monetäre Basis = • Geldschöpfungsmultiplikator = / Seite 48 / = 40 Mio. € = 5 Dezentrales Logo optional Geld‐ und Kreditschöpfungspotential des Bankensystems • Wenn ein Anteil b jedes Kredits als Bergeld gehalten wird um Transaktionen abzuwickeln, wird nur ein Anteil (1‐b) wieder im GB‐Sektor angelegt. Der Geldschöpfungsmultiplikator wird entsprechend kleiner. Das gleiche gilt, wenn GB mehr als die Mindestreserve bei ZB hinterlegen. • Durch die Geldschöpfung der Privatbanken führt 1€ zusätzliches Bargeld zu mehr als 1€ Geldmenge M1 Ein Multiplikatorprozess • Seite 49 Dezentrales Logo optional 4. Geldnachfrage • Keynessche Liquiditätspräferenztheorie: • Transaktionskasse erwarteter Umsatz (+) Opportunitätskosten der Geldhaltung = Zins (‐) Transaktionskosten der Liquidierung von Wertpapieren (+) • Vorsichtskasse wie Transaktionskasse Risikoaversion (+) erwartete Volatilität des zukünftigen Liquiditätsbedarf (bei positiver Risikoaversion) • Spekulationskasse Opportunitätskosten der Geldhaltung = Zins (‐) Zinserwartungen (+) beruht darauf, dass bei Keynes Preise festverzinslicher Wertpapiere negativ vom Zins abhängig sind. Seite 50 Dezentrales Logo optional Gleichgewicht auf dem Geldmarkt • , , Geldnachfrage: 0 • Geldangebot: • Mengen bzw. Zinstender • Gleichgewicht: Seite 51 0 0 , , Dezentrales Logo optional 5. Inflation Quantitätsgleichung: nominale Geldmenge Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (wie häufig wird eine Geldeinheit in einer Periode genutzt) Presiniveau reales BIP Quantitätstheorie: Annahmen: = fixiertes Geldangebot, = konstante Umlaufgeschwindigkeit, = langfristig durch gegeben → Eine exogene Erhöhung der Geldmenge führt nur zu höheren Preisen Seite 52 Dezentrales Logo optional Geldmengenwachstum und Inflation Quantitätstheorie: Totales Differential: Wachstumsraten: → Annahmen: = konstante Umlaufgeschwindigkeit, = langfristig durch Beschäftigung gegeben → Eine exogene Erhöhung der Geldmenge führt nur zu höheren Preisen Seite 53 Dezentrales Logo optional Geldmengenwachstum und Inflation 6,00 4,00 2,00 2012M09 2011M01 2010M01 2009M01 2008M01 2007M01 2006M01 2005M01 2004M01 2003M01 2002M01 2001M01 ,00 M2 Corr -0.68 0.31 0.32 2012M09 2011M01 2010M01 2009M01 2008M01 2007M01 2006M01 2005M01 2004M01 2003M01 2002M01 2001M01 2000M01 8,00 Inflation 14,00 12,00 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 ,00 ‐2,00 1999M01 10,00 M1 4,00 3,500 3,00 2,500 2,00 1,500 1,00 ,500 ,00 Inflation 12,00 1999M01 2012M09 2011M01 2010M01 2009M01 2008M01 2007M01 2006M01 2005M01 2004M01 2003M01 2002M01 2001M01 2000M01 1999M01 Inflation 4,00 3,500 3,00 2,500 2,00 1,500 1,00 ,500 ,00 2000M01 16,00 14,00 12,00 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 ,00 4,00 3,500 3,00 2,500 2,00 1,500 1,00 ,500 ,00 M3 Quelle: Eurostat, European Commission. http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/monetary_financial_statistics/data/database Seite 54 Dezentrales Logo optional